Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Lavendelduft und Schaumbadkuss
Lavendelduft und Schaumbadkuss
Lavendelduft und Schaumbadkuss
eBook330 Seiten4 Stunden

Lavendelduft und Schaumbadkuss

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Marie ist für einen Moment unaufmerksam, da wird ihr das Portemonnaie an ihrem Marktstand geklaut. Zum Glück ist Finn gleich zur Stelle, verfolgt den Dieb und kann ihm das Diebesgut abjagen. Marie lädt ihn zum Dank auf eine Bratwurst ein, die beiden unterhalten sich eine Weile und gehen danach wieder getrennte Wege. Zufällig begegnen sie sich wieder und Marie stellt mit Entsetzen fest, dass Finn den Müll durchwühlt, um etwas zu essen zu finden, weil er obdachlos ist. Sie bietet ihm an mit in ihre Wohnung zu kommen, und da sie sich gut verstehen, bleibt Finn länger bei ihr. Kaum lebt Finn bei ihr, geht alles schief. Marie muss ihren Laden schließen. Außerdem findet Maries Freundin Betty etwas Wichtiges über Finn heraus. Er ist nicht der, für den er sich ausgibt, und hat Marie die ganze Zeit belogen. Sie fühlt sich betrogen und setzt Finn wieder auf die Straße, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Als Finns Hund Scooby Doo schwer erkrankt, bittet er Marie um Hilfe. Ist vielleicht doch alles ganz anders, als Marie denkt? Hat Finn die Wahrheit gesagt oder ist er am Ende für ihr Unglück verantwortlich?

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum4. März 2020
ISBN9783748730965
Lavendelduft und Schaumbadkuss

Mehr von Michelle Zerwas lesen

Ähnlich wie Lavendelduft und Schaumbadkuss

Ähnliche E-Books

Zeitgenössische Romantik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Lavendelduft und Schaumbadkuss

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Lavendelduft und Schaumbadkuss - Michelle Zerwas

    1. Kapitel

    Tiefe schwarze Dunkelheit hatte sich über die Stadt gesenkt, in einer bitterkalten Nacht im Dezember. Die Straßen waren verlassen, die Menschen hatten sich in ihre gemütlichen Wohnungen oder Häuser zurückgezogen, saßen vor dem Fernseher, aßen Weihnachtsplätzchen und tranken heißen Tee, wärmten sich in der  Badewanne auf, bedeckt von duftendem Schaum oder lagen bereits im Bett. Die wenigsten wussten dies zu schätzen, nahmen es als selbstverständlich hin und sehnten sich vielleicht nach immer mehr, nach noch mehr Glück und Wohlstand. Kaum jemand von ihnen machte sich Gedanken um die Menschen, die in einer bitterkalten Nacht wie dieser auf der Straße ums pure Überleben kämpften, weil sie im Leben alles verloren hatten. Viel zu oft waren solche Menschen scheinbar unsichtbar.

    Einer dieser unsichtbaren Menschen lief gerade durch die Innenstadt, dicht an seiner Seite ein mittelgroßer, zotteliger, grau-weißer Hund. Er hatte die Hände tief in den Jackentaschen vergraben, die Mütze so weit wie möglich ins Gesicht gezogen und zusätzlich zum Schal den Kragen der Jacke nach oben geschlagen. Trotzdem fror er erbärmlich, seine Zähne klapperten aufeinander und die eisige Winterkälte hatte sich längst in seinem ganzen Körper ausgebreitet. Er war sich nicht sicher, ob sie sich jemals wieder vertreiben ließ.

