Verdrängte Erinnerungen: Der Arzt vom Tegernsee 46 – Arztroman
Von Laura Martens
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Über dieses E-Book
Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen.
Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird.
Es geht nichts über ein paar gemütliche Stunden im Kreis von Freunden«, meinte Dr. Eric Baumann. Da es Mittwoch war, hatte er am Nachmittag keine Sprechstunden. Die Claß' waren mit ihrem Söhnchen Kevin und ihrer Nichte Ramona gekommen. Gemeinsam tranken sie auf der Terrasse Kaffee. Eric kannte Simone Claß noch aus Kenia, wo sie mit seinem Freund Roger Eytan verheiratet gewesen war. Roger war bei einem Bergrutsch ums Leben gekommen, einige Zeit, nachdem er selbst Kenia verlassen hatte, um in Tegernsee die Praxis seines verstorbenen Vaters zu übernehmen. Vor einigen Monaten hatte Simone zum zweiten Mal geheiratet. Alexander plante, den kleinen Kevin zu adoptieren. Simone schaute zum Gartenzaun hinüber, wo sich ihr kleiner Sohn und ihre Nichte mit Franzl balgten. Erics Hund ließ sich gutmütig alles gefallen, was die Kinder mit ihm anstellten. Er knurrte nicht einmal, als ihn Kevin am Schwanz zog. »Kevin, paß auf«, rief Simone. »So etwas tut dem Franzl weh!« »Ich wollte dir nicht weh tun, Franzl.« Kevin strich dem Hund liebevoll über den Rücken. »Ei, ei«, machte er.
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Verdrängte Erinnerungen - Laura Martens
Der Arzt vom Tegernsee
– 46 –
Verdrängte Erinnerungen
Laura Martens
Es geht nichts über ein paar gemütliche Stunden im Kreis von Freunden«, meinte Dr. Eric Baumann. Da es Mittwoch war, hatte er am Nachmittag keine Sprechstunden. Die Claß’ waren mit ihrem Söhnchen Kevin und ihrer Nichte Ramona gekommen. Gemeinsam tranken sie auf der Terrasse Kaffee.
Eric kannte Simone Claß noch aus Kenia, wo sie mit seinem Freund Roger Eytan verheiratet gewesen war. Roger war bei einem Bergrutsch ums Leben gekommen, einige Zeit, nachdem er selbst Kenia verlassen hatte, um in Tegernsee die Praxis seines verstorbenen Vaters zu übernehmen. Vor einigen Monaten hatte Simone zum zweiten Mal geheiratet. Alexander plante, den kleinen Kevin zu adoptieren.
Simone schaute zum Gartenzaun hinüber, wo sich ihr kleiner Sohn und ihre Nichte mit Franzl balgten. Erics Hund ließ sich gutmütig alles gefallen, was die Kinder mit ihm anstellten. Er knurrte nicht einmal, als ihn Kevin am Schwanz zog.
»Kevin, paß auf«, rief Simone. »So etwas tut dem Franzl weh!«
»Ich wollte dir nicht weh tun, Franzl.« Kevin strich dem Hund liebevoll über den Rücken. »Ei, ei«, machte er.
»Franzl, fang!« Ramona hatte hinter einem Brombeergebüsch einen Ball gefunden. Schwungvoll warf sie ihn durch den Garten.
Franzl sprang auf, warf Kevin dabei fast um und jagte dem Ball nach. Vergnügt kläffte er auf, als er ihn zu fassen bekam.
Katharina Wittenberg, Erics Haushälterin, kam mit einer frischen Kanne Kaffee auf die Terrasse. »Darf ich gleich einschenken?« fragte sie.
»Danke, Katharina.« Alexander reichte ihr seine Tasse.
»Für die Kinder habe ich Eis in der Küche«, wandte sich Katharina an Simone. »Sie dürfen Eis bekommen, oder?«
»Sie würden es mir sehr übelnehmen, wenn ich nein sagte«, meinte die junge Frau lachend.
»Eric, darf ich mal telefonieren?« erkundigte sich Alexander. »Mir ist eingefallen, daß ich Herrn Seemüller versprochen habe, ihn anzurufen. Es geht um den Ausbau des Kellers im alten Häußermann-Anwesen.«
»Nur zu.« Eric wies ins Wohnzimmer.
Simone griff nach ihrer Kaffeetasse. »Soll ich dir etwas verraten?« fragte sie Eric.
»Ein Geheimnis?« Er hob die Augenbrauen.
Die junge Frau nickte. »Ich erwarte ein Kind. Gestern habe ich es erfahren. Ich bin im dritten Monat schwanger.«
»Weiß es Alexander schon?«
»Nein.« Simone schüttelte den Kopf. »Ich werde es ihm heute Abend sagen. Er wird außer sich vor Freude sein.«
Bevor Eric antworten konnte, kam Alexander bereits zurück. »Du wirst am Telefon verlangt«, sagte er. »Eine Frau Widmer vom Hotel Luisenhof ist am Apparat.«
Der Arzt stand auf und ging ins Wohnzimmer. Frau Widmer und ihre Mutter waren schon bei seinem Vater in Behandlung gewesen. Sie arbeitete als Sekretärin im »Luisenhof«. »Was gibt es denn, Frau Widmer?« erkundigte er sich, nachdem er mit der jungen Frau einen kurzen Gruß gewechselt hatte.
»Die fünfzehnjährige Tochter eines Gastehepaares klagt über heftige Leibschmerzen, Dr. Baumann«, antwortete sie. »Ihre Eltern befürchten, daß es sich um eine Salmonellenvergiftung handeln könnte. Ich tippe eher auf den Blinddarm.«
»Ich komme sofort, Frau Widmer«, versprach er. »Bis gleich.« Er legte auf und kehrte auf die Terrasse zurück.
