Mami 1782 – Familienroman: Entführt …
Von Gisela Reutling
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"Wie gefällt dir mein neues Kostüm?" fragte Beatrice ihre Schwester, bevor sie in der Diele ihre Jacke auszog.
"Es steht dir gut." Bianca lächelte anerkennend und strich über den feinen Stoff. "Wo hast du es gekauft?"
"Im Modesalon Annabelle. Ich sah es im Schaufenster. Es gefiel mir so gut, daß ich spontan hineinging. Weil es genau meine Größe war, nahm ich es. Ich hätte es nicht tun sollen."
"Warum nicht?" wunderte sich Bianca. "Es ist doch bildhübsch." "Reinold war sehr ungehalten." Beatrice streifte die Jacke von den Schultern und hängte sie an die Garderobe. "Es hätte gestern abend beinahe Streit deswegen gegeben." Sie fuhr sich mit den Händen über ihr leichtgelocktes braunes Haar, das draußen der Märzwind verweht hatte. "Aber ich bin ja gewohnt zu schweigen", fügte sie mit leiser Resignation hinzu. "Dein Mann meinte es bestimmt nicht so", äußerte Bianca besänftigend. "Er ist doch sonst immer so großzügig. Da wirst du einmal etwas für dich ausgeben können, das seinen Preis wert ist." "Es geht ja nicht um die Ausgabe", sagte Beatrice, während sie ins Wohnzimmer gingen. "Es geht darum, daß ich es mir allein ausgesucht habe. Wie ich mich kleide, was ich anziehe, will er bestimmen. Ich sollte das inzwischen wissen." Nachdenklich sah Bianca ihre Schwester an. Beatrice war sechsundzwanzig, knapp vier Jahre jünger als sie. Man sollte meinen, daß sie in persönlichen Dingen durchaus für sich entscheiden konnte.
Was war das vor zwei Jahren eine pompöse Hochzeit gewesen! Alles schien eitel Glück und Wonne zu sein.
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Mami 1782 – Familienroman - Gisela Reutling
Mami -1782-
Entführt...
Gisela Reutling
»Wie gefällt dir mein neues Kostüm?« fragte Beatrice ihre Schwester, bevor sie in der Diele ihre Jacke auszog.
»Es steht dir gut.« Bianca lächelte anerkennend und strich über den feinen Stoff. »Wo hast du es gekauft?«
»Im Modesalon Annabelle. Ich sah es im Schaufenster. Es gefiel mir so gut, daß ich spontan hineinging. Weil es genau meine Größe war, nahm ich es. Ich hätte es nicht tun sollen.«
»Warum nicht?« wunderte sich Bianca. »Es ist doch bildhübsch.«
»Reinold war sehr ungehalten.« Beatrice streifte die Jacke von den Schultern und hängte sie an die Garderobe. »Es hätte gestern abend beinahe Streit deswegen gegeben.« Sie fuhr sich mit den Händen über ihr leichtgelocktes braunes Haar, das draußen der Märzwind verweht hatte. »Aber ich bin ja gewohnt zu schweigen«, fügte sie mit leiser Resignation hinzu.
»Dein Mann meinte es bestimmt nicht so«, äußerte Bianca besänftigend. »Er ist doch sonst immer so großzügig. Da wirst du einmal etwas für dich ausgeben können, das seinen Preis wert ist.«
»Es geht ja nicht um die Ausgabe«, sagte Beatrice, während sie ins Wohnzimmer gingen. »Es geht darum, daß ich es mir allein ausgesucht habe. Wie ich mich kleide, was ich anziehe, will er bestimmen. Ich sollte das inzwischen wissen.«
Nachdenklich sah Bianca ihre Schwester an. Beatrice war sechsundzwanzig, knapp vier Jahre jünger als sie. Man sollte meinen, daß sie in persönlichen Dingen durchaus für sich entscheiden konnte.
Was war das vor zwei Jahren eine pompöse Hochzeit gewesen! Alles schien eitel Glück und Wonne zu sein.
Beatrice hatte ihr Studium aufgegeben, um den um vieles älteren Fabrikbesitzer Reinold Kersting zu heiraten.
