Wo ist Thomas?: Der Bergpfarrer 170 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Die Kirche von St. Johann war mit Blumengestecken festlich geschmückt und strahlte im Glanz vieler hundert Kerzen. Vor dem Altar stand das Brautpaar und wartete auf den Segen des Pfarrers. Eben hatte Sebastian Trenker in seiner ihm eigenen Art eine humorvolle Predigt gehalten und dem Sohn des Brandnerbauern und dessen Braut das Jawort abverlangt. Die Hochzeitsgäste erhoben sich, um den Segen zu empfangen.
»So, Florian, jetzt darfst' deine Frau küssen«, sagte der Bergpfarrer lächelnd.
Unter einem Blitzlichtgewitter tat Florian Brandner ausgiebig, wie ihm geheißen wurde. Sebastian gratulierte dem jungen Paar und geleitete es zur Kirchentür.
Hier hatten die Verwandten und Freunde schon Aufstellung genommen, ebenso eine Schar neugieriger Zuschauer, die im Gotteshaus keinen Platz mehr gefunden hatten. Nach den vielen Glückwünschen und noch mehr Fotos ging es zum Feiern auf den Brandnerhof. Es waren an die hundertfünfzig Gäste, die sich schon auf das freuten, was in der vergangenen Woche alles vorbereitet worden war.
Die große Scheune war ausgeräumt worden, um Platz für Tische und Stühle zu schaffen, an einer Seite war ein Tresen aufgebaut, hinter dem ein paar junge Helfer bereitstanden, die Wünsche nach Getränken zu erfüllen, und zwischen der Tafel und der Scheunenrückwand, an der die Musiker saßen, hatte man genügend Platz für eine Tanzfläche gelassen.
Es war guter Brauch, daß der Pfarrer, der das Paar getraut hatte, zur Feier eingeladen wurde, und Sebastian hatte die Einladung gerne angenommen. Er saß zwischen Max und seiner Haushälterin, ihm gegenüber hatten Dr. Wiesinger und dessen Ehefrau Elena ihre Plätze.
Bevor das Essen losgehen sollte, hielten zuerst Florian,
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Buchvorschau
Wo ist Thomas? - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 170–
Wo ist Thomas?
Die schwere Last des Angerer-Bauern
Toni Waidacher
Die Kirche von St. Johann war mit Blumengestecken festlich geschmückt und strahlte im Glanz vieler hundert Kerzen. Vor dem Altar stand das Brautpaar und wartete auf den Segen des Pfarrers. Eben hatte Sebastian Trenker in seiner ihm eigenen Art eine humorvolle Predigt gehalten und dem Sohn des Brandnerbauern und dessen Braut das Jawort abverlangt. Die Hochzeitsgäste erhoben sich, um den Segen zu empfangen.
»So, Florian, jetzt darfst’ deine Frau küssen«, sagte der Bergpfarrer lächelnd.
Unter einem Blitzlichtgewitter tat Florian Brandner ausgiebig, wie ihm geheißen wurde. Sebastian gratulierte dem jungen Paar und geleitete es zur Kirchentür.
Hier hatten die Verwandten und Freunde schon Aufstellung genommen, ebenso eine Schar neugieriger Zuschauer, die im Gotteshaus keinen Platz mehr gefunden hatten. Nach den vielen Glückwünschen und noch mehr Fotos ging es zum Feiern auf den Brandnerhof. Es waren an die hundertfünfzig Gäste, die sich schon auf das freuten, was in der vergangenen Woche alles vorbereitet worden war.
Die große Scheune war ausgeräumt worden, um Platz für Tische und Stühle zu schaffen, an einer Seite war ein Tresen aufgebaut, hinter dem ein paar junge Helfer bereitstanden, die Wünsche nach Getränken zu erfüllen, und zwischen der Tafel und der Scheunenrückwand, an der die Musiker saßen, hatte man genügend Platz für eine Tanzfläche gelassen.
Es war guter Brauch, daß der Pfarrer, der das Paar getraut hatte, zur Feier eingeladen wurde, und Sebastian hatte die Einladung gerne angenommen. Er saß zwischen Max und seiner Haushälterin, ihm gegenüber hatten Dr. Wiesinger und dessen Ehefrau Elena ihre Plätze.
Bevor das Essen losgehen sollte, hielten zuerst Florian, dann der Brautvater eine kleine Rede, und auf ein Zeichen der Brandnerbäuerin hin wurde die Suppe aufgetragen.
Es war eine klare Rindssuppe, mit kleingeschnittenem Gemüse und Leberknödeln.
Am Ende der Tafel saß ein grauhaariger, alter Mann, der wie es schien, gar keine rechte Lust zum Feiern hatte. Er verzog keine Miene, wenn am Tisch gelacht wurde, und beteiligte sich auch sonst nicht an den Gesprächen.
Freunde des Brautpaares hatten sich ein paar lustige Scherze einfallen lassen, die so manchen brüllenden Lacher hervorriefen und die Zeit zwischen den einzelnen Gängen überbrückten.
Sebastian warf hin und wieder einen Blick zu dem Alten, der inzwischen das dritte oder gar vierte Bier getrunken hatte. Den guten Wein, der zum Essen serviert wurde, verschmähte er.
Max war es nicht entgangen, daß sein Bruder immer wieder zum Ende der Tafel schaute. Der junge Polizist beugte sich zur Seite.
»Wenn der Franz so weitertrinkt, dann ist er schon voll, wenn wir noch net einmal beim Nachtisch angelangt sind«, wisperte er.
Sebastian nickte kaum merklich.
