Sehnsucht nach Tapetenwechsel: Toni der Hüttenwirt 161 – Heimatroman
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"Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser.
Bürgermeister Fellbacher stürmte ins Rathaus. Hinter ihm fiel krachend die große Eingangstür ins Schloss. Die Tür zwischen dem Vorzimmer und dem Treppenhaus stand offen wie immer, wenn Gina im Amt war.
»Gina!«, rief Fellbacher, schon während er die Stufen zum Hochparterre hinaufrannte.
»Ich bin hier, Herr Bürgermeister, was gibt es?«
»Ich kann net zum Mittagessen heimgehen. Des kannst ausrichten. Ich muss sofort zum Zandler«, sagte er in einem Atemzug.
Dann drehte er sich um und rannte die Stufen wieder hinunter. Beim Hinausgehen knallte er die Tür zu.
Gina stand auf und ging zum Fenster. Sie sah, wie Bürgermeister Fellbacher eilig dem gegenüberliegenden Pfarrhaus zustrebte.
»Himmel, was wird da wieder los sein?«, murmelte Gina vor sich hin. »Wenn er so aufgedreht ist, hat das nichts Gutes zu bedeuten.«
Die junge Gemeindesekretärin kannte ihren Chef gut und wusste seine Stimmungen zu deuten.
Drüben öffnete Helene Träutlein die Tür.
Sie war die Haushälterin von Pfarrer Zandler. Pfarrer und Bürgermeister waren Jugendfreunde und in Waldkogel aufgewachsen. Fellbacher grüßte Träutlein, indem er kurz den Hut zog.
Dann rannte er an ihr vorbei. Die Tür zum Studierzimmer des Geistlichen stand offen.
»Heiner, ich muss dich sofort sprechen«, schrie Fellbacher laut. »Des ist so eine Gemeinheit! Des ist eine einzige Sauerei, und ungerecht ist es ebenfalls. Ich bin so sauer. Ich könnte die glatten Felswände hochgehen, ohne Seil. Ich hänge vor Wut net nur unter der Decke, ich bin schon oben auf dem Gipfel.«
»Erst mal Grüß Gott, Fritz!«
»Meinetwegen, Grüß Gott«, brummte Fellbacher.
Zandler stand mitten in der Studierstube, die Hände in den Hosentaschen und grinste. Das brachte den Bürgermeister
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Buchvorschau
Sehnsucht nach Tapetenwechsel - Friederike von Buchner
Toni der Hüttenwirt
– 161–
Sehnsucht nach Tapetenwechsel
Neues Leben gesucht und Liebe gefunden
Friederike von Buchner
Bürgermeister Fellbacher stürmte ins Rathaus. Hinter ihm fiel krachend die große Eingangstür ins Schloss. Die Tür zwischen dem Vorzimmer und dem Treppenhaus stand offen wie immer, wenn Gina im Amt war.
»Gina!«, rief Fellbacher, schon während er die Stufen zum Hochparterre hinaufrannte.
»Ich bin hier, Herr Bürgermeister, was gibt es?«
»Ich kann net zum Mittagessen heimgehen. Des kannst ausrichten. Ich muss sofort zum Zandler«, sagte er in einem Atemzug.
Dann drehte er sich um und rannte die Stufen wieder hinunter. Beim Hinausgehen knallte er die Tür zu.
Gina stand auf und ging zum Fenster. Sie sah, wie Bürgermeister Fellbacher eilig dem gegenüberliegenden Pfarrhaus zustrebte.
»Himmel, was wird da wieder los sein?«, murmelte Gina vor sich hin. »Wenn er so aufgedreht ist, hat das nichts Gutes zu bedeuten.«
Die junge Gemeindesekretärin kannte ihren Chef gut und wusste seine Stimmungen zu deuten.
Drüben öffnete Helene Träutlein die Tür.
Sie war die Haushälterin von Pfarrer Zandler. Pfarrer und Bürgermeister waren Jugendfreunde und in Waldkogel aufgewachsen. Fellbacher grüßte Träutlein, indem er kurz den Hut zog.
Dann rannte er an ihr vorbei. Die Tür zum Studierzimmer des Geistlichen stand offen.
