Auf einmal stimmt die Welt nicht mehr: Mami 1967 – Familienroman
Von Anna Sonngarten
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Über dieses E-Book
Karin Marschall blickte konzentriert auf den Bildschirm ihres PCs. Ihre sanften dunklen Augen wirkten ernst, und auf ihrer jugendlich glatten Stirn war eine steile Falte zu sehen. Die Abrechnungen für die Teilnehmer des EDV-Lehrgangs mußten heute noch fertig werden. Aber da ihre Chefin wiederholt mit anderen Dingen an sie herangetreten war, die heute auch noch unbedingt erledigt werden sollten, hatte Karins Konzentrationsfähigkeit mittlerweile stark gelitten. Karin war wie so oft in letzter Zeit der Meinung, daß ihre Arbeit mit einer halben Stelle nicht zu bewältigen war. Sie selbst konnte und wollte jedoch nicht länger arbeiten, da sie ihre Tochter nicht den ganzen Nachmittag allein lassen wollte. Auch wenn Jana zunehmend selbständiger wurde, glaubte Karin, daß eine Mutter Zeit für ihr Kind haben sollte, wenn es aus der Schule kam, zumal Karin nach der Trennung von Andreas sowieso ständig das Gefühl hatte, Jana käme zu kurz. Als es jetzt schon wieder an ihre Bürotür klopfte, verdunkelte sich ihr Blick und der Ton, mit dem sie »Herein« rief, klang gereizt. Die Tür schwang auf, und ein junger gutaussehender Mann mit einem unverschämt breiten Grinsen im Gesicht und einem Strauß roter Rosen in der Hand füllte den Türrahmen. »Hallo, schöne Frau. Ich hatte solche Sehnsucht nach dir und wollte nicht bis heute abend warten«, sagte er überschwenglich. Er ging auf die überraschte Karin zu und beugte sich über ihren Schreibtisch, um ihr einen leidenschaftlichen Kuß auf die Lippen zu drücken. Karin kam erst gar nicht dazu, Protest zu signalisieren, und als sie sich von Toms starken Armen umfaßt fühlte, zerbrach auch ihr leisester Widerstand wie ein Kartenhaus. Sie fühlte ein warmes Gefühl durch ihren Körper strömen. Ihre Wangen röteten sich, und ihre schönen sanften rehbraunen Augen leuchteten. Sie war verliebt in diesen Mann, der so plötzlich und unerwartet in ihr Leben getreten war. Dabei hatte sie schon ganz vergessen, wie es sich anfühlte, verliebt zu sein, so lange lebte sie nach der Trennung von Andreas nun schon allein mit ihrer Tochter. Sanft, fast widerstrebend löste sie sich aus Toms Umarmung.
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Buchvorschau
Auf einmal stimmt die Welt nicht mehr - Anna Sonngarten
Leseprobe:
Am Ende siegt die Liebe
Leseprobe»Wartet doch mal«, schrie Vicky und sprang von ihrem Fahrrad. Aufgeregt schwenkte sie den rechten Arm durch die Luft. »Immer diese Mädchen«, maulte Nick, der große dunkelhaarige Junge, der die kleine Kolonne anführte. »Ständig wollen sie Rast machen. Da kommt man doch überhaupt nicht voran. Was ist denn jetzt schon wieder? Wenn das so weitergeht, erreichen wir heute die Burg nicht mehr.« Der hübsche Junge mit den ausdrucksvollen dunklen Augen wendete sein Rad, rollte langsam den Weg zurück. Fabian, Henrik, Irmela und Angelika, die hinter ihm fuhren, hielten ebenfalls an, drehten sich um. »Was gibt’s?« fragte Nick, der sich verantwortungsbewußt stets um die Jüngeren kümmerte. Er selbst besuchte bereits die Oberstufe des Gymnasiums, war groß und schlank. »Schau mal, da ist etwas. Vielleicht ein Tier.« Vicky Langenbach, das jüngste Mädchen der Gruppe, deutete aufgeregt zu einem Apfelbaum, der abseits der Straße stand. Die Äste des Baumes bogen sich unter der Last der Früchte, die allerdings noch nicht reif waren. »Warum schaust du denn nicht nach?« kritisierte Fabian Schöller, der nun ebenfalls näher kam.
Mami
– 1967 –
Auf einmal stimmt die Welt nicht mehr
Jana bangt um die Liebe ihrer Eltern
Anna Sonngarten
Karin Marschall blickte konzentriert auf den Bildschirm ihres PCs. Ihre sanften dunklen Augen wirkten ernst, und auf ihrer jugendlich glatten Stirn war eine steile Falte zu sehen. Die Abrechnungen für die Teilnehmer des EDV-Lehrgangs mußten heute noch fertig werden. Aber da ihre Chefin wiederholt mit anderen Dingen an sie herangetreten war, die heute auch noch unbedingt erledigt werden sollten, hatte Karins Konzentrationsfähigkeit mittlerweile stark gelitten. Karin war wie so oft in letzter Zeit der Meinung, daß ihre Arbeit mit einer halben Stelle nicht zu bewältigen war. Sie selbst konnte und wollte jedoch nicht länger arbeiten, da sie ihre Tochter nicht den ganzen Nachmittag allein lassen wollte. Auch wenn Jana zunehmend selbständiger wurde, glaubte Karin, daß eine Mutter Zeit für ihr Kind haben sollte, wenn es aus der Schule kam, zumal Karin nach der Trennung von Andreas sowieso ständig das Gefühl hatte, Jana käme zu kurz. Als es jetzt schon wieder an ihre Bürotür klopfte, verdunkelte sich ihr Blick und der Ton, mit dem sie »Herein« rief, klang gereizt. Die Tür schwang auf, und ein junger gutaussehender Mann mit einem unverschämt breiten Grinsen im Gesicht und einem Strauß roter Rosen in der Hand füllte den Türrahmen.
