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13.November
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eBook157 Seiten2 Stunden

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Über dieses E-Book

Als Neonazi wird niemand geboren, doch wie wird ein sensibler, junger Mensch dazu? Wie wird man Mutter oder Vater eines gewaltbereiten, hasserfüllten Jugendlichen, wenn man dem Kind doch jede Liebe gibt? Und wie kommt man da wieder raus? Es ist nicht leicht, auf diese Fragen eine Antwort zu finden und es gibt auch sicher nicht eine Ursache, nicht eine Lösung, nicht eine Geschichte.

"13.November" berichtet anhand eines Tages in jedem Jahr aus dem Leben eines dieser Menschen, der sensibel und doch brutal, unschuldig und schuldig, voller Liebe und Hass ist. Die Geschichte beginnt am 13.November 1995, am Tag von Peters Geburt, und endet am 13.November 2014, an seinem 19.Geburtstag. Dazwischen erfahren wir in Rückblenden und durch die Schilderung des vermeintlich glücklichsten Tages im Jahr, wie sein Leben in einer österreichischen Kleinstadt verläuft, was ihn und seine Eltern bewegt. Aber es soll kein einseitiges Bild entstehen. Es gibt keine objektive Wahrheit, sondern nur subjektive Wahrnehmung. Daher wird nicht aus der Sicht einer der beteiligten Personen berichtet, sondern alle beteiligten Hauptpersonen sollen zu Wort kommen, auch wenn ein Erzähler die Schilderung übernimmt. Im ersten Jahr erleben wir die Geschichte aus der Sicht von Eva, Peters Mutter, dann aus der Sicht seines Vaters Hans und schließlich aus der Perspektive des kleinen Peters usf. Wie die Geschichte endet, bleibt jedem selbst überlassen. Das Schicksal entscheidet sich meist aufgrund von Kleinigkeiten und doch haben wir es selbst in der Hand.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum23. März 2014
ISBN9783847680765
13.November

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    Buchvorschau

    13.November - Monika Brenneis

    13.November 1995

    Es war ein grauer Novemberabend. Genauso wie am Tag zuvor und die ganzen vergangenen Wochen. Seit langer Zeit hatte Peters Mutter keine Sonne mehr gesehen, aber sie hatte sich bereits daran gewöhnt. Sie hatte ohnehin keine große Lust mehr das Haus zu verlassen, seit ihr Bauch solche Ausmaße angenommen hatte und jeder Schritt einen dumpfen Stich in der Wirbelsäule erzeugte. Besonders glücklich war ihr Angetrauter nicht darüber, dass sie den Haushalt zunehmend vernachlässigte, aber die Hoffnung auf einen männlichen Stammhalter stimmte ihn wieder versöhnlicher, wenn sie sich zu sehr gehen ließ. Er wäre auch nie auf die Idee gekommen, sie auf den Bauch zu schlagen,wie es ja in anderen Familien schon vorkommen konnte. Sie war schon sehr froh, dass sie ihren Mann hatte und nicht alleine geblieben war. Nur wäre es ihr wichtig gewesen, dass er abends öfter bei ihr gewesen wäre, jetzt, so kurz vor der Geburt, doch musste er auch den Kontakt zu seinen Freunden pflegen, sie wollte ihn ja auch nicht einengen, nach allem, was er für sie getan hatte.

