Große Mädchen weinen nicht: Dr. Norden Gold 55 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
»Wir haben eine Neue in der Klasse!« Mit diesen Worten warf Anneka Norden nachlässig ihren Schulrucksack in die Ecke und ließ sich auf einen Stuhl in der Küche fallen, in der die Haushälterin Lenni gemeinsam mit Fee Norden die Planungen für die kommende Woche besprach. Erstaunt unterbrachen die beiden Frauen ihre Arbeit. »Das ist ja ungewöhnlich während des Schuljahres«, bemerkte Fee, nachdem sie ihre Tochter begrüßt hatte. »Sie sagt, ihr Dad hätte einen neuen Job als Rezensent bei einer Zeitung angenommen«, erklärte Anneka und fischte ein Stück Paprikaschote aus der großen Schüssel Salat, die dort bereits für das Mittagessen bereitstand. »Willst du dir nicht zuerst die Hände waschen gehen?« fragte Lenni tadelnd. Doch ihr Kommentar fand keine Beachtung. Offenbar war die neue Mitschülerin für Anneka wichtiger. »Was ist denn das, ein Rezen-sent?« erkundigte sie sich interessiert. »Das ist jemand, der Zusammenfassungen und Beurteilungen über Bücher, Theatervorstellungen und solche Sachen schreibt. Eine Art Kritiker«, erklärte Felicitas. »Vermutlich ist er bei einem Verlag angestellt und veröffentlicht in Zeitschriften oder Zeitungen seine Beiträge.« »Spannend«, nickte Anneka kauend. »Ich habe gar nicht gewußt, daß man damit Geld verdienen kann.«
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Buchvorschau
Große Mädchen weinen nicht - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Gold
– 55 –
Große Mädchen weinen nicht
Ramona fühlt sich unverstanden
Patricia Vandenberg
»Wir haben eine Neue in der Klasse!«
Mit diesen Worten warf Anneka Norden nachlässig ihren Schulrucksack in die Ecke und ließ sich auf einen Stuhl in der Küche fallen, in der die Haushälterin Lenni gemeinsam mit Fee Norden die Planungen für die kommende Woche besprach.
Erstaunt unterbrachen die beiden Frauen ihre Arbeit.
»Das ist ja ungewöhnlich während des Schuljahres«, bemerkte Fee, nachdem sie ihre Tochter begrüßt hatte.
»Sie sagt, ihr Dad hätte einen neuen Job als Rezensent bei einer Zeitung angenommen«, erklärte Anneka und fischte ein Stück Paprikaschote aus der großen Schüssel Salat, die dort bereits für das Mittagessen bereitstand.
»Willst du dir nicht zuerst die Hände waschen gehen?« fragte Lenni tadelnd. Doch ihr Kommentar fand keine Beachtung. Offenbar war die neue Mitschülerin für Anneka wichtiger.
»Was ist denn das, ein Rezen-sent?« erkundigte sie sich interessiert.
»Das ist jemand, der Zusammenfassungen und Beurteilungen über Bücher, Theatervorstellungen und solche Sachen schreibt. Eine Art Kritiker«, erklärte Felicitas. »Vermutlich ist er bei einem Verlag angestellt und veröffentlicht in Zeitschriften oder Zeitungen seine Beiträge.«
»Spannend«, nickte Anneka kauend. »Ich habe gar nicht gewußt, daß man damit Geld verdienen kann.«
»Unsere moderne Welt hat die erstaunlichsten Betätigungen hervorgebracht«, bemerkte Lenni leise tadelnd. »Und was haben wir nun davon? Die alten, ehrwürdigen Berufe sterben aus. Niemand will mehr Haushälterin werden und sich um eine Familie kümmern.«
»Das heißt heute ja auch Hauswirtschafterin oder Gesellschafterin«, wußte Anneka grinsend zu erklären. »Und die kümmern sich längst nicht mehr um eine Familie, sondern machen Partyservice oder gehen als Lehrerin in eine Schule.«
»Das fehlte gerade noch, Partyservice!« verdrehte Lenni theatralisch die Augen, und Felicitas und Anneka lachten amüsiert. »Ich bin wirklich froh, daß mir dieses Schicksal erspart bleibt.«
»Wir auch, keine Sorge. Was täten wir denn ohne Sie, unsere gute Lenni?« sprach Felicitas der treuen Seele, die die Familie von Anfang an begleitete und tatkräftig unterstützte, Mut zu. Dann wandte sie sich erneut an ihre Tochter Anneka, um das vorangegangene Thema wieder aufzugreifen.
»Und, wie ist die Neue denn so? Hast du schon einen ersten Eindruck?«
»Ich finde, sie ist irgendwie verrückt. Stell dir vor, sie hatte ein langes Kleid an. Außerdem hat sie keinen Rucksack wie wir alle, sondern trägt eine riesengroße Tasche mit sich herum. Die ist bunt bedruckt mit großen Blumen.«
»Aber das ist doch schön. Besser als immer diese tristen Farben, mit denen ihr euch momentan bevorzugt umgebt«, lächelte Felicitas.
Dem konnte Anneka nur bedingt zustimmen.
»Ja, schon, trotzdem. Ramona sieht so anders aus als alle anderen. Aber das beste kommt erst noch. Stell dir vor, nachdem die Lehrerin ihr einen Platz gezeigt hat, hat sie einen kleinen Blumentopf mit einer Primel aus der Tasche geholt und ihn auf den Tisch gestellt. Du hättest das Gesicht von der Erzherzogin sehen sollen. Zum Totlachen.«
»Das heißt immer noch Frau Herzog«, fühlte sich Lenni be-müßigt, ihren Zögling an seine guten Manieren zu erinnern.
