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In der Rose liegt die Kraft
In der Rose liegt die Kraft
In der Rose liegt die Kraft
eBook291 Seiten3 Stunden

In der Rose liegt die Kraft

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Über dieses E-Book

Zwischen Helena und ihrer Lehrerin Anne bahnt sich eine zarte Liebe an. Doch dann schlägt das Schicksal zu und Anne erkrankt an Leukämie. Ein Kampf um Leben und Tod beginnt und trotz Höhen und Tiefen weicht Helena nicht von Annes Seite.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum24. Jan. 2019
ISBN9783743894297
In der Rose liegt die Kraft

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    Buchvorschau

    In der Rose liegt die Kraft - Michelle Zerwas

    1. Kapitel

    Helena ließ ihren Blick über die Autos auf dem Lehrerparkplatz schweifen. Sie wusste, welches Auto welchem Lehrer gehörte, aber eigentlich interessierte es sie nicht sonderlich. Wichtig war einzig der kleine rote Mazda MX5. Wenn sie den Wagen auf dem Lehrerparkplatz entdeckte, war für sie der Tag gerettet. Dann wusste sie, dass es ein guter Tag werden würde, denn es bedeutete, ihre Lehrerin Anne Richter war in der Schule. Ganz egal, wie beschissen der Tag sonst wurde, konnte sie alles viel besser ertragen, wenn Anne, ihre große Liebe, in der Nähe war.

    Jeden Morgen begann mit der Angst, der kleine rote Mazda könnte nicht da sein und jeden Morgen atmete sie erleichtert auf, wenn sie ihn entdeckte.

    Mit einem Lächeln auf den Lippen und voller Vorfreude schritt sie über den Schulhof und hielt dabei heimlich Ausschau nach Anne. Ihr gesamter Schultag bestand darin möglichst immer ganz genau zu wissen wo sich Anne gerade aufhielt und wenn möglich ihre Nähe zu suchen.

    An diesem Morgen hatte sie kein Glück, Anne war weit und breit nicht zu sehen. Vermutlich war sie bereits im Lehrerzimmer. Oft gelang es Helena beinahe zur gleichen Zeit mit ihr in der Schule anzukommen, sodass sie am frühen Morgen häufig kurz miteinander sprechen konnten oder sie sich zumindest lächelnd aus der Ferne begrüßten.

    Helena ermahnte sich immer selbst, sich nicht allzu große Hoffnungen zu machen, ihre Liebe könnte sich erfüllen, und dennoch spürte sie etwas zwischen ihnen. Anne behandelte sie anders als ihre anderen Schüler, sie bevorzugte sie in vielen Situationen, redete oft und gerne mit ihr, nicht nur über schulische, sondern auch über private Dinge. Sie verstanden sich richtig gut, viel besser als es zwischen Lehrerin und Schülerin üblich war.

    Helena überquerte den Schulhof, begrüßte hier und da einige ihrer Mitschüler, hielt sich jedoch nirgends länger auf als nötig und stand als eine der ersten vor dem Klassenzimmer, in dem die erste Stunde stattfinden sollte. Sie war schon immer eher eine Einzelgängerin gewesen. Dabei war sie nicht unbeliebt, sie verstand sich mit fast allen Mitschülern, wurde häufig um Rat gefragt, weil sie gut in der Schule war, aber enge Freundschaften ging sie nicht ein. Es störte sie allerdings auch nicht. Sie war gern allein und konnte sich gut mit sich selbst beschäftigen.

    Als es zur ersten Stunde klingelte und ein Haufen Schüler ins Gebäude stürmten, lehnte Helena lässig an der Wand und besah sich das Gedränge interessiert. Obwohl sie versuchte sich so klein wie möglich zu machen, wurde sie ein paar Mal unsanft angerempelt.

    Sobald das schlimmste Gedränge vorbei war und Helenas Blick auf die Eingangstür fiel, klopfte ihr Herz schneller. Anne trat gerade durch die Tür und kam lächelnd auf sie zu. Ihre langen dunkelbraunen Haare trug sie heute offen, sie wirkten wie flüssige Seide und Helena verspürte den Wunsch sie zu berühren.

