Ein Garten voller Glück: Mami 1934 – Familienroman
Von Eva-Maria Horn
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Über dieses E-Book
»Mami, es klingelt!« brüllte der fünfjährige Nils durch das kleine Reihenhaus. »Hast du denn Bohnen in den Ohren?»Sei nicht so frech zu Mami«, lispelte seine kleine Schwester. »Mami ist in der Küche, und wenn sie sich ärgert, brennt das Essen wieder an.Hier in diesem Haus versteht man einfach alles, dachte Veronika deprimiert. Vermutlich kriegen sie unsere abendlichen Streitgespräche auch mit. Sie trocknete ihre Hände am Küchentuch ab und warf es genervt auf den Tisch. Warum sollte sie die Tür überhaupt öffnen? Um diese Zeit ließ sich sowieso niemand hier in der Siedlung blicken, keiner, für den es sich lohnte, die Tür zu öffnen. Philipp, ihr Mann Philipp, ja, der hatte es gut. Der setzte sich des Morgens in seinen Luxuswagen und fuhr ins Büro. Und sie konnte sehen, wie sie den Tag mit zwei lebhaften, oft sehr frechen Kindern und einem Hund, der nicht einmal reinrassig war, herumbekam, ohne einen Nervenzusammenbruch zu bekommen.Sie durchquerte die kleine Diele, auf die sie einmal so stolz gewesen war. Auf dem honigfarbenen Parkett lag der Perser, der in satten Farben leuchtete. Veronika warf nicht einmal einen Blick in den Spiegel, der zwischen den Türen zum Eß- und zum Wohnzimmer hing.Natürlich würde nur jemand davor stehen, der eine Zeitung verkaufen oder ihr sonst etwas andrehen wollte. Um Himmels willen keine unnütze Geldausgabe, dann flippte Philipp schon wieder aus. Dieser Geizkragen!Mit mürrischem Gesicht öffnete sie die elegante Eingangstür.
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Buchvorschau
Ein Garten voller Glück - Eva-Maria Horn
Mami
– 1934–
Ein Garten voller Glück
Dagmar wird heiß geliebt
Eva-Maria Horn
»Mami, es klingelt!« brüllte der fünfjährige Nils durch das kleine Reihenhaus. »Hast du denn Bohnen in den Ohren?«
»Sei nicht so frech zu Mami«, lispelte seine kleine Schwester. »Mami ist in der Küche, und wenn sie sich ärgert, brennt das Essen wieder an.«
Hier in diesem Haus versteht man einfach alles, dachte Veronika deprimiert. Vermutlich kriegen sie unsere abendlichen Streitgespräche auch mit. Sie trocknete ihre Hände am Küchentuch ab und warf es genervt auf den Tisch. Warum sollte sie die Tür überhaupt öffnen? Um diese Zeit ließ sich sowieso niemand hier in der Siedlung blicken, keiner, für den es sich lohnte, die Tür zu öffnen. Philipp, ihr Mann Philipp, ja, der hatte es gut. Der setzte sich des Morgens in seinen Luxuswagen und fuhr ins Büro. Und sie konnte sehen, wie sie den Tag mit zwei lebhaften, oft sehr frechen Kindern und einem Hund, der nicht einmal reinrassig war, herumbekam, ohne einen Nervenzusammenbruch zu bekommen.
Sie durchquerte die kleine Diele, auf die sie einmal so stolz gewesen war. Auf dem honigfarbenen Parkett lag der Perser, der in satten Farben leuchtete. Veronika warf nicht einmal einen Blick in den Spiegel, der zwischen den Türen zum Eß- und zum Wohnzimmer hing.
Natürlich würde nur jemand davor stehen, der eine Zeitung verkaufen oder ihr sonst etwas andrehen wollte. Um Himmels willen keine unnütze Geldausgabe, dann flippte Philipp schon wieder aus. Dieser Geizkragen!
