Die schöne Fotografin: Der kleine Fürst 142 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
Nur scheinbar ist Fürst Leopolds Ehre gerettet.
Die gerissene Corinna Roeder hat immer noch einen Trumpf im Ärmel, den sie hemmungslos ausspielt.
Muss der kleine Fürst Christian nun doch an seinem Vater verzweifeln?
Der Junge war Caroline von Clemens längst aufgefallen. Sechzehn, siebzehn Jahre alt mochte er sein, hatte dichte braune Haare und forschende dunkle Augen. Er sah gut aus, fand sie, klug und sympathisch, seine Haut war leicht gebräunt. Gekleidet war er wie alle amerikanischen Teenager in Jeans und T-Shirt. Etwas unterschied ihn jedoch von anderen, wenn sie auch noch nicht hätte sagen können, was es war.
Er beobachtete sie hartnäckig, während sie an einem Tisch des asiatischen Restaurants, in dem sie ziemlich gut und preiswert gegessen hatte, Fotos begutachtete. Vor zwei Tagen war sie in dieser Kleinstadt in Georgia im Süden der USA angekommen. Sie reiste seit einem halben Jahr um die Welt, um Menschen in Trachten zu fotografieren, bevor diese endgültig verschwanden. Schon heute wurden sie ja nur noch zu ganz bestimmten Gelegenheiten getragen. Mittlerweile hatte sie Tausende von Bildern gemacht. Sie legte ihre Digitalkamera beiseite und hob den Kopf.
»Willst du dich nicht zu mir setzen und mir erzählen, warum du mich die ganze Zeit ansiehst?«, fragte sie den Jungen. Ihr Englisch war fast akzentfrei, seit Monaten war es ja nun die Sprache, in der sie sich meistens verständigte. Sie hatte wirklich viel gelernt.
Zu ihrer Überraschung antwortete der Junge auf Deutsch. »Du kommst aus Deutschland, das habe ich mir schon gedacht. Bist du Journalistin?« Ihre Aufforderung, sich an ihren Tisch zu
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Die schöne Fotografin - Viola Maybach
Der kleine Fürst –142–
Die schöne Fotografin
Caroline von Clemens trifft eine große Entscheidung
Viola Maybach
Nur scheinbar ist Fürst Leopolds Ehre gerettet.
Die gerissene Corinna Roeder hat immer noch einen Trumpf im Ärmel, den sie hemmungslos ausspielt.
Muss der kleine Fürst Christian nun doch an seinem Vater verzweifeln?
Der Junge war Caroline von Clemens längst aufgefallen. Sechzehn, siebzehn Jahre alt mochte er sein, hatte dichte braune Haare und forschende dunkle Augen. Er sah gut aus, fand sie, klug und sympathisch, seine Haut war leicht gebräunt. Gekleidet war er wie alle amerikanischen Teenager in Jeans und T-Shirt. Etwas unterschied ihn jedoch von anderen, wenn sie auch noch nicht hätte sagen können, was es war.
Er beobachtete sie hartnäckig, während sie an einem Tisch des asiatischen Restaurants, in dem sie ziemlich gut und preiswert gegessen hatte, Fotos begutachtete. Vor zwei Tagen war sie in dieser Kleinstadt in Georgia im Süden der USA angekommen. Sie reiste seit einem halben Jahr um die Welt, um Menschen in Trachten zu fotografieren, bevor diese endgültig verschwanden. Schon heute wurden sie ja nur noch zu ganz bestimmten Gelegenheiten getragen. Mittlerweile hatte sie Tausende von Bildern gemacht. Sie legte ihre Digitalkamera beiseite und hob den Kopf.
»Willst du dich nicht zu mir setzen und mir erzählen, warum du mich die ganze Zeit ansiehst?«, fragte sie den Jungen. Ihr Englisch war fast akzentfrei, seit Monaten war es ja nun die Sprache, in der sie sich meistens verständigte. Sie hatte wirklich viel gelernt.
Zu ihrer Überraschung antwortete der Junge auf Deutsch. »Du kommst aus Deutschland, das habe ich mir schon gedacht. Bist du Journalistin?« Ihre Aufforderung, sich an ihren Tisch zu setzen, schien er nicht gehört zu haben. Immerhin duzte er sie, das gefiel ihr.
Sie lachte. »Nein, um Himmels willen, das wäre nichts für mich. Ich bin Fotografin, ich bereite ein Buch über Trachten vor.« Sie war nicht ganz sicher, ob er wusste, was Trachten waren.
Während sie noch überlegte, ob sie traditionelle, landesübliche Kleidung hinzusetzen sollte, stellte er fest: »Dann hast du hier wahrscheinlich Indianer fotografiert.«
»Ja, das stimmt.« Sie hatte ihn also unterschätzt.
Nun stand er doch auf und kam zu ihr herüber. »Kann ich mal ein paar von den Fotos sehen?«
»Klar.«
Sie klickte eins an, auf das sie besonders stolz war. Es war noch in Deutschland entstanden und zeigte eine Frau in sorbischer Tracht – eine schöne alte Frau mit stolz erhobenem Kopf.