    „Guten Morgen", begrüßte sie Helena lächelnd und für einen Augenblick schien die Zeit um sie herum still zu stehen.

    Helena erwiderte Annes Lächeln. „Guten Morgen."

    Anne kämpfte sich zum Klassenzimmer vor und schloss die Tür auf. Sofort drängte die Meute in den Klassenraum. Helena ließ ihren Mitschülern den Vortritt und folgte als Letzte.

    Nach der morgendlichen Begrüßung, die von allen gelangweilt dahin gemurmelt wurde, legte Anne gleich los.

    „Wer von euch weiß noch, wo wir letzte Woche stehen geblieben sind?"

    Einige wenige Schüler meldeten sich, doch die meisten starrten entweder interessiert aus dem Fenster oder auf ihre Hefte und Bücher, die vor ihnen auf dem Tisch lagen.

    Anne lächelte Helena fast unmerklich zu. Sie wusste, dass Helena perfekt vorbereitet war und entschied sich deshalb für einen anderen Schüler.

    Während Marco lang und breit wiederholte, was sie in der letzten Biologiestunde besprochen hatten, blieb Helena genug Zeit Anne heimlich zu beobachten. Obwohl Anne versuchte es zu verbergen, sah Helena, dass es ihr nicht gut ging. Sie wirkte erschöpft. Das gefiel ihr gar nicht, denn wenn Anne sich plötzlich schlechter fühlte und zu Hause blieb, musste sie die Schultage ohne sie überstehen.

    „Sehr gut, Marco, sagte Anne. „Und um euch das Ganze zu verdeutlichen, habe ich einen Film zu diesem Thema mitgebracht, den wir uns jetzt ansehen werden. Wer hilft mir mit der Technik?

    Sofort fanden sich mehrere Freiwillige und Helena ließ ihnen nur zu gerne den Vortritt, denn mit technischen Dingen stand sie meist auf Kriegsfuß. Sie wollte sich ungern vor der ganzen Klasse blamieren und erst recht nicht vor Anne.

    Sobald der Film lief und alle wieder auf ihren Plätzen saßen, hatte Helena genug Zeit Anne weiter heimlich zu beobachten. Das Filmgeschehen bekam sie nur am Rande mit, Anne war viel wichtiger. Helena konnte sehen, dass Anne immer wieder kurz die Augen schloss und tief durchatmete. Ihr schien es wirklich nicht gut zu gehen. Anne tat ihr leid. Nur zu gerne hätte sie sie in den Arm genommen, aber das war natürlich nicht möglich. Ihre Sorge wuchs von Minute zu Minute, je länger sie Anne betrachtete und der Film interessierte sie zum Schluss gar nicht mehr.

    Kurz bevor die Stunde zu Ende war, endete der Film und Annes freiwillige Helfer kümmerten sich bereitwillig um die Technik. Als es kurz darauf klingelte, stürmten alle Schüler nach draußen, um rechtzeitig zur nächsten Stunde zu kommen. Helena war es egal, wenn sie zu spät kam, sie musste wissen was mit Anne los war, die inzwischen den Kopf in die Hände gestützt hatte.

    Zögernd trat sie ans Lehrerpult. „Geht’s Ihnen nicht gut?", fragte sie leise.

    Anne sah auf und für einen Moment wirkte sie erschrocken, lächelte aber als sie Helena sah und spürte, dass ihr Herz schneller schlug.

    „Kopfschmerzen, weiter nichts. Wahrscheinlich habe ich nicht genug geschlafen. Meine beiden Kater haben die Nacht zum Tag gemacht", erklärte sie.

    Helena liebte es, dass Anne immer sofort drauflos plauderte und ihr auch private Dinge anvertraute.

    „Ich habe Schmerztabletten dabei", bot Helena ihr an.

    „Lieb von dir, aber ich habe heute Morgen schon eine genommen."

    Trotz ihrer Schmerzen schenkte sie Helena ein strahlendes Lächeln, das Helena erwiderte. Ihr Herz raste. Es war so schön mit Anne allein zu sein und locker zu plaudern. Doch ihre Zweisamkeit wurde jäh unterbrochen, als ein neuer Schwall Schüler den Biologiesaal betrat.

