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Seraphina: Die Nacht gehört den Monstern
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Seraphina: Die Nacht gehört den Monstern
eBook303 Seiten7 Stunden

Seraphina: Die Nacht gehört den Monstern

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Über dieses E-Book

Seraphina lebt in einer Welt, die allmählich von übernatürlichen Wesen eingenommen wird. Vampire, Werwölfe, Elfen und andere Monster drängen die Menschen immer mehr zurück - Menschen, wie auch Seraphina und ihre beste Freundin es sind. Als das Geld knapp wird, überwindet sich Seraphina dazu, etwas von ihrem Blut an einen Vampir zu verkaufen - doch als dieser plötzlich mehr als die abgemachte Menge verlangt, ist es ausgerechnet ein Werwolf, der ihr das Leben rettet.
In Adam findet sie einen guten Freund, doch der Vampir gibt nicht so schnell auf und Seraphina verstrickt sich immer mehr in die Welt der Übernatürlichen...
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum7. Mai 2020
ISBN9783750235977
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    Buchvorschau

    Seraphina - Laura January

    Prolog – Die Nacht gehört den Monstern

    Prolog - Die Nacht gehört den Monstern

    Die Vampire waren die ersten Übernatürlichen, die sich den Menschen offenbart hatten. Niemand kann heute noch sagen, was genau sie vor elf Jahren dazu bewegt hatte, ihr Versteckspiel aufzugeben, doch was es auch war, es hatte die Welt verändert. Die Monster hielten sich nicht damit auf, irgendwelche Warnungen auszusprechen, sondern stürzten sich auf die ahnungslosen Menschen, die schon seit Ewigkeiten ihre Nahrung waren. Doch zum ersten Mal bemühten sie sich nicht mehr darum, die Gedächtnisse ihrer Opfer zu löschen oder die Leichen zu verstecken. Sie wussten, sie waren stärker als die Menschen. Und es war an der Zeit, das Recht des Stärkeren einzufordern.

    Es dauerte nicht lange und die Werwölfe folgten dem Beispiel der Vampire. Da sie sich nur in der Zeit um Vollmond verwandelten und tagsüber ganz normale Menschen waren, hoffte man viel zu lange, dass sie die Vampire vertreiben würden. Doch wenn aus Männern und Frauen Bestien wurden, wich ihr Verstand dem Wahnsinn und dem Blutdurst. Es starben mehr Menschen denn je, und zahlreiche Unwissende wurden gebissen und verwandelt.

    Den Werwölfen folgten sämtliche andere Therianthropen, allen voran die Werkatzen. Obwohl sie selbst nach der Verwandlung einen klaren Kopf behielten, waren sie nicht weniger gefährlich, denn ihr übernatürliches Wesen machte sie listig und kaltherzig. Die Angst vor Werkatzen wurde immer größer, denn Gerüchten zufolge war es unmöglich, sie zu töten.

    Auch Elfen, die in menschlichen Geschichten immer als wunderschön und edel bezeichnet wurden, schlossen sich dem Kampf um die Nacht an. Leider war das einzige, was sie mit den Figuren aus den Märchen gemein hatten, die spitzen Ohren. Sie übertrafen selbst die Vampire in ihrer Grausamkeit, da es ihnen schier Vergnügen bereitete, Menschen vor Schmerzen schreien zu hören. Sie rissen gezielt Familien auseinander und brachten tiefe Trauer über die Welt.

    Doch das war alles nur der Anfang.

    01 – Verhängnisvolle Entscheidung

    01 - Verhängnisvolle Entscheidung

    „Ich halte das immer noch für eine bescheuerte Idee, Sera", teilte mir Phoebe, meine beste Freundin und Mitbewohnerin, zum gefühlt tausendsten Mal mit.

    „Ich weiß, seufzte ich, während ich mit den Füßen in ihre schwarzen High Heels stieg. Sie hatte mir zwar erlaubt, sie mir auszuleihen, war aber nicht gerade begeistert davon, wofür ich sie benutzen würde. „Aber es sind 1000 Euro für nur eine einzige Nacht. Das ist mehr als eine Monatsmiete!