    Die Buden des Weihnachtsmarktes waren zu dieser späten Stunde geschlossen und nichts erinnerte gerade an die heimelige Atmosphäre, die die vielen bunten Buden, Weihnachtsmusik und glückliche, lachende Menschen mit sich brachten. So unterschiedlich konnten Tag und Nacht sein. Wenn er die Augen schloss, konnte er sich sogar einbilden die köstlichen Düfte wahrzunehmen, gegrillte Bratwurst, fettige Pommes, gebrannte Mandeln, Zuckerwatte, Lebkuchen, Glühwein, heiße Schokolade. Er sah die Leckereien vor sich, die unerreichbar für ihn waren, das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Rasch verscheuchte er die Bilder aus seinem Kopf. In seinem Magen herrschte gähnende Leere. Mit dem wenigen Geld, das ihm in den letzten Tagen aus Mitleid von gütigen Menschen zugesteckt worden war, hatte er die Tierarztrechnung bezahlt. Sein treuer Freund Scooby Doo hatte Bekanntschaft mit einer Glasscherbe gemacht. Keine große Sache eigentlich, aber eine Katastrophe, wenn man nichts mehr besaß. Er steuerte den ersten Mülleimer an, der beinahe überquoll, einzelne Verpackungen lagen bereits auf dem Boden rund herum. Es kostete ihn große Überwindung in den Abfall hineinzugreifen. Zu präsent waren noch die Erinnerungen in seinem Kopf an eine bessere Zeit in seinem Leben. Er verdrängte den Ekel und gab sich dem Unausweichlichen hin. Vorsichtig durchsuchte er den Müll. Das meiste waren leere Verpackungen. Als er resigniert aufgeben und zum nächsten Mülleimer weiter ziehen wollte, fand er ein angebissenes Brötchen mit einem Rest Bratwurst darin.

    Besser als nichts, dachte er. Das Stück Wurst reichte er Scooby Doo, der es mit einem Happs gierig verschlang. Er selbst begnügte sich mit dem trockenen Brötchen. Er nahm winzige Bissen und kaute sie lange, um seinem Magen eine größere Portion vorzuspielen. Scooby Doo sah mit bettelndem Blick zu ihm auf, der ihn mitten ins Herz traf. Er brach ein Stück vom Brötchen ab und teilte es auch noch mit Scooby Doo. Er war der einzige Freund, der ihm geblieben war, auf ihn konnte er sich verlassen, was er von seinen Mitmenschen ganz und gar nicht behaupten konnte.

    „Wir schaffen das schon, oder Kumpel", sprach er zu seinem Hund. Seine eigene Stimme erschreckte ihn, weil sie in der dunklen Einsamkeit viel zu laut klang.

    Noch immer waren die Straßen wie leergefegt. Es war froh darüber. Viel zu oft hatten ihn Betrunkene angepöbelt und es war kein schönes Gefühl gewesen. Meist passierte es am Wochenende, wenn die Leute sich mit Glühwein abschossen und danach keine Veranlassung sahen nach Hause zu gehen. Mitten in der Woche kam es seltener vor, weil am nächsten Tag auf viele die Arbeit wartete. Er dachte an seine eigene berufstätige Zeit zurück und spürte, wie sein Herz schwer wurde. Er hatte seinen Job geliebt, unermüdlich hatte er beinahe Tag und Nacht gearbeitet. Mit der Erinnerung kam auch der Groll zurück. Ein einziges Mal hatte er nicht so funktioniert, wie es von ihm erwartet wurde und ehe er sich versah, hatte man ihm einen Arschtritt verpasst. All die guten Jahre, in denen er sich für die Firma aufgeopfert und zahlreiche gute Deals an Land gezogen hatte, waren von einem Moment auf den anderen vergessen. Danach war es ganz schnell gegangen, der Abstieg glich einer einzigen Rutschpartie, während der Aufstieg nach ganz oben steinig und mühsam gewesen war. In wenigen Sekunden von ganz oben nach tief unten. Er hatte gekämpft und verloren und nun kämpfte er immer noch, hatte jedoch das Gefühl keinen Fuß mehr auf den Boden zu bekommen. Er schien in einem Hamsterrad gefangen zu sein, strampelnd, unermüdlich, aber er kam nicht von der Stelle, das Ziel unerreichbar weit weg, kein Ausweg in Sicht. Der Macht einiger Menschen aus seiner Vergangenheit, hatte er nichts entgegen zu setzen. Es reichte ihnen noch nicht, ihn ganz unten zu sehen, sie wollten mehr, wollten ihn zerstören, aber so lange er noch kämpfen konnte, wollte er es tun, für ein besseres Leben. Eines Tages konnte er sich für all das rächen, was ihm angetan wurde. Sie hatten ihn zu Fall gebracht und zugegeben, der Sturz war sehr tief gewesen, aber aufgeben war keine Option. Er war kein Versager, er war ein Kämpfer.

