Der Bergpfarrer 103 – Heimatroman: Dich hat mir der Himmel geschenkt
Von Toni Waidacher
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Die Kinder der Klasse 3 saßen mucksmäuschenstill auf ihren Plätzen und lauschten gespannt der Geschichte, die ihnen ihre Lehrerin erzählte. Lucie machte es extra spannend und legte eine kunstvolle Pause ein. "… und wie es weitergeht, erzähle ich euch nach den Ferien", sagte sie lächelnd. Sofort hob ein Proteststurm an. Die Kleinen meinten, daß es viel zu lange dauern würde, bis zum Ende der Sommerferien, und daß sie auf gar keinen Fall bis dahin warten könnten, bis sie endlich erfuhren, wie die Geschichte von der Prinzessin und dem Drachen ausgeht. Lucie Berg hob beschwichtigend die Hände.
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Der Bergpfarrer 103 – Heimatroman - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer –103–
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Roman von Toni Waidacher
Die Kinder der Klasse 3 saßen mucksmäuschenstill auf ihren Plätzen und lauschten gespannt der Geschichte, die ihnen ihre Lehrerin erzählte. Lucie machte es extra spannend und legte eine kunstvolle Pause ein.
»… und wie es weitergeht, erzähle ich euch nach den Ferien«, sagte sie lächelnd.
Sofort hob ein Proteststurm an. Die Kleinen meinten, daß es viel zu lange dauern würde, bis zum Ende der Sommerferien, und daß sie auf gar keinen Fall bis dahin warten könnten, bis sie endlich erfuhren, wie die Geschichte von der Prinzessin und dem Drachen ausgeht.
Lucie Berg hob beschwichtigend die Hände.
»Schon gut«, lachte sie, »nach der Pause geht’s weiter. Und jetzt nehmt euer Frühstück, und dann raus mit euch.«
Im selben Moment ertönte die Klingel, die das Ende der Stunde verkündete.
Die attraktive Lehrerin steckte ein Lesezeichen zwischen die Seiten und klappte das Buch zu. Sie legte es auf den Tisch und nahm ihre Handtasche. Als letzte verließ sie das Klassenzimmer und trat auf den Flur.
»Na, eine Stunde noch, dann haben wir es überstanden«, begrüßte sie Britta Schulz, die Kollegin, die nebenan unterrichtete.
»Ich kann die Ferien auch gut gebrauchen«, stimmte Lucie ihr zu.
Sie gingen den Flur hinunter, an dessen Ende sich das Lehrerzimmer befand. Inzwischen herrschte ein Höllenlärm in dem Schulgebäude, die Kinder drängten aus den Klassenräumen hinaus auf den Schulhof, während die Kolleginnen und Kollegen ebenfalls in die wohlverdiente Pause gingen.
Natürlich waren die Ferien das große Thema, zwischen Butterbroten, Tee und Kaffee. Die meisten wollten weit fort, entweder nach Skandinavien oder in den Süden.
Lucie hatte sich einen Tee eingeschenkt und setzte sich auf ihren Platz. Neben ihr rutschte Britta auf den Stuhl.
»Und wohin fährst du?« erkundigte sie sich.
»Ich fahre nach St. Johann.«
»Ach, nach Österreich also.«
Die dunkelhaarige Lehrerin schüttelte den Kopf.
»Nein, das ist ein kleines Dorf in Bayern«, erklärte sie. »Früher bin ich mit meinen Eltern oft dort gewesen. Zusammen mit unseren Nachbarn. Die Tochter und ich sind immer noch befreundet.«
Sie erzählte von dem hübschen Ort, mit seinen Häusern, deren Fassaden mit den typischen Lüftlmalereien geschmückt waren, den hohen Bergen und der himmlischen Ruhe, die dort herrschte.
»Da ist es wenigstens nicht so überlaufen, wie in den anderen Feriengebieten«, begründete sie ihre Entscheidung. »Außerdem treffe ich mich dort mit Jenny.«
Jenny Sommer und Lucie Berg waren seit den Kindertagen befreundet. Haus an Haus waren sie aufgewachsen, hatten Kindergarten und Schule gemeinsam besucht und in all den Jahren Freud und Leid geteilt. Während es Jenny nach dem Studium ins ferne Hamburg verschlagen hatte, war Lucie im heimischen Boisheim geblieben. Sie liebte ihre Heimatstadt am Niederrhein, und war glücklich gewesen, hier eine Stelle an der Grundschule bekommen zu haben.
Der Kontakt zu Jenny war jedoch nie abgerissen. Auch wenn sie sich aufgrund der Entfernung nur selten sahen, so telefonierten sie doch häufig miteinander, und dank der modernen Technik, teilten sie sich oft die dringendsten Neuigkeiten per E-Mail mit.
Während sie sich mit der Kollegin unterhielt, spürte Lucie, daß sie von jemandem angeschaut wurde. Sie zwang sich, nicht den Kopf zu drehen, weil sie genau wußte, daß es sich nur um Axel Kremer handeln konnte.