    „Das ist Prostitution."

    „Ist es nicht."

    Sie hob eine Augenbraue und ließ ihren Blick über mein viel zu freizügiges Outfit wandern, ehe sie die Arme verschränkte und mich skeptisch anschaute. Wie immer, wenn sie das tat, hatte ich sofort das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen.

    „Ich verkaufe nicht meinen gesamten Körper, sondern lediglich mein Blut. Und auch nicht mehr als einen halben Liter oder so", erklärte ich mürrisch, doch Phoebe war noch immer nicht überzeugt.

    „Das ist zu gefährlich, beharrte sie eindringlich. „Du kennst den Typen doch gar nicht. Er hat bestimmt seine Gründe, auf die illegalen Wege auszuweichen anstatt Blut bei der Bank zu kaufen. Ich wollte sie unterbrechen, doch sie erkannte meine Absicht und redete schnell weiter. „Und jetzt erzähl mir nicht wieder, dass kaltes Blut eklig ist und er es lieber frisch mag, schließlich haben wir diese Diskussion schon zig Mal geführt. Es gibt einen guten Grund dafür, dass dieser Direkt-Handel illegal ist."

    Ich schnaubte belustigt und grinste meine beste Freundin an. „Klar gibt es einen guten Grund. Beim Direkt-Handel fallen die Steuergelder weg."

    Ihrem Gesicht nach zu urteilen, fand Phoebe meinen Witz alles andere als lustig. Ich ließ mich mit verschränkten Armen auf einen Stuhl fallen und starrte trotzig zurück.

    „Ich weiß gar nicht, warum wir schon wieder darüber streiten. Es ist allein meine Entscheidung, was ich mit meinem Blut mache. Ich hab die vermutlich einmalige Chance, für ein bisschen Blut extrem viel Geld zu bekommen. Und wir können die Kohle wirklich dringend gebrauchen. Der Geschirrspüler ist kaputt und ich will bestimmt nicht für den Rest meines Lebens mit Hand abwaschen", argumentierte ich.

    „Die Waschmaschine gibt in letzter Zeit auch beunruhigende Geräusche von sich", gab Phoebe zähneknirschend zu.

    „Siehst du? Mit unseren Gehältern können wir uns neben der Wohnung ja kaum etwas zu Essen leisten, da muss man eben mal Risiken eingehen." Auch, wenn diese beinhalteten, dass man in einer dunklen Gasse sein Blut verkaufte.

    „Du könntest dabei draufgehen."

    Ich versuchte, mir mein Unbehagen nicht anmerken zu lassen, und verdrehte vielsagend die Augen.

    „Bisschen melodramatisch, findest du nicht?", meinte ich betont unbesorgt.

    „Er könnte zu viel nehmen. Er könnte alles nehmen. Oder dich sogar verwandeln. Wer sagt, dass er kein sadistischer Psychopath ist, der sich nur als Vampir ausgibt, um dich dann langsam umzubringen? Sowas hat es schon seit Ewigkeiten gegeben, noch bevor wir überhaupt wussten, dass es Monster wirklich gibt."

    „Schön, dass du mir so viel Mut machst", meinte ich ironisch, woraufhin ich ihr ein fieses Lächeln entlockte.

    „Ich will nur dein Bestes", säuselte sie fröhlich. „Und dass du nicht gehst", fügte sie hinzu.

    Ich schwang mich wieder vom Stuhl und ging auf wackeligen Beinen – verdammte Schuhe - zur Tür. „Ich gehe aber. Wird schon schiefgehen. Vielleicht werde ich ja schon vorher aufgegabelt und lebendig verspeist, immerhin ist die Sonne schon untergegangen." Die Wahrscheinlichkeit war gar nicht mal so gering. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper bei dem Gedanken an all die Wesen, die nachts draußen herumlungerten.

    „So wie du aussiehst wird man dich jedenfalls nicht übersehen", stellte sie fest.

