Doppeltes Glück in den Bergen: Toni der Hüttenwirt 412 – Heimatroman
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"Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser.
Es war Vormittag. Der Himmel wölbte sich blau über den Bergen. Vereinzelt waren noch leichte Dunstschleier zu sehen. Toni und Anna saßen auf der Terrasse der Berghütte. Wie jeden Morgen nahmen sie sich einen gemeinsamen Augenblick der Ruhe. Dann saßen sie zusammen und tranken eine Tasse Kaffee. »Das wird ein schöner Tag, Toni!« »Ja, da magst recht haben! Deswegen sind die Hüttengäste schon alle besonders früh aufgebrochen.« »Das gab es schon lange nicht mehr, daß wir die Berghütte mit zwei großen Wandergruppen voll haben. Mei, des war vielleicht etwas gestern abend. Ich hab schon Angst gehabt, die gehen aufeinander los. Des war ja bald nimmer mit anzuhören, wie die versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Mei, waren des Angeber! Als käme es darauf an, welche Strecke man in welcher Zeit absolviert. So ein hirnrissiger Unsinn! Wandersport – schon alleine des Wort gefällt mir net. Sport, des hat doch etwas mit Wettkampf zu tun, wer schneller ist und so.« Toni schüttelte den Kopf. »Die rasen durch die Berge, als wären die Wanderwege Aschenbahnen in einem Stadion.«
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Doppeltes Glück in den Bergen - Friederike von Buchner
Toni der Hüttenwirt
– 412 –
Doppeltes Glück in den Bergen
Friederike von Buchner
Es war Vormittag. Der Himmel wölbte sich blau über den Bergen. Vereinzelt waren noch leichte Dunstschleier zu sehen. Toni und Anna saßen auf der Terrasse der Berghütte. Wie jeden Morgen nahmen sie sich einen gemeinsamen Augenblick der Ruhe.
Dann saßen sie zusammen und tranken eine Tasse Kaffee.
»Das wird ein schöner Tag, Toni!«
»Ja, da magst recht haben! Deswegen sind die Hüttengäste schon alle besonders früh aufgebrochen.«
»Das gab es schon lange nicht mehr, daß wir die Berghütte mit zwei großen Wandergruppen voll haben. Mei, des war vielleicht etwas gestern abend. Ich hab schon Angst gehabt, die gehen aufeinander los. Des war ja bald nimmer mit anzuhören, wie die versuchten, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Mei, waren des Angeber! Als käme es darauf an, welche Strecke man in welcher Zeit absolviert. So ein hirnrissiger Unsinn! Wandersport – schon alleine des Wort gefällt mir net. Sport, des hat doch etwas mit Wettkampf zu tun, wer schneller ist und so.«
Toni schüttelte den Kopf.
»Die rasen durch die Berge, als wären die Wanderwege Aschenbahnen in einem Stadion.«
Anna schmunzelte und schaute ihn an.
»Ganz ruhig, Toni! Die beiden Gruppen waren eigentlich pflegeleicht. Sie sind abends spät gekommen. Sie haben etwas gegessen und sind gleich schlafen gegangen. Und morgens stehen sie auf, wenn’s fast noch dunkel ist. Dann frühstücken sie und schwupp, fort sind sie. Dabei bezahlen sie Vollpension und essen kein Mittag hier!«
Toni grinste.
»He, da spricht die Ex-Bankerin aus dir, Anna!«
»Hör auf, Toni! Willst mich ärgern?«
»Naa, Anna! Du weißt genau, wie ich des meine. Und gestern sind sie früher gekommen, beide Gruppen. Erinnerst dich net, wie sie sich gegenseitig aus ihren Wandertagebücher vorgelesen haben. Dann fingen sie an zu streiten, weil die einen net glauben wollten, daß die anderen die Strecke in kürzerer Zeit geschafft haben. So ein Unsinn! Ich gehe jede Wette ein, daß die von der Schönheit der Berge nix sehen.«
»Richtig so!« mischte sich der alte Alois ein.
Er saß in der Nähe der beiden. Auch er schüttelte den Kopf.