    „Du musst los, sonst kommst du zu spät zur nächsten Stunde", wandte sich Anne an sie. Es klang keineswegs tadelnd oder nach Befehl, Helena hatte eher den Eindruck Bedauern in Annes Stimme zu hören. Vielleicht bildete sie es sich aber auch nur ein. Wenn man verliebt war, konnte es leicht passieren, dass man sich Dinge einbildete.

    „Wir sehen uns ja später nochmal", fügte Anne hinzu und zwinkerte Helena kaum merklich zu.

    „Ich hoffe, es geht Ihnen bis dahin besser", sagte Helena zum Abschied.

    Sie lächelten sich noch einmal zu, bevor Helena den Raum verließ. Ehe sie die Tür hinter sich schloss, warf sie einen letzten Blick zu Anne und stellte fest, dass Anne ihr traurig hinterher sah. Sofort schlug ihr Herz wieder schneller. Konnte es sein, dass es doch keine Einbildung war und Anne mehr für sie empfand, als sie jemals als Lehrerin für ihre Schülerin empfinden durfte?

    Helena spürte ein gewaltiges Glücksgefühl in sich aufsteigen, das sich wie eine warme Welle in ihrem Körper ausbreitete.

    Die Gänge der Schule waren wie ausgestorben, die nächste Stunde hatte bereits begonnen und alle Schüler saßen bereits wieder in ihren Klassenzimmern. Helena wusste, dass sie sich beeilen sollte, um keinen Ärger zu bekommen. Doch eigentlich war es ihr egal. Das kurze Gespräch mit Anne war jeden Ärger wert gewesen.

    Kurz darauf versuchte sie heimlich ins Klassenzimmer zu huschen, was natürlich nicht klappte.

    „Du bist fast zehn Minuten zu spät", rügte Herr Bermel ihr Mathelehrer.

    „Es tut mir leid, aber ich musste noch etwas mit Frau Richter besprechen."

    „Mach das beim nächsten Mal bitte in der Pause oder in einer Freistunde", sprach Herr Bermel, der am liebsten das letzte Wort hatte.

    Helena erwiderte nichts mehr. Nur zu gerne hätte sie sich auf eine Diskussion mit ihrem Mathelehrer eingelassen. Sie hatte das Gefühl durch das kurze Gespräch mit Anne beinahe übermenschliche Kräfte erlangt zu haben. Doch stattdessen setzte sie sich auf ihren Platz und packte ihre Sachen aus, während Herr Bermel mit dem Unterricht fortfuhr.

    Die letzte Stunde hatte sie wieder bei Anne. Für Helena gab es fast nichts Schöneres als die letzte Stunde mit Anne zu verbringen, denn dadurch startete sie quasi mit Anne zusammen in ihren Nachmittag und meistens unterhielten sie sich noch kurz, bevor sich ihre Wege trennten. Doch heute war alles anders. An Annes Stelle betrat Herr Hansen den Klassenraum. Er schlurfte lustlos zum Lehrerpult, knallte die Bücher auf den Tisch und sorgte für Ruhe.

    „Wo ist Frau Richter?", fragte Jens, ohne vorher die Hand zu heben.

    Helena war froh, dass er fragte, denn sie selbst hätte sich nicht getraut.

    „Das geht dich zwar nichts an, aber ihr ging es nicht gut, deshalb ist sie vorzeitig nach Hause gefahren. Du musst mit mir vorlieb nehmen, wenn es recht ist."

    „Warum bekommen wir nicht frei?"

    „Ihr habt viel zu oft frei. Ich diskutiere jetzt nicht weiter. Bücher raus, wir haben Unterricht."

    Helena fühlte sich grauenhaft und eine eiskalte Hand aus Angst und Sorge legte sich um ihr Herz und quetschte es immer fester zusammen. Anne musste es wirklich schlecht gehen, wenn sie vorzeitig nach Hause gefahren war. Helena wurde schlecht bei dem Gedanken.

    Ich kann nicht mal bei ihr sein, dachte sie.

