Mami 1786 – Familienroman: Laß mich an ein Wunder glauben
Von Gisela Reutling
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Mit leichtem Schritt ging Karin in die Diele, als sie ihren Mann kommen hörte. "Du bist schon da", empfing sie ihn erfreut. "Hattest du nicht nach Dienstschluß noch eine Besprechung ansetzen wollen?" "Ich habe sie verschoben, weil zwei Mitarbeiter krank geworden sind. Die Grippe geht um." Markus zog seinen Mantel aus und fuhr sich vor dem Spiegel über das windzerzauste Haar."Das ist aber auch ein Wetter", bemerkte er nebenher. "Um so gemütlicher ist es zu Hause." Karin legte ihm die Arme um den Nacken und rieb den Kopf an seiner Schulter. "Ich mache uns einen Tee, ja? Das wird dich aufwärmen.""Mir ist schon warm." Lächelnd drehte er sich um und gab ihr einen Begrüßungskuß auf den Mund.
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Mami 1786 – Familienroman - Gisela Reutling
Mami -1786-
Laß mich an ein Wunder glauben
Gisela Reutling
Mit leichtem Schritt ging Karin in die Diele, als sie ihren Mann kommen hörte.
»Du bist schon da«, empfing sie ihn erfreut. »Hattest du nicht nach Dienstschluß noch eine Besprechung ansetzen wollen?«
»Ich habe sie verschoben, weil zwei Mitarbeiter krank geworden sind. Die Grippe geht um.«
Markus zog seinen Mantel aus und fuhr sich vor dem Spiegel über das windzerzauste Haar.
»Das ist aber auch ein Wetter«, bemerkte er nebenher.
»Um so gemütlicher ist es zu Hause.« Karin legte ihm die Arme um den Nacken und rieb den Kopf an seiner Schulter. »Ich mache uns einen Tee, ja? Das wird dich aufwärmen.«
»Mir ist schon warm.« Lächelnd drehte er sich um und gab ihr einen Begrüßungskuß auf den Mund.
Während Markus sich etwas
frisch machte, hantierte Karin in der blitzblanken Küche. Dabei summte sie eine leichte Melodie vor sich hin, die sie vorhin im Radio gehört hatte.
Daß man sich nach achtjähriger Ehe doch jeden Tag von neuem freuen konnte, wenn der Mann um fünf nach Hause kam. Manchmal wurde es auch später. Markus war Abteilungsleiter in einer Bank und ging immer erst als einer der letzten.
Als sie das Tablett mit dem Tee und einer Schale selbstgebackener Plätzchen ins Wohnzimmer trug, hatte Markus die Krawatte abgelegt und die Jacke gegen einen bequemen Pullover getauscht.
Er deutete auf das Buch, das auf dem Tisch lag. »Du lernst wohl schon fleißig?« fragte er neckend.
»Jawohl«, lachte Karin. »Einer von uns sollte doch wenigstens etwas Portugiesisch können, wenn wir Urlaub in Brasilien machen. Du studierst dafür die Reiseroute.«
Anfang Mai wollten sie fliegen, um dieses weite schöne Land einmal kennenzulernen. Jedes Jahr nahmen sie sich ein neues Ziel vor. Sie waren sich einig in ihrer Freude am Reisen, am Entdecken fremder Länder und Kulturen.
Auch heute, nach dem Abendessen um sieben und nach den Tagesnachrichten blieb der Fernseher ausgeschaltet. Sie nahmen sich die Bildbände und die Reisebeschreibungen vor, überlegten und planten. Salvador, Rio de Janeiro, Sao Paulo… Die Worte klangen ihnen wie Musik.
Als das Telefon läutete, nahm Karin den Hörer ab.
»Birkmann«, meldete sie sich.
Ihre Mutter war am Apparat. Sie wollte sich nur mal erkundigen, wie es ›den Kindern‹ ging.
»Bestens, Mutti«, antwortete Karin fröhlich. »Wir sind schon halb in Brasilien mit unseren Gedanken. Vorfreude ist doch mit die schönste Freude.«
»Ach, Kind«, seufzte Annegret Hartwig, »muß es denn nur immer so weit sein? Voriges Jahr Südafrika. Man hört soviel, was da alles passiert. Ich werde wieder keine ruhige Minute haben, bis ihr gut gelandet seid.«
Karin zwinkerte ihrem Mann zu. Wenn ihre geliebte Mutter sich nicht um irgend etwas Sorgen machen konnte, war sie nicht gesund.
»In der Luft passiert weniger als auf den Autostraßen, Mutti, da kannst du ganz beruhigt sein. Es wird schon keine Bombe im Flugzeug sein oder ein Terrorist uns entführen.«
Markus schüttelte den Kopf. Jetzt beschwor sie auch noch solche Horrorvorstellungen herauf!
