Eva und die Eger-Brüder: Der Bergpfarrer 247 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Geringschätzig ließ Maria Erbling, die Witwe des letzten Poststellenleiters von St. Johann, ihre Blicke über die alte Hütte am Dorfrand schweifen. Die Dachrinne hing schief und der ohnehin schon völlig verblasste Anstrich der Haustür blätterte bedenklich ab. »Ja, ja«, murmelte Maria. »Da sieht man es wieder. So weit kommt es mit einem Menschen, der keine Freud an einer richtigen Arbeit hat.« Missbilligend schüttelte sie ihren Kopf. »Ob er wohl schon aus den Federn ist, der Brandhuber-Loisl? Oder ist er, weil wir gerade Vollmond haben, erst in aller Herrgottsfrüh vom Kräutersammeln zurückgekommen und schnarcht jetzt noch in aller Seelenruhe?« Maria setzte ihren Zeigefinger auf den Klingelknopf neben der Haustür und drückte ihn kräftig und entschlossen. Die Glocke gab einen hässlichen Ton von sich, dann war es wieder still. Maria lauschte an der Tür. Endlich hörte sie das Geräusch schlurfender Schritte. Wenig später ging die Tür einen kleinen Spalt auf, und Alois Brandhuber spähte missmutig hindurch. Das schüttere, schon angegraute Haar stand dem selbst ernannten Wunderheiler wirr um den Kopf, sein Gesicht war teigig blass, und er hatte tiefe Schatten unter den Augen. Zudem schlug Maria eine Alkoholfahne entgegen, die ihr fast den Atem nahm. Am liebsten hätte sie auf der Stelle kehrt gemacht, doch es gab Neuigkeiten zu erkunden, und dabei durfte man nicht zimperlich sein. Einige Dorfburschen wollten den Brandhuber nämlich vor ein paar Tagen auf dem spätabendlichen Nachhauseweg gesehen haben. Und zwar nicht allein.
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Der Bergpfarrer (ab 375)
Ähnlich wie Eva und die Eger-Brüder
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Buchvorschau
Eva und die Eger-Brüder - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 247 –
Eva und die Eger-Brüder
Die Entscheidung fällt ihr nicht leicht
Toni Waidacher
Geringschätzig ließ Maria Erbling, die Witwe des letzten Poststellenleiters von St. Johann, ihre Blicke über die alte Hütte am Dorfrand schweifen.
Die Dachrinne hing schief und der ohnehin schon völlig verblasste Anstrich der Haustür blätterte bedenklich ab.
»Ja, ja«, murmelte Maria. »Da sieht man es wieder. So weit kommt es mit einem Menschen, der keine Freud an einer richtigen Arbeit hat.« Missbilligend schüttelte sie ihren Kopf. »Ob er wohl schon aus den Federn ist, der Brandhuber-Loisl? Oder ist er, weil wir gerade Vollmond haben, erst in aller Herrgottsfrüh vom Kräutersammeln zurückgekommen und schnarcht jetzt noch in aller Seelenruhe?«
Maria setzte ihren Zeigefinger auf den Klingelknopf neben der Haustür und drückte ihn kräftig und entschlossen.
Die Glocke gab einen hässlichen Ton von sich, dann war es wieder still. Maria lauschte an der Tür. Endlich hörte sie das Geräusch schlurfender Schritte.
Wenig später ging die Tür einen kleinen Spalt auf, und Alois Brandhuber spähte missmutig hindurch. Das schüttere, schon angegraute Haar stand dem selbst ernannten Wunderheiler wirr um den Kopf, sein Gesicht war teigig blass, und er hatte tiefe Schatten unter den Augen.
Zudem schlug Maria eine Alkoholfahne entgegen, die ihr fast den Atem nahm. Am liebsten hätte sie auf der Stelle kehrt gemacht, doch es gab Neuigkeiten zu erkunden, und dabei durfte man nicht zimperlich sein.
Einige Dorfburschen wollten den Brandhuber nämlich vor ein paar Tagen auf dem spätabendlichen Nachhauseweg gesehen haben. Und zwar nicht allein. Eine dralle Blondine in einem feschen, tief ausgeschnittenen Dirndl sei bei ihm gewesen, hatten sie berichtet.
Kein Wunder also, dass Marias Neugierde geweckt war. Nun allerdings kam ihr, je länger sie den Loisl anschaute, mehr und mehr der Verdacht, gefoppt worden zu sein und den Weg zur Brandhuber-Hütte umsonst gemacht zu haben.
»Guten Morgen, Maria. Was willst?«, riss Loisl die Klatschbase aus ihren Gedanken.
Sie zuckte zusammen, fasste sich aber rasch wieder und leierte das Sprüchlein herunter, das sie sich ausgedacht hatte.
»Grüß Gott, Loisl. Ich hab mir sagen lassen, du hättest eine neue Salbe gegen Rheuma. Und zwar eine, die besser hilft als alle Medikamente vom Doktor«, begann sie scheinheilig. »Jedenfalls hab ich mir gedacht, ich schau einmal vorbei. In letzter Zeit plagen mich nämlich die Gelenkschmerzen, dass ich kaum mehr aus noch ein weiß. Wenn dein Mittel mir helfen würd’ … Das wär’ wirklich zu schön, um wahr zu sein. Ich wär’ dir ewig dankbar, Loisl. Und würd’ überall herumerzählen, dass du es warst, der mich kuriert hat. Und net der Wiesinger-Toni.«
Alois Brandhuber fühlte sich geschmeichelt.