    Zwei Tage hatte ihr der Arzt noch gegeben, dann sollte ihr kleiner Peter aus der Wärme ihres Körpers in die Geborgenheit ihrer Arme kommen. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als dieses kleine Bündel in den Armen zu wiegen, na ja, vielleicht doch noch etwas. Ein Heißhunger auf schwarze Oliven in Kombination mit zarter weißer Schokolade machte sich immer stärker in ihr breit. Aber die letzten Oliven hatte sie gestern Abend verspeist und das neue Glas stand ganz oben im Abstellraum und der Arzt hatte ihr davon abgeraten auf Leitern zu steigen. Schokolade schmeckte ja gut, es war nur das Problem, dass sie ohne schwarze Oliven einfach nicht dasselbe Geschmackserlebnis bot, wie mit, und Peter verlangte einfach danach. Also musste sie doch die kleine Stehleiter aus der Ecke holen und sich zaghaft, langsam, Schritt für Schritt, Stufe für Stufe hinauf kämpfen. Dabei hielt sie sich sorgsam fest, zuerst an der Leiter, dann am Regal und als sie endlich das Glas mit den schwarzen Oliven in der Hand hielt, war sie überglücklich. Wie leicht war das noch vor einem Jahr gegangen, als sie noch nicht mit diesem dicken Bauch gesegnet war. Fast hätte sie vor lauter Freude den Halt verloren, aber sie fing sich schnell wieder und kletterte langsam und vorsichtig mit ihrem Schatz die Stufen hinab. Wäre ihr Liebster dagewesen, hätte er geschimpft, dass sie die Gesundheit ihres kleinen Bewohners so sinnlos riskiert hätte, aber wäre er dagewesen, hätte auch er das Glas holen können. Jetzt brauchte sie nur noch die Schokolade, die sie schon sorgfältig neben dem Kühlschrank bereitgelegt hatte. Gemütlich machte sie es sich auf dem Sofa im Wohnzimmer bequem, öffnete die silbern funkelnde Verpackung der Weißen Schokolade und drehte am Verschluss des Olivenglases, doch nichts bewegte sich. Nochmals versuchte sie es mit etwas mehr Kraft, aber nichts tat sich. Na ja, nichts ist nicht ganz richtig. Das Sofa fühlte sich plötzlich etwas feucht und immer feuchter an. Sofort wusste sie, was das bedeutete. Wann sollte Hans nach Hause kommen? Er hatte schon längst Feierabend und immerhin hatte er gestern den Großteil des Tages mit seinen Freunden vom Schützenverein verbracht und er hatte versprochen heute nach der Arbeit nur kurz auf ein Bier zu gehen. Gut, es war zu spät. Länger konnte sie wirklich nicht warten. Gott sei Dank hatte sie in weiser Voraussicht schon alles für die Klinik gepackt und wenn sie ihre Nachbarin anrief, würde die sofort kommen und sie mit dem Auto in die Klinik fahren, die ja ohnehin ganz in der Nähe war. Die Schmerzen wurden schlimmer, aber sie schaffte es trotzdem problemlos zum Telefon, wählte die Nummer, wartete, legte auf, wählte erneut, wartete erneut und wollte schon wieder fast auflegen, als sich die kleine Tochter der Nachbarin meldete. Julia, ist deine Mama da? fragte sie leicht verzweifelt und das Mädchen meinte nur ruhig, Ja, ist im Gartenhäuschen, putzt, darf ihr nicht helfen, obwohl ich dann ganz brav war. Hab heute... Ungeduldig unterbrach Eva die Kleine mit schmerzverzerrter Stimme. Bitte, ich muss mit deiner Mama reden, es ist ganz ganz wichtig!!! Darf sie nicht stören. Sonst darf ich nachher nicht 'Heidi' sehen. Julia, es ist wirklich ganz wichtig!!! brachte Eva zwischen zwei lauten Seufzern hervor. Fast hätte sie Julia angeschrien, aber da kam gerade ihr Vater und nahm ihr den Hörer aus der Hand. Schnell hatte er die Situation erfasst und wenige Minuten später stand er mit dem Auto vor dem Gartentürchen, trug zuerst den Koffer ins Auto und umfasste dann Eva vorsichtig und ging langsam mit ihr zum Wagen.