    Ich zuckte mit den Schultern. „Die Klamotten waren seine Bedingungen", erklärte ich wenig begeistert. Ein kurzes, schwarzes Kleid, dass an mir aufgrund meiner Größe eher wie ein T-Shirt aussah, und hohe Schuhe, mit denen ich fast zwei Meter groß war. Bildete ich mir das ein oder war die Luft hier oben dünner?

    Selbst über meine Frisur durfte er bestimmen, also hatte ich mir meine langen braunen Haare heute zu weichen Locken gedreht. Sie würden sich bald wieder lösen, aber ich hatte ja nicht vor, lange zu bleiben. Ich öffnete unsere Haustür und spähte vorsichtig ins Treppenhaus, nur für den Fall, dass irgendwelche Übernatürlichen hier herumlungerten. In den Randbezirken erlaubten sie sich solche Späße öfters.

    Doch heute war die Luft rein. Ich drehte mich zu Phoebe um und zog sie in meine Arme, wobei ich mich noch tiefer bücken musste als normalerweise. Sie erwiderte die Umarmung auf Zehenspitzen und drückte mich einmal ganz fest.

    „Pass auf dich auf, okay? Du kannst mich die ganze Nacht über anrufen, wenn irgendetwas sein sollte, okay? Ich nehme einen Holzpflock mit", versicherte sie mir.

    Mit einem Lachen löste ich mich von ihr. „Woher willst du den Holzpflock denn überhaupt hernehmen?", fragte ich grinsend.

    Sie schürzte unschlüssig die Lippen und zuckte dann mit den Schultern. „Ein Bleistift geht bestimmt auch."

    Wieder lachte ich, ehe ich meine Tasche über meine Schulter hängte und aus der Wohnung trat. „Ich weiß deine Loyalität wirklich zu schätzen, aber du kannst ruhig schlafen gehen. Ich schaff das schon." Mein Lächeln sollte eigentlich aufmunternd sein, doch sie schüttelte den Kopf so heftig, dass ihr ihre pinken Haarsträhnen ins Gesicht flogen.

    „Vergiss es. Ich kann sowieso kein Auge zu machen, wenn ich nicht weiß, ob du noch lebst. Also schreib mir, wenn du fertig bist. Oder ruf mich am besten gleich an."

    „Okay. Ich hau jetzt ab, sonst komme ich zu spät. Und das hätte bestimmt unangenehme Konsequenzen. „Bis gleich, verabschiedete ich mich.

    „Tschüss. Ach, und eins noch!, rief sie mir hinterher. Ich blieb stehen und drehte mich halb zu ihr um. „Wenn du stirbst und ich die Miete für dieses Höllenloch dann allein zahlen muss, bringe ich dich nochmal um!, drohte sie mir, doch ich hörte die Sorge in ihrer Stimme. Plötzlich mit einem Kloß im Hals nickte ich nur und drehte mich wieder um.

    Ich spürte noch ihren Blick auf mir, als ich die Treppen runterging.

    Knappe zwanzig Minuten zu Fuß und mit der U-Bahn später erreichte ich die Adresse, die mir der Vampir gesendet hatte. Sie war noch weiter von der Stadt entfernt als unsere Wohnung und lag direkt am Kanal, der zwei Flussarme miteinander verband. Es stank nach totem Fisch und Abwasser und ich befand mich inmitten einer heruntergekommenen Gegend, deren Hauswände mit Graffiti besprüht und deren Fenster entweder eingeschlagen waren oder komplett fehlten. Dass dieser Ort von Übernatürlichen eingenommen wurde, erkannte man spätestens an der fehlenden Stromversorgung der Laternen. Der Stadtrat hat schon vor Jahren damit begonnen, in den hoffnungslos verlorenen Gebieten den Strom abzuschalten, schließlich gab es hier auch niemanden, der ihn bezahlte. Nicht, dass die Monster sich daran störten. Sie konnten alle im Dunkeln sehen.

    Ich leider nicht. Und so musste mein Handy mir in den finstersten Ecken als Taschenlampe dienen, während ich über aufgerissene Müllsäcke hinweg stieg und krampfhaft versuchte, nicht über meine Absätze zu stolpern.