    Immer noch frierend, lief er weiter zum nächsten Mülleimer. Er musste überleben, um jeden Preis.

    Das Glück schien mit ihm zu sein, denn er fand einige Leckereien, eine nur zur Hälfte aufgegessene Currywurst, ein unberührtes Brötchen und ein angeknabbertes Lebkuchenherz. Mit dem Brötchen tupfte er die Curry Sauce von der Bratwurst und steckte Scooby Doo die Fleischstücke zu. Vom Lebkuchenherz brach er ein kleines Stück ab und verzehrte es zum Nachtisch. Den Rest steckte er in seine Jackentasche, um in Notzeiten darauf zurückzugreifen. Als er den Müll noch einmal gründlich durchsuchte, entdeckte er eine Tüte mit drei gebrannten Mandeln. Er steckte sie ebenfalls ein und lief weiter. Am nächsten Mülleimer hatte er weniger Glück. Er fand eine Portion Pommes, die leider durch Zigarettenasche ungenießbar geworden waren. Danach gab er die Suche für diesen Tag auf. Es war ein frustrierendes Unterfangen, demütigend und abstoßend, doch ihm blieb gerade keine andere Wahl, wenn er überleben wollte.

    Sein Weg führte aus der Innenstadt hinaus auf einen abgelegenen Spielplatz. Es kam selten jemand her, die wenigen Spielgeräte waren verwittert und morsch und fielen in sich zusammen, der ehemalige Sandkasten war kaum noch als solcher zu erkennen und die Ketten der Schaukel rosteten vor sich hin. Die weichen Gummimatten, die einen möglichen Sturz abfangen sollten und einen großen Teil des Bodens bedeckten, waren von Unkraut überwuchert. Zur Straße hin befand sich eine dichte Hecke, die ungehindert vor sich hin wucherte, eine Heckenschere hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Der Stadt fehlte das Geld, um die Pflege zu übernehmen, vielleicht war es aber auch einer dieser vergessenen Orte, die es in vielen Städten gab. Ihn störte es nicht. In der Hecke hatte er sich einen Schlafplatz eingerichtet, aus alten Kartons, Zeitungen, einem Schlafsack und einer Decke, viel mehr besaß er nicht mehr. Jeden Abend kehrte er dorthin zurück. Die dichte Hecke schützte ihn ein wenig vor der Witterung und er war vollständig vom Gestrüpp verborgen, sodass er vor Übergriffen halbwegs sicher war.

    Er kroch in seinen Unterschlupf und versuchte es sich so bequem wie möglich zu machen. Zusammen mit Scooby Doo wickelte er sich in den Schlafsack und die Decke ein. Sie versuchten, sich gegenseitig zu wärmen, damit die Kälte einigermaßen zu ertragen war. Es war nicht leicht im Winter auf der Straße, aber in eine Obdachlosenunterkunft konnte er nicht gehen, weil Scooby Doo in den Einrichtungen nicht erlaubt war und seinen Hund im Stich zu lassen kam für ihn nicht in Frage. Er war sein einziger und treuester Freund und Freunde ließ man nicht im Stich, ganz egal was auch passierte. Lieber fror er und verzichtete auf so manche kleine Annehmlichkeit, ehe er Scooby Doo seinem Schicksal überließ.

