Marco sehnt sich nach Mutterliebe: Sophienlust 476 – Familienroman
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Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Eine Uhr schlug mit zarten Tönen acht Mal. Beim letzten Ton erwachte Marco und rieb sich die Augen. Ganz still blieb er liegen und blinzelte verschlafen. Er sah die Umrisse eines Schrankes und eines Bücherregals, dann die eines Pferdes, das ein wenig kleiner war als das kleinste Pony auf Sophienlust. Sofort war Marco hellwach. Er wusste nun, dass er nicht geträumt hatte. Seine heißen Wünsche waren in Erfüllung gegangen. Seine Mutti und sein Vati hatten ihn, zusammen mit Onkel Bob, in Sophienlust abgeholt. Nun war er hier in dem wunderschönen Haus, in einem Zimmer, das groß und hell und so schön war wie Dominiks Zimmer. Ganz rasch kam Marco jetzt alles wieder ins Gedächtnis zurück. Das Kinderheim Sophienlust, die Familien Schoenecker und Wellentin und die Kinder, mit denen er gespielt hatte. Doch insgeheim hatte er immer davon geträumt, dass seine liebe Mutti kommen und ihn holen würde, dass sie gar nicht im Himmel sei, wie man ihm immer erzählt hatte. Ja, und dann war seine Mutti gekommen. Ein seliges Lächeln lag auf Marcos Gesicht, als er auf nackten Füßchen zu dem kleinen Pferd schlich. Er bewegte sich auf und nieder, weil es ein Schaukelpferd war und kein lebendiges Pony. Marco hätte sich am liebsten sofort darauf gesetzt und geschaukelt, aber eine innere Scheu hielt ihn davon ab. Ganz langsam ging er durch das Zimmer und betastete die schönen Möbelstücke. In den Regalen standen viele Plüschtiere. Ein Eselchen, ein Löwe, ein Tiger, eine Giraffe, ein Eichhörnchen, ein Hund, der fast so aussah wie eines von Sentas Jungen, ein Hase, ein Äffchen und ein großer weicher Teddybär. Den nahm Marco, drückte ihn an sich und huschte wieder ins Bett.
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Im Sonnenwinkel – Neue Edition
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Buchvorschau
Marco sehnt sich nach Mutterliebe - Patricia Vandenberg
Sophienlust
– 476 –
Marco sehnt sich nach Mutterliebe
Patricia Vandenberg
Eine Uhr schlug mit zarten Tönen acht Mal. Beim letzten Ton erwachte Marco und rieb sich die Augen. Ganz still blieb er liegen und blinzelte verschlafen.
Er sah die Umrisse eines Schrankes und eines Bücherregals, dann die eines Pferdes, das ein wenig kleiner war als das kleinste Pony auf Sophienlust.
Sofort war Marco hellwach. Er wusste nun, dass er nicht geträumt hatte. Seine heißen Wünsche waren in Erfüllung gegangen. Seine Mutti und sein Vati hatten ihn, zusammen mit Onkel Bob, in Sophienlust abgeholt. Nun war er hier in dem wunderschönen Haus, in einem Zimmer, das groß und hell und so schön war wie Dominiks Zimmer.
Ganz rasch kam Marco jetzt alles wieder ins Gedächtnis zurück. Das Kinderheim Sophienlust, die Familien Schoenecker und Wellentin und die Kinder, mit denen er gespielt hatte. Doch insgeheim hatte er immer davon geträumt, dass seine liebe Mutti kommen und ihn holen würde, dass sie gar nicht im Himmel sei, wie man ihm immer erzählt hatte. Ja, und dann war seine Mutti gekommen.
Ein seliges Lächeln lag auf Marcos Gesicht, als er auf nackten Füßchen zu dem kleinen Pferd schlich. Er bewegte sich auf und nieder, weil es ein Schaukelpferd war und kein lebendiges Pony. Marco hätte sich am liebsten sofort darauf gesetzt und geschaukelt, aber eine innere Scheu hielt ihn davon ab.
Ganz langsam ging er durch das Zimmer und betastete die schönen Möbelstücke. In den Regalen standen viele Plüschtiere. Ein Eselchen, ein Löwe, ein Tiger, eine Giraffe, ein Eichhörnchen, ein Hund, der fast so aussah wie eines von Sentas Jungen, ein Hase, ein Äffchen und ein großer weicher Teddybär. Den nahm Marco, drückte ihn an sich und huschte wieder ins Bett.