»Toni, da mußt net zuhören, wenn sich solche Deppen groß aufspielen. Solche hat’s schon immer gegeben. Des war schon so, als ich noch Hüttenwirt war. Du, Toni, die können net anders. Die haben des verlernt, was es heißt, mal abzuschalten, wie man heutzutage sagt. Die sind so in ihrem Trott drin, daß die gar net anders können als rennen. Die brauchen des. Wenn du denen verbieten würdest zu rennen oder ihnen die Uhren fortnehmen würdest, dann wären sie total verunsichert. Deren ganzes Leben ist auf Leistung ausgerichtet. Die sind so, da kannst nix machen, Toni.«
»Alois, des ist doch so hirnrissig! Die haben doch nix davon. Des ist doch hier überall so eine schöne Aussicht, daß einem das Herz aufgeht. Das muß doch jedem etwas geben, jedenfalls habe ich das bisher geglaubt. Doch die starren nur auf ihre Uhren, Schrittzähler und Pulsfrequenzmesser.«
Anna lachte laut.
»Beruhige dich, Toni. Sie reisen ja bald wieder ab.«
»Ja, dem Himmel sei Dank! Die haben keinen Respekt vor Gottes schöner Natur. Die betrachten die Berge nur als die Möglichkeit für Wanderungen – für Rennstrecken – zwischen zwei Punkten mit möglichst viel Steigung oder Gefälle.«
Anna sagte nichts mehr. Sie wußte, daß es besser war, wenn Toni seinem Ärger Luft machte. Sie verstand ihn. Anna wußte, wie sehr Toni die Berge liebte und wieviel Ehrfurcht er selbst vor Gottes Natur hatte.
»Schau mal, Toni, da kommt einer von denen zurück. Er muß von der Gruppe mit den blauen Wanderjacken sein. Ich sehe nimmer so gut, Toni. Ich sehe nur etwas Blaues. Du, der läuft aber seltsam«, bemerkte der alte Alois. »So langsam und vorsichtig, ob der verletzt ist?«
Ganz oben auf dem Weg am Hang bewegte sich jemand auf die Berghütte zu. Toni stand auf, eilte in die Berghütte und holte sein Fernglas.
»Himmel, Alois, des stimmt! Des ist dieser Werner. Des war einer, der sich mit seinen Leistungen besonders hervorgetan hat. Warum kommt er zurück?«
Toni schaute genauer hin.
»Du, Anna, was kann das bedeuten?«
Toni ließ das Fernglas sinken.
In diesem Augenblick sprang Bello auf, der junge Neufundländerrüde. Er lief laut bellend über das Geröllfeld.
»Bello! Bello!« rief Anna. »Bello, hierher!«
Aber Bello folgte nicht. Er hörte Anna wohl. Er lief langsam weiter, dann setzte er sich auf das Geröllfeld und wartete, bis Werner ihn erreicht hatte. Dann lief er neben ihm her bis zu Berghütte.
»Toni, bitte, hilf mir mal, den Rucksack abzunehmen. Ich habe da ein kleines Gamskitz drin.«
»Was hast drin? Ein Gamskitz! Wie kommst dazu? Wo hast des her?«
Vorsichtig setzte Werner mit Tonis Hilfe den Rucksack ab.
»Wir haben es oben zwischen den Felsen gefunden. Da war weit und breit keine Gemse zu sehen. Es ist ganz schwach.«
Toni warf einen Blick auf das entkräftete Tier.
»Da magst recht haben, Werner!«
»Die anderen sind weitergewandert. Ich dachte, wir können des kleine Kitzlein net einfach liegen lassen, so schwach wie es ist. Net daß es noch von einem Adler angegriffen wird. Steinadler greifen sich schon mal junge schwache Gamskitzen.«
Werner rieb sich das Kinn.
»Ich weiß wohl, daß es auch ein Eingriff in die Natur ist. Aber wir konnten es doch net liegen lassen!«
»Schon gut!« sagte Toni leise.
Anna ging hinein und holte ein dickes Kissen und eine Decke. Beides legte sie in der Küche in eine Ecke.
»Des Gamskitz schaut wirklich net gut aus!«
Der alte Alois trat hinzu.
