Das falsche Testament: Der Bergpfarrer 411 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
»Oh, da komm' ich ja gerad' recht zum Kaffee«, rief Max Trenker erfreut und ließ sich in den Korbsessel fallen. Auf dem Tisch im Garten des Pfarrhauses stand eine Platte mit Apfelkuchen, den die Haushälterin am Morgen gebacken hatte. Die Äpfel hatten einen angenehmen säuerlichen Geschmack, und auf dem Kuchen waren knusprige mit ein wenig Zimt abgeschmeckte Streusel. Sophie Tappert schenkte Kaffee aus der Warmhaltekanne ein. Der Polizeibeamte sah sie fragend an. »Ist mein Bruder noch net wieder zurück?« Die Haushälterin machte ein bekümmertes Gesicht. »Hoffentlich ist ihm nix zugestoßen. Mir gefällt's überhaupt net, wenn Hochwürden da immer in den Bergen herumkraxelt«, sagte sie. »Aber auf mich hört er ja net. Bis wirklich mal ein Unglück geschieht…« Max schmunzelte, während er sich beim Kuchen bediente. Die Perle des Pfarrhaushalts versuchte seit ewigen Zeiten, Pfarrer Trenker von seinen Bergtouren abzubringen. Leider ohne Erfolg. Dabei prophezeite sie ihm ständig, er würde abstürzen und sich ein Bein brechen, oder noch Schlimmeres. Der junge Polizist wußte, daß er sich um seinen Bruder keine Sorgen zu machen brauchte, wenn der in den Bergen unterwegs war. Nicht umsonst nannte man Sebastian Trenker auch den »Bergpfarrer«. Wie kein anderer war er dort oben zu Hause.
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Buchvorschau
Das falsche Testament - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 411 –
Das falsche Testament
Toni Waidacher
»Oh, da komm’ ich ja gerad’ recht zum Kaffee«, rief Max Trenker erfreut und ließ sich in den Korbsessel fallen.
Auf dem Tisch im Garten des Pfarrhauses stand eine Platte mit Apfelkuchen, den die Haushälterin am Morgen gebacken hatte. Die Äpfel hatten einen angenehmen säuerlichen Geschmack, und auf dem Kuchen waren knusprige mit ein wenig Zimt abgeschmeckte Streusel.
Sophie Tappert schenkte Kaffee aus der Warmhaltekanne ein. Der Polizeibeamte sah sie fragend an.
»Ist mein Bruder noch net wieder zurück?«
Die Haushälterin machte ein bekümmertes Gesicht.
»Hoffentlich ist ihm nix zugestoßen. Mir gefällt’s überhaupt net, wenn Hochwürden da immer in den Bergen herumkraxelt«, sagte sie. »Aber auf mich hört er ja net. Bis wirklich mal ein Unglück geschieht…«
Max schmunzelte, während er sich beim Kuchen bediente. Die Perle des Pfarrhaushalts versuchte seit ewigen Zeiten, Pfarrer Trenker von seinen Bergtouren abzubringen. Leider ohne Erfolg. Dabei prophezeite sie ihm ständig, er würde abstürzen und sich ein Bein brechen, oder noch Schlimmeres. Der junge Polizist wußte, daß er sich um seinen Bruder keine Sorgen zu machen brauchte, wenn der in den Bergen unterwegs war. Nicht umsonst nannte man Sebastian Trenker auch den »Bergpfarrer«. Wie kein anderer war er dort oben zu Hause. Wenn der Seelsorger einen Gipfel erklommen hatte und Zwiesprache mit seinem Herrgott halten konnte, dann kam er frisch und in ausgeglichener Stimmung zurück.
Die vielen Probleme, die ihm so oft begegneten, wurden dann ganz klein angesichts der Größe der Schöpfung.
Während Max sich den Kuchen schmecken ließ, sah Sophie Tappert ungeduldig zur Gartenpforte, durch die der Geistliche jeden Moment hereinkommen mußte. Endlich sah sie das sonnengebräunte Gesicht, das stets ein freundliches Lächeln zeigte.
»Servus, zusammen«, grüßte Sebastian und schlug seinem Bruder kräftig auf die Schulter. »Schmeckt’s?«
»Wie immer…«, konnte Max nur undeutlich antworten. Mit vollem Mund redete es sich nun mal schlecht.
Die Haushälterin hatte erneut Kaffee eingeschenkt, und erst jetzt, wo Hochwürden wieder da war, bediente sie auch sich selbst.
»Wo bist’ denn gewesen?« erkundigte sich der Polizist.
»Zur Jenner-Alm ’nauf war ich«, erklärte der Pfarrer. »Bin ja schon eine Ewigkeit net mehr oben gewesen. Der Maria und den ihren geht’s gut. Schöne Grüße soll ich ausrichten. Auf dem Rückweg bin ich dann über die Hohe Riest und den Ainringer Wald, zum Forsthaus. Auch da hatte ich mich schon lang’ net mehr seh’n lassen.«
»Wie geht’s denn dem Christian und seiner Familie?« fragte Max.
»Auch sie sind alle wohlauf. Ich hab’ dem Förster gesagt, er soll doch mal wieder zum Stammtisch kommen.«
Sebastian nahm sich ein zweites Kuchenstück.
