Was auch geschieht...: Mami 1994 – Familienroman
Von Lisa Simon
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Sehnsüchtig blickte Susanne Witt ihrem Mann Lothar nach, bis sein Wagen hinter der nächsten Kurve verschwunden war. Es war Montagmorgen, und Lothar war zu seiner Tour aufgebrochen, die ihn wie stets bis zum Wochenende von seiner hübschen Frau fernhalten würde. Seufzend wandte sich Susanne ab und ging zurück zum Haus. Das schmucke Einfamilienhaus hatten sie und Lothar sechs Jahre zuvor bezogen – als sie beide noch glaubten, bald Eltern zu werden. Doch die Jahre waren vergangen, ohne daß Susanne schwanger geworden war. Die verschiedenen Ärzte, die das Ehepaar konsultiert hatte, konnten sich die Ursache für die Kinderlosigkeit nicht erklären, und so hatten sich die Witts dazu entschlossen, ein Kind zu adoptieren. »Guten Morgen, schöne Frau!« rief plötzlich jemand neben Susanne, und ein schlanker gutaussehender Mann Mitte Dreißig winkte ihr fröhlich über den Gartenzaun zu. »Hallo, Peter!« rief sie zurück. »Wie geht es dir?« »Gut, wie immer, wenn ich dich sehe«, gab er scherzend zurück. »Was hältst du von einer Tasse Kaffee?« Susanne zögerte nur einen kurzen Augenblick, bevor sie zustimmend nickte. Auf sie wartete nur der Haushalt. »In Ordnung, ich komme.« Peter Hofmeier war freier Grafiker, Junggeselle und besaß das Haus neben den Witts. Im Laufe der Jahre hatte sich zwischen den Nachbarn eine enge Freundschaft entwickelt. Für Susanne war Peter schnell zum guten Geist geworden, denn er kümmerte sich um kleinere Reparaturen und den Garten, wenn Lothar unterwegs war.
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Buchvorschau
Was auch geschieht... - Lisa Simon
Mami
– 1994 –
Was auch geschieht...
... du bleibst immer mein Kind
Lisa Simon
Sehnsüchtig blickte Susanne Witt ihrem Mann Lothar nach, bis sein Wagen hinter der nächsten Kurve verschwunden war. Es war Montagmorgen, und Lothar war zu seiner Tour aufgebrochen, die ihn wie stets bis zum Wochenende von seiner hübschen Frau fernhalten würde.
Seufzend wandte sich Susanne ab und ging zurück zum Haus. Das schmucke Einfamilienhaus hatten sie und Lothar sechs Jahre zuvor bezogen – als sie beide noch glaubten, bald Eltern zu werden. Doch die Jahre waren vergangen, ohne daß Susanne schwanger geworden war. Die verschiedenen Ärzte, die das Ehepaar konsultiert hatte, konnten sich die Ursache für die Kinderlosigkeit nicht erklären, und so hatten sich die Witts dazu entschlossen, ein Kind zu adoptieren.
»Guten Morgen, schöne Frau!« rief plötzlich jemand neben Susanne, und ein schlanker gutaussehender Mann Mitte Dreißig winkte ihr fröhlich über den Gartenzaun zu.
»Hallo, Peter!« rief sie zurück. »Wie geht es dir?«
»Gut, wie immer, wenn ich dich sehe«, gab er scherzend zurück. »Was hältst du von einer Tasse Kaffee?«
Susanne zögerte nur einen kurzen Augenblick, bevor sie zustimmend nickte. Auf sie wartete nur der Haushalt. »In Ordnung, ich komme.«
Peter Hofmeier war freier Grafiker, Junggeselle und besaß das Haus neben den Witts. Im Laufe der Jahre hatte sich zwischen den Nachbarn eine enge Freundschaft entwickelt. Für Susanne war Peter schnell zum guten Geist geworden, denn er kümmerte sich um kleinere Reparaturen und den Garten, wenn Lothar unterwegs war.
In Peters Haus sah es nicht so ordentlich aus wie bei seinen Nachbarn; doch Peter war der Meinung, daß es wichtigere Dinge im Leben gab als Putzen und Aufräumen. Trotzdem fühlte sich Susanne wohl bei Peter. Sie mußte in der Küche erst einmal einen Stuhl von einem Stapel Zeitungen befreien, bevor sie Platz nehmen konnte, doch das störte sie nicht.
»Dein Göttergatte ist schon wieder fort, nicht wahr?« fragte er und stellte eine weitere Tasse auf den Tisch. »Warum bittet er seine Firma nicht darum, ihm ein Gebiet in der Nähe zu geben, dann wärst du nicht so oft allein.«
Susanne hob die Schultern. »Du kennst doch Lothar. Er ist besessen davon, der beste Pharmareferent des Konzerns zu werden. Das gelingt ihm aber nur, wenn er das größte Gebiet betreuen kann.«
»Also, für mich wäre das nichts, den ganzen Tag Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken aufzusuchen und denen Medikamente schmackhaft zu machen.«
Schmunzelnd erwiderte Susanne: »Dafür könnte ich mir Lothar nicht vorstellen, wie er zu Hause am Schreibtisch sitzt und Werbeplakate entwirft.«
»Nun, jedem das seine.« Peter grinste. »Wie wäre es mit einem frischen Brötchen?«
Susanne hob die Hände. »Nein, danke. Ich habe bereits mit Lothar gefrühstückt. Woran arbeitest du denn gerade?«
»Ich habe einen großen Auftrag von einer Firma bekommen, die Tiefkühlpizza herstellt. Ich kann dir später mal meine ersten Entwürfe zeigen, wenn es dich interessiert.«
»Gern.« Sie hatte keine Eile, zurück in ihr eigenes Haus zu kommen. Ja, wenn sie ein Kind hätte, sähe die Sache anders aus, dann hätte sie wenigstens eine Aufgabe.