»Des ist noch keine drei Monate alt. Ich vermute, daß die Muttergemse umgekommen ist.«
Dann erzählte Werner, wie die Gruppe das Kitz gefunden hatte. Sie waren im Gänsemarsch den schmalen Pfad entlang gewandert. Jemand hielt an und wollte einen Müsliriegel aus seinen Rucksack nehmen. Dabei stellte er den Rucksack auf einen Felsbrocken.
»Er holte den Müsliriegel heraus und legte ihn auf den Stein. Als er den Rucksack wieder hochnahm, stieß er daran und der Müsliriegel fiel herunter. Er suchte danach. Da sah er hinter dem großen Felsbrocken das zusammengekauerte Kitz. Erst haben wir nichts gemacht, weil wir dachten, die Muttergemse sei vielleicht in der Nähe. Wir sind weitergegangen. Aber mir und einigen anderen aus der Gruppe hat das keine Ruhe gelassen. Nach einer halben Stunde sind wir umgekehrt und haben nachgesehen. Da lag das Kitz immer noch. Es konnte nicht aufstehen und weglaufen. Es hat nur vor Angst gezittert. Da haben wir es in meinen Rucksack gepackt.«
Er seufzte.
»Und jetzt bin ich hier! Gibt es hier in Waldkogel einen Tierarzt? Ich übernehme gern die Kosten!«
»Einen Tierarzt haben wir hier nicht, wir haben eine Tierärztin. Das ist unsere Frau Doktor Beate Brand. Ich werde sie gleich mal anrufen.«
Toni griff zum Handy. Es dauerte etwas, bis Beate sich meldete. Sie war gerade im Stall bei einem Bauern und impfte dort die jungen Ferkel. Toni erzählte ihr von dem Gamskitz. Von Beate erfuhr Toni, daß im Augenblick unter den Gemsen die Gemsblindheit sehr stark grassierte. Nach einer Augen-entzündung kann es von einer Sehschwäche bis zur Erblindung kommen. Die Folge davon war, daß Gemsen in den Bergen abstürzen und umkommen. Beate vermutete, daß die Mutter des kleinen Kitzleins abgestürzt war.
»Sie wird es noch gesäugt haben, Toni.«
Beate war sich nicht sicher, ob das Kitzlein durchkommen würde. Sie riet Toni, es mit verdünnter lauwarmer Kuhmilch zu probieren. Dann sollte er versuchen, es mit Kräutern zu füttern.
»Gemsen fressen alle Kräuter, dazu Flechten und Moose.«
»Kannst raufkommen, Beate? Oder soll ich dir des Kitzlein in die Praxis bringen?« fragte Toni.
Beate versprach, am Nachmittag auf die Berghütte zu kommen.
Anna machte Milch warm. Toni und Alois suchten eine alte Flasche mit einem dünnen Flaschenhals. Dahinein füllten sie die Milch. Es war eine alte Schnapsflasche mit einem Korken, der eine Ausgußvorrichtung hatte. Anna umwickelte das dünne Metallröhrchen mit Heftplaster, damit sich das Kitzlein nicht verletzten sollte. Dann fütterte Anna das junge Tier. Es dauerte einen Augenblick, bis es saugte. Dazu steckte Anna ihm den Finger mit in den Mund. Dann zog das Kitzlein erst vorsichtig, dann kräftiger.
»Es schaut so aus, als hätte es lange net getrunken«, sagte Toni.
Bald war die Flasche leer.
»Des hat noch Hunger. Aber mehr sollten wir ihm net geben. Vielleicht in einer oder zwei Stunden«, schlug Toni vor.
Dann rief er drunten in Waldkogel seine Eltern an. Er bat seine Mutter, Sebastian und Franzi eine Babymilchflasche auf die Berghütte mitzugeben. Die beiden Kinder gingen nach der Schule zu Tonis Eltern ins Wirtshaus und die Pension. Dort aßen sie zu Mittag, dann brachte Tonis Vater, Xaver Baumberger, die Kinder mit dem Auto hinauf auf die Oberländer Alm. Den Rest des Weges