»Heiner, ich muss dich sofort sprechen«, schrie Fellbacher laut. »Des ist so eine Gemeinheit! Des ist eine einzige Sauerei, und ungerecht ist es ebenfalls. Ich bin so sauer. Ich könnte die glatten Felswände hochgehen, ohne Seil. Ich hänge vor Wut net nur unter der Decke, ich bin schon oben auf dem Gipfel.«
»Erst mal Grüß Gott, Fritz!«
»Meinetwegen, Grüß Gott«, brummte Fellbacher.
Zandler stand mitten in der Studierstube, die Hände in den Hosentaschen und grinste. Das brachte den Bürgermeister noch mehr in Wut.
»Hör auf zu lachen, mir ist gar nicht danach. Dir wird das Lachen auch gleich vergehen, wenn du hörst, wie Waldkogel, unser schönes Waldkogel, unsere Heimat, abgekanzelt wurde. Wir wurden deklassiert. Wir seien ein Provinznest, ein völlig unbedeutender Punkt auf der Landkarte. Wir sind Ihnen net populär genug, diesen Deppen, diesen Hornochsen! Das sind alles dumme Rindviecher, das sind sie.«
»Fritz, nun beruhige dich. Ich kann sehen, dass dich etwas sehr getroffen hat. Aber wenn ich dir helfen soll, dann musst du schon deutlicher werden.«
»War ich net deutlich genug?«, brüllte Fellbacher mit hochrotem Kopf.
Zandler schüttelten den Kopf. Er rieb sich das Kinn.
»Du hast mächtig geschimpft. Ich habe nur verstanden, dass jemand an der Ehre von Waldkogel gekratzt hast. Da ich weiß, wie gern du Bürgermeister bist und nix über unsere Heimat kommen lässt, habe ich Verständnis für deine Wut. Aber du musst mir schon mehr erzählen. Um was ging es?«
Zandler holte die Flasche mit dem Obstler und schenkte ein. Fellbacher kippte den Schnaps hinunter.
»Heiner, du erinnerst dich, dass es einmal im Jahr diesen Event gibt, diesen Landesortstag. Er findet jedes Jahr in einer anderen Gemeinde statt. Bisher fand ich, dass des eine gute Sache ist. Im Namen der Gemeinde Waldkogel habe ich mich beworben. Es gilt dabei viele Auflagen zu erfüllen, verkehrstechnisch und so weiter. Aber das ist jetzt Nebensache. Schon heute Morgen kam wieder eine Absage, wie seit Jahren. Jedes Jahr ist es dasselbe Spiel. Sie haben sich für einen anderen Ort entschieden, der kleiner als Waldkogel ist, der nicht so viel zu bieten hat, der nicht so schön ist und …, höre genau zu …, für den sie sogar die Sicherheitsauflagen herabgesetzt haben. Das hat mich sehr geärgert, das sage ich dir. Also bin ich selbst nach München gefahren und habe vorgesprochen. Ich wollte, dass sie mir ins Gesicht sagen, warum Waldkogel wieder leer ausgeht. Ich wollte eine ausführliche Erklärung.«
»Hast du eine Antwort bekommen?«, fragte Zandler.
»Ja, ich bekam eine Antwort. Du wirst staunen, wenn du sie hörst.«
»Und wie lautet sie?«
»Wir sind nicht prominent!«
»Wie bitte? Nicht prominent, was soll das heißen?«
»Mei, Heiner, sei net so schwer von Begriff. Wir haben keine Prominenz hier, Promis eben, die hier wohnen, ihren Erst- oder Zweit- oder sonst einen Wohnsitz haben.«
»Was hat das damit zu tun?«
»Heiner, des ist eben heute so. Prominenz, die in einem Ort lebt, die bringt den Ort auch in die Zeitung. Da kannst du eine ›Home-Story‹ nach der anderen lesen. Dabei werden die Wohnorte schön abgebildet und des ist dann PR, verstehst? Die Gemeinden sind dann bekannt, und die Leute kommen wegen der Prominenz, die dort wohnt. Aber
net nur des, diese Promis haben sich für den Ort eingesetzt, und des muss wohl den Ausschlag bei der Auswahl gegeben haben. Jedenfalls ist Waldkogel deshalb außen vor. Bei uns wohnt niemand, der so ein Paradiesvogel ist.«
Bürgermeister Fellbacher seufzte laut.