    Die anfängliche Nervosität, die Peters Mutter und den Nachbarn erfasst hatte, wich erst langsam als sich Eva wohlbehütet in den Händen der Hebamme fand. Peter hatte es wahnsinnig eilig, in diese unbekannte, neonbeleuchtete, sterile Realität zu schlüpfen. Als die anfänglichen Schmerzen immer schlimmer geworden waren, war seine Mutter irgendwann in einen tranceartigen Zustand verfallen. Noch immer ein bisschen benebelt hielt sie Peter in den Händen, als Josef, Julias Papa, eintrat und ihr wie durch einen Schleier berichtete, dass er ihren Mann leider noch nicht erreicht hätte, aber ihn, wenn sie wüsste, wo er sei, holen könnte. Da Eva keine Ahnung hatte, wo er war und auch wenig Lust verspürte, lange nachzudenken, bat sie lieber Josef bei ihr zu bleiben. Die Schwestern versorgten Peter gut und so sehr sie ihn auch liebte und gern die ganze Zeit bei sich gehabt hätte, war sie doch froh, als sie ihn nach dem Trinken nahmen und sie endlich schlafen konnte. Irgendwann in der Nacht musste Josef gegangen und Peters Papa gekommen sein. Sie wusste, dass er ihr Vorwürfe machen würde, dass sie nicht auf ihn gewartet hatte, dass Josef bei der Geburt im Krankenhaus war und nicht er, aber was hätte sie machen sollen? Hätte sie wirklich noch warten können? Wohl kaum. Er hatte ja irgendwie recht, es war sein Recht bei der Geburt seines Erstgeborenen dabei zu sein, aber was hätte sie tun können? Sie war ihm ja unendlich dankbar für alles, was er für sie getan hatte, vor allem nach jenem Tag im November vor zwei Jahren.

    Bis dahin hatten sie sich nur wenig gekannt. Hans war ein Nachbar wie viele andere, zehn Jahre älter als sie, der lange vor ihr in die Schule gegangen war, den sie höflich grüßte, wenn sie ihm zufällig auf der Straße begegnete, den sie ansonsten aber kaum beachtete. Ja, bis zu jenem Tag, der so alltäglich begonnen hatte, wie eben ein normaler Schultag im November beginnt. In weniger als zwei Wochen sollte der Maturaball sein und sie hatte noch immer keine passenden Schuhe zu ihrem neuen, schönen Ballkleid, das ihrer Mutter überhaupt nicht gefiel, das sie aber über alles liebte. Ihr Vater schimpfte wieder einmal, weil sie wie immer zu spät dran war und er sie nicht in die Schule mitnehmen wollte. Als er ihr dann echt davonfuhr, obwohl sie nur mehr schnell ihren Tee trinken und ihre Jacke und Schuhe anziehen musste, war sie unendlich sauer auf ihn und ihre Mutter meinte nur lapidar, sie müsse sich halt nächstes Mal mehr beeilen. Maulend machte sie sich auf den Weg zum Bus ohne noch ein Wort mit ihrer Mutter zu sprechen. Natürlich kam sie zu spät in die Schule und der Mathelehrer musste sich wiedereinmal aufspielen, als wäre er der Größte und Mathematik das Wichtigste im Leben und sie überhaupt ein dummes, nichtsnutziges Ding, das immer zu spät kam, obwohl sie das nur ganz selten tat. Zumindest mit ihrer besten Freundin hatte sie an diesem besch... Tag Spaß und die anderen konnten ihr ohnehin gestohlen bleiben, auch Max, der in letzter Zeit nur mehr blöd hinter Silvia herdackelte. Früher hatte man ja mit ihm noch normal reden können, aber seitdem ihn Silvia einmal angelächelt hatte, hatte er nur mehr Augen für sie. Er war eben auch nur ein hormongesteuerter Idiot ohne Rückgrat.

    In der Mittagspause ging sie mit ein paar Freundinnen Pizza essen, weil das Essen in der Schule einfach nur zum Kotzen war und dann hatte sie noch zwei Stunden Wahlpflichtfach Psychologie. Das war zumindest echt interessant, was in der Schule ja nicht so oft vorkam. Die Lehrerin war jung und cool, sie kam gerade erst von der Uni und bemühte sich noch immer etwas Neues zu bieten. Vermutlich würde Eva nach der Matura ein Freiwilliges Soziales Jahr machen und dann Psychologie studieren. Das war lässig und sie würde in einer richtigen Stadt wohnen können, nicht mehr in so einem kleinen Kaff, das den Namen Stadt nur pro forma trug, weil nicht alles in einem Land als Dorf bezeichnet werden kann. Auf das Leben in der Stadt freute sie sich schon riesig. Mit ihrer besten Freundin würde sie sich eine Wohnung teilen und eventuell nebenbei abends noch ein bisschen jobben. In der Stadt gab es sicher auch coole Jungs, nicht solche Luschen. Dann würde sie viel fortgehen, lernen und das Leben ohne das Gemecker ihrer Eltern genießen, endlich selbständig und erwachsen. Dummerweise musste sie vorher noch die Matura machen und dafür galt es nicht nur Psychologie sondern auch Mathematik und Französisch zu pauken. Der Rest war ja kein Problem, aber diese sinnlose Aneinanderreihung von Zahlen und Buchstaben und anderen seltsamen Zeichen und diese absolut unverständliche Sprache, die man grundsätzlich anders aussprach als man sie schrieb, war ein Horror.