    Er schloss die Augen und versuchte die Kälte zu ignorieren, was nicht einfach war, weil seine Zähne immer noch klapperten, seine Füße fühlten sich trotz Socken und Schuhen an wie Eisklumpen. Es würde lange dauern, bis sie warm wurden, falls überhaupt. Scooby Doo döste bereits vor sich hin und schnaufte hin und wieder entspannt. Ihm machte die Kälte weniger aus, sein Fell schützte ihn. Er versuchte sich vorzustellen, er läge an einem warmen Sandstrand, die Sonne wärmte seinen Körper, fast konnte er das Meer riechen und die Wellen hören. Er war oft am Strand gewesen, in den besseren Zeiten, und hatte es immer als selbstverständlich hingenommen. Inzwischen war ihm klar, dass im Leben nichts selbstverständlich war.

    2. Kapitel

    „Haltet den Dieb! Er hat mein Geld!", dröhnte der Schrei einer Frau über den ganzen Weihnachtsmarkt. Es war heller Tag und nicht unbedingt die Zeit für Langfinger, die eher in der Dunkelheit auf Beutezug gingen, zumindest dachte man das immer. Zu dieser Tageszeit war der Weihnachtsmarkt noch nicht gut besucht, aber fast alle Leute wurden aufmerksam und sahen sich interessiert um. Die Sensationslust war geweckt, nur helfen wollte anscheinend niemand. Finn und Scooby Doo schlenderten gerade auch über den Weihnachtsmarkt. Die letzte Nacht hatte er überwiegend schlaflos verbracht, weil die Kälte ihm nicht gestattet hatte zur Ruhe zu kommen, doch dabei kamen ihm häufig die besten Ideen. Er wollte auf dem Weihnachtsmarkt seine Hilfe anbieten, gegen Bezahlung natürlich und als der Schrei ertönte, war er gerade auf direktem Wege unterwegs zur ersten Bude, an der er sein Glück versuchen wollte.

    Anders als seine Mitmenschen gaffte er nicht bloß blöd, wenn etwas passierte, sondern versuchte zu helfen. Eine Heldentat kam ihm gerade recht. Er erfasste die Situation sofort, hatte die schreiende Frau gleich ausgemacht und sah gerade noch wie eine schlanke, athletische Gestalt davon lief und immer wieder hakenschlagend den herumstehenden Menschen auswich. Finn zögerte keine Sekunde und nahm die Verfolgung auf. Sein letztes Training im Fitnessstudio lag zwar schon geraume Zeit zurück, aber er war immer fit gewesen und vielleicht zahlte sich das jetzt aus.

    Scooby Doo gefiel die Verfolgungsjagd. Er zog kräftig an der Leine, was sonst eher nicht seine Art war. Vermutlich hatte er die Witterung des Diebes längst aufgenommen. Einem plötzlichen inneren Impuls folgend, ließ er die Leine los. Scooby Doo schoss davon wie ein Pfeil. Offensichtlich war er ebenfalls ganz wild darauf den Dieb zu stellen und er hatte Glück. An der nächsten Ecke überholte er den Flüchtigen und stellte sich ihm in den Weg. Der Dieb setzte zum Sprung an, um über den Hund hinweg seine Flucht fortzusetzen, doch da hatte Finn ihn ebenfalls erreicht und packte ihn von hinten an der Kapuze seines Anoraks. Im selben Moment schnappte Scooby Doo sich eines seiner Hosenbeine. Der Dieb ging zu Boden, dabei rutschte ihm das geklaute Portemonnaie aus der Hand und segelte durch die Luft. Ehe es auf dem Boden aufkam, fing Scooby Doo es auf und hielt es sicher zwischen seinen Zähnen.