Sie konnte sich geradezu bildlich vorstellen, wie er auf der anderen Seite des Lehrerzimmers saß und sie anstarrte. Eingebildeter Kerl! durchfuhr es sie.
Axel war erst vor ein paar Wochen in das Kollegium gekommen, als einer von zwei Männern unter acht Frauen. Entsprechend eingebildet benahm er sich in Lucies Augen. Wahrscheinlich dachte er, daß ihm alle Kolleginnen zu Füßen liegen müßten, wenn er seinen jungenhaften Charme ausspielte.
Dabei sah er wirklich unverschämt gut aus, und diese Tatsache war ihm bewußt…
Doch dann kam sie nicht weiter, über den Kollegen nachzudenken, der ihr mit seiner saloppen, manchmal sogar schnoddrigen Art oft gegen den Strich ging, denn Harald Stern gesellte sich zu ihnen und nahm Lucie und Britta in Beschlag.
»Na, ihr zwei Hübschen«, grinste der Lehrer für Deutsch und Mathe, »wohin geht’s denn bei euch?«
»Britta Schulz wollte nach Holland fahren, Urlaub auf einer Insel machen.«
»Und du?« wollte sie wissen.
Harald bedachte Lucie mit einem sehnsuchtsvollen Blick.
»Ach, ich weiß noch gar nicht«, antwortete er. »Ich habe zwar mein Wohnmobil schon startklar gemacht, aber wohin ich fahren werde, steht noch nicht fest.«
Lucie fühlte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Es war kein Geheimnis, daß Harald in sie verliebt war, mehr als einmal hatte er es ihr gesagt. Und gestern erst hatte er angedeutet, wie glücklich er wäre, wenn sie mit ihm, in seinem Wohnmobil, verreisen würde. Am Abend stand er überraschend vor ihrer Tür und fragte, ob sie nicht ein Glas Wein zusammen trinken wollten. Lucie war nur widerwillig einverstanden gewesen, hatte dann aber doch zugestimmt.
Seinen Vorschlag tat sie lächelnd als Scherz ab, doch Harald zeigte sich beharrlich.
»Ich lege dir die Welt zu Füßen«, sagte er und schaute ihr dabei tief in die Augen.
»Es tut mir leid, Harald«, erwiderte Lucie, »aber es geht wirklich nicht. Ich treffe mich mit einer Freundin. Dieser Urlaub ist schon lange verabredet.«
Sie erzählt ihm von Jenny und St. Johann, und Harald Stern gab sich offenbar damit zufrieden, auch wenn ihm die Enttäuschung deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
Die Pause ging schnell zu Ende. Die Kinder strömten schon wieder in die Klassenräume zurück.
»Na, Frau Kollegin, dann wünsche ich Ihnen einen schönen Urlaub«, vernahm Lucie die Stimme Axel Kremers, als sie durch die Tür gehen wollte.
Er stand direkt hinter ihr, und sie nahm den Duft seines Rasierwassers wahr.
Hatte er das jetzt wirklich ehrlich gemeint?
Sie wandte den Kopf um.
»Ihnen auch.«
Er grinste.
»Den habe ich mir auch verdient«, meinte er. »Nach den anstrengenden Wochen mit Ihnen…«
»Dafür haben Sie ja jetzt Zeit genug, sich von mir zu erholen«, gab sie schnippisch zurück.
»Na, ob’s dafür wirklich reicht…?«
Ärgerlich ging sie in ihren Klassenraum. Während sie das Märchen zu Ende las, mußte sich Lucie immer wieder zwingen, nicht an den arroganten Kerl zu denken. Aber seine Bemerkung hatte sie tief getroffen.
So ein Blödmann, dachte sie, was bin ich froh, daß ich ihn vier Wochen nicht sehen muß!
*
Am nächsten Tag war der ganze Ärger verflogen. Lucie saß im Zug, der sie nach München brachte, von dort aus ging es mit der Regionalbahn weiter. Als sie am späten Nachmittag in den Bus nach St. Johann stieg, war sie schon fast an ihrem Urlaubsziel angekommen.
Schon früher, mit den Eltern, hatte sie in der Pension Stubler gewohnt, und auch diesmal hatten Jenny und sie ihre Zimmer bei der patenten Wirtin gebucht. Lucie freute sich darauf, Ria wiederzusehen, die immer liebevoll für ihre Gäste sorgte.
Endlich hielt der Bus vor dem Hotel. Im »Löwen« fand jeden Samstagabend immer eine große Tanzveranstaltung statt. Natürlich würden die beiden Freundinnen sich dieses Vergnügen nicht entgehen lassen.
Ob Jenny schon angekommen war?
Im Gegensatz zu Lucie wollte sie mit dem Auto anreisen. Als die junge Lehrerin in die Straße einbog, in der die Pension lag, sah sie den Wagen mit dem Hamburger Kennzeichen vor dem Haus stehen. So schnell der schwere Koffer es zulief, lief sie die