»Ich nenne dich Nick«, sagte er zu dem Teddy. »Der Nick in Sophienlust hat es nie richtig geglaubt, dass meine Mutti kommt, aber dann hat er auch gestaunt. Warst du auch mit am Nordpol, Nick?«
Der Teddy gab einen Brummton von sich, den Marco als Ja deutete. Der Junge lebte immer noch in dem Glauben, dass seine Mutter am Nordpol gewesen sei, viel weiter von ihm entfernt als der Himmel. Irgendwann einmal hatte er es sich eingeredet und war dann dabei geblieben.
Aber nun waren sie in einem schönen Haus, das zwischen vielen Bäumen an einem Hang stand. Es war spät gewesen, als sie gestern hier angekommen waren. Da er müde und glücklich in Muttis Armen eingeschlafen war, hatte ihn wohl Vati ins Haus getragen. Vielleicht auch Onkel Bob, der ihm seine Mutti gesucht hatte.
So jedenfalls dachte es sich Marco, nicht ahnend, welchen dramatischen Umständen er es verdankte, dass er zu der Familie Henning van Droemen gekommen war.
*
Benommen wachte Ingrid van Droemen auf. An ihrem Bett saß ihr Mann im dunkelblauen Hausmantel und hielt ihre Hände.
»Nun hast du wenigstens ein paar Stunden geschlafen, Liebes«, sagte er warm. »Du musst frisch sein, damit du den vielen Fragen des Jungen standhalten kannst.«
»Unseres Jungen, Henning«, flüsterte sie. »Der liebe Gott hat mir Marc zurückgegeben. Wenigstens seine Seele.«
Es schnürte ihm die Kehle zu. Sollte sie glauben, was sie wollte, wenn sie nur wieder lebte und nicht nur dahinvegetierte.
Viele Monate quälender Angst, dass seine geliebte Frau in geistige Umnachtung versinken könnte, lagen hinter ihm. Der Tod ihres kleinen vierjährigen Sohnes, der an einer Blutvergiftung gestorben war, hatte sie so maßlos erschüttert, dass sie in Schwermut verfallen war. Nichts und niemand hatte sie aufmuntern können. Nicht er, nicht Robert Quirin, ihr Bruder, und auch nicht die beiden älteren Kinder Daniel und Evelyn.
Nein, es war immer schlimmer geworden. Sie hatte sich ganz in sich zurückgezogen, sich von ihm und den Kindern immer mehr entfernt und nur noch der Erinnerung an Marc gelebt.
Dann war Robert Quirin im Kinderheim Sophienlust zufällig dem kleinen Marco begegnet, der ebenso alt war, wie Marc es bei seinem Tode gewesen war, und der außer dem Namen noch manche andere Ähnlichkeit mit ihm hatte.
Ein Fingerzeig des Schicksals? Damals, als Bob ihm von Marco berichtet hatte, hatte Henning van Droemen nicht daran gedacht. Aber er hatte nichts unversucht lassen wollen. Und nun war das Experiment in seinem ersten Stadium bereits glücklich abgelaufen. Der kleine Marco war auf Ingrid zugegangen, als wäre es die größte Selbstverständlichkeit, dass seine Mutti käme. Wie aber würde es jetzt weitergehen?
Henning van Droemen war ein nüchtern denkender Geschäftsmann. Er liebte seine Frau und war bereit, alles für sie zu tun, aber er blickte auch den Tatsachen ins Auge.
Marco war Vollwaise. Sein Vater war der Spross eines italienischen Adelsgeschlechtes, dessen Ehe nicht die Billigung seiner Angehörigen gefunden hatte. Das Kind war von frühester Kindheit an in Heimen aufgewachsen, nachdem seine Eltern tödlich verunglückt waren. Eine Adoption würde kaum Schwierigkeiten bereiten, wie Frau von Schoenecker ihm versichert hatte.
Ein reizendes und liebes Kind war der kleine Junge, davon hatte er sich gestern selbst überzeugen können. Aber wie würden Evelyn und Daniel den kleinen Fremdling aufnehmen? Mit fünfzehn und siebzehn Jahren hatte man schon eigene Vorstellungen. Außerdem hatten die beiden zu lange hinnehmen müssen, dass sie durch den Nachkömmling Marc viel von der Zuneigung ihrer Mutter verloren hatten. Aber Marc war immerhin ihr leiblicher Bruder gewesen, während Marco ein fremdes Kind war.