Sein weltmännisches Auftreten, seine elegante Erscheinung imponierten ihr. Er hatte freilich ein anderes Format als die jungen Männer, die sie bisher gekannt hatte und die sich dem weiblichen Geschlecht gegenüber salopp und eher schnodderig benahmen. Für jene war Ritterlichkeit nur noch ein leeres, altmodisches Wort. Die jungen Mädchen wußten es auch schon gar nicht mehr anders.
Beatrice war entzückt gewesen, wie Reinold sie verwöhnte. Eine Fülle von roten Rosen wurde beinahe jeden Tag für sie im Elternhaus abgeliefert, denn damals wohnte sie noch zu Hause. Der Verlobungsring war ein Diamant, die Hochzeit ein gesellschaftliches Ereignis, mit der strahlendschönen Braut im Mittelpunkt, die in ihrem weißen Spitzengewand wie eine Märchenprinzessin aussah.
Wie glücklich war sie, die junge Beatrice, und wie verliebt!
War sie es heute nicht mehr?
Es war wohl ein Schatten auf dieses Glück gefallen, weil ihr Mann sie bevormundete, sie ganz und gar als sein Eigentum betrachtete. Als seinen kostbarsten Besitz sozusagen. Ein weniger sanftmütiges Wesen als Beatrice hätte wohl schon dagegen aufbegehrt.
»Weißt du, Beatrice, nichts ist vollkommen«, sagte Bianca vorsichtig nach dieser Minute sinnenden Schweigens. »Es ist Reinolds Art, dir auf diese Weise seine Liebe zu zeigen.«
»Ich beklage mich ja auch nicht«, versicherte Beatrice. »Ich habe schließlich das schönste Leben, das man sich denken kann. Viele Frauen würden mich darum beneiden.«
»Na, siehst du.« Bianca lächelte heiter. »Dann kannst du auch über solche Kleinigkeiten hinwegsehen. Und jetzt mache ich uns eine Tasse Kaffee.«
Damit verschwand sie in die Küche.
Beatrice trat an die Terrassentür, die zum Garten führte. Sie schob den Vorhang ein wenig zurück. Die Bäume und Sträucher waren noch kahl, nur in den sorgfältig gepflegten Blumenbeeten blühten Stiefmütterchen, die den Winter überstanden hatten, Schneeglöckchen wiegten sich im Wind, und die ersten grünen Knospen von Krokussen lugten hervor.
Wie still es hier war.
Das stattliche, villenähnliche Zweifamilienhaus, in dessen Erdgeschoß Bianca ihre Wohnung hatte, lag in einem ruhigen, vornehmen Stadtviertel. Trotzdem war die City leicht zu erreichen. Das war praktisch.
Reinold hatte sich sein Haus mehr im Grünen erbaut, vor den Toren der Stadt. Dort draußen lagen auch die Golf- und Tennisplätze, die Reithalle.
Sie hatte diese Sportarten erlernt in den beiden Jahren, obwohl sie eigentlich nicht besonders sportlich war. Reinold wollte sie neben sich haben in seiner Freizeit, was auch nur verständlich war. Es gab dadurch auch viel Geselligkeit, Bälle, Turniere. Dann trug sie die Modellkleider, die er für sie aussuchte, und er war stolz auf sie, wenn sie die eleganteste unter den Frauen war.
Beatrice lehnte die Stirn gegen die Scheibe.
O ja, sie hatte das schönste Leben…
»So!« Bianca kam mit einem Tablett herein, auf dem das Kaffeegeschirr stand. »Kuchen ist auch noch da, der muß gegessen werden. Mein Besuch von gestern hat ihm kaum zugesprochen, wegen der schlanken Linie. Darum brauchen wir uns ja keine Sorgen zu machen, nicht wahr, Bea?«
Beatrice wandte sich um, sie setzten sich zu Tisch. Bianca bediente ihre Schwester. »Unserem Vater soll es nicht besonders gutgehen, hast du es auch gehört?« bemerkte sie dabei.
