Was weiß ein Kinderherz von der Liebe?: Toni der Hüttenwirt 403 – Heimatroman
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"Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser.
Sebastian und Franziska kamen über das Geröllfeld. Anna bediente die Hüttengäste auf der Terrasse der Berghütte. Sie blieb stehen. »Hallo, ihr beiden! Da seid ihr ja wieder! Ihr seht ja recht fröhlich aus! Muß ein schöner Vormittag in der Schule gewesen sein.« »Wir haben keinen Unterricht gehabt, jedenfalls net so richtig! Wir Großen«, und dazu zählte Sebastian sich, »wir waren alle zusammen in dem großen Schulsaal und haben geplant. Des war spannend!« Toni trat hinzu. Gemeinsam gingen sie in die Küche der Berghütte. »Was habt ihr denn geplant?« fragte Toni. »Den großen Schulwandertag haben wir geplant. Des soll etwas ganz Besonderes werden in diesem Jahr!« »So? Was habt ihr denn so vor?« lächelte Toni.
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Buchvorschau
Was weiß ein Kinderherz von der Liebe? - Friederike von Buchner
Toni der Hüttenwirt
– 403 –
Was weiß ein Kinderherz von der Liebe?
Friederike von Buchner
Sebastian und Franziska kamen über das Geröllfeld. Anna bediente die Hüttengäste auf der Terrasse der Berghütte. Sie blieb stehen.
»Hallo, ihr beiden! Da seid ihr ja wieder! Ihr seht ja recht fröhlich aus! Muß ein schöner Vormittag in der Schule gewesen sein.«
»Wir haben keinen Unterricht gehabt, jedenfalls net so richtig! Wir Großen«, und dazu zählte Sebastian sich, »wir waren alle zusammen in dem großen Schulsaal und haben geplant. Des war spannend!«
Toni trat hinzu. Gemeinsam gingen sie in die Küche der Berghütte.
»Was habt ihr denn geplant?« fragte Toni.
»Den großen Schulwandertag haben wir geplant. Des soll etwas ganz Besonderes werden in diesem Jahr!«
»So? Was habt ihr denn so vor?« lächelte Toni.
»Des ist so: Wir bilden Gruppen und jede Gruppe wählt einen Bergführer.«
Sebastian streifte seinen Schulranzen von den Schultern und stellte ihn in die Ecke. »Meine Gruppe hat sich dich ausgesucht, Toni!« verkündete Sebastian stolz.
»So, was du net sagst?«
»Machst des, Toni? Ich konnte dich vorher net fragen.«
»Natürlich mache ich des! Wo soll es denn hingehen?«
Sebastian steckte die Hände in die Hosentaschen. Verlegen schaute er zwischen Anna und Toni hin und her. Er zuckte mit den Schultern. Toni und Anna schmunzelten.
»Nun red’ schon, Bub!«
Sebastian holte weit aus. Er erklärte, daß seine Gruppe nur aus zehn Buben und Mädels bestehe und zählte die Namen auf. Die Teilnehmer waren alle in Sebastians Alter. Toni kannte die Kinder.
»Des ist eine gute Gruppe, Basti!«
Sebastian strahlte.
»Aber es gibt ein Problem! Ich habe vorgeschlagen, wir gehen hinauf zum ›Paradiesgarten‹ und machen dort eine schöne Vesper. Aber fast alle andern würden einmal gern zum ›Höllentor‹ gehen. Sie wissen, daß der Berg gesperrt ist. Aber sie sind eben ein bisserl neugierig. Sie wollen ja net ganz hoch hinauf. Aber hingehen wollen sie, unbedingt. Sie meinen, ich soll dich ein bisserl bearbeiten. Du würdest schon einen Weg finden, des möglich zu machen.«
Toni lachte herzlich.
»So? Sagen sie das?«
Er verstand die Neugierde der Kinder. Toni erinnerte sich, wie es war, als er selbst in diesem Alter war. Er und seine Freunde Martin und Leonhard waren damals heimlich zum ›Höllentor‹ aufgebrochen. Dabei hatten sie sich gefühlt wie die großen Entdecker und Abenteurer. Jeder Bub und jedes Madl in Waldkogel wußte, daß es verboten war, zum ›Höllentor‹ zu gehen. Trotzdem waren alle mal dorthin gegangen. Die einen waren einige Meter den Weg weitergelaufen, der durch eine Schranke gesperrt war. Andere hatten sich weiter hinaufgewagt.
