Du bist unglaublich, Irina!: Der kleine Fürst 219 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
Jonathan von Reessen klammerte sich am Geländer der Plattform fest, auf der er in luftiger Höhe stand, denn die Plattform befand sich oben auf einer Feuerwehrleiter. Würgend rang er nach Luft, sehen konnte er überhaupt nichts. Er schien inmitten einer riesigen Staubwolke zu schweben. Unten, wo sich Feuerwehr, Polizei, Sanitäter und die Angehörigen der im Gebäude Eingeschlossenen aufhielten, dazu natürlich etliche Neugierige, war es nach dem Einsturz eines weiteren Gebäudeteils der ohnehin schon halb zerstörten Fabrik zunächst totenstill gewesen, jetzt hörte er Schreie und Rufe. Er hatte die Orientierung verloren, wusste nicht, ob die Fabrik sich vor oder hinter ihm befand, und ganz plötzlich kam ihm die Erkenntnis, dass er dem Tod nur knapp entronnen war. Ihm wurde übel. Der Mann, der von unten aus dem Führerhaus die Leiter steuerte, musste unglaublich schnell reagiert und sie beim ersten Anzeichen eines weiteren Einsturzes vom Gebäude weggeschwenkt haben. Jetzt erinnerte er sich auch, dass Trümmer nicht nur haarscharf an ihm vorbei geflogen waren, sondern dass ihn auch etwas im Rücken und an einem Arm getroffen hatte. Was war das gewesen? Ein Eisenträger? Steine? Ein Dachbalken? Der Arm schmerzte, das hatte er bis jetzt kaum wahrgenommen, im Rücken spürte er nichts. Eine Stimme drang in sein Bewusstsein, eine Stimme, die er schon eine ganze Weile hörte, ohne zu begreifen, dass das Rufen ihm galt. »Jonathan! Verdammt, Jonathan, bist du okay?« Das war Klaus Heidenreich, der Chef der Feuerwehr. »Ja«, brüllte Jonathan nach unten, »alles in Ordnung, aber ich sehe nichts!« »Wir holen dich jetzt runter, halt dich fest.«
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Du bist unglaublich, Irina! - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 219–
Du bist unglaublich, Irina!
Eine schöne Frau beweist große Tapferkeit
Viola Maybach
Jonathan von Reessen klammerte sich am Geländer der Plattform fest, auf der er in luftiger Höhe stand, denn die Plattform befand sich oben auf einer Feuerwehrleiter. Würgend rang er nach Luft, sehen konnte er überhaupt nichts. Er schien inmitten einer riesigen Staubwolke zu schweben.
Unten, wo sich Feuerwehr, Polizei, Sanitäter und die Angehörigen der im Gebäude Eingeschlossenen aufhielten, dazu natürlich etliche Neugierige, war es nach dem Einsturz eines weiteren Gebäudeteils der ohnehin schon halb zerstörten Fabrik zunächst totenstill gewesen, jetzt hörte er Schreie und Rufe. Er hatte die Orientierung verloren, wusste nicht, ob die Fabrik sich vor oder hinter ihm befand, und ganz plötzlich kam ihm die Erkenntnis, dass er dem Tod nur knapp entronnen war. Ihm wurde übel.
Der Mann, der von unten aus dem Führerhaus die Leiter steuerte, musste unglaublich schnell reagiert und sie beim ersten Anzeichen eines weiteren Einsturzes vom Gebäude weggeschwenkt haben. Jetzt erinnerte er sich auch, dass Trümmer nicht nur haarscharf an ihm vorbei geflogen waren, sondern dass ihn auch etwas im Rücken und an einem Arm getroffen hatte. Was war das gewesen? Ein Eisenträger? Steine? Ein Dachbalken? Der Arm schmerzte, das hatte er bis jetzt kaum wahrgenommen, im Rücken spürte er nichts.
Eine Stimme drang in sein Bewusstsein, eine Stimme, die er schon eine ganze Weile hörte, ohne zu begreifen, dass das Rufen ihm galt. »Jonathan! Verdammt, Jonathan, bist du okay?«
Das war Klaus Heidenreich, der Chef der Feuerwehr. »Ja«, brüllte Jonathan nach unten, »alles in Ordnung, aber ich sehe nichts!«
»Wir holen dich jetzt runter, halt dich fest.«
»Nein! Lasst mich oben, ich will wissen, was mit den Leuten hier ist.«
Er bekam keine Antwort mehr, merkte aber, dass sie begannen, die Leiter einzufahren. Natürlich war das vernünftig, er hätte an Klaus’ Stelle genau so gehandelt, aber er fluchte trotzdem. Oben in der Fabrik befanden sich schließlich acht Personen, die auf ihre Rettung warteten, eine junge Frau und sieben Jugendliche. Er schrie: »Frau von Vehlen, können Sie mich hören?«
Falls sie ihm antwortete, so hörte er sie nicht. Er wusste ja nicht, wohin die Trümmer gefallen waren – vielleicht in den Raum, in dem die acht sich aufgehalten, wo sie darauf gewartet hatten, dass die Rettungskräfte sie herausholten, da sie es aus eigener Kraft nicht schaffen konnten.. Er durfte gar nicht daran denken, dass sie durch diesen neuerlichen Einsturz möglicherweise alle ums Leben gekommen waren. Er hatte ja schon mit Irina von Vehlen gesprochen, hatte ihr und ihren Schülerinnen und Schülern mit Hilfe einer langen Stange von der Plattform auf der Leiter aus Getränke, Essen und Decken gereicht.