Henning van Droemen fürchtete sich vor dem Augenblick, wo er seine beiden Großen über die neue Situation informieren musste. Zur Zeit waren sie in einem Internat. Das war die beste Lösung gewesen für alle Beteiligten, da Ingrid die beiden großen Kinder mitverantwortlich an Marcs Tod gemacht hatte.
»Ich möchte aufstehen«, sagte Ingrid leise. »Marc soll nicht allein sein, wenn er aufwacht.«
Sie sagte schon Marc, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt.
Henning van Droemen wurde von einer quälenden Unruhe erfasst. Er verfolgte aufmerksam, wie Ingrid sich ankleidete. Sie bürstete ihr Haar nicht mehr so streng zurück wie in den vergangenen Monaten. Locker fiel es in glänzender, silbrig schimmernder Fülle auf die schmalen Schultern. Kindhaft jung sah sie aus, trotz ihrer achtunddreißig Jahre. Die feinen Falten, die sich in ihren Augenwinkeln und um ihren Mund eingenistet hatten, schienen wie durch Zauberhand weggewischt. Mit leichten graziösen Schritten huschte sie durch das Zimmer, das sie noch vorgestern geistesabwesend und schleppend durchquert hatte.
Henning legte den Arm um sie und zog sie an sich. »Mein Liebes, wenn du nur wieder lachen lernst«, sagte er zärtlich.
In ihren schönen veilchenblauen Augen war ein tiefes warmes Leuchten.
»Ich habe dir wohl viel Kummer bereitet, Henning?«, fragte sie leise.
»Es soll vergessen sein, wenn du glücklich bist«, antwortete er.
»Ich gehe jetzt zu Marc. Hast du noch Zeit? Kannst du mit uns frühstücken?«
»Leider nicht, Liebes. Dringende Konferenzen warten.«
Es war eine Ausrede. Er wollte sie an diesem ersten Morgen allein lassen mit dem Kind. Nicht nur, damit sie das Beisammensein voll auskosten konnte, sondern auch, weil er selbst eine gewisse Scheu davor hatte, mit dem Jungen zu sprechen. Vielleicht war es gut, wenn er sich zuvor noch einmal mit Bob beriet. Für seinen Schwager war es wesentlich einfacher, mit den Gegebenheiten fertig zu werden. Erstens hatte er ein unkompliziertes Naturell, und dann standen ihm Daniel und Evi auch nicht so nahe wie ihm als Vater.
Henning van Droemen küsste seine Frau zärtlich auf den Mund. Heute wich sie ihm nicht aus wie früher. Sie schmiegte sich sogar an ihn.
»Du bist so lieb, Henning«, flüsterte sie. »Ich danke dir.«
Sie ist dem Leben wiedergegeben, dachte er, als er zur Fabrik fuhr. Das ist wichtiger als alles andere.
*
Auf Zehenspitzen betrat Ingrid van Droemen das Kinderzimmer. Es war Marcs Zimmer. Hier hatte er gespielt und geschlafen und manchmal auch getrotzt.
Marco schloss rasch die Augen, als sich die Türklinke bewegte. Dann berührten weiche Lippen seine Stirn. Zarte, leichte Hände streichelten sein Gesicht. Es war so wundervoll, dass Marco wünschte, es sollte gar nicht aufhören.
»Du schläfst ja gar nicht mehr, Marc«, sagte Ingrid zärtlich. »Du warst ja schon mal auf.«
»Woher weißt du das, Muttilein?«, wisperte er.
Muttilein hatte Marc nie gesagt. Ingrid wurde es ganz heiß. Die Kinder nannten sie Mutschi, wenn sie besonders lieb sein wollten. Aber dieses Muttilein klang noch viel liebevoller.
»Du hattest den Teddy nicht im Bett«, erwiderte sie.
»Er heißt Nick«, sagte Marco.
Marc hatte ihn Hermann getauft. Nun hieß er also Nick. Ingrid fand es hübsch.
»Nick in Sophienlust war immer sehr lieb zu mir«, erklärte Marco. »Alle waren lieb. Aber ich habe immer nur an dich gedacht.«
Tränen stiegen in Ingrids Augen. Sie konnte sie nur mühsam zurückhalten. »Ich habe dich sehr lange allein gelassen, Marc«, raunte sie. »Bist du mir böse?«
»Du hattest sicher etwas ganz Wichtiges zu tun«, meinte er. »Jetzt ist es doch auch egal. Du bist