Mit mürrischem Gesicht öffnete sie die elegante Eingangstür. »Na, endlich. Ich habe schon Wurzeln geschlagen.«
»Dagmar!« Veronikas Laune änderte sich mit einem Schlag. Sogar ihr Gesicht strahlte. »Das nenne ich eine Überraschung.«
Veronika faßte beide Hände der Freundin, zog sie schnell ins Haus, als hätte sie Angst, die schöne Dagmar könnte sich in Luft auflösen.
»Tante Daggi, Tante Daggi!« Nils Stimme mußte auf dem gesamten Weidenweg zu hören sein. Er polterte die Treppe hinunter, die kleine Martha stolperte ihm nach. Und das Schlußlicht bildete der große schwarze Hund, der natürlich laut bellen mußte.
Veronika hielt noch immer Dagmars Hände, küßte sie auf beide Wangen und schimpfte mechanisch: »Müßt ihr denn solch einen Lärm machen? Ihr erschreckt Tante Dagmar doch.«
»Die doch nicht«, lachte Nils seine Mutter aus. Er warf sich gegen die Besucherin. Bei seiner Mutter mußte Nils vorsichtiger sein, die war bei dem Anprall doch mal glatt umgekippt. Aber Dagmar nicht. Die fing ihn auf, drückte ihn an sich. Und hob ihn einfach hoch. Ja, einfach hoch, als wäre er nicht schon fünf Jahre alt und ein drahtiger Kerl.
»Hallo, Nils. Ich glaube, du bist ein ganzes Stück gewachsen. Und schwerer bist du auch geworden.«
Über Nils borstigen blonden Haaren hinweg sah sie auf die kleine Martha. Die zartgliedrige Martha mit ihren blonden Haaren und ihrem Engelsgesicht war Dagmars ganz besonderer Liebling.
»Martha, mein Liebling!« Sie löste sich von Nils, was nicht ganz einfach war, und nahm das kleine Mädchen auf den Arm. Martha war leicht wie ein Püppchen. Die Kinder waren lebhaft und schienen gesund…
Was man aber von Veronika nicht sagen konnte. Was war denn mit der schönen Veronika passiert? Das schwarze Haar wirkte glanzlos, die braunen Augen, die ihr bei ihrem verliebten Mann den Namen ›Rehlein‹ eingebracht hatten, schienen matt, glanzlos, ja, ohne Leben. Dagmar zeigte ihr Erschrecken natürlich nicht, sie hatte Mühe genug, den Hund abzuwehren, der unbedingt ihre Hände lecken mußte und ein wenig von dem rechten Arm. Dieses Mädchen konnte man anspringen, das wußte Herr Neumann… aber nicht in Gegenwart des Frauchens, das wußte Herr Neumann auch.
»Seid nicht so lästig«, befahl Veronika den Kindern nervös. »Tante Dagmar kommt ganz bestimmt vom Flughafen und ist müde.«
»Keine Spur«, behauptete Dagmar vergnügt, sie kraulte das struppige schwarze Fell und lachte, als Herr Neumann sich auf den Teppich warf, die dünnen Beine in die Luft streckte und die Zunge aus der Schnauze hängen ließ.
Die Kinder lachten genauso übermütig, wie Dagmar aber Veronika hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Sie warf einen verstohlenen Blick in den Spiegel. Und jetzt erschrak sie doch. Sie sah schrecklich, ja, schlampig aus. Die Jogginghose hatte schon mal bessere Zeiten gesehen, außerdem prangten Flecken auf dem verwaschenen Stoff. Und die Bluse hing wie ein Sack an ihr herunter.