»Solche schrecklichen Dinge sagst du so dahin«, kam es denn auch vorwurfsvoll zurück. »Hast du nicht gehört, wie neulich…«
»Mutti, bitte, bitte!« fiel Karin ihr ins Wort. »Wir werden ein anderes Mal darüber reden, ja? Wie wäre es, wenn du am Sonntag mit Papa zu uns kämst? Bringt Doris mit, wenn sie gerade nichts anderes vorhat.«
»Deine Schwester hat immer was vor«, sagte die Mutter. »Ich möchte wissen, wann sie ihr Studium zu Ende führen wird. Jetzt will sie wieder zu Aufnahmen nach Hannover, für einen Modekatalog.«
»Ach, hat sie wieder einen Auftrag?« warf Karin amüsiert ein.
»Ja, ja. Sie ist ganz wild darauf, in immer neuen Klamotten, wie sie das nennt, vor der Kamera zu posieren. Als Mannequin oder Model, so sagt man wohl heute. Sie denkt wunder was daraus werden kann.«
»Dann laß sie doch. Hübsch genug ist sie dafür. Vielleicht wird wirklich einmal einer dieser großen Modemacher auf sie aufmerksam, und sie verdient ein Heidengeld.«
»Doris sollte Sportlehrerin werden, basta. Das ist ein ordentlicher Beruf«, meinte die Mutter ärgerlich.
»Du hast schon deine liebe Not mit deinen Töchtern, wie?« sagte Karin in scherzhaftem Ton.
»Na ja, es könnte schlimmer sein.« Jetzt mußte Annegret doch ein wenig lachen. Mit ein paar heiteren Sätzen endete das Gespräch zwischen Mutter und Tochter.
»Es ist dir doch recht, daß ich die Eltern für Sonntag eingeladen habe?« wandte sich Karin an ihren Mann. Und, als Markus gleichmütig zustimmend nickte, »was sagst du zu Doris? Meine kleine Schwester bekommt tatsächlich schon Aufträge am laufenden Band.«
»Die kleine Schwester ist immerhin schon dreiundzwanzig Jahre alt.«
»Aber ich war acht, als sie zur Welt kam. Deshalb bleibt sie für mich die Kleine«, beharrte Karin vergnügt.
»Karlheinz wird nicht gerade erbaut davon sein, daß seine Freundin soviel unterwegs ist«, bemerkte Markus und schenkte sich noch ein Glas Bier ein. Er mochte das zum Feierabend.
»Das müssen die beiden unter sich ausmachen«, sagte Karin sorglos. »Sie sollen sich nur nicht zu früh binden.«
»Na, na«, spielerisch fuhr Markus seiner Frau durch das leichtgelockte Haar, »hast du es etwa bereut, daß du dich in Doris’ Alter schon gebunden hast?«
»Ich doch nicht!« wies Karin diese Vorstellung weit von sich. »Aber ich bin auch ein anderer Typ als Doris«, fügte sie hinzu.
Markus wickelte eine Locke seiner Frau um den Zeigefinger.
»Was für ein Typ bist du denn?«
»Häuslich, sanftmütig, bescheiden… Eben eine richtig liebe, brave Ehefrau.« Übermütig funkelten ihre blauen Augen ihn an.
»Dafür hast du ja auch einen richtig lieben, braven Ehemann«, sagte Markus im selben Ton. Er legte den Arm um sie. Karin schmiegte sich an seine Brust.
»Das kann man wohl sagen«, sagte sie leise.
So blieben sie eine Weile, im tiefen Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Wie gut haben wir es doch, dachte Karin und legte die Hand auf die Stelle, an der Markus’ Herz fest und ruhig schlug. Es blieb ihnen nichts zu wünschen übrig.
Ein Kind, nun ja… das hatten sie sich schon immer gewünscht. In den ersten Ehejahren fast noch mehr als in den späteren. In ihrem Freundeskreis hatten sie Beispiele vor Augen, daß Kinder durchaus nicht nur eitel Freude und Wonne bedeuteten.
Wenn es ihnen denn versagt sein würde, Kinder zu haben, so sollte es wohl so sein. Es war nicht so, daß sie sich in Sehnsucht danach verzehrten. Dafür waren sie viel zu glücklich miteinander.
Schwungvoll richtete sie sich auf. »Du solltest doch noch abhören, was ich heute gelernt habe!« Damit griff sie zum Wörterbuch.
»Was habe ich doch für eine sprachbegabte Frau«, lobte Markus, als ihr einfache Sätze in der fremden Sprache schon ganz geläufig über die Lippen kamen.
*
In der Tat war Karlheinz Münzinger nicht begeistert über diese Nebentätigkeit seiner Freundin, die mehr und mehr Raum in ihrem Leben einzunehmen drohte. Er war ein ernsthafter junger Mann, er hatte sein Ingenieurstudium mit bester Note abgeschlossen und seit anderthalb Jahren eine feste Anstellung bei der Baufirma Goebel.
»Du hast immer weniger Zeit für mich«, beklagte er sich. »Du scheinst total vergessen zu haben, daß wir in diesem Jahr heiraten wollten.«
Doris, tief in dem breiten Sessel zurückgelehnt, ließ die hochhackige Sandalette auf ihrem hübschen Fuß wippen.
»Du, du wolltest heiraten«, bemerkte sie lässig.
»Du schienst aber nichts dagegen zu haben, als ich dir von den Wohnungen erzählte, die zum Ende des Jahres fertiggestellt sein werden. Davon wäre eine gerade recht für uns, wie ich dir genau erklärt habe.«