Ruf des Herzens: Der Bergpfarrer 138 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
In dem riesigen Bankhaus in der Frankfurter City herrschte das übliche Chaos zum Feierabend. Es summte und brummte wie in einem Bienenstock, Fahrstühle fuhren hinauf und hinunter, Ungeduldige, die es nicht erwarten konnten, nach Hause zu kommen, liefen über die Treppe, und vor dem Ausgang staute sich die Menge, weil es draußen Bindfäden regnete und viele der Angestellten am Morgen keinen Regenschirm zur Arbeit mitgenommen hatten.
In der Frühe hatte es allerdings auch noch nach einem herrlichen Sommertag ausgesehen, und zu denen, die aus diesem Grund den Schirm zu Hause gelassen hatten, gehörte auch eine junge Frau, die sich mit den anderen unter dem Vordach drängte und mißmutig zum Himmel hinaufblickte.
Martina Hellberg hatte es eilig. Um sieben Uhr wollte Thorsten bei ihr sein, und sie mußte noch etwas zum Abendessen einkaufen. Das nächste Lebensmittelgeschäft lag allerdings zwei Straßen weiter, und dorthin zu kommen, ohne bis auf die Haut durchnäßt zu werden, war ganz und gar aussichtslos.
Tina, wie ihre Freunde sie nannten, ärgerte sich, daß sie nicht den Wagen genommen hatte. Allerdings war es fürchterlich, sich damit morgens und abends durch den Berufsverkehr zu quälen. Mit der U-Bahn waren es von Neu-Isenburg – wo sie wohnte – gerade mal zwanzig Minuten bis in die Stadt. Viel angenehmer als mit dem Auto, wenn man sich bequem zurücklehnen, dabei in der Zeitung blättern, die anderen Fahrgäste beobachten oder einfach nur aus dem Fenster schauen konnte. Doch heute hätte sie das Auto gut gebrauchen können. Die Aufzüge führt bis in die Tiefgarage hinunter, und man
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Ruf des Herzens - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 138 –
Ruf des Herzens
Toni Waidacher
In dem riesigen Bankhaus in der Frankfurter City herrschte das übliche Chaos zum Feierabend. Es summte und brummte wie in einem Bienenstock, Fahrstühle fuhren hinauf und hinunter, Ungeduldige, die es nicht erwarten konnten, nach Hause zu kommen, liefen über die Treppe, und vor dem Ausgang staute sich die Menge, weil es draußen Bindfäden regnete und viele der Angestellten am Morgen keinen Regenschirm zur Arbeit mitgenommen hatten.
In der Frühe hatte es allerdings auch noch nach einem herrlichen Sommertag ausgesehen, und zu denen, die aus diesem Grund den Schirm zu Hause gelassen hatten, gehörte auch eine junge Frau, die sich mit den anderen unter dem Vordach drängte und mißmutig zum Himmel hinaufblickte.
Martina Hellberg hatte es eilig. Um sieben Uhr wollte Thorsten bei ihr sein, und sie mußte noch etwas zum Abendessen einkaufen. Das nächste Lebensmittelgeschäft lag allerdings zwei Straßen weiter, und dorthin zu kommen, ohne bis auf die Haut durchnäßt zu werden, war ganz und gar aussichtslos.
Tina, wie ihre Freunde sie nannten, ärgerte sich, daß sie nicht den Wagen genommen hatte. Allerdings war es fürchterlich, sich damit morgens und abends durch den Berufsverkehr zu quälen. Mit der U-Bahn waren es von Neu-Isenburg – wo sie wohnte – gerade mal zwanzig Minuten bis in die Stadt. Viel angenehmer als mit dem Auto, wenn man sich bequem zurücklehnen, dabei in der Zeitung blättern, die anderen Fahrgäste beobachten oder einfach nur aus dem Fenster schauen konnte. Doch heute hätte sie das Auto gut gebrauchen können. Die Aufzüge führt bis in die Tiefgarage hinunter, und man konnte trockenen Fußes einsteigen und ohne Angst um die Frisur haben zu müssen.
»Mistwetter!« schimpfte eine Stimme neben der jungen Frau.
Tina blickte sich um. Sie war vierundzwanzig Jahre alt und hatte ein hübsches Gesicht. Ihre dunklen Augen schienen immer zu lächeln, das braune Haar war modisch frisiert, und die vollen Lippen verrieten Sinnlichkeit. Wie immer wenn sie arbeitete, trug Tina ein dunkles Kostüm, mit einer weißen Bluse darunter. In ihrer Freizeit zog sie am liebsten Pulli und Jeans an oder andere bequeme Sachen. Seit drei Jahren arbeitete sie in der Devisenabteilung einer großen deutschen Bank, die wie viele andere Finanzunternehmen ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main hatte.
»Schön ist es wirklich nicht«, antwortete sie der Kollegin, die hinter ihr stand. »Man kann nicht vor die Tür, ohne gleich klitschnaß zu werden. Dabei habe ich es gerade heute eilig.«
Die Gespräche ringsum verliefen ähnlich. Fast jeder hatte etwas vor und mußte dringend irgendwohin. Doch der Wettergott zeigte sich erst nach einer guten halben Stunde gnädig und stellte den Regen ein. Es nieselte zwar noch ein wenig, aber das hinderte die Leute nicht daran, in Massen aus dem Hochhaus zu stürmen.