    Der ausgewählte Treffpunkt war allen Anscheins nach eine verlassene Lagerhalle, die aus Backstein errichtet worden war und jetzt dem Verfall überlassen wurde. Ich hatte nicht gerade das Bedürfnis, sie zu betreten und das Risiko einzugehen, unter dem baufälligen Dach lebendig begraben zu werden, andererseits hatte ich wohl keine Wahl. Es war schon fünf nach halb elf und damit war ich eigentlich sogar schon zu spät. Zweifellos wartete er dort drinnen auf mich. Genauer gesagt, auf seine Mahlzeit. Vorsichtshalber drückte ich die Klinke runter und lehnte mich dagegen. Die Tür war tatsächlich offen. Unter einem tiefen Seufzen, dass ein eigenartiges Echo in der Halle auslöste, schwang die Tür auf und ich betrat das Gebäude, wobei ich den Glasscherben so gut wie möglich auszuweichen versuchte.

    Ich spürte den kalten Luftzug noch ehe ich irgendetwas hörte. Vampire bewegten sich lautlos, davor wurden wir von Klein auf gewarnt. Was hingegen ganz und gar nicht lautlos war, war die Tür, als sie mit einem heftigen Knall hinter mir wieder zugeworfen wurde. Erschrocken fuhr ich herum und riss die Taschenlampe nach oben, um einen möglichen Angreifer zu erkennen. Als ein blonder Mann im Lichtpegel auftauchte, ertönte ein animalisches Knurren, was mir einen Schauer den Rücken herunterjagte.

    „Mach das aus!", verlangte der Mann wütend, wobei er einen Schritt auf mich zumachte.

    Statt auf ihn zu hören, richtete ich das Licht lediglich auf den Boden. Der Gedanke, nichts mehr sehen zu können, gefiel mir ganz und gar nicht. „Tut mir leid, ich wollte Sie nicht blenden. Ich hab mich nur erschreckt. Aber ich würde das Licht ganz gerne anlassen, ich kann sonst nämlich nichts sehen", entschuldigte ich mich mit ungewohnt piepsiger Stimme. Himmel, ich hörte mich an wie eine Maus, die versuchte, mit einer Katze zu verhandeln. Nicht gut.

    Zu meiner Verwunderung lachte der Vampir auf. Es klang allerdings nicht besonders amüsiert, eher herablassend. „Natürlich. Ihr Menschen seid ja praktisch blind sobald die Sonne untergeht. Das muss doch fürchterlich nervtötend sein, oder?", fragte er mit gelangweilter Stimme. Sein Tonfall war respekteinflößend und ich wagte es kaum, ihn weiterhin anzusehen.

    Da ich mir nicht sicher war, was für eine Antwort er sich darauf erhoffte, nickte ich schwach. „Ja, schon irgendwie", brachte ich heraus. Ich hörte mich furchtbar heiser an. Ob er meinen Herzschlag hören konnte? Wusste er, dass ich mir vor Angst gleich in die Hose machen würde?

    Jetzt kam er mit zwei geschmeidigen, langen Schritten noch näher, sodass er direkt vor mir stand. Ich müsste nur meinen Arm ausstrecken um seine tote, kalte Haut zu berühren. Er musterte mich mit unverhohlener Neugier, etwa so, wie ein Grillmeister die Waren an der Fleischtheke betrachtete. Ich kämpfte mit dem Drang, davonzurennen. Er hätte mich ohnehin eingeholt, noch ehe ich wieder bei der Tür wäre.