»Herrlich, nach solch einer Tour«, schwärmte er.
Sein Bruder sah auf die Uhr und erhob sich.
»Tja, ich muß dann mal wieder«, meinte er. »Noch zwei Stunden bis Dienstschluß. Also, pfüat euch.«
»Bis später Max«, nickte der Seelsorger ihm zu.
Er stand ebenfalls auf und ging ein paar Schritte durch den Pfarrgarten. Zufrieden schaute er zu den Obstbäumen hinauf, die dicht mit Früchten behangen waren. Nur ein paar Tage noch, dann konnten sie geerntet werden. Von den Kirschen würden sie im Pfarrhaus allerdings nicht viel haben, vermutete der Seelsorger, dafür sorgten schon die Vögel, die in Scharen in den Zweigen saßen und sich an den leckeren Schattenmorellen labten.
An der Grenze zum Kirchhof hin standen Obststräucher. Johannis-, Him-, und Stachelbeeren, die die Grundlage für die köstlichen Marmeladen waren, die Sophie Tappert kochte. Erntezeit hieß auch im Pfarrhaus, daß alle Hände voll zu tun waren. Sebastian liebte diese Jahreszeit, zeugte sie doch von der wunderbaren Vielfalt der Schöpfung. Für ihn war es wirklich eine Gnade, was den Menschen alles an herrlicher Nahrung in der Natur geboten wurde.
Sein Blick wandete unbewußt über den Zaun, auf den Kirchhof. Drüben, dort wo zuletzt Verstorbene lagen, stand jemand an einem Grab. Sebastian erkannte aus der Lage, daß es sich um die letzte Ruhestätte des Branderbauern handeln mußte, der vor wenigen Wochen das Zeitliche gesegnet hatte und nun neben seiner Frau ruhte.
Für einen Moment glaubte der Geistliche, daß es sich bei dem Besucher um Xaver Brandner, den Neffen, handelte, doch dann sah er sich getäuscht. Der Mann am Grab drehte sich um und ging davon. Das Alter konnte man schlecht schätzen, da der Friedhofsbesucher einen dunklen Vollbart trug. Sebastian überlegte, wo er dieses Gesicht schon einmal gesehen hatte, aber es fiel ihm nicht ein.
Merkwürdig, schüttelte er den Kopf. Dabei hatte er ein hervorragendes Personengedächtnis. Aber, wo er diesen Mann hinstecken sollte, konnte er im Moment nicht sagen.
Nachdenklich ging er an den Tisch zurück und setzte sich wieder.
Soweit er wußte, hatte der alte Hubert Brandner keine weiteren Angehörigen mehr. Deshalb hatte auch sein Neffe, der Sohn seines schon früher verstorbenen Bruders, den Hof geerbt. Xaver war kurz nach dem Tod seines Vaters zusammen mit seiner Mutter auf den Hof gekommen. Seit acht Jahren lebte und arbeitete er dort, als wäre es sein Eigentum. Was allerdings erstaunlich war, denn der junge Mann war in der Großstadt aufgewachsen, und es war überhaupt das erste Mal gewesen, daß er mit dem Landleben in Berührung kam. Ein Städter durch und durch. Aber er hatte gemeint, daß es seine Pflicht sei, dem ihm bis dahin unbekannten Onkel durch die Arbeit das zu vergelten, was der ihm und der Mutter angedeihen ließ.
Hubert Brandner hatte diese hingebungsvolle Arbeit dadurch belohnt, daß er Xaver behandelte, als wäre er sein eigener Sohn und ihn als seinen Erben eingesetzt.
Na ja, vielleicht war’s auch nur jemand, der zufällig dort am Grab gestanden hatte, ging es Sebastian durch den Kopf, während er den Rest seines Kaffees trank. Dann ging er seufzend in das Arbeitszimmer hinüber. Wie immer warteten dort Akten und Unterlagen, die bearbeitet werden mußten.
*
Am Abend sah der Geistliche den Unbekanmnten noch einmal. Er saß in der Wirtsstube des Löwen, als Sebastian und Max zum wöchentlichen Stammtisch kamen.
Die Runde war diesmal ungewöhnlich groß. Neben den beiden Brüdern waren auch der Bürgermeister anwesend, der Kaufmann ebenso, wie der Bäckermeister, und auch der Apotheker fehlte heute nicht.
»Kennt jemand den Herrn dort drüben?« fragte der Pfarrer die anderen.
Der einsame Gast an dem Ecktisch hatte schon die Aufmerksamkeit erregt, bevor Sebastian und Max erschienen waren. Man war eben neugierig und wollte wissen, wer der Fremde war, aber Sepp Reisinger, der Löwenwirt, wußte auch nichts über den Mann. Im Hotel wohnte er jedenfalls nicht. Noch einmal sah der Geistliche den Unbekannten forschend an, der zu Abend gegessen hatte und nun in der Zeitung blätterte. Jetzt, auf diese Distanz, schätzte er ihn auf Anfang Dreißig, es war der Bart, der ihn älter aussehen ließ.
Das Gespräch am Stammtisch wandte sich anderen Dingen zu. Zu diskutieren hatten sie immer viel, nicht umsonst heißt es »Stammtischpolitik«, und heute war die neue Währung,