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Besuch am Heiligabend
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eBook65 Seiten1 Stunde

Besuch am Heiligabend

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Über dieses E-Book

Jahrelang hat die Familie Weihnachten mit fremden Leuten gefeiert. Dieses Jahr wollen die Kinder mit ihrer Mutter alleine verweilen. Nur, wer sagt dies dem hilfsbereiten und rücksichtsvollen Onkel Pan, der einsamen und alten Frau Kienel sowie den beiden Fräulein Krauses? Nach einem beklemmenden Mittagsessen machen sich die Kinder auf den Weg,... – die beiden Geschichten "Besuch am Heiligabend" und "Wie bei uns zu Hause" beschreiben in tiefergreifender Weise, was es heisst Nächstenliebe am Heiligabend zu empfinden. Lesenswert! -
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum1. Jan. 2017
ISBN9788711508367
Besuch am Heiligabend

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    Buchvorschau

    Besuch am Heiligabend - Lise Gast

    www.egmont.com

    Wie bei uns zu Hause

    Es klopfte.

    »Ja?« Lutz drehte den Kopf, und gleich darauf polterte sein Stuhl, von aufschnellenden Knien zurückgestoßen, krachend nach hinten. »Christine, du?«

    »Ja, ich, in Lebensgröße!« Christine, seine jüngste Schwester, sprang Lutz lachend an den Hals. Sie trug eine Pelzmütze, die von Schneeflocken besternt war, und ihre dunklen Augen blitzten. Atemlos ließ sie sich auf das durchgesessene Sofa seiner Studentenbude sinken, riß die Handschuhe herunter und warf sie auf den Tisch, mitten zwischen den Kirchenvater Augustin und das hebräische Lexikon, den Aschenbecher und die Kolleghefte und was da sonst noch herumlag.

    »Aussehen tut es bei dir, und so was will Pfarrer werden! Na, warte, jetzt räum ich bei dir auf, dann findest du überhaupt nichts mehr. Erst aber muß ich was trinken, was Heißes ... ich hab Beine von Eis! Draußen ist es kalt, aber schön, schön – fröhliche Weihnachten übrigens, mein Lieber!«

    Sie sprang noch einmal auf, hob sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn mit gespitztem Mund auf die Nase. Und dann drückte sie ihr kältebrennendes Gesicht an seinen Pullover.

    »Bist du entsetzt, daß ich so einfach komme? Aber ich konnte dich doch nicht allein lassen, Weihnachten, hier –« Christine wedelte mit der einen Hand rundum. »Auf Bude, ohne Christbaum, vielleicht schuftend ...«

    Sie schnupfte.

    »Entsetzt? Aber wo!« Er zog sein Taschentuch und putzte sich ziemlich laut die Nase. »Riesig nett von dir.« Es klang so nebenbei, daß sie genau merkte: er war gerührt. Ihr großer Bruder war gerührt, über sie.

    Sie zog ihre Jacke aus, und er suchte ihr umständlich einen Kleiderbügel aus den Untiefen seines Schrankes. Und dabei hatten beide Gelegenheit, ihre Gesichter wieder in gleichmütige Falten zu legen. Sie kramte in ihrem Köfferchen. In dem sah es übrigens nicht viel ordentlicher aus als in der Stube.

    »Die Eltern sind gut angekommen«, berichtete sie, »Weihnachten im Sanatorium im Gebirge – warum eigentlich nicht? Für Vaters Gesundheit ist es bestimmt das allerbeste. Im letzten Augenblick auf dem Bahnhof hab ich Mutter noch zugeflüstert, daß ich mich um dich kümmere. Ein Stein fiel ihr da vom Herzen! Du weißt ja, sie hat immer ein schlechtes Gewissen, ob sie nun mit Vater fährt oder bei uns bleibt.«

    »Und du hast deine reichbekinderte Freundin, zu der du fahren wolltest, sitzenlassen?« fragte Lutz. »Oder willst du mich etwa mit dorthin schleppen ...« Sein Gesicht spiegelte jetzt so unverhohlenen Schrecken wider, daß Christine rasch abwinkte.

    »Aber nein, Lutz, ich kenn dich doch! Dich und deine Angst, du könntest überall dort, wo du aufkreuzt, stören. Im übrigen ist Liselotte ein sehr lieber Kerl und ihre kleine Gesellschaft einfach süß. Ich hätte gern dort mitgefeiert, noch lieber aber feiere ich mit dir. Ich hab mir was ganz, ganz Wunderschönes ausgedacht, hör zu!«

    »Wart, erst bekommst du einen Tee!«

    Lutz hoffte auf eine Gnadenfrist. Christines sprudelndes Temperament war in der Familie bekannt – und ein wenig gefürchtet. Es ging mit ihr über Hecken und Zäune und machte auch vor hohen Mauern nicht halt, wenn man so sagen wollte. Er betrachtete sie aus den Augenwinkeln: da saß sie, klein und schlank,aber explodierend vor Unternehmungslust, die Wangen nach der Kälte draußen jetzt heiß und rot, die Augen funkelnd – ja, er meinte, selbst ihre Locken, dunkle, senkrecht emporlodernde Locken, funkelten und tanzten.

    »Hier bleiben wir natürlich nicht«, sagte sie eifrig, »das heißt, heute nacht doch. Da hat mich deine Schlummermutter bereits eingeladen, und ich darf auf der Gute-Stuben-Couch nächtigen. Dann aber, o Lutz, ich weiß etwas für den Weihnachtsabend!«

    »Was also?« fragte er mit leicht belegter Stimme. Er dachte an Onkel Fritz, einen Wahlverwandten, der, wie Mutter aus Leipzig stammend, von seiner lebhaften Ehe erzählte, sehr liebevoll und überaus ehrlich. Eins seiner Worte war den Geschwistern zum Bonmot geworden: »Immer, wenn die Mimi sachte, sie hätte eine Idee, da hielt ich mich am Dische fest.« Lutz fühlte in diesem Augenblick sehr mit Onkel Fritz.

    Und da kam es auch schon wie aus der Pistole geschossen: »Wir machen einen Weihnachtsritt, du und ich! Ins Schlößle. Das wird eine Sache, sag ich dir, die du noch deinen Enkeln erzählen wirst.«

    Da hatte er es. Aber ehe er etwas sagen konnte, wurde ihm blitzschnell der Mund gestopft. Christine hatte in ihrem Köfferchen endlich gefunden, wonach sie anscheinend die ganze Zeit gesucht hatte, und es ihm zwischen die Lippen geschoben.

    »Liegnitzer Bombe, von mir selbst gebacken, koste mal!« hörte er sie sagen, während er zu essen begann. »Köstlich, was? Da heißt es immer, berufstätige Mädchen seien im Haushalt Nullen. Diese These ist hiermit ›bombig‹ widerlegt. Wart, ich möchte auch noch ein Stück davon.«

    Sie kaute, schluckte, fuhr fort: »Paß auf. Ich habe ja auch eine Zeitlang hier gewohnt in dieser

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