    „Du bist also Seraphina?" Er streckte seine Hand nach mir aus und legte sie an meine Wange, wie um zu prüfen, ob ich echt war. Mir entging nicht, dass seine Hauttemperatur mit der des Raumes übereinstimmte. „Dein Name bedeutet Engel... Oh, wie enttäuscht die Menschen waren, als sie erfuhren, dass Engel die wohl einzigen Fabelwesen sind, die es nicht wirklich gibt. Er lachte kurz über seinen Witz, dann schaute er mich wieder an. „Du siehst ein wenig anders aus als auf den Fotos... Besser. Er wirkte zufrieden, als er den Blick über meinen Körper wandern ließ, wobei seine Hand seinen Augen folgte. Ich erschauderte, als sie auf meiner Hüfte liegen blieb und ich spürte, wie sein Griff fester wurde. Spätestens jetzt gab es kein Entkommen mehr.

    „Wird es... Wird es weh tun?" Ich konnte einfach nicht anders, als zu fragen. Schließlich würde er mir gleich zwei riesige Reißzähne in die Halsschlagader rammen.

    „Nein. Ich habe mir sagen lassen, dass das Gefühl für Menschen berauschender ist als Drogen oder Sex. Deshalb kommen die Bluthuren ja auch immer wieder." Ich zuckte zusammen, als ich die Beleidigung hörte. Sie war eine abfällige Bezeichnung für Menschen, die ihr Blut direkt an Vampire verkauften, anstatt es sich bei der Blutbank abnehmen zu lassen. Menschen, zu denen ich nun ebenfalls gehörte.

    „Ich habe ein paar Regeln, Seraphina. Oder nennen wir sie Wünsche. Erstens, nicht schreien. Die einzigen, die dich hier hören würden, stehen direkt über dir in der Nahrungskette. Er sah mich mit einem bösartigen Lächeln an und wartete darauf, dass ich ihm mein Verstehen zeigte. Mehr als ein schwaches Nicken brachte ich nicht zustande, doch das schien ihm auszureichen. „Zweitens – und das ist dann auch schon die letzte Regel – bitte erspare uns beiden irgendwelche Fluchtversuche. Es ist ebenso lächerlich und sinnlos, wie es nervig ist. Und wenn ich genervt bin, werde ich schnell unfreundlich. Klar soweit?

    Ich sah in sein blasses Gesicht und fand keinen Funken Menschlichkeit in seinen schwarzen Augen. Doch ich atmete tief ein und versuchte ganz fest daran zu denken, weshalb ich das alles tat. „Was ist mit meinem Geld?", erkundigte ich mich mit bebender Stimme.

    „Hm, dein Geld... Das wirst du wohl kaum brauchen, wenn du tot bist."

    Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. Er ließ es zu, für ihn war das Ganze nur ein Spiel. Und er würde es gewinnen.

    „Was?", keuchte ich entsetzt und ging im Kopf alle Lösungsmöglichkeiten durch, alle Verteidigungsmaßnahmen die ich kannte. Ich überlegte sogar, die Polizei anzurufen, doch die Zeit würde er mir niemals geben. Ich war ihm völlig ausgeliefert. Phoebe würde Recht behalten und ich war eine naive Vollidiotin.

    „Wenn du dich mit meiner Nase riechen könntest... Der Vampir machte eine ausschweifende Geste. „Dann würdest du verstehen. Dich gehen zu lassen, wäre einfach nur leichtsinnig.

    Okay, Scheiß auf seine Regeln. Ich sprang von ihm weg und hechtete zur Tür, so schnell ich konnte, nur um plötzlich noch unendlich viel schneller als erwartet gegen ein Hindernis zu stoßen. Es war der Vampir selbst. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich sein verärgertes Gesicht sehen, ehe er mich mit einem schmerzhaften Schlag auf den Brustkorb von dem Ausgang wegschleuderte. Aufgrund seiner immensen Kraft flog ich quer durch die Halle, bis eine Mauer meinen Flug bremste. Ich landete unsanft auf dem mit Scherben übersähten Boden und schlug mit dem Kopf hart auf den Stein. Eine warme Flüssigkeit verklebte meine Haare und ich zog eine besonders große Scherbe unter Stöhnen aus meiner Schulter. Der Vampir stand schon wieder über mir und betrachtete mich kurz dabei, wie ich verzweifelt versuchte, Abstand zwischen uns zu bringen. Dann packte er mich an den Füßen und schleifte mich über den Boden zurück zu ihm. Ein kurzer Schrei löste sich aus meiner Kehle, womit ich auch die andere Regel brach. Im schwachen Licht meines Handys, dass einige Meter entfernt von mir auf dem Boden lag, erkannte ich lediglich seine Silhouette, die bedrohlich über mich gebeugt war. Ich redete mir ein, dass es besser so war. Ich wollte sein Gesicht nicht sehen.