    Finn kämpfte unterdessen noch mit dem Dieb, sie rangelten miteinander. Der Verbrecher versuchte sich zu befreien, aber Finn hielt ihn eisern fest.

    „Alter, was soll das? Lass mich los!"

    „Ich denke nicht dran. Der Polizei werde ich dich übergeben."

    Wie aufs Stichwort näherte sich ein Polizist. Vielleicht war es Zufall oder einfach nur Glück oder er war für die Sicherheit auf dem Weihnachtsmarkt zuständig und hatte die Szene beobachtet.

    „Was ist hier los?", bellte er mit tiefer Stimme und baute sich breitbeinig vor den beiden Männern auf.

    „Er ist einfach auf mich losgegangen", log der Dieb dreist.

    „Das ist nicht wahr, verteidigte sich Finn. „Der Kerl hier hat auf dem Weihnachtsmarkt ein Portemonnaie mitgehen lassen. Ich hab´s zufällig mitbekommen und bin ihm nach.

    „Das stimmt nicht", versuchte der Dieb erneut einer Strafe zu entgehen.

    „Sie sind festgenommen, sprach der Polizist zu dem Dieb. „Die Beweislage ist wohl eindeutig, fügte er hinzu und deutete auf Scooby Doo, der noch immer das Portemonnaie im Maul hielt.

    Handschellen klickten und Finn konnte erleichtert aufatmen.

    „Gute Arbeit!", lobte ihn der Polizist.

    „Sie sollten über eine Ausbildung bei der Polizei nachdenken. Gute Leute können wir immer brauchen."

    „Danke, vielleicht im nächsten Leben, antwortete Finn. „Außerdem ist es auch vielmehr Scooby Doos Verdienst. Finn deutete auf seinen Hund, der nun freudig auf ihn zu lief, weil er seinen Namen gehört hatte.

    „Gibt er das Portemonnaie auch wieder her?", fragte der Polizist.

    „Ich denke schon. Finn beugte sich hinunter und hielt seinem Hund die Hand hin. „Scooby Doo, Aus! Gib mir die Beute!

    Behutsam legte Scooby Doo das Portemonnaie in die Hand seines Herrchens.

    „Er würde sich sicher als Polizeihund eignen."

    „Möglich, meinte Finn. Er wedelte mit dem Portemonnaie. „Was passiert jetzt damit, nehmen Sie es mit oder soll ich es zurückbringen?

    Zwei weitere Polizisten trafen ein und sorgten dafür, dass Finn länger auf die Antwort warten musste. Der Dieb wurde den beiden Beamten mit einigen knappen Anweisungen übergeben. Als sie gingen, wandte sich der Polizist wieder an Finn. „Ich begleite Sie zur Übergabe, ich muss sowieso zurück zum Weihnachtsmarkt."

    „Ich auch, sagte Finn. „Hab noch was zu erledigen.

    „Sehr gut, dann lassen Sie uns gehen."

    Es war ein merkwürdiges Gefühl neben einem Polizisten herzulaufen. Finn hatte bisher kaum mit der Polizei zu tun gehabt, außer bei der ein oder anderen Polizeikontrolle im Straßenverkehr, aber schließlich sagte er sich, waren Polizisten auch nur Menschen und wurden einem nicht gefährlich, solange man keinen Mist baute.

    Sie redeten kaum miteinander, tauschten sich lediglich über belanglose Dinge aus, sprachen über das Wetter und Weihnachten, ein typischer Smalltalk eben, von zwei Menschen, die sich gerade begegnet waren und zukünftig wieder getrennte Wege gingen.

    Kurz darauf erreichten sie den Stand mit der völlig aufgelösten Frau, die sich bereits damit abgefunden zu haben schien, ihr Portemonnaie nie wiederzusehen. Umso überraschter war sie, als Finn in Begleitung des Polizisten an ihrem Stand auftauchte.

    „Der junge Mann hier hat den Dieb Ihres Portemonnaies gestellt."