    Gut, jetzt einmal Psychologie. Wenn sie nicht Unterricht gehabt hätte, hätte sie mit ihren Eltern ihre Großmutter im Altersheim besucht, aber das war ziemlich uninteressant. Die war dement und erkannte Eva schon lange nicht mehr. Immer wenn sie etwas erzählte, war das die gleiche alte Geschichte, die Eva schon seit Jahren auswendig kannte und obwohl, wie gesagt, Schule nicht unbedingt Evas Lieblingsbeschäftigung war, zog sie die Zeit mit ihrer Freundin diesem Besuch eindeutig vor. Wie immer verging die Zeit sehr rasch, da sie gerade Referate vorbereiteten und dafür in der Bibliothek recherchierten, sich überlegten, wie sie das ganze präsentieren könnten und Eva hatte richtig Spaß mit ihrer Freundin. Immerhin kannte sie Elke schon aus dem Kindergarten und seit damals waren sie unzertrennlich, beendeten oft die Sätze der jeweils anderen und konnten stundenlang quatschen oder einfach nur sitzen und Musik hören. Jetzt hatten sie das Referatsthema Das Kind auf dem Weg zur Selbständigkeit - vom Frühkindalter bis zur Pubertät gewählt. Sie hatten viel gelesen über Konflikte, Grenzen setzen und loslassen können und hatten auch schon einiges ausgearbeitet. Nur beim Präsentationsstil waren sie sich nicht einig. Mit Powerpoint kannte sich Eva nicht aus, außerdem wussten sie nicht, wie sie das gezeigt hätten, Flipcharts waren schon so abgedroschen und Overheadfolien auch langweilig und sooooo viel Arbeit.

    Gerade als sie beschlossen, vielleicht das Ganze mit dramatischen Einlagen lebendiger zu gestalten, kamen zwei Polizisten in Uniform in die Bibliothek und suchten die Psychologielehrerin. Eva konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen; hatte die Lehrerin vielleicht etwas ausgefressen? War sie bei Rot über die Ampel gefahren oder war sie unter Umständen eine gefährliche Verbrecherin, die sich bei ihnen eingeschleust hatte. Auch Elke brach in unterdrücktes Gelächter aus, als Eva ihre Ahnungen teilte. Doch anscheinend wollten die Herren gar nichts von der Lehrerin, denn die machte zwar ein ganz betroffenes Gesicht, zeigte aber auf Eva. Der blieb das Lachen im Hals stecken. Was hatte sie angestellt, sie war sich echt keiner Schuld bewusst!? Langsam kamen die Polizisten mit der Lehrerin auf sie zu und baten sie, sie nach draußen zu begleiten. Völlig verunsichert folgte ihnen Eva und die ganze Klasse starrte ihnen verdutzt hinterher. Die Lehrerin brachte sie ins Sprechzimmer und da setzten sich die Polizisten auf die eine Seite des Tisches und Eva saß, noch immer von einem ungeklärten Schuldbewusstsein geplagt, auf der anderen Seite neben ihrer Lehrerin. Mit ernster Mine begann der ältere der Polizisten zu fragen, ob sie wüsste, was ihre Eltern heute Nachmittag vorgehabt hätten und sie erzählte ihm irritiert, was sie wusste; das vom Besuch bei der Großmutter eben. Da meinte er, dass sie nicht bis zur Großmutter gekommen seien. Bei der großen Kreuzung, wo seit Jahren immer wieder Unfälle passierten, wollten sie anscheinend links abbiegen, wurden aber von einem LKW übersehen, erfasst und ihr Auto überschlug sich mehrmals. Evas Mutter war sofort tot und ihr Vater starb am Weg ins Krankenhaus. Der LKW-Fahrer... Der Polizist redete noch länger weiter, aber das bekam Eva nicht mehr mit. Sie dachte an ihren Vater

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