    „Okay, genug gespielt. Ich hab Hunger." Er beugte sich über mich und hielt mich unter seinem Körper gefangen. Ich wandte meine gesamte Kraft auf, um ihn abzuwehren, doch ebenso gut hätte ich mit einem Bären kämpfen können.

    „Du bist so schön... Vielleicht mach ich dich zu einem Vampir? Die Unsterblichkeit würde dir stehen, Seraphina...", murmelte er, wobei er eine kalte Hand über meinen nackten Oberschenkel wandern ließ.

    „Nein!", keuchte ich und versuchte erneut, ihn von mir runter zu werfen. Ich konnte das alles nicht glauben. Wie hatte ich mich so verschätzen können? Meine Gutgläubigkeit würde ich mit dem Leben bezahlen.

    Der Vampir legte seine Lippen auf meinen Hals und ließ seine Hand weiter über meinen Körper wandern. Mit der anderen Hand umfasste er schmerzhaft fest meine Handgelenke, die in seiner riesigen Pranke nahezu verschwanden. Als er seine Hand unter mein Kleid schob, entfuhr mir ein verzweifeltes Wimmern. Mit kalten Fingern wanderte er zwischen meine Oberschenkel und drückte sie gewaltsam auseinander, um sich dazwischen zu knien. Er stöhnte leise an meiner Kehle und genoss meine offensichtliche Hilflosigkeit. Und es stimmte, Schreien war zwecklos.

    Doch als er seinen Mund öffnete und endlich in meinen Hals biss, konnte ich nicht anders. Für einen Moment setzte mein Herz aus, nur um dann umso schneller und verzweifelter zu schlagen, als würde es am liebsten aus meiner Brust springen, nur um zu entkommen. Der Schmerz, der sich unbarmherzig von meinem Hals aus ausbreitete, war schlimmer als alles, was ich je zuvor gespürt hatte.

    Dort, wo er seine Zähne hineingeschlagen hatte, fühlte es sich an, als würde er mir mit einer Kettensäge den Kopf abtrennen wollen. Doch das Vampirgift, das durch meine Adern wanderte und angeblich eine so berauschende Wirkung haben sollte, war noch hundert mal schlimmer: Wie Lava durchspülte es meine Blutgefäße und fraß mich von innen auf. Wo das Gift hinwanderte, fühlte ich mich unendlich schwer und wie in Quecksilber getaucht. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, als würde in meinem Innern ein Kampf um Leben und Tod ausgetragen werden. Ich kreischte und bäumte mich unter meinem Peiniger auf, durch den Adrenalinschub mit neuen Kräften versorgt.

    Überrascht von meiner heftigen Gegenwehr löste der Vampir seine Lippen von meinem Hals und starrte mich irritiert an, doch ich konnte mich auf nichts anderes als den Schmerz konzentrieren. Ich schrie nicht wegen der Todesangst, die ich empfand, ich schrie wegen dem alles verzehrenden Schmerz. Ich brannte. Ich wurde in Säure getaucht. Ich wurde in Stücke geschnitten und an Hunde verfüttert. Es tat so weh, so unendlich weh.

    Ein lauter Knall erschütterte die Halle, doch ich schaffte es nicht, nach der Ursache des Geräuschs zu suchen. Ich konnte nicht einmal sagen, ob der Vampir noch immer bei mir war, denn Tränen der Verzweiflung verschleierten meine Sicht und der Schmerz ließ kein Stück nach. Doch jetzt hoffte ich, dass er noch da war. Denn dann würde er mich töten. Es würde endlich aufhören.