Er verfluchte seinen Brummschädel, den sein selbst angesetzter Kräuterschnaps ihm eingebracht hatte. Er war eben nichts gewohnt. Gestern allerdings hatte er einfach ein paar Stamperln gebraucht, um sein seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Es passierte einem schließlich nicht alle Tage, dass man …
»Und? Bringst mir jetzt die neue Rheumasalbe? Oder lässt’ mich herein, damit ich sie mir anschauen kann?«, drängte Maria Erbling, während sie an Loisl vorbei neugierige Blicke in den Hausflur warf, im Halbdunkel aber nichts weiter als die übliche Unordnung erkennen konnte.
»Freilich bring ich sie dir«, versicherte der Brandhuber-Loisl. »Sie ist ein wahres Wundermittel, das kann ich dir versprechen. Die wird noch ihren Siegeszug um die ganze Welt antreten. Es sei denn …« Er schüttelte den Kopf, wobei er unwillkürlich aufstöhnte. »Es sei denn, mir passiert beim Kräutersammeln noch einmal so etwas wie gestern Nacht. Dann ist es vorbei. So oder so. Dann bringen mich in einer Vollmondnacht keine zehn Pferde mehr vor die Haustür. Selbst wenn ich mit meiner neuen Salbe Millionen scheffeln und ein reicher Mann werden könnte.«
Maria Erbling horchte auf.
Ob in dem Gerede der Dorfburschen doch ein Funken Wahrheit steckte? Konnte es sein, dass die blonde vollbusige Schönheit dem Brandhuber-Loisl übel mitgespielt hatte? Oder war er in dieser Vollmondnacht noch schlimmeren, unheimlichen Wesen begegnet? Auf Maria Erblings Unterarmen bildete sich eine wohlige Gänsehaut.
»Und warum bringen dich keine zehn Pferde mehr hinaus, Loisl?«, hakte Maria nach. »Was ist dir denn geschehen? Irgendwie hab ich mir ja schon gleich gedacht, dass etwas Furchtbares passiert sein muss. So wie du heut ausschaust! Als ob dir der Leibhaftige höchstpersönlich begegnet wäre!«
Alois Brandhuber atmete schwer.
»Ja, der Leibhaftige«, schnaubte er. »So könnte man es auch sagen. Grauslich genug ist das Vieh jedenfalls gewesen.«
Unwillkürlich schüttelte der Loisl sich, bei der Erinnerung an das Erlebnis der vergangenen Nacht.
Maria Erbling musterte Alois Brandhuber mit prüfenden Blicken.
»Dann erzähl halt endlich, was los war. Und mach es net gar so spannend. Am Ende hast nur einen Ochsen gesehen und weiter nix. Und ihn im Dunkeln für ein Ungeheuer gehalten.«
Die Miene des Brandhubers verfinsterte sich.
»Mach dich nur lustig über mich«, rief er beleidigt. »Das Lachen wird dir schon noch vergehen, wenn er dir auch einmal über den Weg läuft – der Bär!«
Unwillkürlich griff sich Maria an die Stirn.
Wollte er ihr buchstäblich einen Bären aufbinden?
»Ich weiß schon, dass mir keiner glaubt, was ich gesehen hab«, gab der Brandhuber zu. »Mir selber würd’ es bestimmt auch net anders ergehen. Aber der Bär … Ein Riesenvieh ist es gewesen, sag ich dir. Grad hab ich mich gebückt, um Kräuter für meine neue Rheumasalbe zu pflücken, als ich ganz in meiner Nähe plötzlich furchtbar schwere Schritte gehört hab. Und ein Schnaufen hab ich gespürt wie der feurige Atem eines Drachens. Ich hab aufgeschaut und …« Dem Brandhuber-Loisl verschlug es für einen Moment selbst die Sprache. »Und war Aug in Aug mit dem Bären. Sein Atem hat gestunken wie die Pest. Und angesehen hat er mich mit seinen kleinen verschlagenen Äuglein, dass mir gleich ganz anders geworden ist. Ich hab net gewusst, ob ich davonlaufen soll oder stehen bleiben. ›Bär, sei so gut und tu mir nix, dann tu ich dir auch nix‹, hab ich gesagt. Ich hab zwar net gewusst, ob der Bär das begreift, aber was hätt ich denn sonst machen sollen in meiner Not?« Loisl rollte mit den Augen und fuchtelte dramatisch mit den Armen. »Ganz langsam bin ich ein paar Schritte zurückgewichen und hab dabei immer ›braves Viecherl, braves Viecherl‹ gesagt. Da hat der Bär sich mit einem Mal auf seine Hintertatzen gestellt und aus Leibeskräften gebrüllt. Ich hab gemeint, mir platzt das Trommelfell.«
»Und dann?«, warf Maria Erbling ein. Loisls Bericht hatte sie gepackt, ob sie wollte oder nicht. »Wie bist’ den Bären dann wieder los geworden, ohne dass er dich gefressen hat?«
Der Brandhuber-Loisl überlegte einen Moment.
Dass der Bär von einer Sekunde auf die andere plötzlich beigedreht hatte und einfach fortgewackelt war, erschien ihm nun, angesichts der dramatischen Vorgeschichte, ein allzu zahmes Ende zu sein.
»Auf dem Höhepunkt der Gefahr bin ich auf einmal ganz ruhig geworden«, fiel ihm plötzlich ein. »Ich hab gewartet, bis der Bär zu brüllen aufgehört hat und wieder auf seinen vier Tatzen stand. Dann hab ich ihn scharf angeschaut und nimmer aus den Augen gelassen. Als er dann trotzdem die Zähne gefletscht hat und auf mich zugekommen ist, um mich zu packen, hab ich ihm meinen Talisman entgegengehalten. Mit dem hab ich den Bären gebannt. Das Vieh hat noch eine Weile gezögert, dann hat er kehrtgemacht