Die Rettungskräfte hatten das Gebäude wegen der Einsturzgefahr nach den beiden Bombenexplosionen nicht betreten können, es war also klar gewesen, dass sie die Eingeschlossenen auch über die Leiter würden aus dem Gebäude holen müssen. Nur war eben auch das gefährlich, weil dauernd weitere Trümmer vom Dach zu fallen drohten, wie es jetzt ja auch geschehen war. Er konnte seine Leute dieser Gefahr nicht aussetzen, er musste es allein machen. Tat er es nicht, würden die acht Menschen im Gebäude nicht überleben – falls sie jetzt überhaupt noch am Leben waren. Er war nur noch etwa fünf Meter über dem Boden, als er die ersten Umrisse erkennen konnte. Die dichte Staubwolke, die noch eben alles eingehüllt hatte, verzog sich allmählich, wozu auch ein leichter Wind beitrug, der aufgekommen war.
Jonathan stieg ungelenk von der Plattform. Sein Arm schmerzte jetzt stärker, auch den Rücken spürte er plötzlich auf höchst unangenehme Weise.
Klaus Heidenreich erwartete ihn, er hatte natürlich bemerkt, wie vorsichtig Jonathan sich bewegte. »Du bist verletzt«, stellte er fest. »Lass dich sofort untersuchen.« Er winkte einen Sanitäter herbei.
»Nicht jetzt!«, wehrte Jonathan ab. »Wir haben keine Zeit zu verlieren, Klaus, die Lage für die Leute da oben wird immer gefährlicher, wir müssen sie da herausholen, bevor das ganze Gebäude in sich zusammenfällt.«
»Das machen wir auch, wenn da oben noch jemand am Leben ist«, erwiderte Klaus ruhig. »Noch wissen wir nichts darüber. Du lässt dich jetzt bitte untersuchen.«
Kriminalrat Overbeck trat zu ihnen. »Herr Heidenreich hat Recht«, sagte er. »Lassen Sie Ihre Verletzungen behandeln, Herr von Reessen, wir müssen uns ohnehin zuerst einen Überblick über die Lage verschaffen.«
Ein schmaler, hochgewachsener Mann trat zu ihnen, dessen ernstes Gesicht Jonathan bekannt vorkam, wenn ihm auch der Name nicht gleich einfiel. Flüchtig fragte er sich, wie der Mann hier hereingekommen war, der Hof war längst weiträumig abgesperrt, es war gefährlich, sich hier aufzuhalten, da jederzeit weitere Trümmer in den Hof fallen konnten. Auch die Rettungskräfte hielten einen Sicherheitsabstand zum Gebäude ein.
»Herr Overbeck«, sagte der Mann.
Der Kriminalrat drehte sich um. »Baron von Kant! Stellen Sie mir bitte keine Fragen, wir wissen selbst noch nichts. Aber wir tun, was wir können.«
»Das weiß ich. Können wir helfen? Gibt es etwas, das wir tun können?«
»Ja, bitte halten Sie sich zurück, damit helfen Sie uns am meisten. Die Einsatzkräfte sind hier, um die Eingeschlossenen zu befreien, und das versuchen sie. Sie brauchen ihre ganze Kraft und Konzentration für diese Aufgabe.«
Der Baron nickte nur und verließ mit gesenktem Kopf den abgesperrten Bereich, ohne ein weiteres Wort. Jonathan bewunderte ihn für seine Haltung, schließlich musste er um das Leben seiner Tochter bangen, die sich, zusammen mit den anderen, in dem vom Einsturz bedrohten Gebäude befand.
»Ich habe ihn nicht gleich erkannt«, sagte er. »Das war also Baron von Kant.«
»Ja«, bestätigte der Kriminalrat. »Ich habe Psychologen angefordert, damit sie die Familien der Eingeschlossenen betreuen, aber sie sind wohl noch nicht eingetroffen.«
»Komm schon, Jonathan«, drängte Klaus Heidenreich, und endlich gab Jonathan nach und folgte dem Sanitäter zu einem der bereitstehenden Rettungswagen.
Der Arzt, der ihn untersuchte, war in mittlerem Alter, er arbeitete gründlich. »Ich verbinde Ihren Arm, es ist nur eine Fleischwunde, die heilt schnell. Ihre Rückenschmerzen allerdings gefallen mit nicht, Sie müssten in die Röhre, damit wir das untersuchen können.«
»Nicht jetzt«, sagte Jonathan, »ich habe in den nächsten Stunden noch einiges zu tun.«
»Sie können sich nicht erinnern, was da passiert ist?«
»Etwas hat mich am Rücken getroffen, glaube ich, aber ich habe es in dem Moment kaum bemerkt«, erklärte Jonathan ungeduldig. »Das mit dem Arm auch nicht. Ich kann ja noch alles bewegen, also wird es schon nicht so schlimm sein.«
Er sah die Skepsis in den Augen des Arztes und fuhr fort: »Ich leite das Sonderkommando, Herr Doktor, ich kann jetzt nicht wegen ein paar Schmerzen die Verantwortung an jemanden anders abgeben.«
»Das könnten Sie sehr wohl, und ich rate Ihnen auch dringend, es zu tun.«
»Danke für Ihren Rat, aber ich kann ihm nicht folgen, tut mir leid. Ich habe mehr Erfahrung als mein Stellvertreter, und ich werde das hier zu Ende bringen. Danach gehe ich von mir aus in die Röhre, eher nicht. Sind wir jetzt endlich hier fertig?«
»Noch nicht ganz«, antwortete der Arzt