»Ja, Mutti sagte so etwas. Aber ich glaube, sie ist überbesorgt. Papa ist immer noch ein Mann wie ein Baum. Den wirft so leicht nichts um.«
»Ich weiß nicht. Ich fürchte, er arbeitet zuviel. Jetzt war er wieder auf der Möbelmesse. Alles will er immer allein machen.« Bianca seufzte ein wenig. »Leider ist es ja auch so, daß die Geschäfte allgemein schlechter gehen und nur durch großen persönlichen Einsatz konkurrenzfähig zu halten sind. Jürgen sollte mal weniger bummeln und sein Studium zügiger zum Abschluß bringen.«
»Unser Brüderlein genießt eben noch die unbeschwerte Studentenzeit in Heidelberg.« Beatrice rührte in ihrer Kaffeetasse. »Mutti ist ja auch noch mit im Geschäft. Sie entlastet Papa doch.«
»Kümmere dich ein bißchen um die Eltern, wenn ich weg bin«, bat Bianca.
»Wenn du weg bist?« horchte Beatrice auf.
»Ja. Ich fliege am Freitag.«
»Und wirst du wieder so lange fortbleiben?« fragte ihre Schwester bestürzt. »Letztes Jahr waren es sechs Monate. Du bist erst im Spätherbst zurückgekommen.«
Biancas Miene war undurchdringlich. »Ich weiß noch nicht, wie lange ich bleiben werde.«
»Eines Tages wirst du noch ganz da runter ziehen«, schmollte Beatrice.
»Das sicher nicht«, gab Bianca mit einem leichten Kopfschütteln zurück.
Beatrice ließ die Kuchengabel sinken, ihr ernster Blick hing an der Schwester. »Ich sehe ja ein, daß es in Süditalien jetzt schöner ist als in unserer Großstadt, wo der Frühling lange auf sich warten läßt. Und das Haus ist wirklich herrlich gelegen. Aber was nützt das alles. Es ist doch mit so schlimmen Erinnerungen verbunden, daß ich an deiner Stelle es bestimmt längst verkauft hätte.«
Mit gesenkten Lidern rückte Bianca an dem Sahnekännchen auf dem Tisch.
Sie schwieg. Erst nach einer Pause murmelte sie: »Ich muß aber doch immer wieder hin.«
»Mein Gott, Bianca«, flüsterte Beatrice erschrocken, denn war es nicht eine Zwangsvorstellung, der ihre Schwester unterlag? »Das hat doch keinen Sinn mehr!«
»Ich möchte nicht darüber reden«, sagte Bianca verschlossen.
»Auch mit mir nicht?« fragte Beatrice ein wenig schmerzlich.
Bianca legte leicht ihre Hand über die ihrer Schwester. »Sei mir nicht bös, Bea. Du kannst das nicht verstehen.«
Sie wechselten das Thema. Ihre Unterhaltung blieb nun mehr an der Oberfläche. Erst als Beatrice aufbrach, um nach Hause zu fahren, umarmten sie sich fest.
»Ich wünsche dir eine gute Zeit da unten, Bianca. Bleib nicht zu lange fort. Und laß bald von dir hören, ja?«
»Das werde ich. Dir auch alles Gute, Schwesterchen. Grüß Reinold von mir.« Bianca küßte sie zum Abschied auf die glatte rosige Wange. Sie winkte Beatrice nach, als sie in ihren Wagen stieg und davonfuhr.
Du kannst es nicht verstehen, weil du keine Mutter bist, dachte sie noch, bevor sie die Haustür schloß.
*
Die Signora ist wieder da!
Bald hatte es sich herumgesprochen, daß das ›CASA BIANCA‹ oben auf dem Hügel wieder bewohnt war.
Paolo kam mit seinem Moped angeknattert.
»Warum haben Sie uns nicht vorher Bescheid gegeben, Signora?« fragte er ordentlich aufgeregt. »Sie wären nicht in ein kaltes, verschlossenes Haus gekommen. Wir hätten doch alles zu Ihrem Empfang vorbereitet, den Kamin geheizt und den Kühlschrank aufgefüllt, und Franca