    Mein Handylicht ging aus. Das bemerkte ich, da ich nun vollkommen blind war. Ich spürte, wie sich zwei Arme um meinen sich unkontrolliert windenden Körper legten, zu warm, um zu einem Vampir zu gehören. Doch es tat noch immer so weh. Wie viel Schmerz konnte ein Mensch ertragen?

    Die Antwort kam abrupt und schneller als erwartet. Genau so viel und kein bisschen mehr. Als ich in die Luft gehoben wurde, verlor ich mein Bewusstsein.

    02 – Das Mädchen und der Wolf

    02 - Das Mädchen und der Wolf

    Als mein Bewusstsein allmählich zurückkehrte, spürte ich zuallererst, wie ich hin und her schaukelte, wie bei leichtem Wellengang. Und ich befand mich in einer Position, die alles andere als angenehm war.

    Ich hing über einer stabilen, aber gleichzeitig weichen Kante, die unaufhörlich schwankte und mich dabei ebenfalls bewegte. Sie drückte mir in den Bauch, was vermutlich der Grund für das flaue Gefühl in meinem Magen war. Meine Beine wurden durch irgendwas festgehalten, und mein Unterbewusstsein verriet mir, dass das der einzige Grund war, weshalb ich nicht sofort von der Kante rutschte.

    Ich wollte die Augen öffnen, wollte wissen, wo ich war. Doch ich wusste, sobald ich die Augen öffnen würde, würde ich mich an etwas erinnern, dass jetzt noch in irgendeinem Winkel meines Gedächtnisses schlummerte.

    Aber irgendwann musste ich die Augen öffnen. Also ließ ich meine Neugier die Oberhand gewinnen.

    Ich blinzelte und hatte ein schwarzes T-Shirt direkt vor meiner Nase. Ich schaute nach oben, da ich kopfüber hing wohl eher nach unten, und entdeckte außerdem ein Paar Beine, die in einer dunklen Jeanshose steckten. Sie bewegten sich über eine gepflasterte Straße und mein Gehirn funktionierte wieder in so fern gut genug, um zu begreifen, dass die Kante, über der ich hing, eine Schulter war. Und das, was meine Beine festhielt, war vermutlich ein Arm. Irgendein Fremder hatte mich über seine Schulter geworfen und lief mit mir durch eine dunkle Gasse.

    Und in dem Moment stürzte meine Erinnerung über mich herein. Der Vampir, sein Betrug und, am schlimmsten, sein Gift.

    Von dem Grauen der Erinnerung beherrscht, fing ich sofort wieder an, zu schreien und strampelte mit übermenschlicher Kraft gegen den Griff des Fremden an. Überrumpelt ließ er mich los und ich versuchte sofort, wegzurennen, doch ich kam nicht weit, ehe ich über meine eigenen Füße stolperte und der Länge nach hinfiel. Ich hatte diese verfluchten Schuhe also immer noch an, und jetzt würden sie Schuld an meinem Tod sein. Ohne einen Blick auf das unbekannte Grauen hinter mir zu werfen, rappelte ich mich auf und wollte weiter rennen, doch da legte sich plötzlich ein warmer Arm um meine Mitte und eine Hand wurde auf meinen Mund gedrückt. Ich schrie meinen Frust in die Hand hinein und stemmte mich gegen die Umklammerung, doch wie schon zuvor bei dem Vampir war ich hoffnungslos unterlegen.

    Also versuchte ich es mit einer anderen Taktik. Ich ließ mich zurückfallen und machte mich so schwer, dass er einen Schritt nach vorn stolpern musste, um weiterhin seine Arme um mich zu klammern. Ich nutzte seine Überraschung und versuchte mich aus seinem Griff zu winden, was ihm ein leises Ächzen entlockte. Doch er hatte meine Absicht schon viel zu bald erkannt und zog mich wieder hoch, wobei er mich diesmal so fest an sich presste, dass mir absolut kein Aktionsspielraum blieb.

    „Hey, beruhige dich! Bitte, ich will dir doch nichts tun!", rief eine tiefe Stimme eindringlich an meinem

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