Diesen Kommentar quittierte Anneka mit einem schiefen Lächeln in Richtung Lenni.
»Also gut, Frau Herzog. Obwohl sie ihren Namen echt zu recht trägt, grimmig und streng, wie sie immer ist.«
»Eine Lehrerin möchte ich heutzutage auch nicht sein«, seufzte Lenni ein wenig deprimiert.
Aber Felicitas tröstete sie mit einem fröhlichen Lachen.
»Ich finde, es gibt schlimmere Vergehen, als Blumen auf ein Pult zu stellen. Außerdem beweist eure neue Mitschülerin damit durchaus Individualität. Und es gehört wahrlich eine große Portion Mut dazu, anders zu sein als andere. Das gefällt mir.«
»Wenn das jeder täte, würde es aber bunt zugehen«, wollte sich Lenni nicht aufheitern lassen. Irgendeine Laus war ihr an diesem Tag über die Leber gelaufen, und sie mußte ihrer schlechten Laune Luft verschaffen.
Dafür hatte Anneka jedoch gar kein Verständnis und sprang für die neue Klassenkameradin in die Bresche.
»Ich finde, Mami hat recht. Über die Gewalt an den Schulen redet schon kein Mensch mehr, kleine Prügeleien, Gemeinheiten und Mobbing gehören inzwischen beinahe zum Tagesgeschäft. Da ist es doch schön, wenn jemand mal was Fröhliches macht. Auch wenn’s ungewohnt ist.«
Doch Lenni blieb stur.
»Beides hat an einer Schule nichts verloren«, brummte sie mißmutig und wandte sich ab, um die vorbereiteten Schnitzel in die Pfanne zu legen, in der das Fett inzwischen heiß geworden war. Das Fleisch zischte und fauchte, während Fee ihrer Tochter beschwichtigend die Hand auf den Arm legte.
»Wie heißt denn deine neue Klassenkameradin?« lenkte sie die Sprache behutsam auf ein anderes Thema.
»Ramona Sonnig. Ist das nicht ein lustiger Name?« Anneka ging sofort auf die Frage ein.
»Allerdings. Ich bin gespannt, was du mir noch von ihr berichten wirst.«
Daraufhin nickte Anneka mit leuchtenden Augen.
»Die anderen finden sie ein bißchen eigenartig. Aber ich glaube, sie bringt irgendwie frischen Wind in die Klasse. Sie hat was Besonderes an sich. Mal sehen, ob ich recht habe.« Mit dieser Feststellung stand Anneka vom Stuhl auf und griff nach dem Stapel Teller, den Lenni bereits auf der Theke abgestellt hatte, um den Tisch zu decken. Um die Haushälterin gnädig zu stimmen, übernahm die älteste Tochter der Familie Norden diese Arbeit. Tatsächlich erreichte sie mit dieser einfachen Geste das gewünschte Ziel. Als Anneka und gemeinsam mit Fee die Küche verlassen hatte und nebenan Geschirr und Besteck klapperte, hatte die gute Lenni schon wieder ein zuversichtliches Lächeln auf den Lippen. Sie wußte, daß trotz aller modernen Strömungen im Hause Norden die guten, alten Werte immer noch Bestand hatten und auch weiterhin haben würden. Mochten an den Schulen auch noch so seltsame Verhältnisse herrschen, der Einfluß eines guten Elternhauses war nicht zunichte zu machen.
Gespannt wartete Stephan Sonnig auf die Rückkehr seiner einzigen Tochter. Er hatte an diesem Vormittag genug damit zu tun gehabt, die Umzugskartons auszuräumen. Doch als Ramona an der Tür ihres neuen Domizils klingelte, ließ er die Arbeit liegen.
»Und? Wie ist es gelaufen?« erkundigte sich Stephan liebevoll und nahm Ramona die großgeblümte Tasche ab. »Hattest du einen schönen ersten Tag?«
»Ja, es war lustig«, antwortete das Mädchen mit einem Lachen, das ihrem Nachnamen alle Ehre machte.
Wie so oft konnte Stephan über seine Tochter nur staunen.
»Die ganzen neuen Gesichter machen dir keine Angst?«
»Nein, warum auch? Ich hab’ mich doch selbst dafür entschieden, den Privatunterricht an den Nagel zu hängen und an eine öffentliche Schule zu gehen«, antwortete das Mädchen und warf die langen aschblonden Haare in den Nacken.
»In Deutschland hast du ja keine andere Wahl. Da ist der Unterricht zu Hause mit einem Privatlehrer nicht erlaubt. Und auch wenn du das alles so wolltest, sind die Dinge ja manchmal ganz anders, als man sie sich vorgestellt hat«, wandte Stephan nachdenklich ein und begleitete Ramona hinüber in die Küche, wo bereits eine Suppe auf dem Herd brodelte.
Neugierig hob Ramona den Topfdeckel und schnupperte.
»Hmm, Kartoffelsuppe, lecker«, erklärte sie zufrieden, um gleich darauf auf die Bemerkung ihres Vaters einzugehen. »Deshalb stelle ich mir ja nichts vor und lasse alles auf mich zukommen.«
»Du bist wirklich ein ganz besonderes Mädchen. Ich hoffe, deine Klassenkameraden wissen das zu schätzen«, brachte er seine größte Sorge zum Ausdruck. Obwohl Ramona für Stephan einmalig war, wußte er auch, daß sie mit