Hin- und hergestoßen: Mami Classic 49 – Familienroman
Von Isabell Rohde
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Beate von Redwitz räumte den Staubsauger weg, schloß die Tür zur Besenkammer und blickte sich dann im Flur um. Zum Staubwischen blieb ihr keine Zeit mehr, denn wenn Reinhard gleich erschien, erwartete er einen hübsch gedeckten Tisch, frisch aufgebrühten Tee und dazu die englischen Biskuits, die er so liebte. Erfüllte sie seine Ansprüche und war pünktlich, übersah er hoffentlich den leichten Staub auf den Möbeln. Sie lächelte nachdenklich. Reinhard von Redwitz war einer der anspruchsvollsten Männer, die sie kannte. Aber kannte sie ihren Bruder? Überraschte sie sein Verhalten nicht immer wieder? Und geschah es nicht oft, daß seine Kälte sie abstieß? Nur ließ sie sich nichts davon anmerken, um ihn ja nicht zu verärgern. Solange Sandro bei ihr bleiben durfte, nahm sie alles hin. Denn Sandro, der Vierjährige, den sie wie ihr Fleisch und Blut liebte, war Reinhards Sohn. Sie fand im Schrank noch eine Packung der Biskuits, legte sie beiseite und setzte erst mal Teewasser auf. Ob sie Reinhard nicht doch zu streng beurteilte? Oder gelang es ihr einfach nicht, ihn richtig einzuschätzen, weil sie ihn kaum mit anderen Männern vergleichen konnte? Außer ihren männlichen Patienten, die mit Schulterverspannungen und ähnlichen Leiden zu ihr in die Praxis kamen, fand sie kaum Gelegenheit, sich mit dem starken Geschlecht zu beschäftigen. Sie war auch nicht der Typ Frau, der auf Männer anziehend wirkte. Alle suchten sie nur auf, um sich von ihr behandeln und aufrichten zu lassen. Zu weiteren Kontakten kam es danach nicht. Bis das Teewasser kochte, fand sie noch Zeit, sich im Bad etwas herzurichten. Ob sie ihr von der Urlaubsonne und dem Meerwasser strohiges Haar nicht lieber unter dem bunten Tuch verbarg?
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Hin- und hergestoßen - Isabell Rohde
Mami Classic
– 49 –
Hin- und hergestoßen
Isabell Rohde
Beate von Redwitz räumte den Staubsauger weg, schloß die Tür zur Besenkammer und blickte sich dann im Flur um. Zum Staubwischen blieb ihr keine Zeit mehr, denn wenn Reinhard gleich erschien, erwartete er einen hübsch gedeckten Tisch, frisch aufgebrühten Tee und dazu die englischen Biskuits, die er so liebte. Erfüllte sie seine Ansprüche und war pünktlich, übersah er hoffentlich den leichten Staub auf den Möbeln.
Sie lächelte nachdenklich. Reinhard von Redwitz war einer der anspruchsvollsten Männer, die sie kannte. Aber kannte sie ihren Bruder? Überraschte sie sein Verhalten nicht immer wieder? Und geschah es nicht oft, daß seine Kälte sie abstieß? Nur ließ sie sich nichts davon anmerken, um ihn ja nicht zu verärgern. Solange Sandro bei ihr bleiben durfte, nahm sie alles hin. Denn Sandro, der Vierjährige, den sie wie ihr Fleisch und Blut liebte, war Reinhards Sohn.
Sie fand im Schrank noch eine Packung der Biskuits, legte sie beiseite und setzte erst mal Teewasser auf. Ob sie Reinhard nicht doch zu streng beurteilte? Oder gelang es ihr einfach nicht, ihn richtig einzuschätzen, weil sie ihn kaum mit anderen Männern vergleichen konnte?
Außer ihren männlichen Patienten, die mit Schulterverspannungen und ähnlichen Leiden zu ihr in die Praxis kamen, fand sie kaum Gelegenheit, sich mit dem starken Geschlecht zu beschäftigen. Sie war auch nicht der Typ Frau, der auf Männer anziehend wirkte. Alle suchten sie nur auf, um sich von ihr behandeln und aufrichten zu lassen. Zu weiteren Kontakten kam es danach nicht.