»Das ist eine Sorbin«, sagte der Junge. Im nächsten Augenblick wandte er sich dem Mann hinter der Theke zu und bat ihn in völlig akzentfreiem Englisch um eine Cola, die er sich gleich darauf selbst abholte.
»Woher weißt du so etwas?«, fragte Caroline, als er sich wieder gesetzt hatte. »Kein normaler Junge deines Alters hätte gewusst, dass das eine sorbische Tracht ist.«
»Ich bin eben kein normaler Junge«, antwortete er, und es klang nicht überheblich. Fast meinte sie sogar, eine Spur von Traurigkeit in seiner Stimme zu hören.
»Und du sprichst sehr gut Englisch.«
»Ich bin schon ziemlich lange hier, da lernt man das schnell«, erklärte er.
»Sind deine Eltern hierher ausgewandert?«, fragte sie.
»Nein, ich bin allein, ich gehe hier zur Schule, für ein Jahr.«
»Ach so. Und wie gefällt es dir?«
»Gut.« Dies sagte er mit großem Nachdruck.
»Ich heiße übrigens Caroline.«
»Sebastian.«
Er maß sie mit einem seltsam prüfenden Blick, den sie sich nicht erklären konnte. »Freut mich, dich kennenzulernen, Sebastian. Willst du noch mehr von meinen Fotos sehen?«
Er nickte und sie reichte ihm die Kamera. »Du kannst selbst weiterklicken«, sagte sie.
Er vertiefte sich in die Fotos, machte ab und zu eine Bemerkung, die erkennen ließ, dass er nicht nur die sorbische Tracht kannte und reichte ihr die Kamera schließlich zurück. »Gute Fotos«, bemerkte er. »Kannst du von deiner Arbeit leben?«
»Geht so«, antwortete sie ehrlich. »Für das Buch habe ich einen Vorschuss bekommen, sonst hätte ich die Reise nicht antreten können. Ich lebe sehr sparsam, so ein Essen wie heute, in einem Restaurant, leiste ich mir nicht oft. Wenn es geht, zelte ich, sonst gehe ich in Jugendherbergen oder billige Hotels. Ich habe außer dem kleinen Zelt auch einen Gaskocher im Rucksack, meistens verpflege ich mich selbst. Und wenn ich umsonst irgendwo mitfahren kann, mache ich das. Ich brauche nicht viel, wenn ich arbeite.«
»Wie lange brauchst du denn noch, bis du fertig bist?«
»Ich bin fast fertig«, erklärte sie lächelnd. »Ich will noch nach Mexiko für ein paar Tage, das ist dann meine letzte Station. Vorher will ich mir aber noch New Orleans ansehen, wenn mein Geldbeutel es zulässt.«
»In New Orleans war ich mit meiner Mutter, als sie zu Besuch hier war.« Wieder streifte sie dieser merkwürdig prüfende Blick.
»Deine Mutter hat dich hier besucht? Das war bestimmt schön – oder hat es dich aus deinem Leben hier herausgerissen?«
»Nein, es war schön.«
»Fühlst du dich einsam?«, fragte sie plötzlich. Sie wusste selbst nicht, woher diese Frage gekommen war.
»Wirke ich so?«
»Ja, du kommst mir ein bisschen traurig vor. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, weil ich selbst traurig bin. Das bin ich immer, wenn etwas zu Ende geht.«
»Du kannst doch wiederkommen.«
»Ja, natürlich, aber es wird irgendwann ein neues Projekt geben, und das führt mich in andere Gegenden der Welt. Ich habe etwas im Kopf …« Sie verstummte. Über ihre zukünftigen Projekte redete sie grundsätzlich nicht, da war sie abergläubisch.
»Wie lange reist du denn jetzt schon herum?«
»Schon länger als ein halbes Jahr.«
»Ach, deshalb«, murmelte er vor sich hin.
»Was meinst du damit?«
Er sah sie beinahe erschrocken an, bevor er hastig versicherte: »Nichts, überhaupt nichts.«
Er wich ihr aus, das spürte sie, aber das war natürlich sein gutes Recht. Sie kannten sich kaum, er musste ihr nichts erzählen, wenn er nicht wollte.
»Wie lange bleibst du noch hier?«, fragte er.
»Willst du dich mit mir verabreden und mir deine neue Heimat zeigen?« Sie fragte es mit einem Lächeln, denn ein Junge seines Alters konnte wohl kaum Interesse am Kontakt mit einer gut zehn Jahre älteren Frau haben. Bestimmt hatte er hier jede Menge Freundschaften mit Gleichaltrigen geschlossen.
»Ja, das würde ich gern tun«, antwortete er jedoch. »Es stimmt vielleicht, dass ich mich gerade ein bisschen einsam fühle. Ich habe einen Freund, er ist auch Deutscher und arbeitet hier als Ingenieur. Wir reden viel, aber er ist jetzt für eine Woche weg. Er fehlt mir.«
»Wenn er Ingenieur ist, muss er deutlich älter sein als du«, stellte Caroline fest. »So wie ich auch. Hast du denn keine Freunde in deinem Alter gefunden?«
»Nein«, antwortete er. »Gleichaltrige langweilen mich, und ich langweile sie. Wir kommen schon klar, ich habe keinen Stress mit ihnen, aber am besten läuft es, wenn wir nicht viel