Als hätte Peter ihre Gedanken gelesen, fragte er: »Hast du schon etwas vom Jugendamt gehört?«
Traurig schüttelte sie den Kopf. »Nein, es scheint keine Kinder mehr zu geben, die zur Adoption freigegeben werden. Und dabei warten wir doch schon fast zwei Jahre!«
»Du darfst den Kopf nicht hängen lassen«, tröstete Peter. »Ich habe gehört, daß manche Paare fünf bis zehn Jahre warten müssen, bevor man ihnen ein Kind vermittelt.«
Leise stöhnte Susanne auf. »O Gott, bis dahin sind Lothar und ich doch viel zu alt für eine Adoption. Du weißt doch, wie streng die Vorschriften sind.«
Susanne war vor wenigen Monaten zweiunddreißig geworden und Lothar hat seinen fünfunddreißigsten Geburtstag erst eine Woche zuvor gefeiert. Die Zeit lief ihnen davon und es gab nichts, was sie dagegen tun konnten...
*
Bedrückende Stille empfing Susanne, als sie eine Stunde später ihr Haus betrat. Mechanisch räumte sie den Frühstückstisch ab, stellte den Geschirrspüler an und die Waschmaschine aus.
Wie schön hatte sie sich ihre Zukunft ausgemalt, als sie und Lothar damals in das neu gebaute Haus eingezogen waren. Die Zimmer waren groß und hell, und Susanne hatte sich spontan dazu entschlossen, mindestens drei Kinder haben zu wollen. Zuvor hatte sie noch ihren Beruf als Buchhalterin ausgeübt, doch Lothar war der Meinung gewesen, daß sie mit Arbeit und dem Haus schnell überfordert sein würde. Und da sich das Ehepaar ohnehin Kinder wünschte, war es Susanne nicht schwergefallen, ihren Beruf an den Nagel zu hängen.
Finanzielle Sorgen hatten die Witts trotzdem nicht. Lothar war mittlerweile zum Gebietsleiter befördert worden – außerdem hatte er das Geld für den Hausbau geerbt, so daß es bereits bezahlt war.
In einsamen Momenten wie an diesem Vormittag bereute Susanne allerdings, daß sie nicht mehr arbeitete. Die Hausarbeit war immer schneller erledigt, als ihr lieb war, und leider war es nicht immer Sommer, so daß sie sich auf die Terrasse legen oder um die Blumenbeete kümmern konnte.
Nachdem Susanne die Betten gemacht hatte, verweilte sie vor der Tür, hinter dem das Kinderzimmer lag. Die anderen beiden freien Zimmer im Obergeschoß hatten sich die Witts als Gäste- und Nähzimmer eingerichtet, nachdem festgestanden hatte, daß sie niemals eigene Kinder haben würden.
Zögernd öffnete Susanne die Tür und trat in das noch völlig leere Zimmer. Gern hätte sie es mit bunten Möbeln ausgestattet, doch Lothar hatte sie gebeten, damit noch zu warten, bis sie ein Kind zur Adoption bekamen. Vielleicht handelte es sich bei diesem Kind um einen Jungen von zwölf Jahren, der sich in Kleinkindermöbeln nicht wohl fühlte – oder gar um ein Baby, für das man eine Wickelkomode und ein Himmelbettchen brauchte.
Seufzend sah sich Susanne um. Es war ihr egal, wie alt das Mädchen oder der Junge sein würde, Hauptsache, in dieses Zimmer zog ein Kind, das mit seinem Lachen die stummen Wände erfüllte.
Lothar litt verständlicherweise nicht so stark unter der Kinderlosigkeit wie seine Frau, denn durch seinen Beruf, den er über alles liebte, wurde er genügend von der Tatsache abgelenkt, niemals Vater werden zu dürfen.
Die Witts hatten wochenlang beratschlagt, bis sie sich entschlossen hatten, einen Adoptionsantrag zu stellen. Man behandelte sie beim Jugendamt überaus zuvorkommend – trotzdem war Susanne den Tränen nahe gewesen, als sie wieder zu Hause war. Auf mehrere Jahre Wartezeit sollte sie sich einstellen, hatte man gesagt und weiterhin, daß viele Ehepaare irgendwann den Antrag zurückzogen, weil sie die Hoffnung auf eine Adoption aufgegeben hatten.
An all dies dachte Susanne an diesem Vormittag. Sie fühlte sich immer besonders deprimiert, wenn Lothar gerade fortgefahren war. Im Laufe der Woche gewöhnte sie sich dann an das Alleinsein und freute sich auf Freitag, wenn ihr Mann zurückkam.
Obwohl sie und Lothar nicht viel unternahmen, war es für Susanne schön, ihn zu Hause zu wissen. Meistens erledigte er die Schreibarbeiten, die er während der Woche nicht geschafft hatte, sah fern oder trank mit Peter Hofmeier ein Bier.
Inzwischen war es Mittagszeit, und lustlos bereitete sich Susanne eine leichte Mahlzeit. Sie