Bis das Teewasser kochte, fand sie noch Zeit, sich im Bad etwas herzurichten. Ob sie ihr von der Urlaubsonne und dem Meerwasser strohiges Haar nicht lieber unter dem bunten Tuch verbarg? Damit konnte sie sich eine hämische Bemerkung Reinhards und ihm die schmerzliche Feststellung ersparen, daß er eine recht unattraktive Schwester hatte.
»Tante Bea! Tante Bea!«
Bea sah durchs Küchenfenster in ihren kleinen Garten. Da stand Sandro und schrie aus Leibeskräften nach ihr.
»Was ist denn, mein Liebling?« rief sie hinaus und war schon auf dem Sprung, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Sandro, das hatte sie sich schon vor zwei Jahren eingestanden, war eben der einzige, wenn auch sehr kleine Mann, der sie ohne Vorbehalte und von ganzem Herzen liebte.
Aber eigentlich brauchte er sie jetzt nicht. Er rüttelte mit aller Kraft am Stamm des jungen Apfelbaums. »Wann kommt Papi denn?« wollte er nur wissen.
»Es kann nicht mehr lange dauern.«
»Aber ich langweile mir so!«
»Es heißt, ich langweile mich«, verbesserte sie lächelnd.
»Aber Kiki und Linus sind nicht da!« beschwerte Sandro sich und rüttelte noch heftiger an dem Baum, als könnte er damit die Nachbarskinder aus den Ferien herbeizwingen. Und plumps! donnerte ein unreifer Apfel neben seinem Fuß auf den Rasen. Sandro, erst erschrocken hob ihn gleich darauf auf, um ihn zu betrachten. »Ist da ein Wurm drin, Tante Bea?«
»Schau genau nach!« riet sie ihm. Jetzt war er wenigstens beschäftigt, und sie konnte letzte Vorbereitungen für Reinhards Besuch treffen. Sie deckte den Tisch mit dem kostbaren Porzellan ihrer verstorbenen Eltern und brühte den Tee auf, aber etwas fehlte noch. Ja, sicher es gab keinen einzigen Blumenstrauß im Haus. Sollte sie noch schnell in den Garten und dort einen Strauß aus Dahlien und Astern zusammenstellen? Oder lieber die letzten Minuten nutzen, um ihrer äußeren Erscheinung einen Hauch von eleganter Weiblichkeit zu verpassen? Das würde Reinhard milde stimmen.
Sekunden später hupte es auf der stillen Straße vor ihrem bescheidenen Reihenhaus. Da wußte Beate, daß die Zeit gerade noch reichte, um ihre Nase zu pudern, die Biskuits auf eine Schale zu ordnen und hastig die Krümel von ihren Jeans zu entfernen. Dann bereitete sie sich auf Reinhards kritische Blicke vor, öffnete ihm aber mit strahlendem Gesicht die Tür.
»Meine heißgeliebte Bea!« begrüßte Reinhard sie und zog sie kurz, aber heftig an sich, um sie dann näher und mit unverhohlenem Mißfallen zu betrachten.
»Mein Gott! Wie siehst du wieder aus! Wenn du nicht etwas mehr auf dich achtest, findest du nie einen Mann, Schwesterchen!«
Das war nun wirklich starker Tobak!
»Sandro und ich haben auf deinen Wunsch unseren Urlaub an der Ostsee abgebrochen«, erwiderte sie gereizt. »Wir sind erst heute mittag angekommen, Reinhard. Was erwartest du denn?« Mit ihm zugekehrten Rücken, setzte sie kühl hinzu: »Sandro ist im Garten. Er hat schon auf dich gewartet. Ich hole inzwischen den Tee.«
»Du bist schlechtgelaunt?« lachte Reinhard.
»Ein wenig schon. Weil alles immer nach deinem Willen gehen muß!«
»Nicht immer, Schwesterherz. Nur heute. Denn ich habe gute Neuigkeiten für dich. Sandro kann warten. Bist du nicht neugierig?«
»Nein. Ich kann mir ja denken, was du auf dem Herzen hast. Mußt du nach New York oder Tokio, vielleicht sogar nach Johannesburg oder nach Sibirien? Oder willst du Sandro endlich mal wieder für ein Wochenende zu dir nehmen, damit er nicht ganz vergißt, daß er einen Vater hat?« fragte sie giftig aus der Küche heraus.