»Du hast recht«, erwiderte er. »Ich weiß nur noch net, wie ich’s ihm beibringen soll, daß er sich ein bissel zurückhält.«
Immer neue Speisen wurden aufgetragen. Nach der Suppe hatte es pochierte Forellen gegeben, dann standen großen, Platten mit Braten auf den Tischen. Die zahlreichen Hilfskräfte waren eifrig bei der Arbeit und räumten leere Schüsseln und Platten ab, um sie durch volle zu ersetzen. Vor dem Nachtisch – Eisbomben mit Makronenfüllung und frischen Früchten – wurde der erste Verdauungsschnaps gereicht. Der gute Hirte von St. Johann beobachtete mit besorgter Miene, wie Franz Angerer sich gleich zwei Gläser von dem Tablett griff, das man ihm hinhielt.
Ohne mit der Wimper zu zucken, kippte der Bauer die Obstler nacheinander in sich hinein. Einen Moment starrte er in die Runde, dann stand er plötzlich auf und verließ auf etwas wackligen Beinen die Scheune.
Sebastian erhob sich sofort und folgte ihm. Franz Angerer war nach rechts abgebogen und stand etwas seitlich vor dem Weidezaun. Mit beiden Händen stützte er sich darauf, und seine gebeugten Schultern zuckten.
»Ist dir net gut?« fragte der Geistliche.
Der Bauer hob den Kopf, und Sebastian sah die Spuren der Tränen, die ihm über das Gesicht gelaufen waren.
»Was ist denn los?« fragte er sanft.
Franz Angerer schluchzte auf.
»Entschuldigen S’, Hochwürden«, kam es ihm leise über die Lippen. »Es ist alles in Ordnung… Ich… ich hab’ nur an den Thomas denken müssen.«
Der Bergpfarrer legte ihm tröstend die Hand auf den Arm.
»Wissen S’, ich hab’ mir die ganze Zeit vorgestellt, daß es mein Bub hätt’ sein können, der heut’ Hochzeit hat«, fuhr der Bauer fort. »Dabei weiß ich net einmal, ob er überhaupt noch am Leben ist.«
Verzweifelt schüttelte der Alte den Kopf.
»Was würd’ ich dafür geben, wenn er wieder nach Haus’ zurückkäme!«
»Ich kann deinen Kummer gut versteh’n«, sagte Sebastian mitfühlend. »Du darfst die Hoffnung net aufgeben. Vielleicht steht der Thomas eines Tages vor dir, du mußt nur fest daran glauben.«
»Das kann ich net«, schüttelte Franz Angerer den Kopf. »Net mehr. Zu viele Jahre sind vergangen. Zu Anfang hab’ ich immer noch gehofft und darauf gewartet. Jetzt ist die Hoffnung gestorben. Ich weiß, daß ich ihn nie mehr wiederseh’, und wissen S’, was mich am meisten bedrückt? Die Schuld, die ich auf mich geladen hab’. Damals, als ich ihn davongejagt hab’, da war ich überzeugt, daß er das Geld genommen hat. Aber was nützt es mir heut’, zu wissen, daß ich ihn zu unrecht verdächtig hab’? Ich kann’s ihm ja net sagen!«
»Vielleicht hättest du die Einladung zur Hochzeit besser net angenommen«, sagte Sebastian. »Du hast ja recht, Thomas ist genauso alt wie der Florian, und es hätt’ sehr gut die Trauung deines Sohnes sein können. Wenn du willst, dann fahr’ ich dich jetzt heim.«
Der Bauer atmete schwer.
»Vielen Dank, Hochwürden«, nickte er. »Ist vielleicht besser so.«
*
»Um was ging es damals eigentlich?« fragte Max, als er im Pfarrhaus beim Mittagessen saß und mit seinem Bruder über den Angererbauern sprach. »Wenn ich mich recht erinner, dann war ich seinerzeit zu einem Lehrgang in München und hab’s gar net recht mitbekommen, was da eigentlich passiert ist.«
Sophie Tappert brachte den Hauptgang auf den Tisch. Zuvor hatte es eine Rahmsuppe von Schwammerln gegeben, die der Förster am Morgen vorbeigebracht hatte. Jetzt stand eines von Max’ Lieblingsgerichten vor dem Polizeibeamten; ein deftiges Gulasch nach ungarischer Art.
»Drei Jahre ist’s jetzt her«, antwortete Sebastian Trenker. »Da hat der Franz seinen Sohn aus dem Haus gejagt. Im Jahr zuvor war die Edith gestorben, und der Bauer ist net über den Verlust hinweggekommen. Die ganze Arbeit hat auf dem Thomas gelastet, und wenn der Bursche mal seinen Vater bat, mit anzupacken, dann gab es Streit zwischen ihnen. Aber das war net der Grund für das Zerwürfnis. Eines Tags bemerkte Franz, daß ein größerer Geldbetrag aus der Haushaltskasse fehlte. Er verdächtigte sofort den Thomas und stellte ihn zur Rede. Der stritt alles ab, doch sein Vater beharrte darauf, daß nur er der Dieb sein könne. Selbst nachdem er Thomas’ Zimmer durchsucht und das Geld net hat finden können, ließ er sich von seiner Meinung net abbringen. Es gab harte Worte zwischen den beiden, und am End’ wies Franz ihn vom Hof.«
»Aber inzwischen weiß er ja längst, daß der Thomas das Geld net genommen hat.«
»Allerdings«, nickte der Bergpfarrer. »Schon nach ein paar Tagen bemerkte er seinen Irrtum, da fand er das Geld nämlich in seiner Brieftasche. Doch da war sein Sohn längst auf und davon, und seither hat man nix mehr von Thomas Angerer gehört.«
Der gute Hirte von St. Johann seufzte.
»Schuld ist nur der Alkohol«, setzte er kopfschüttelnd hinzu.
»Was