    Sie bemühte sich dem Unterricht zu folgen, aber er war nicht annähernd so spannend wie bei Anne. Herr Hansen rasselte Geschichtsdaten herunter und erwartete, dass seine Schüler alles fleißig notierten. Bei Anne lief der Unterricht völlig anders ab. Obwohl Geschichte eigentlich ein eher langweiliges Schulfach war, gelang es Anne jedes Mal die Unterrichtsstunden spannend zu gestalten. Alle hatten ihren Spaß und Langeweile kam so gut wie nie auf. Helena bewunderte Anne für diese Fähigkeit und wünschte sich, es gäbe mehr Lehrerinnen wie sie.

    Nach einer Weile schaltete ihr Gehirn auf Standby und Herr Hansens Stimme wurde zu einem monotonen Summen, das einschläfernd wirkte.

    Nicht nur ihr ging es so. Mindestens die Hälfte der Klasse hatte gelangweilt den Kopf in die Hände gestützt und schien mit den Gedanken völlig woanders zu sein. Kaum jemand folgte dem Unterricht, doch Herr Hansen ließ sich davon nicht beirren. Er zog die Stunde gnadenlos und ohne Unterbrechung durch.

    Als das erlösende Klingeln endlich ertönte, stopften alle in wahnsinniger Geschwindigkeit ihre Hefte und Bücher in die Taschen und flüchteten aus dem Klassenzimmer. Bloß weg hier!

    Bevor Helena sich auf den Weg nach Hause machte, ging sie am Vertretungsplan vorbei. Vielleicht konnte sie daran erkennen, ob Anne länger fehlte. Mit klopfendem Herzen suchte sie die richtige Spalte und hätte beinahe losgejubelt vor Freude. Laut Vertretungsplan war Anne morgen wieder da. Nun konnte sie doch einigermaßen beruhigt nach Hause gehen.

    2. Kapitel

    Jule Herzig kam wie ein kleiner Wirbelsturm ins Zimmer und wirkte wie das blühende Leben.

    Anne brachte nur ein schwaches Lächeln zustande. Sie lag eingekuschelt in eine dicke Decke auf dem Sofa, um sie herum lagen Taschentücher verstreut und sie sah aus wie ein Häufchen Elend.

    Jule ließ sich neben dem Sofa im Sessel nieder. „So Schwesterherz und nun starten wir das schwesterliche Pflegeprogramm, damit du schnell wieder fit bist." Sie begann eine prall gefüllte Tüte aus der Apotheke auszupacken und drapierte Hustensirup, Hustenbonbons, Taschentücher, Nasenspray und diverse andere Mittelchen gegen grippale Infekte auf dem Wohnzimmertisch.

    „Damit bist du ganz bestimmt schnell wieder auf den Beinen."

    „Danke, aber du sollst doch nicht immer so viel Geld für das ganze Zeug ausgeben. Die Grippe kommt von allein und sie geht auch wieder von allein."

    „Na ja, aber geschadet haben die Medikamente bisher auch nicht, oder?"

    „Da hast du auch wieder recht", musste Anne zugeben.

    „Na also, rein mit dem Zeug!" Jule machte sich an den Packungen zu schaffen und versorgte Anne mit allem was sie brauchte.

    „So, und nun koche ich dir eine Hühnersuppe."

    Anne versuchte zu protestieren.

    „Keine Widerrede! Ich weiß, dass du keine Hühnersuppe magst, aber sie hilft und deshalb wirst du sie essen."

    Jule machte sich auf den Weg in die Küche und Anne fügte sich in ihr Schicksal. Eigentlich war ihr sowieso alles egal. Sie war viel zu schwach, um mit Jule zu diskutieren. Schon lange hatte sie eine Grippe nicht mehr so heftig außer Gefecht gesetzt, jede kleinste Bewegung war ihr zu viel. Sie hörte Jule in der Küche herumwuseln, schlief zwischendurch kurz ein, erwachte aber jedes Mal wieder, wenn ein Hustenanfall sie quälte. Deshalb wusste sie nicht wie viel Zeit vergangen war, als Jule mit zwei Tellern Suppe ins Wohnzimmer zurückkehrte. Sie stellte die Teller auf dem Tisch ab, half Anne sich aufzurichten und stopfte Kissen in ihrem Rücken zurecht.