Dagmar dagegen…
Das ist ja auch kein Wunder, dachte sie böse. Dagmar, die schöne gefeierte Sängerin, die auf jedem Flughafen und in jedem Konzertsaal zu Hause war, der die Männer zu Füßen lagen…
Und sie, die Mutter von zwei Rangen und einem schlecht erzogenen Hund, einem Mann, der sie den ganzen Tag allein ließ und am Abend schlecht gelaunt und abgespannt nach Hause kam…
Trotz ihres riesengroßen Selbstmitleids hörte sie Nils’ wisperndes Stimmchen:
»Hast du uns was mitgebracht, Tante Daggi?«
»Natürlich. Was denkst du denn, ich habe sogar an Herrn Neumann gedacht…«
»Nils«, donnerte Veronika, die froh war, für ihr Selbstmitleid ein Ventil zu haben. »Du weißt, daß man das nicht fragt. Du gehst sofort auf dein Zimmer.«
»Bitte nicht, Mami«, heulte Martha los. Herr Neumann drehte sich, sprang auf seine Füße. Aber er schob sich rückwärts vorsichtig aus der Reichweite der Herrin, die Stimme fürchtete er.
Erschrocken sah Dagmar die roten Flecken auf Veronikas Gesicht.
»Nicht doch«, begütigte sie die Freundin rasch. »Er fragt das doch nur bei Besuchern, die er so gut kennt wie mich. Dieses Mal ist mein Geschenk ein wenig größer ausgefallen. Es liegt noch draußen vor der Haustür.«
Die Kinder stürzten zur Tür und rissen sie auf. Herr Neumann rannte ihnen nach, froh, aus der Nähe der Herrin zu kommen.
Dagmar sah den Kindern nach und lächelte. Wie zärtlich, ja, sehnsüchtig ihr Lächeln war, wußte sie wohl gar nicht. Aber Veronika sah es.
»Mach es dir bequem, leg ab. Ich bin so froh, daß du gekommen bist.«
Dagmars blaue Augen waren voll Angst und Mitgefühl.
»Es geht dir nicht gut«, stellte sie in ihrer ruhigen Art fest. »Warst du krank?«
»Ich bin krank«, sprudelte Veronika aus. Sie konnte sich einfach nicht beherrschen. Die Worte, die auf ihrem Herzen brannten, wollten heraus. »Das Leben in diesem Haus, mit den ewig lärmenden Kindern, dem schrecklichen Hund… nie eine Abwechslung, nie ein Lob… nie Freude… Ich habe das Gefühl, ich werde verrückt. Du kannst dir dieses tödliche Einerlei ja nicht vorstellen. Tagaus, tagein dasselbe… immer, immer. Du vergißt, welcher Wochentag es ist. Der Sonntag unterscheidet sich nur vom Alltag, daß aufwendiger gekocht wird.«
Draußen jubelten die Kinder, Marthas Stimmchen ging in dem Lärm, den Hund und Junge machten, beinahe unter.
Dagmar zeigte ihr Entsetzen nicht. Sie legte den Arm um Veronikas Schultern, drückte sie. »Gehen wir doch einfach in die Küche, von dort kommt nämlich ein brenzliger Geruch. Und dann kochen wir uns Kaffee und du erzählst.«
»Mein Braten«, schrie Veronika genervt. »Er war für Philipp gedacht.«
Dicke schwarze Rauchwolken quollen ihnen entgegen. Die hübschen Küchenmöbel waren in Qualm eingehüllt. Mit wenigen Schritten war Dagmar an der Gartentür, riß sie auf und öffnete auch das Fenster.
Veronika kniete vor dem Herd, hatte die Backofentür geöffnet. Ihr verzweifeltes Gesicht machte Dagmar ein wenig ärgerlich.
»Das ist doch kein Beinbruch, Veronika. Wie oft ist uns früher in unserer gemütlichen Junggesellenwohnung etwas angebrannt, und wir haben darüber gelacht.«
»Ja, früher.« Veronikas erschöpftes Gesicht flößte Dagmar Angst ein. Langsam erhob sie sich, mit hängenden Schultern stand sie da. Der Rauch hatte sich verzogen, und Dagmar musterte Veronikas Gesicht mit Sorge.
»Sieh mich ruhig an«, murmelte Veronika müde, sie strich das wirre Haar zurück. Es sah aus, als bereite ihr die kleine Geste unendlich Mühe. »So, wie ich aussehe, und wie ich mich fühle… kein Wunder, daß