»Ja! Und sie sagen, daß ich dir versprechen könnte, daß sie keine Dummheiten machen!« Sebastian atmete tief durch. »Sie haben vorgeschlagen, daß wir als Seilschaft zum ›Höllentor‹ gehen. Wenn wir alle schön in Reih’ und Glied angeseilt sind, dann kannst du sicher sein, daß niemand verloren geht, Toni. So ist es doch?«
Anna und Toni lachten über so viel Bauernschläue.
»Des habt ihr euch fein ausgedacht! Aber darüber muß ich erst mal nachdenken, Basti.«
»Ich weiß! Ich weiß! Aber bitte, bitte überlege es dir!«
»Des hat net nur etwas mit überlegen zu tun, Basti. Des hängt net nur davon ab, daß ich zustimme. Niemand darf ohne Genehmigung zum ›Höllentor‹.« Gab Toni zu bedenken.
Über Sebastians Gesichtszüge huschte ein Schatten. Für einen Augenblick standen die schrecklichen Bilder des Unglückstod seiner Eltern am ›Höllentor‹ wieder vor Augen. Das tragische Geschehen hatten Sebastian und Franziska damals am Hang mit ansehen müssen, als dieser nachgab und abrutschte. Er hatte die Eltern der Kinder unter sich begraben.
»Bei den Eltern ist des anders gewesen, Toni! Der Vater und die Mutter, die mußten des Holz am Hang fällen. Des war kein Leichtsinn. Es war auch net verboten, dahin zu gehen zum Holz fällen.«
»Des stimmt, Basti! Der Berg ist ja auch erst weit oberhalb gesperrt.«
Toni versprach, bis zum nächsten Tag darüber nachzudenken. Sebastian und seine kleine Schwester Franziska nahmen ihre Schulranzen und gingen in ihre Zimmer.
Toni und Anna schauten sich an.
»Was hältst du davon, Anna? Mich wundert es schon ein bisserl, daß der Basti zum ›Höllentor‹ will.«
Anna nickte und seufzte.
»Ich bin davon auch überrascht. Aber ich denke, es ist ein gutes Zeichen. Der Bub wird Frieden geschlossen haben mit dem Berg. Es ist schon sehr, sehr gut, daß er über das ›Höllentor‹ redet. Ich denke, du solltest mit den Kindern dorthin gehen.«
»Das denke ich auch! Aber alleine führe ich die Gruppe nicht. Da will ich noch einige andere Erwachsene dabei haben.«
»An wen denkst du?«
»Ich könnte den Martin fragen. Wenn er seine Praxis einen Tag schließen könnte, dann wäre das schön. Er kann seine Hündin mitnehmen. Der Martin kann den Kindern vielleicht auch gleich erklären, wie man sich bei einem Unfall am Berg verhält.«
Anna stimmte zu. Tonis Freund, Dr. Martin Engler, war der beliebte Hausarzt von Waldkogel und ein begeisterter Bergsteiger. Anna war sich sicher, daß Martin mitkommen würde.
»Vielleicht kommt der Leo auch mit? Ich fahre in den nächsten Tagen nach Kirchwalden zum Einkaufen. Dann besuche ich den Leo. Ich werde ihn fragen. Als Leiter der Bergwacht muß er ohnehin informiert werden, wenn wir zum ›Höllentor‹ gehen.«
Leonhard Gasser war seit Kindertagen ein enger Freund Tonis. Er brachte auf den Übungsflügen das Bier mit dem Hubschrauber der Bergwacht auf die Berghütte. Dafür veranstalteten Anna und Toni regelmäßig zünftige Hüttenabende auf der Berghütte.