    „Kannst du allein essen oder soll ich dich füttern?"

    Ein vorwurfsvoller Blick von Anne traf sie. „Ich bin doch kein Kleinkind."

    „Also gut, dann rein mit dem Zeug." Sie reichte Anne den Suppenteller und während Anne widerwillig die Brühe löffelte, aß Jule genüsslich.

    „Du machst ein Gesicht als müsstest du etwas richtig Ekliges essen."

    „Es ist ja auch so."

    „Du bist echt undankbar, weißt du das? Ich stehe ewig in der Küche, um dir eine kräftige Brühe zu kochen und du meckerst nur."

    „Du weißt doch, dass ich das Zeug nicht mag. Ich hab’s noch nie gemocht."

    Jule seufzte. „Ich weiß. Wenn du magst kann ich dir gleich ein Brot schmieren, zum Nachtisch sozusagen, aber erst wird die Hühnersuppe gegessen."

    Schweigend löffelte Anne weiter. Der Teller wollte einfach nicht leer werden. Manchmal konnte Jule schlimmer sein als die strengste Krankenschwester.

    „Ich soll ab morgen einen Teil deiner Unterrichtsstunden übernehmen", sagte Jule.

    „Sorry, dass du wegen mir jetzt noch mehr Stress hast."

    „Du kannst doch nichts dafür, dass du krank bist."

    „Wirst du auch die 10c unterrichten?", wollte Anne wissen. Sie versuchte ihre Stimme unbeteiligt klingen zu lassen, während sie die ganze Zeit Helenas Bild vor Augen hatte.

    „Ich weiß es noch nicht genau. Morgen kann ich dir bestimmt mehr dazu sagen. Warum interessiert dich das?"

    „Nur so", wich Anne aus.

    Jule musterte ihre Schwester prüfend. „Na komm schon, du kannst mir nichts vormachen. Deine Frage hat doch einen Grund."

    „Wie war das jetzt mit dem Brot zum Nachtisch?", lenkte Anne ab und reichte Jule ihren leeren Teller.

    „Gut gekontert, aber ich krieg´s schon noch raus." Nach diesen Worten verließ sie das Wohnzimmer.

    Anne blieb nachdenklich zurück. Sie hätte gerne mit Jule über Helena geredet, aber sie brachte nicht den nötigen Mut auf. Eigentlich konnten sie sich immer alles sagen und sich gegenseitig vertrauen, aber es gab Dinge, die man nur mit sich selbst ausmachen konnte.

    „So bitteschön, dein Nachtisch." Jule reichte ihr wenig später einen Teller mit einem Käsebrot.

    „Danke, das ist eindeutig besser als Suppe", sagte sie und biss herzhaft hinein.

    Jule sah ihr lächelnd beim Essen zu.

    „Also, wie war das jetzt mit der 10c? Ich glaube, du wolltest mir etwas erzählen."

    Anne wurde augenblicklich warm und dafür war nicht allein das Fieber verantwortlich.

    „Ich weiß nicht, was du meinst. Musst du nicht nach Hause? Simon fragt sich bestimmt schon, wo du bleibst."

    „Erstens weiß er, dass ich bei dir bin, zweitens kommt mein Mann auch mal einen Abend ohne mich aus…"

    „Und drittens bin ich kein Kleinkind, das bemuttert werden muss", unterbrach Anne Jules Redefluss.

    „Du musst nicht die ganze Nacht an meinem Bett sitzen und auf mich aufpassen."

    „Und du musst mich nicht gleich so an pampen. Ich hab’s nur gut gemeint."

    „Sorry, aber es ist einfach ätzend krank zu sein."

    „Du wärst viel lieber in der 10c, als im Bett zu liegen, stimmt’s?" Jule grinste sie an.

    „Ich gehe lieber arbeiten, als mit Grippe im Bett zu liegen", wich Anne einer direkten Antwort aus.

    „Ich krieg schon noch raus was du mir verschweigst", drohte Jule spielerisch und packte anschließend ihre Sachen zusammen.

