Das Glück, geliebt zu werden: Dr. Norden Gold 7 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben.
Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen.
Veronika Imhoff hatte die Post aus dem Briefkasten geholt und lief schnell ins Haus zurück, denn der Nieselregen war urplötzlich in einen kräftigen Schauer übergegangen, und nun hatte ihre Frisur eine ganz schöne Dusche abbekommen. Sie schüttelte sich und streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus, aber dann sagte sie: »Hast ja selber schuld, wenn du so rausrennst.« Die Post hatte sie beiseite gelegt und noch gar nicht angeschaut. Schnell ging sie erst ins Bad und stellte den Fön an, um das Haar zu trocknen, denn am Abend wollte sie mit ihrem Mann ein Konzert besuchen. David Delorme war wieder einmal als Gastdirigent in München, und seine Konzerte ließen sich die Imhoffs nie entgehen. Nach ein paar Minuten konnte sie zufrieden sein. Die Frisur hatte kaum gelitten, ihr schönes blauschwarzes Haar schmiegte sich seidig um ihr feines Gesicht, in dem große veilchenblaue Augen leuchteten, die einen aparten Kontrast zu den dunklen Haaren bildeten. Dann holte sie die Post und setzte sich noch einmal an den Frühstückstisch. Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und aß das Brötchen, das ihr Mann hatte liegenlassen, weil er es sehr eilig gehabt hatte. Unwillig legte sie die Wurfsendungen beiseite, die manchmal en masse kamen, aber dann weiteten sich ihre Augen, denn sie sah einen Brief, der aus Tübingen kam, von einem Rechtsanwalt Dr. Hagenau. In Tübingen war Veronika zur Welt gekommen und zur Schule gegangen, und dort hatte sie auch Bekannte, mit denen sie hin und wieder korrespondierte, aber ein Dr. Hagenau war ihr nicht bekannt, und da es sich um einen Rechtsanwalt handelte, öffnete sie den Umschlag mit einem Gefühl des Unbehagens. Aber nachdem sie die ersten Zeilen gelesen hatte, schloß sie die Augen und preßte die Lippen aufeinander. Sehr geehrte Frau Imhoff, ich habe die traurige Pflicht, Ihnen die Nachricht vom Ableben meiner Mandantin, Frau Erika Axmann, zu übermitteln und deren letzten Wunsch, daß Sie Thomas vielleicht in einem Heim in der Nähe von München unterbringen könnten, damit er wenigstens eine Bezugsperson hat, der er Vertrauen entgegenbringt. zu äußern. Thomas wurde zwischenzeitlich von Nachbarn aufgenommen, aber eine baldige Entscheidung wäre im Interesse des sensiblen Kindes wünschenswert, und ich hoffe, daß Sie Frau Axmanns Bitte nicht als eine Belästigung betrachten. Das arme Kind, dachte Veronika, nun hat er auch keine Großmutter mehr, aber da sie nicht mit ihrem Mann sprechen konnte, der außerhalb wichtige Besprechungen hatte, fühlte sie sich momentan ziemlich hilflos. Und dann hätte sie fast vergessen, daß sie zu elf Uhr einen Termin bei Dr. Norden hatte.
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Buchvorschau
Das Glück, geliebt zu werden - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Gold
– 7 –
Das Glück, geliebt zu werden
Patricia Vandenberg
Veronika Imhoff hatte die Post aus dem Briefkasten geholt und lief schnell ins Haus zurück, denn der Nieselregen war urplötzlich in einen kräftigen Schauer übergegangen, und nun hatte ihre Frisur eine ganz schöne Dusche abbekommen.
Sie schüttelte sich und streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus, aber dann sagte sie: »Hast ja selber schuld, wenn du so rausrennst.« Die Post hatte sie beiseite gelegt und noch gar nicht angeschaut.
Schnell ging sie erst ins Bad und stellte den Fön an, um das Haar zu trocknen, denn am Abend wollte sie mit ihrem Mann ein Konzert besuchen. David Delorme war wieder einmal als Gastdirigent in München, und seine Konzerte ließen sich die Imhoffs nie entgehen.
Nach ein paar Minuten konnte sie zufrieden sein. Die Frisur hatte kaum gelitten, ihr schönes blauschwarzes Haar schmiegte sich seidig um ihr feines Gesicht, in dem große veilchenblaue Augen leuchteten, die einen aparten Kontrast zu den dunklen Haaren bildeten.
Dann holte sie die Post und setzte sich noch einmal an den Frühstückstisch. Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und aß das Brötchen, das ihr Mann hatte liegenlassen, weil er es sehr eilig gehabt hatte.
Unwillig legte sie die Wurfsendungen beiseite, die manchmal en masse kamen, aber dann weiteten sich ihre Augen, denn sie sah einen Brief, der aus Tübingen kam, von einem Rechtsanwalt Dr. Hagenau.
