Mami 1766 – Familienroman: Der geliehene Vater
Von Susanne Svanberg
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Ein kleines Persönchen in roten Latzhosen lief auf Markus zu. Die dunklen Löckchen, zu beiden Seiten des runden Gesichtchens zu lustigen Zöpfchen zusammengenommen, wippten. Unmittelbar vor Markus hielt die Kleine an. Zwei große dunkle Augen sahen strahlend zu ihm auf.
"Für dich!" erklärte das Kind und hielt dem jungen Anwalt einige Gänseblümchen entgegen. Sie hatten kaum Stiele, weshalb es schwierig war, sie aufzunehmen.
Markus hielt beide Hände auf und bückte sich lächelnd.
"Das ist lieb von dir. Wo hast du sie denn gefunden?"
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Mami 1766 – Familienroman - Susanne Svanberg
Mami -1766-
Der geliehene Vater
Susanne Svanberg
Ein kleines Persönchen in roten Latzhosen lief auf Markus zu. Die dunklen Löckchen, zu beiden Seiten des runden Gesichtchens zu lustigen Zöpfchen zusammengenommen, wippten. Unmittelbar vor Markus hielt die Kleine an. Zwei große dunkle Augen sahen strahlend zu ihm auf.
»Für dich!« erklärte das Kind und hielt dem jungen Anwalt einige Gänseblümchen entgegen. Sie hatten kaum Stiele, weshalb es schwierig war, sie aufzunehmen.
Markus hielt beide Hände auf und bückte sich lächelnd.
»Das ist lieb von dir. Wo hast du sie denn gefunden?«
»Auf der Wiese im Park gibt es gaaanz viele«, gab das kleine Mädchen lebhaft Antwort. Es drehte den Kopf, um nach seiner Mami zu sehen, die sich in einiger Entfernung mit einer Bekannten unterhielt. Ihrem Töchterchen war das zu langweilig geworden. Als es Markus Burger mit seiner Freundin aus dem Haus kommen sah, war es ihm entgegengelaufen.
»Wer ist denn das?« fragte die Frau an Burgers Seite spöttisch. Sie musterte das Kind mit kritischem Blick. Selbst sie, die eine Abneigung gegen den Nachwuchs anderer Leute hatte, stellte fest, daß die Kleine besonders hübsch war.
»Das ist Luise, das Kind meiner Nachbarin«, stellte Markus so stolz vor, als handle es sich um sein Töchterchen. Tatsächlich mochte er die Kleine sehr gern und freute sich über jede Begegnung.
Dörte Schumann, Sekretärin in der Anwaltskanzlei, für die Markus arbeitete, hörte die geheime Zuneigung sofort heraus. »Und was geht dich dieses Kind an?« fragte sie spitz. Sie versuchte, ihren Freund weiterzuziehen, doch Markus blieb breitbeinig stehen.
Luise förderte inzwischen einige Steinchen aus ihrer Hosentasche zutage und präsentierte sie in ihren kleinen Händchen. »Hab ich auch im Park gefunden. Du darfst dir einen aussuchen.« Das war ein Angebot, das Luise bestimmt nicht jedem machte, nur den Leuten, die sie mochte, und Markus stand, nach ihrer Mami, da an allererster Stelle. Die Frau neben ihm beachtete Luise nicht.
»Sind die schön«, lobte der große dunkelblonde Mann, der trotz Brille sehr gut aussah, auf jeden Fall sehr sympathisch. Er wählte einen weißen Kiesel aus und bedankte sich bei der kleinen Spenderin.
»Können wir jetzt endlich gehen?« drängte Dörte Schumann ungehalten.
Markus ließ sich nicht hetzen. Er verabschiedete sich von Luise indem er sanft über ihre dunkelbraunen Locken strich und winkend die Finger bewegte.
»So ein albernes Getue«, zischte Dörte im Weitergehen. »Wirf doch das Zeug weg! Was willst du denn damit?«
»Ein Geschenk wirft man nicht weg«, antwortete Markus mit etwas verträumtem Lächeln und steckte Blümchen und Stein in die Tasche eines Sakkos.
»Was hast du überhaupt mit der Kleinen zu tun?« wiederholte die Frau mit dem blond gefärbten Haar die Frage, auf die sie noch keine Antwort bekommen hatte.
»Luise ist ein kontaktfreudiges Kind, und da rede ich eben manchmal mit ihr. Das ist alles.« Markus zuckte die Achseln. Freundlich grüßte er die Frau, die jetzt an ihnen vorbei aufs Haus zuging.
»Ist das die Mutter?« kombinierte Dörte sofort. Sie konnte es nicht lassen, der Fremden nachzuschauen, denn sie war eine auffallende Schönheit.
»Hm.« Markus nickte. Um weiteren Fragen auszuweichen, beeilte er sich, zu Dörtes Wagen zu kommen, der am Straßenrand abgestellt war. Doch das Manöver nützte ihm nichts. Wenn Dörte etwas tat, dann gründlich.
»Du versuchst, über die Kleine an die Mutter ranzukommen. Stimmt’s?« erkundigte sie sich, als sie hinter dem Steuer saß.
»Überhaupt nicht«, dementierte Markus etwas zu heftig.