    Anne wollte sich lieber nicht vorstellen, wie Jule reagierte, wenn sie hinter ihr Geheimnis kam.

    „Ich bin dann mal weg, verkündete Jule. „Wenn was ist kannst du mich jederzeit anrufen.

    Anne nickte. „Mach dir keine Sorgen, ich komme schon klar. Danke, dass du da warst."

    „Morgen vor der Schule komme ich bei dir vorbei. Keine Widerrede!", setzte sie hinzu, weil sie merkte, dass Anne protestieren wollte.

    „Also gut, bis morgen."

    „Schlaf schön."

    „Du auch." Nach diesen Worten verließ Jule das Haus. Kaum war sie weg tauchten Annes Kater Blacky und Pepper auf. Sie sprangen zu ihr aufs Sofa, begannen sofort zu schnurren und machten es sich auf ihr gemütlich. Das Schnurren hatte eine beruhigende Wirkung und ließ sie sanft einschlafen.

    3. Kapitel

    „Anne, hörst du mich?"

    Als Anne mühsam die Augen öffnete, sah sie Jule, die sich über sie gebeugt hatte.

    Anne brauchte einen Moment, um richtig wach zu werden. Dann merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie lag nicht in ihrem eigenen Bett und als sie ein wenig zur Seite sah, bemerkte sie, dass sie an einem völlig anderen Ort war und nicht zu Hause.

    „Wo bin ich?", brachte sie krächzend hervor. Ihre Kehle schien völlig ausgetrocknet.

    „Du bist im Krankenhaus."

    Anne räusperte sich. „Wieso? Wegen einer Erkältung?"

    „Von wegen Erkältung, schnaubte Jule. „Du hast mir einen fürchterlichen Schrecken eingejagt. Als ich heute Morgen nach dir sehen wollte, warst du nicht mehr ansprechbar und hattest hohes Fieber, deshalb habe ich den Rettungsdienst gerufen.

    Ehe Anne etwas erwidern konnte, betrat ein Arzt das Zimmer und Jule machte ihm sofort Platz.

    „Frau Richter, wie fühlen Sie sich?"

    „Besser, danke."

    „Sehr schön. Die Medikamente haben angeschlagen, das ist gut. Trotzdem werden wir Sie noch eine Nacht hier behalten und morgen noch einige Untersuchungen durchführen."

    „Muss das wirklich sein?"

    „Frau Richter, Sie wurden mit dem Rettungswagen eingeliefert, waren nicht ansprechbar und es ging Ihnen sehr schlecht. Sie sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen."

    Anne fügte sich in ihr Schicksal.

    „Also gut, dann sehen wir uns morgen. Ich wünsche eine angenehme Nacht."

    Nach einer kurzen Verabschiedung verließ der Arzt das Zimmer.

    „Warum tun alle so als ob ich schwer krank wäre?", wandte sich Anne an Jule.

    „Ich finde es gut, dass du mal ordentlich durchgecheckt wirst, schließlich geht es dir schon länger nicht gut."

    „Ich habe einfach viel Stress im Job, nichts weiter. Da wäre wohl jeder ein wenig erschöpft und eine Erkältung bekommen andere auch ohne gleich ins Krankenhaus zu fahren."

    „Dann hast du ja nichts zu befürchten und nach den Untersuchungen hast du schwarz auf weiß, dass alles okay ist."

    „Wenn es dich beruhigt, sagte Anne genervt. „Dann werde ich die Nacht eben hier drin verbringen.

    Angewidert ließ sie den Blick durchs Zimmer schweifen. Zugegeben, ein Ort zum Wohlfühlen war es nicht, das musste Jule auch eingestehen.

    „Ich hole dich morgen ab. Versprochen!"

    „Kümmere dich lieber um Blacky und Pepper. Damit hilfst du mir viel mehr."

    „Das mache ich sowieso, ist doch klar. Deshalb werde ich auch jetzt fahren. In der Aufregung heute Morgen habe ich völlig vergessen die Katzen zu füttern."

    „Das geht ja gut los", meinte Anne.

    „Dafür werde ich sie ganz besonders verwöhnen. Und du ruhst dich aus.

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