In Tübingen war Veronika zur Welt gekommen und zur Schule gegangen, und dort hatte sie auch Bekannte, mit denen sie hin und wieder korrespondierte, aber ein Dr. Hagenau war ihr nicht bekannt, und da es sich um einen Rechtsanwalt handelte, öffnete sie den Umschlag mit einem Gefühl des Unbehagens.
Aber nachdem sie die ersten Zeilen gelesen hatte, schloß sie die Augen und preßte die Lippen aufeinander.
Sehr geehrte Frau Imhoff, ich habe die traurige Pflicht, Ihnen die Nachricht vom Ableben meiner Mandantin, Frau Erika Axmann, zu übermitteln und deren letzten Wunsch, daß Sie Thomas vielleicht in einem Heim in der Nähe von München unterbringen könnten, damit er wenigstens eine Bezugsperson hat, der er Vertrauen entgegenbringt.
Frau Axmann konnte Ihnen nicht mehr selbst schreiben, da sie einen Schlaganfall erlitten hatte, aber ihre Kraft reichte noch aus, diese Bitte
zu äußern. Thomas wurde zwischenzeitlich von Nachbarn aufgenommen, aber eine baldige Entscheidung wäre im Interesse des sensiblen Kindes wünschenswert, und ich hoffe, daß Sie Frau Axmanns Bitte nicht als eine Belästigung betrachten.
Das arme Kind, dachte Veronika, nun hat er auch keine Großmutter mehr, aber da sie nicht mit ihrem Mann sprechen konnte, der außerhalb wichtige Besprechungen hatte, fühlte sie sich momentan ziemlich hilflos.
Und dann hätte sie fast vergessen, daß sie zu elf Uhr einen Termin bei Dr. Norden hatte. Schnell kleidete sie sich an, steckte den Brief ein und ging zur Garage. Diesmal vergaß sie den Schirm nicht.
Mit zehnminütiger Verspätung traf sie in Dr. Nordens Praxis ein.
»Tut mir leid, Frau Harling«, sagte sie zu Dorthe, »aber mich hat eine unerwartete Todesnachricht durcheinandergebracht.«
Dorthe sah Veronika erschrocken an, und sie erklärte gleich, daß es sich nicht um eine Verwandte handelte.
Veronika war in den letzten Wochen häufig in der Praxis. Sie hatte im Winter an einer ziemlich schweren Virusgrippe gelitten und mußte sich einer Spritzenkur unterziehen, da sie sehr geschwächt gewesen war. Man konnte sie sowieso nicht als robust bezeichnen, wenngleich sie auch keineswegs wehleidig war.
Eigentlich hatte sie nur einen wirklichen Kummer, und das war ihre Kinderlosigkeit nach bereits fünf-jähriger Ehe. Dr. Norden hatte sie zwar immer wieder getröstet, daß sie die Hoffnung nicht aufgeben dürfe, aber manchmal resignierte sie nun doch, und gerade in der Zeit der Krankheit hatte sie seelisch sehr gelitten.
Dr. Daniel Norden fand es ausgesprochen ungerecht, daß ihr größter Wunsch unerfüllt blieb, denn sonst stimmte zwischen Constantin und Veronika Imhoff wirklich alles. Sie führten eine überaus glückliche Ehe, hatten eine gesicherte Existenz, ein schönes Haus, keine finanziellen Sorgen und liebten Kinder. Constantin hatte auch schon mit Dr. Norden darüber gesprochen, daß sie ja ein Kind adoptieren könnten, wenn Veronika es wirklich wolle. Aber sie wollten dann natürlich ein Baby haben, das von Anfang an zu ihnen gehörte.
Nun saß Veronika Dr. Norden gegenüber und reichte ihm den Brief. Er war verblüfft, aber Veronika sagte hastig, daß ihr Mann momentan nicht erreichbar sei und sie einen Rat brauche.
Während er las, warf sie ein, daß Erika Axmann die Großmutter des Jungen gewesen sei.
»Und wie alt ist er?« fragte der Arzt.
»Sechs Jahre. Beate Axmann, seine Mutter, war eine Schulfreundin von mir. Sie war nicht verheiratet. Sie war herzkrank und starb bei der Geburt des Kindes. Ich habe ein bißchen mit für den Kleinen gesorgt und ihn auch besucht, wenn ich in Tübingen war. Die Großmutter hatte es nicht leicht. Sie war verwitwet, und diese sehr konservativen Bekannten rümpften die Nase, weil Beate ein uneheliches Kind geboren hatte.«
Sie verkrampfte die Hände ineinander. Ein Zucken lief über ihr Gesicht.