    Finn war es peinlich so im Mittelpunkt zu stehen, deshalb reichte er der jungen Frau schnell das Portemonnaie.

    Das Gesicht der Frau hellte sich sofort auf, ihr glückliches Strahlen wirkte beinahe ansteckend.

    „Vielen Dank. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll."

    Der Polizist räusperte sich. „Ich werde hier wohl nicht mehr gebraucht." Nach einem knappen Gruß, wandte er sich ab und verschwand in der Menschenmenge, die sich inzwischen eingefunden hatte.

    „Ach, das war doch selbstverständlich, spielte Finn seine Heldentat herunter. „Das hätte jeder gemacht.

    „Nein, ganz sicher nicht. Ich gebe zu, ich war unvorsichtig. Ich hatte das Portemonnaie aus Versehen gut sichtbar liegen lassen. Kein Wunder, dass so etwas passiert ist."

    „Seien Sie beim nächsten Mal einfach etwas vorsichtiger", sagte Finn mit einem Lächeln auf den Lippen.

    „Das wird mir ganz bestimmt nicht nochmal passieren."

    „Aus Fehlern lernt man", bemerkte Finn.

    „In der Tat. Sie öffnete ihr Portemonnaie, nahm einen 10 Euroschein heraus und reichte ihn Finn. „Sie haben sich einen Finderlohn verdient.

    „Das ist sehr freundlich, aber das kann ich nicht annehmen", lehnte er ab. Leicht fiel es ihm nicht, denn er war hin und her gerissen. In seiner momentanen Situation waren zehn Euro ein kleines Vermögen, aber auf keinen Fall konnte und wollte er Geld für seine Heldentat annehmen, schon gar nicht von einer Frau. Das gehörte sich einfach nicht.

    „Sie haben es sich redlich verdient", versuchte die Frau ihn zu überzeugen.

    „Stecken Sie das Geld wieder ein! Für mich ist es selbstverständlich zu helfen, ohne Gegenleistung und wäre Scooby Doo nicht gewesen, hätte ich es vielleicht gar nicht geschafft den Dieb zu stellen. Eigentlich hat er die ganze Arbeit gemacht." Finn deutete auf den Hund zu seinen Füßen.

    Aus unerfindlichen Gründen hatte die Frau Scooby Doo bisher nicht bemerkt. Nun lehnte sie sich ein wenig über den Verkaufstresen und konnte Scooby Doo sehen.

    „Ein süßer Hund. Darf man ihn streicheln?"

    „Klar! Scooby Doo freut sich immer über Streicheleinheiten."

    Die Frau trat aus der Hütte und kniete vor Scooby Doo nieder. „Na, Kerlchen. Du bist aber ein Hübscher."

    Sie knuddelte ihn ausgiebig.

    „Was ist das für eine Rasse?", wollte die Frau wissen.

    „Vom Aussehen erinnert er an einen Bearded Collie, erklärte Finn. „Ich glaube jedoch eher, er gehört in die Kategorie Mischling beziehungsweise italienischer Straßenhund. Dort kommt er nämlich her.

    „Oh, ein echter Italiener. Er versteht also auch italienisch."

    Finn lachte. „Keine Ahnung. Bisher konnte ich es nicht ausprobieren aufgrund mangelnder Italienischkenntnisse. Falls Sie italienisch sprechen, können Sie es gerne ausprobieren. Ich habe den Eindruck, er hat sich ganz gut integriert in Deutschland."

    Seine letzten Worte brachten ihm ein Lachen der Frau ein.

    „Ich bin übrigens Finn", stellte er sich vor und reichte ihr die Hand.

    „Marie, erwiderte sie und schüttelte kurz seine Hand. „Darf ich Sie… ich meine dich auf eine Bratwurst einladen, als kleines Dankeschön sozusagen?