Sie erhielt keine Antwort. Reinhard war durchs Wohnzimmer und über die Terasse in den Garten zu Sandro gegangen. Sie konnte beobachten, wie er den Jungen in die Arme schloß, um ihn dann genauso kritisch zu betrachten wie sie vorher.
Vor zwei Jahren war Reinhard Witwer und Sandro Halbwaise geworden. Seitdem lebte der Kleine bei ihr und sah seinen Vater nur einige Male im Jahr. Reinhard war eben ein vielbeschäftigter Mann. Als international anerkannter Wirtschaftsexperte flog er von einem Kontinent zum andern, um die Interessen der europäischen Wirtschaftsunion zu vertreten. Nun ja, er war eine Koryphäe auf diesem Gebiet. Kaum eine Woche verging, ohne daß er nicht vom Bildschirm aus seine Thesen vertrat oder irgendein kluger Artikel im Wirtschaftsteil einer angesehenen Zeitung von ihm erschien.
»Tante Bea, Papi will seinen Tee!« Sandro kam an Reinhards Hand zu ihr in die Küche.
»Du mußt mit dem Jungen unbedingt zu einem guten Friseur, Bea. Sein Haarschnitt ist katastrophal!«
»Ja, ja. Soll ich dir vorher oder nachher eine Tasse Tee einschenken?« parierte sie spöttisch.
»Linus und Kiki sind noch in den Bergen, Papi!« plapperte Sandro ungerührt weiter. »Und der Kindergarten macht erst nächste Woche wieder auf. Ich hab keinen Freund zum Spielen!«
»Mit so einem wilden Wuschelkopf findest du bestimmt keine neuen Freunde.«
Beate sah ihn fassungslos an. Reinhard übertraf sich an Taktlosigkeit heute selbst! »Laß dir von Tante Bea einen Keks geben und geh wieder in den Garten!« setzte Reinhard ungerührt hinzu. »Ich muß mit ihr allein sprechen.«
»Über Sandros Haarschnitt?« feixte Bea und freute sich, weil ein Ausdruck von Ärger über das braungebrannte Gesicht ihres Bruders huschte.
Respektlose Bemerkungen dieser Art haßte er. Und ausgerechnet Beate, seine jüngere und so unattraktive Schwester, erdreistete sich dazu. Nun ja, in wenigen Minuten bekam sie die Quittung dafür.
Sandro stapfte mit einem Biskuit in jeder Hand gehorsam in den Garten. Als Bea mit dem Tablett ins Wohnzimmer trat, warf sie ihrem kleinen Liebling einen wehmütigen Blick nach. So war es immer. Sandro konnte das Eintreffen seines Papis kaum erwarten. War Reinhard da, hielt seine Freude kaum länger als drei Minuten an.
»Ich werde Mitte November heiraten, Beate!« verkündete Reinhard, nachdem er im bequemsten Sessel Platz genommen und einen Schluck Tee getrunken hatte.
»Wie bitte?« Sie konnte es nicht fassen. Reinhard wollte wieder heiraten? Hatte er nicht wiederholt zugegeben, nicht für die Ehe geschaffen zu sein? Hatte er schon vergessen, wie unglücklich seine Frau mit ihm gewesen war? Bea sah ihn an. Nun ja, er war achtundvierzig, ein noch immer sehr attraktiver Mann.
»Ich war lange genug Witwer. Und du kennst meine zukünftige Frau, Schwesterchen. Erinnerst du dich an meinen Geburtstagsempfang?«
»Ja.« Sie zuckte mit den Schultern. »Halb Hamburg war anwesend.«
»Und die schönste Frau trug ein weißes Kleid und einen großen Strohhut auf ihrem kastanienbraunen Lockenhaar.«
»So?« Mindestens dreißig bildschöne Frauen waren durch den Garten flaniert. Fast alle hatten Strohhüte getragen, um sich vor der brennenden Julisonne zu schützen.
»Klaudia Waller!« sagte Reinhard. »Du willst doch nicht etwa behaupten, sie habe keinen Eindruck bei dir hinterlassen?«
»Kann sein«, erwiderte sie nach einer Weile. »Jetzt erinnere ich mich. Du hast sie mir vorgestellt. Ist sie nicht Moderedakteurin oder so was? Sie erschien mir recht jung. Warum willst du sie gleich heiraten?«
»Weil sie eine wunderbare und bildschöne Frau ist. Ja, und die einzige Tochter des Pharmazie-Unternehmers Waller. Der lebt