»So, jetzt weißt du es. Ist das nicht eine Schande? Was sagst du dazu?«
Pfarrer Zandler wusste, dass er jetzt seine Worte sorgfältig abwägen musste.
Fellbacher war aufgebracht. Die Ablehnung, vielmehr der Grund für die Ablehnung, hatte ihn bis ins Mark getroffen.
»Ich bin genauso überrascht wie du«, sagte Zandler. »Lass uns beim Mittagessen darüber reden.«
Zandler bat seine Haushälterin, für sich und den Bürgermeister im Studierzimmer zu servieren. Hatte Zandler keinen Gast, aß er mit Helene Träutlein in der Küche.
Es gab Salzkartoffeln, Sauerkraut und Bratwurst. Pfarrer Zandler sprach das Tischgebet.
»Amen«, wiederholte Fellbacher und machte das Kreuzeszeichen.
Sie begannen zu essen. Es schmeckte gut.
»Nun sag’ endlich etwas dazu, Heiner. Fast könnte man denken, dass du mit der Entscheidung dieser Hornochsen sympathisierst.«
»Nun mach aber einen Punkt, Fritz! Ich bin genauso ein Bub aus Waldkogel wie du. Es geht mir selbstverständlich nahe, wenn unsere schöne Heimat so herabgesetzt wird. Außerdem kann es doch nicht angehen, dass ein Ort danach beurteilt wird, wer dort wohnt und wie viele Promis es dort gibt. Es kommt doch auf andere Sachen an, dachte ich jedenfalls bisher. Nun ja, jetzt sind wir beide eines Besseren belehrt worden. Ärgerlich ist es schon, aber die Entscheidung ist gefallen. So wie ich dich kenne, hast du alles versucht, sie umzustimmen.«
»Darauf kannst du wetten! Aber die Jury, in der auch diese Promis saßen, hat entschieden. Mei, des ist doch ein einziger Klüngel! Ich hätte mich nicht so aufgeregt, wenn das Dorf, das genommen wurde, irgendein Dorf wäre. Aber es hat schon zum zweiten Mal gewonnen. Da wurde doch gedreht und geschoben. Mir kann keiner weismachen, dass es nicht so war.«
»Möglich, Fritz, aber ändern kannst nix. Weißt du, sicherlich ist es bedauerlich, dass unser schönes Dorf wieder nicht ausgewählt wurde. Aber vielleicht ist das auch ein Vorteil.«
»Wie meinst das jetzt? Auf wessen Seite bist du?«
»Fritz, hör’ auf! Du weißt genau, dass ich immer auf deiner Seite bin und war, und das gilt auch für Waldkogel. Doch betrachten wir es mal objektiv und nüchtern. Da fallen an zwei Wochenenden im Sommer Scharen von Händlern und Ausstellern und Tausende von Tagestouristen ein. Jeden Abend würde die Hauptstraße wie ein Müllberg aussehen und der Lärm bis in die Nacht dauern. Viele wären betrunken. Es gäbe keine Ruhe und Gemütlichkeit mehr.«
»Das stimmt schon. Aber als Bürgermeister bin ich dafür, dass Waldkogel noch bekannter wird, damit noch mehr Sommergäste herkommen. Dafür ist solch eine Veranstaltung gut, auch wenn es irgendwie ein Zirkus ist. Da stimme ich dir zu. Aber die Leut’ hier können immer weniger von der Landwirtschaft leben. Sie pendeln nach Kirchwalden, oder noch weiter, zur Arbeit. Die Vermietung von Zimmer und Ferienwohnungen ist zur wirtschaftlichen Grundlage geworden.«
»Das weiß ich alles, Fritz. Aber es hat doch keinen Zweck, wenn du dich weiter aufregst und ärgerst. Es ist so, wie es ist. Waldkogel hat einen guten Ruf. Auch wenn hier keine bekannten Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen wohnen,