    „Da sage ich nicht Nein." Fast im selben Moment knurrte sein Magen laut und deutlich und gab ebenfalls seine Zustimmung. Zum Glück konnte Marie es nicht hören.

    Sie nahm einen Geldschein aus dem Portemonnaie und reichte ihn Finn.

    „Macht es dir was aus das Essen zu besorgen? Ich kann meinen Stand nicht allein lassen."

    „Kein Problem", sagte Finn. In dem Moment hätte er vermutlich alles versprochen, nur um endlich etwas zu essen zu bekommen.

    „Scooby Doo kann solange bei mir bleiben. Ich glaube, Hunde fühlen sich nicht sehr wohl auf Weihnachtsmärkten."

    „Ist gut." Er übergab Marie die Leine seines Hundes und machte sich auf den Weg.

    „Bring Scooby Doo auch etwas mit!", rief Marie ihm noch hinterher.

    Finn drehte sich zu ihr um und reckte den Daumen in die Luft, zum Zeichen, dass er verstanden hatte.

    Nach einer Weile kehrte Finn zurück, gab Marie das Wechselgeld zurück und verteilte die Bratwürste.

    Finn setzte sich zu ihr in die kleine Holzhütte auf eine schmale Bank. Sie mussten eng zusammen rücken und waren sich auf einmal ganz nah. Scooby Doo lag zu ihren Füßen und reckte die Nase schnüffelnd in die Luft, um der köstlichen Wurst näher zu kommen.

    „Sie ist noch zu heiß, sagte Finn zu ihm. „Du verbrennst dir die Schnauze. Er konnte Scooby Doo nur zu gut verstehen, denn er konnte es selbst kaum erwarten, bis die Wurst endlich auf eine essbare Temperatur abgekühlt war. Der Hunger bohrte in ihm.

    „Guten Appetit", sagte Marie mit einem Lächeln auf den Lippen.

    „Danke, ebenso und vielen Dank für die Einladung."

    „Gerne. Immerhin hast du mir mein Portemonnaie zurückgebracht. Dafür werde ich dir immer dankbar sein."

    Sie biss vorsichtig ein Stück von ihrer Bratwurst ab, kaute, schluckte den Bissen hinunter und sprach dann weiter. „Das Geld wäre nicht mal unbedingt das Wichtigste gewesen, gestand sie. „Obwohl ich mich darüber auch geärgert hätte, aber viel schlimmer wäre der Verlust der vielen Karten gewesen, Bankkarte, Personalausweis, Führerschein usw.

    „Ich weiß, was du meinst. Ich habe mal mein Portemonnaie verloren und musste alles neu beschaffen. Es war zeitaufwendig, nervenaufreibend und teuer."

    Kundschaft unterbrach ihr Gespräch. Marie legte ihr Essen zur Seite und bediente ihre Kunden. In der Zwischenzeit hatte Finn endlich etwas Zeit, um die angebotene Ware zu betrachten. Bisher hatte er dafür lediglich einen flüchtigen Blick übrig gehabt. Seife in verschiedenen Farben und Formen wurde gut sortiert in kleinen geflochtenen Körben angeboten, dazwischen entdeckte er Säckchen mit duftendem Badesalz.

    Nach einer kurzen Beratung kaufte eine Kundin zwei Stücke Seife. Marie verpackte sie liebevoll und verabschiedete die Kundin.

    „Du magst Seife, was?", stellte Finn fest.

    „Ja, sehr. Seife ist mein Leben, meine Leidenschaft." Ihre Augen leuchteten, deshalb glaubte ihr Finn aufs Wort. Ihre grünen Augen zogen ihn magisch an. Er liebte Frauen mit grünen Augen, sie waren selten und deshalb etwas Besonderes. Nur mühsam konnte er sich von ihrem Blick losreißen.

    „Hast du beruflich damit zu tun, oder ist es mehr ein Hobby?"