»Das kannst du deiner Großmama erzählen. Eine Frau wie die läßt doch keinen Typ kalt. Eine Figur wie ein Mannequin, lange Beine, lange Haare und dazu ein Gesicht wie ein Unschuldsengel. Ich nehme an, sie lebt allein und hat einen hohen Männerverschleiß.«
Markus tat, als würde ihn das alles nicht interessieren. »Keine Ahnung. Verheiratet ist sie nicht, wie ich schon gehört habe, aber Männerbekanntschaften hat sie auch keine, das müßte mir schon aufgefallen sein.«
Fast ein ganzes Jahr lang hatte sich Markus um die schöne Nachbarin bemüht. Er hatte ihr Blumen geschickt und die kleine Luise mit Süßigkeiten verwöhnt. Er war ihr dabei behilflich gewesen, Flaschen nach oben zu tragen oder den Kinderwagen. Morgens hatte er sie mit frischen Brötchen versorgt oder die Post hochgebracht. Er hatte ein klemmendes Fenster repariert und an ihrem Auto die Zündkerzen gewechselt. Aber nähergekommen war er ihr nicht. Jede seiner Einladungen wurde strikt abgelehnt, jede Liebeserklärung abgeblockt. Frustriert hatte sich Markus schließlich mit Dörte Schumann getröstet, die ihm immer wieder zu verstehen gab, daß sie ihn mochte.
An Dörte störte ihn manches, ganz besonders ihre fast krankhafte Eifersucht. Deshalb konnte er nie und nimmer zugeben, daß ihm Luises Mutter noch immer nicht gleichgültig war.
»Von was lebt sie denn?« fragte Dörte mit sarkastischem Lächeln. »Diese ›Damen‹ lassen sich nicht nur für gewisse Zeitschriften fotografieren, sie lassen sich auch die Wochenenden mit verheirateten Managern gut bezahlen. Das kennt man doch.« Dörte sprach das Wort »Damen« so abfällig aus, daß Markus ärgerlich wurde.
»Müssen wir denn darüber reden?« fragte er barsch.
»Ich muß doch wissen, in welcher Umgebung du lebst, was dich beschäftigt, wenn du nach Hause kommst.«
Markus schnaubte laut. »Abends bin ich meistens hundemüde, höre noch ein bißchen Musik und gehe schlafen. Das habe ich dir doch alles längst erzählt. Aus der Nachbarwohnung höre ich nichts, wenn es das ist, was dich interessiert. Soviel ich weiß, verdient Frau Nielsen ihren Lebensunterhalt mit Modeentwürfen. Sie sei Designerin, hat mal jemand erzählt.«
»Ph, alles nur Tarnung. Ich sage dir, das sind die Schlimmsten, die es heimlich treiben. Die Wohnungen hier sind wahrhaftig nicht billig. Die lassen sich durch Heimarbeit nicht bezahlen.«
Markus verzichtete auf eine Erwiderung, obwohl ihn Dörtes Bemerkungen gewaltig störten. »Was hältst du davon, wenn wir zum Italiener gehen? Ich hätte Lust auf eine Pizza«, versuchte er abzulenken.
Dörte ging nicht darauf ein. »Eigentlich müßte die Hausgemeinschaft dafür sorgen, daß diese Frau auszieht. Sie paßt nicht in diese Gegend. Immerhin ist dies das beste Wohngebiet der Stadt.«
Markus schüttelte mißbilligend den Kopf. »Ohne Veranlassung ist da nichts zu erreichen. Die Tatsache, daß Frau Nielsen hübsch ist, wird nicht ausreichen, ihr die Wohnung abzusprechen, zumal sie Eigentümerin ist wie alle anderen auch.« Das Appartement, das Markus bewohnte, gehörte eigentlich seiner Mutter, zu der er ein sehr gutes Verhältnis hatte. Sie besaß etwa 20 Kilometer von der Stadt entfernt außerdem ein hübsches Haus, in dem seit dem Tod seines Vaters allein lebte.
»Da gibt es doch bestimmt einen Kerl, der ihr die Raten bezahlt.« Dörte rümpfte verächtlich die etwas zu groß geratene Nase. Eine Schönheit war sie nicht, aber sie verstand es, sich hübsch zu kleiden und durch ein gepflegtes Äußeres die Mängel der Natur auszugleichen.
»Möglich«, räumte Markus widerwillig ein, »doch das braucht uns beide nicht zu interessieren. Was hältst du davon, wenn wir am Wochenende für zwei Tage in die Berge fahren? Wir lassen uns in einem guten Hotel verwöhnen, genießen die Frühjahrssonne und haben viel Zeit für die Liebe.«
Endlich ließ sich Dörte ablenken. Sie war drei Jahre älter als Markus, und seine Zuneigung schmeichelte ihrer Eitelkeit. »Gute Idee. Ich bin gerne einverstanden. Unser Chef macht doch immer Kurzurlaub in diesem Luxusschuppen mit Poollandschaft und Schönheitsfarm. Da gehen wir auch hin. Vielleicht treffen wir ihn sogar. Was meinst du, wie er glotzt.«
Die Vorstellung war Markus zwar nicht ganz angenehm, trotzdem wagte er nicht, Dörte zu widersprechen.
»Ich freue mich darauf«, erklärte er etwas lahm. Um seine Aussage glaubhafter zu machen, lehnte er sich hinüber und küßte Dörte auf die mit bräunlichem Make-up getönte Wange.
In diesem Moment fuhr Dörte