»Du mußt nichts sagen, Eric«, meinte Simone bedauernd. »Die Pflicht ruft.«
»Ja, so leid es mir tut.«
»Warum mußt du immer fort, wenn wir zu Besuch sind, Onkel Eric?« fragte Ramona. »Ich finde das nicht schön. Einen Arzt werde ich bestimmt nie heiraten.«
»Sehr gescheit von dir«, erklärte Eric und strich ihr durch die Haare. »Ich werde mich beeilen.«
Der Arzt brauchte nur knapp eine Viertelstunde bis zu dem Luxus-Hotel, das am Anfang von Tegernsee in Richtung Gmund lag. Als er die imposante Hotelhalle betrat, eilte ihm bereits Carolin Widmer entgegen.
»Gut, daß Sie gleich gekommen sind«, sagte sie, als sie ihm die Hand reichte. »Julia Holland geht es schlechter. Ihre Eltern sind am Verzweifeln.«
Sie fuhren mit dem Aufzug in den dritten Stock hinauf. Carolin führte Eric zu einer Suite, die am Ende des Ganges lag. Sie hatte kaum geklopft, als ihnen auch schon von Ferdinand Holland die Tür geöffnet wurde. »Sind Sie der Arzt?« wandte er sich an Dr. Baumann. Es war dem Mann anzusehen, daß er sich große Sorgen machte.
»Ja, ich bin der Arzt«, erwiderte Eric und stellte sich vor. »Wo ist denn die Patientin?«
»In ihrem Zimmer«, erwiderte der Immobilienmakler.
Carolin Widmer nahm im Wohnzimmer der Suite Platz, während Dr. Baumann in den Nebenraum geführt wurde. Bei seinem Eintritt stand eine elegant gekleidete Frau vom Bett des Mädchens auf. »Ich vermute eine Salmonellenvergiftung«, sagte sie.
»Meine Frau Christina«, stellte Herr Holland vor, »und das ist Julia.« Er wies auf seine Tochter, die mit schweißverklebten Haaren und wachsbleichem Gesicht im Bett lag. Leise wimmerte sie vor sich hin.
Eric beugte sich über das Mädchen. Du hast sicher nichts dagegen, daß ich dich untersuche«, meinte er. »Ich möchte dir nur helfen.« Er berührte sanft ihr Gesicht.
Julia antwortete nicht.
Dr. Baumann hob die Bettdecke an. Die Fünfzehnjährige hatte ihr rechtes Bein angezogen. Als er ihren Puls fühlte, stellte er fest, daß er deutlich höher als normal war. Und sie hatte Fieber, das erkannte er auf den ersten Blick. Behutsam tastete er unter den ängstlichen Blicken der Eltern den Leib des Mädchens ab. »Seit wann hat Julia solche Schmerzen?« fragte er, als er sich aufrichtete.
»Sie hat schon gestern über Leibschmerzen geklagt«, gestand Herr Holland. »Wir haben es nicht sonderlich ernst genommen, weil Julia ohnehin zu Leibschmerzen neigt.«
»Ich habe ihr ein Schmerzzäpfchen gegeben«, fügte seine Frau hinzu. »In den letzten Monaten ist Julia schon zweimal wegen Leibschmerzen untersucht worden. Es ist nie etwas festgestellt worden.«
»Ich glaube auch nicht, daß Julias frühere Leibschmerzen mit ihren jetzigen zusammenhängen«, meinte ihr Mann. »Ich halte das Ganze für eine Salmonellenvergiftung. Julia hat uns gestanden, daß sie an einem Straßenstand Softeis gekauft hat.«
»Heute morgen ist sie ohne Leibschmerzen aufgewacht und hat ganz normal gefrühstückt. Danach mußte sie sich allerdings mehrmals übergeben«, sagte Christina Holland. »Ich dachte, sie hätte nur einen verdorbenen Magen und habe ihr geraten, sich wieder ins Bett zu legen.« Sie machte ein schuldbewußtes Gesicht. »Mein Mann und ich sind in die Stadt gefahren. Als wir zurückkamen…« Sie seufzte auf.
Dr. Baumann tastete erneut Julias Leib ab, dann deckte er sie zu. Mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine fortgeschrittene Blinddarmentzündung«, sagte er. »Ihre Tochter muß unverzüglich ins Krankenhaus.«
»Blinddarmentzündung?« Ferdinand Holland sah seine Frau bestürzt an. »Julia ist noch nie im Krankenhaus gewesen.«
»Leider ist es notwendig«, erklärte der Arzt. Er ging in den Wohnraum der Suite, um von dort das Krankenhaus anzurufen.
»Wird meine Tochter noch heute operiert?« erkundigte sich Herr Holland, als der Arzt zurückkehrte.
»Vermutlich«, antwortete Eric. Er wandte sich an Julias Mutter: »Bitte packen Sie ein paar Sachen für Ihre Tochter zusammen. Der Krankenwagen wird in wenigen Minuten hier sein.«
Julia schlug die Augen auf. Sie glänzten vor Fieber. »Ich habe Angst«, flüsterte sie. »Ich will nicht operiert werden.«
»Es wird notwendig sein.« Der Arzt setzte sich zu ihr aufs Bett. »Du mußt keine Angst haben. Du wirst eine Vollnarkose bekommen und wenn du aufwachst, geht es dir schon wieder besser.«
»Versprochen?«
»Versprochen«, versicherte er und drückte ihre Hand.
Nachdem der Krankenwagen