»Toni, Sebastian will bis morgen eine Antwort.«
»Ja, ich weiß! Ich werde erst mal den Fellbacher anrufen. Als Bürgermeister muß er ohnehin die Erlaubnis geben, wenn wir in das gesperrte Gebiet wollen. Ich werde auf jeden Fall dem Basti sagen, daß ich dabei bin. Wenn des mit dem ›Höllentor‹ nicht möglich ist, wenn der Fritz Fellbacher net die Erlaubnis gibt, dann wandern wir rauf zum ›Paradiesgarten‹.«
Toni und Anna gingen wieder an die Arbeit. Die meisten Hüttengäste waren mit dem Mittagessen fertig. Es mußte gespült werden. Bald würden die Wanderer zum Kaffee und Kuchen eintreffen. Bis dahin war noch viel zu tun. Die Sahne mußte geschlagen werden. Das machte Toni.
*
Zur gleichen Zeit saß auf dem Althauser Hof der zehnjährige Thomas am Küchentisch. Es war still in der großen Wohnküche. Nur das Ticken der Uhr war zu hören. Thomas saß über seinen Hausaufgaben. Seine Großmutter saß auf der Eckbank und strickte. Hedwig Althauser setzte sich jeden Tag zu ihrem Enkel, wenn dieser Hausaufgaben machte. Thomas war ein aufgeweckter Bub. Er lernte leicht und war gut in der Schule. Allerdings war er sehr scheu. Wenn ihn etwas bedrückte, dann konnte es Tage oder Wochen dauern, bis er über das sprach, was sein kleines Kinderherz bedrückte.
Hedwig Althauser beobachtete ihren Enkel. Er schien mit seinen Gedanken immer wieder abzuschweifen.
»Sind deine Rechenaufgaben schwer?« fragte sie, ohne von ihrem Strickzeug auf zu sehen.
»Naa! Die kann ich!«
Der Bub beugte sich wieder über sein Heft.
»Des ist gut! Sonst hätte ich dir geholfen.«
»Naa, des brauchst net, Großi! Darin brauche ich keine Hilfe!«
Sie wartete eine Weile, strickte weiter und zählte die Maschen auf der Nadel.
»Wenn du darin keine Hilfe brauchst, dann brauchst die vielleicht bei sonst etwas.«
»Naa, naa! Ich komme schon klar!« brummte Thomas.
Er senkte den Kopf noch mehr. Das war für seine Großmutter ein untrügliches Zeichen, daß er etwas vor ihr zu verbergen versuchte. Sie wartete, bis Thomas mit seinen Hausaufgaben fertig war. Er klappte das Heft zu, packte seine Sachen in den schönen ledernen Schulranzen und hängte ihn am Wandhaken hinter der Küchentür auf.
»Was machst jetzt? Gehst du spielen?«
»Naa! Ich tue vielleicht ein bisserl lesen!«
»Vielleicht? Entweder tust lesen oder net!«
Sie legte ihr Strickzeug in den großen Handarbeitskorb, der neben der Eckbank auf dem Boden stand.
»Magst einen Tee? Ich mache mir jetzt einen schönen Kräutertee. Kuchen habe ich auch noch. Willst ein Stück?«
Thomas setzte sich wieder.
»Kuchen, des ist gut! Aber ich mag lieber Apfelsaft dazu.«
»Des kannst haben!«
Thomas sah zu, wie seine Groß-mutter Kräutertee aufbrühte und für sich und ihn den Tisch deckte. Eine Weile später saßen sie zusammen.
»Was gab’s heute sonst noch so in der Schule? Mir scheint, daß du dich über etwas oder über jemanden geärgert hast. Des kann ich dir an der Nasenspitze ansehen.«
»Mei, Großi, die sind alle deppert!«
»So? Wer ist deppert? Deine Lehrerin oder die Buben und Madln in deiner Klasse?«
»Die Lehrerin is net deppert! Aber alle die Kinder sind deppert, bis auf die Franzi, die ist es net. Weißt, ich mein’ die Franziska Bichler, die jetzt beim Toni und der Anna auf der Berghütte wohnt. Die Franzi ist bestimmt net deppert. Die hat mir beigestanden. Einzig sie hat zu mir gehalten.«
»So? Des war aber sehr lieb von dem