»Hallo, schöne Frau. Ich hatte solche Sehnsucht nach dir und wollte nicht bis heute abend warten«, sagte er überschwenglich. Er ging auf die überraschte Karin zu und beugte sich über ihren Schreibtisch, um ihr einen leidenschaftlichen Kuß auf die Lippen zu drücken. Karin kam erst gar nicht dazu, Protest zu signalisieren, und als sie sich von Toms starken Armen umfaßt fühlte, zerbrach auch ihr leisester Widerstand wie ein Kartenhaus. Sie fühlte ein warmes Gefühl durch ihren Körper strömen. Ihre Wangen röteten sich, und ihre schönen sanften rehbraunen Augen leuchteten. Sie war verliebt in diesen Mann, der so plötzlich und unerwartet in ihr Leben getreten war. Dabei hatte sie schon ganz vergessen, wie es sich anfühlte, verliebt zu sein, so lange lebte sie nach der Trennung von Andreas nun schon allein mit ihrer Tochter. Sanft, fast widerstrebend löste sie sich aus Toms Umarmung.
»Du wirst dich leider doch bis heute abend gedulden müssen, denn hier kann jederzeit jemand herein kommen«, gurrte sie in sein Ohr, was Tom dazu veranlaßte, ihren Hals mit zärtlichen Küssen zu bedecken. Doch dann löste er sich von ihr und sah ihr tief in die dunklen Augen.
»Bis heute abend, mein Engel. Ich freu’ mich auf dich«, raunte er. Dann verschwand er durch die Tür. Karin atmete tief durch. Sie konnte für den Augenblick keinen klaren Gedanken mehr fassen. Tom Henschel, sprach sie im Geiste seinen Namen. Was für ein Mann. Und was für ein Zufall, daß sie ihn kennengelernt hatte. Bei einem Einkaufsbummel vor einiger Zeit war sie von einem heftigen Regen überrascht worden und hatte sich im Autohaus Henschel am Uferring unterstellen wollen. Ausgerechnet an jenem Tag hatte das Autohaus einen Aktionstag. Sie ging hinein, um nicht so dumm herumstehen zu müssen, und schaute sich Autos in einer für sie unerreichbaren Preisklasse an. Damit zog sie die Aufmerksamkeit des Juniorchefs auf sich, der sich auch gleich anbot, eine Probefahrt mit ihr zu unternehmen. Normalerweise wäre Karin nicht einfach zu einem Unbekannten ins Auto gestiegen, aber unter diesen Umständen erschien es ihr gefahrlos. Das war es auch. Allerdings nur in einer Hinsicht. In einer anderen Hinsicht war diese Probefahrt keineswegs ungefährlich gewesen. Als sie wieder auf dem Vorplatz des Autohauses angelangt waren, war es um Karin geschehen. Sie hatte sich Hals über Kopf verliebt. Karin lächelte verträumt vor sich hin. Erst das Klingeln des Telefons brachte sie wieder auf den Boden der Realität zurück.
»Fortbildungsinstitut Godring. Guten Tag. Sie sprechen mit Karin Marschall«, sprach sie routiniert in den Hörer.
»Hallo, Karin. Ich bin es, Andreas.«
»Ach du, hallo.«
»Karin, ich wollte Jana heute von der Schule abholen. Ich kann nämlich heute meinen freien Nachmittag nehmen. Jana kann dann wie immer bei mir schlafen. Ich bringe sie morgen auch wieder zur Schule. Geht das in Ordnung?«
»Ja, das geht in Ordnung. Es ist mir sogar sehr lieb, weil ich heute abend Besuch erwarte«, sagte Karin.
»So, wen denn?« fragte Andreas. Das Wort Besuch hatte ihn neugierig gemacht, denn normalerweise sagte Karin immer sofort den Namen ihrer Bekannten.
»Kennst du nicht«, antwortete sie knapp. Andreas schwieg eine Sekunde lang, entschied dann aber, daß er Karin ihr Geheimnis lassen wolle. Sie waren getrennt, wenn auch nicht geschieden. Irgendwie hatte keiner von ihnen diesen letzten Schritt bisher machen wollen, obwohl es eigentlich nur eine reine Formsache war. Denn es sah zur Zeit nicht danach aus, als wollte Karin die Trennung wieder rückgängig machen. Eine Tatsache, die Andreas immer noch schmerzte, aber man mußte mit den Gegebenheiten leben, die man nicht ändern konnte.
»Gut. Ja, dann wünsch ich einen schönen Abend. Vielleicht bis demnächst einmal«, sagte er zum Abschied und legte den Hörer auf. Das war eine Floskel, die er immer benutzte, obwohl er Karin seit langem nicht mehr gesehen hatte. Sie sprachen ausschließlich am Telefon miteinander. Es hatte sich seit der Trennung kein wirklicher Anlaß mehr geboten, sich zu sehen. Andreas bedauerte das, aber er war sich nicht sicher, ob Karin auch so dachte.
*
»Herr Dr. Marschall!« Schwester Maren rief lautstark nach ihrem Stationsarzt. Dann platzte sie ins Arztzimmer. »Ach, hier stecken Sie. Der Verband ist durchgeblutet.«
Andreas Marschall sprang sofort auf und lief den Flur hinunter Richtung Zimmer 126. Er hatte Herrn Kretschmer erst heute morgen operiert. Ein schwerer Motorradunfall hatte dem jungen Mann das linke Bein zerquetscht. Dr. Andreas Marschall hatte das Bein des jungen Mannes unbedingt retten wollen, obwohl zwei seiner Kollegen der Meinung waren, daß hier nur noch eine Amputation des Patienten