    „Beides. Ich habe sozusagen mein Hobby zum Beruf gemacht. Und was machst du beruflich?"

    Finn wurde warm, er begann zu schwitzen. Das war eindeutig kein gutes Thema. Fieberhaft suchte er nach einer Antwort, die seine momentane Lage ehrlich beschrieb, aber nicht durchblicken ließ, wie mies es gerade wirklich war.

    „Ähm… es ist kompliziert. Ich orientiere mich gerade neu."

    „Okay, ich verstehe schon. Du willst nicht darüber reden." Marie reagierte verständnisvoll und Finn atmete erleichtert auf. Gleichzeitig meldete sich der Fluchtinstinkt in ihm. Es war immer besser zu gehen, bevor es richtig kompliziert wurde. Er sah, dass weitere Kunden auf Maries Bude zusteuerten und nutzte die Gelegenheit.

    „Ich muss dann auch mal wieder, sagte er. „Nochmal vielen Dank für die Einladung.

    „Dir auch vielen Dank für deine Hilfe."

    Finn nahm die Hundeleine und verließ die Hütte. Danach wusste er nicht wirklich wohin er gehen sollte und lief einfach planlos los. Sein Vorhaben an den Weihnachtsmarktständen seine Hilfe anzubieten, legte er erstmal auf Eis. Marie sollte nicht mitbekommen wie verzweifelt seine Lage wirklich war.

    Blödsinn, schalt er sich selbst. Es kann dir egal sein, was sie denkt. Du siehst sie sowieso nicht wieder.

    Marie sah ihm hinterher, nachdenklich und auch etwas wehmütig. Er war nett gewesen und sie hätte sich gerne länger mit ihm unterhalten.

    Sei nicht blöd, sagte sie sich. Du findest ihn bloß sympathisch, weil er dir dein Portemonnaie zurückgebracht hat.

    Irgendwo hatte sie mal gelesen, dass Frauen sich häufig in ihre Retter verliebten. Sie hatte es als Blödsinn abgetan, aber vielleicht war ja doch was Wahres dran.

    Du siehst ihn sowieso nicht wieder. Es lohnt sich also nicht darüber nachzudenken. Es war nichts weiter als eine einmalige Begegnung zweier Fremder.

    Glücklicherweise traten in dem Moment weitere Kunden an ihren Stand, die alle nach einer Beratung verlangten und somit ihre Gedanken vertrieben.

    3. Kapitel

    Ein paar Tage später, mitten in der Nacht, nach einem langen Arbeitstag, hatte Marie immer noch keinen Feierabend. Für Selbstständige existierte das Wort beinahe nicht. Sie hatte es nie so recht glauben wollen, doch nun erfuhr sie am eigenen Leib, was es bedeutete seine eigene Chefin zu sein. Es funktionierte auf Dauer nur, wenn man mit Leidenschaft bei der Sache war. Andernfalls empfand man es vermutlich als reine Folter, wenn man quasi rund um die Uhr arbeitete.

    Sie hatte gerade ihre neuesten Seifen Kreationen liebevoll auf dem Küchentisch drapiert, durch zusätzliche Lampen für besseres Licht gesorgt und alles liebevoll dekoriert. Nun fehlten bloß noch einige Fotos, die sie für ihren Blog bei Facebook brauchte. In regelmäßigen Abständen informierte sie dort ihre Follower über neue Produkte. Besonders groß war ihre Fangemeinde noch nicht, aber das sollte sich ändern, denn auch ein eigener Onlineshop war schon länger in Planung. Sie griff automatisch nach ihrem Handy in der Hosentasche, doch der Griff ging ins Leere, ihr Handy war nicht da. Ihr Herz begann augenblicklich zu rasen und sie war von riesiger Panik erfüllt. Es konnte unmöglich sein, dass ihr Handy weg war. Das durfte nicht sein. Das kleine elektronische Gerät beinhaltete fast ihr

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1