»Sie wissen ja, daß wir bereit sind, ein Kind zu adoptieren, aber ein kleines wollten wir haben«, flüsterte sie stockend. »Doch nun… Thommy hat doch niemanden mehr. Meinen Sie, daß mein Mann einverstanden wäre, daß wir ihn zu uns nehmen?«
»Sie könnten ihn doch fragen, Frau Imhoff, aber ich würde es mir schon reiflich überlegen, denn ein sechsjähriges Kind hat schon Verstand. Eigentlich werden Sie ja nur gebeten, den Jungen in einem Heim unterzubringen.«
Sie blickte auf, und ihre Augen schimmerten feucht. »Das bringe ich nicht übers Herz«, sagte sie. »Ich werde mit meinem Mann sprechen.«
»Sie werden gemeinsam bestimmt die beste Lösung finden«, sagte Dr. Norden, »aber nun wollen wir die Spritze nicht vergessen. Sie werden Kraft brauchen in der nächsten Zeit.«
Ihr Blick schweifte in die Ferne. »Beate war dreiundzwanzig, als sie starb«, murmelte sie, »und ihre Mutter kann noch nicht sechzig gewesen sein. Es ist so traurig für das Kind.«
Und es ist ebenso traurig, daß sie vergeblich auf ein Kind wartet, ging es Dr. Norden durch den Sinn. Es ging oft ungerecht im Leben zu.
*
Der kleine Thomas saß indessen auf den Treppenstufen eines kleinen Hauses. Einen Arm hatte er um einen Hund geschlungen und seine Wange an dessen Hals gelegt.
Fips, der Labrador, schnaufte tief auf, aber sonst blieb er regungslos sitzen.
»Weißt du, Fips, vielleicht kommt Tante Roni«, sagte der Junge. »Sie ist sehr nett, daran kann ich mich erinnern. Aber ohne dich gehe ich nirgends hin. Wenn sie dich nicht haben wollen, laufen wir weg, gell, das siehst du ein. Und wenn ich in ein Heim muß, dann mußt du auch ins Tierheim, aber das machen wir nicht mit. Ich verspreche dir, daß wir zusammenbleiben.«
»Kommst du endlich zum Essen, Thommy«, ertönte eine laute Frauenstimme, nicht unfreundlich, doch sehr energisch. »Aber der Hund bleibt draußen. Ich will ihn beim Essen nicht am Tisch haben.«
Frau Wagner war eine resolute Frau. Sie hatte sich nicht geweigert, den Jungen aufzunehmen, als Erika Axmann in die Klinik gebracht wurde, aber Fips paßte ihr doch nicht so recht. Er mußte in dem Häuschen bleiben, das Erika Axmann mit ihrem Enkel bewohnt hatte. Doch den Jungen hatte Frau Wagner nicht drüben lassen wollen.
Thomas hatte Hunger, und deshalb ging er auch hinüber. »Ich bringe dir was mit, Fips«, versprach er. »Verhungern läßt sie dich nicht.«
Dazu war Frau Wagner auch zu gutmütig, und außerdem hatte sie auch von Dr. Hagenau Geld bekommen, um den Jungen und den Hund zu verköstigen. Und da ließ sie sich nicht lumpen. Zu hungern brauchten beide wirklich nicht, obgleich Frau Wagner doch sehnsüchtig darauf wartete, daß sich bald jemand anderer um beide kümmern würde. Dr. Hagenau hatte zwar gesagt, daß er für den Hund schon einen Käufer hätte, aber er wollte ihn Thommy nicht schon jetzt wegnehmen.
Von den Zwiegesprächen, die Thommy mit seinem Fips führte, wußte Frau Wagner allerdings nichts.
Die ersten Tage nach dem Tod der Großmutter hatte Frau Wagner Thommy zum Essen direkt zwingen müssen, aber trotzdem hatte er nur an den Speisen genippt. Jetzt meldete sich die Natur und forderte ihr Recht. Man mußte es Frau Wagner lassen, daß sie es doch verstanden hatte, Thommy ein bißchen aufzumuntern, wenngleich sie ihm auch nicht ausreden konnte, jeden Tag zum Friedhof zu gehen.
Also hatte sie ihn begleitet, und Fips mußte draußen warten. Sie brauchten aber nicht besorgt zu sein, daß er weglaufen würde.
Da Frau Wagner selbst unehelich geboren war, brachte sie Verständnis für Thommy auf. Ihre Mutter hatte später allerdings doch noch einen Mann gefunden, aber Herr Wagner war nicht so tolerant wie seine Frau, und er wollte seine Ruhe haben. Kinder machten nur Scherereien, sagte er, und deshalb hatte er selber auch keine haben wollen.
Jedenfalls konnte Thomas seinem Fips wieder eine ganze Tüte Futter bringen, aber der Hund wollte gar nicht so viel haben. Er sah Thommy