Tina Hellberg lief mit ihnen. In großer Hast ging es zum Lebensmittelgeschäft, wo sie rasch ein paar Sachen einkaufte, dann hetzte sie weiter zur U-Bahnstation. Mit einem Pulk Menschen stolperte Tina die Treppe hinunter – und mußte hilflos mit ansehen, wie ihr die Bahn vor der Nase wegfuhr...
Ärgerlich und erschöpft ließ sie sich auf eine Bank sinken und holte erst einmal tief Luft.
Nimm es gelassen, dachte sie, es hat ja doch keinen Zweck, sich zu ärgern.
Ein paar Minuten würde sie halt warten müssen, aber dann war sie bald zu Hause in ihrer kleinen Wohnung, würde schnell eine Dusche nehmen, etwas Bequemes anziehen und das Abendessen vorbereiten.
Gerade heute war es ihr wichtig, daß alles tadellos klappte. Schließlich handelte es sich um einen Versöhnungsabend, nachdem fast eine Woche zwischen ihr und Thorsten Funkstille geherrscht hatte.
Seit einem halben Jahr waren sie und der Leiter der Devisenabteilung ein Paar. Tina hatte schon lange gemerkt, daß Thorsten Mertens ein Auge auf sie geworfen hatte, doch es dauerte, bis sie sich wirklich auf ihn einließ. Es gab da immer wieder Gerüchte unter den Kolleginnen, nach denen der fesche Mann es mit der Treue nicht so genau nahm, und Tina war vorsichtig gewesen.
Allerdings erlag sie dann doch seinem Charme, und die glücklichen Wochen und Monate, die folgten, schienen alle diese bösen Gerüchte Lügen zu strafen.
Bis sie dahinterkam, daß Thorsten mit einer anderen Frau ausgegangen war, obwohl er sich mit ihr verabredet hatte. Das war der erste Krach gewesen, dem im Abstand von ein paar Wochen noch einige weitere folgten. Tina beendete schließlich die Beziehung und war froh, daß sie seinem Drängen nicht nachgegeben hatte, ihre Wohnung zu kündigen und zu ihm in sein Apartment hoch über der Frankfurter Innenstadt zu ziehen.
Thorsten zeigte sich indes reumütig und bat sie inständig um Verzeihung. Zur Aussprache hatte er Tina in eine nobles Restaurant eingeladen, und am Ende des Abends waren sie wieder versöhnt. Er schwor Stein und Bein, daß es sein letzter Ausrutscher gewesen sei, und sie wollte ihm nur zu gerne glauben.
Und ein bißchen stolz war sie natürlich auch, wenn sie die neidischen Blicke der anderen Frauen bemerkte, die ihnen nachschauten, wenn Thorsten und sie irgendwo gingen.
Er sah aber auch unverschämt gut aus!
Dunkles, fast schwarzes Haar, ein markantes Gesicht mit stahlblauen Augen. Das Kinn war energisch und zeugte von Durchsetzungskraft. Obwohl er nie ins Fitneßcenter ging, war Thorsten Mertens schlank und durchtrainiert. Hin und wieder ein Tennismatch war die einzige sportliche Betätigung, der er sich hingab.
Die U-Bahn fuhr in den Bahnhof ein, und Tina stand von der Bank auf.
Sie stand an der Tür, als auf der gegenüberliegenden Seite ebenfalls ein Zug hielt. Während sie sich einen Fensterplatz suchte, schaute sie durch die Scheibe und stutzte.
In dem Abteil ihr gegenüber saßen ein Mann und eine Frau. Sie war rothaarig und sah ziemlich gut aus. Tina schätzte sie auf höchstens Zwanzig.
Der Mann drehte seinen Kopf, und jetzt wußte sie, warum sie eben stutzig geworden war, denn es handelte sich um niemand anderen als um Thorsten...
Er mußte sie im selben Moment erkannt haben, denn er drehte sofort seinen Kopf zur Seite und schaute in die andere Richtung!
Tina hielt die Luft an und wollte gleichzeitig schreien. Sie gestikulierte und klopfte an das Fenster, doch dann setzte sich die Bahn in Bewegung, und Thorsten verschwand aus ihrem Blickfeld.
*
Unsinn, schüttelte sie den Kopf, du hast dich vertan. Das war nicht Thorsten. Eine Verwechslung, versuchte sie, sich zu beruhigen.
Aber so ganz wollte es nicht gelingen. Immer wieder dachte Tina an die Augenblicke, in denen sie zu Hause saß und mit sich haderte, weil sie auf diesen Casanova hereingefallen war.
Aber hatte er nicht versprochen, sich zu ändern?
Vielleicht war es ja wirklich nur jemand, der Thorsten zum Verwechseln ähnlich sah. So etwas sollte es ja geben.
Sie nahm das Handy aus der Handtasche und wählte seine Nummer. Der Anrufbeantworter meldete sich. Tina beendete die Verbindung, und erneutes Mißtrauen stieg in ihr auf.
Um diese Zeit müßte er doch längst zu Hause sein...
Sie versuchte es auf seinem Handy, erreichte aber auch da nur die Mailbox. Er hatte sein Mobiltelefon nicht eingeschaltet.
Ob er vielleicht gerade duschte und deshalb das Telefon nicht läuten hörte?
Tina merkte, daß sie sich wieder selbst zu beruhigen versuchte, aber tief in ihrem Innern stieg eine dunkle Ahnung auf.
Endlich in ihrer Wohnung angekommen griff sie gleich wieder zum Telefon und rief Thorsten erneut an. Wieder nahm er nicht ab.
»Mensch, jetzt mach dich nicht verrückt!« murmelte sie. »Sieh lieber zu, daß du fertig