Entscheidung auf dem Sommernachtsball: Der kleine Fürst 205 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Er hat sich mir als ›Peter von Stein‹ vorgestellt«, sagte Emilia von Hohenbrunn, als sie Kriminalrat Volkmar Overbeck und seinem Assistenten Arndt Stöver gegenüber saß. Sie war noch immer außer sich. »Mein Sohn kannte ihn allerdings unter dem Namen ›Jonathan von Heeren‹. Wir haben uns sehr nett unterhalten, eine ganze Weile. Dann musste ich aussteigen, er hat mir noch mit dem Gepäck geholfen. Und erst zu Hause habe ich gemerkt, dass meine Brieftasche fehlte.»Wieso haben Sie nicht sofort Anzeige erstattet, Frau von Hohenbrunn?«, fragte der Kriminalrat. Seine Stimme klang freundlich, aber der Vorwurf darin entging ihr nicht.Sie biss sich auf die Lippen. Volkmar Overbeck war etwa Mitte Fünfzig, also zwanzig Jahre jünger als sie, sein Assistent hätte leicht ihr Enkel sein können. Sollte sie diesen beiden Männern den wahren Grund nennen, warum sie auf eine Anzeige verzichtet hatte? Konnten sie das überhaupt verstehen?»Frau von Hohenstein?Sie hatte sich wohl zu viel Zeit gelassen. »Weil ich Angst hatte, dass man mich für alt und vertrottelt hält«, sagte sie fast trotzig. »Sehen Sie, ich bin angeschlagen im Augenblick, Sie wissen ja, dass ich gesundheitliche Probleme habe.Beide Männer nickten, sie musste also nicht weiter ins Detail gehen. »Plötzlich habe ich Gedanken, die mir früher nie gekommen sind: Wie lange kann ich noch allein leben? Was ist, wenn ich nicht mehr für mich selbst sorgen kann?
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Entscheidung auf dem Sommernachtsball - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 205–
Entscheidung auf dem Sommernachtsball
Fürst Christian, du bist ein Held!
Viola Maybach
»Er hat sich mir als ›Peter von Stein‹ vorgestellt«, sagte Emilia von Hohenbrunn, als sie Kriminalrat Volkmar Overbeck und seinem Assistenten Arndt Stöver gegenüber saß. Sie war noch immer außer sich. »Mein Sohn kannte ihn allerdings unter dem Namen ›Jonathan von Heeren‹. Wir haben uns sehr nett unterhalten, eine ganze Weile. Dann musste ich aussteigen, er hat mir noch mit dem Gepäck geholfen. Und erst zu Hause habe ich gemerkt, dass meine Brieftasche fehlte.«
»Wieso haben Sie nicht sofort Anzeige erstattet, Frau von Hohenbrunn?«, fragte der Kriminalrat. Seine Stimme klang freundlich, aber der Vorwurf darin entging ihr nicht.
Sie biss sich auf die Lippen. Volkmar Overbeck war etwa Mitte Fünfzig, also zwanzig Jahre jünger als sie, sein Assistent hätte leicht ihr Enkel sein können. Sollte sie diesen beiden Männern den wahren Grund nennen, warum sie auf eine Anzeige verzichtet hatte? Konnten sie das überhaupt verstehen?«
»Frau von Hohenstein?«
Sie hatte sich wohl zu viel Zeit gelassen. »Weil ich Angst hatte, dass man mich für alt und vertrottelt hält«, sagte sie fast trotzig. »Sehen Sie, ich bin angeschlagen im Augenblick, Sie wissen ja, dass ich gesundheitliche Probleme habe.«
Beide Männer nickten, sie musste also nicht weiter ins Detail gehen. »Plötzlich habe ich Gedanken, die mir früher nie gekommen sind: Wie lange kann ich noch allein leben? Was ist, wenn ich nicht mehr für mich selbst sorgen kann? Solche Dinge eben. Im Zug war ich ein wenig melancholisch, aber dann kam dieser charmante junge Mann und hat mich abgelenkt mit seinen interessanten Ansichten und seiner offenen, sympathischen Art. Als ich festgestellt habe, dass er mich bestohlen hat, dass er also seinen Charme nur ausgepackt hatte, um mich einzulullen, bin ich in ein tiefes Loch gefallen, das dürfen Sie mir glauben. Im Zug hatte ich mich noch gefragt, warum heutzutage ständig auf die jungen Leute geschimpft wird, wo mir doch gerade so ein besonders gelungenes Exemplar gegenübersaß. Und dann muss ich feststellen, dass ich auf eine ziemlich üble Art und Weise hereingelegt worden bin. Was das Schlimmste dabei ist: Ich habe es nicht bemerkt, ja, ich bin nicht einmal auf den Gedanken gekommen, er könnte finstere Absichten haben.«
Sie lachte, es klang bitter. »Ich war davon überzeugt, dass er sich wirklich für das interessiert, was ich zu sagen habe. Meine Enttäuschung war grenzenlos, mein Zorn auf mich selbst auch. Ich KONNTE nicht zur Polizei gehen und mich gewissermaßen selbst anzeigen, wegen besonderer Dummheit und Naivität. Außerdem wollte ich auf keinen Fall, dass meine Familie erfährt, was mir passiert war.« Sie zuckte mit den Schultern. »Jetzt wissen sie es sowieso, also kommt es auch nicht mehr darauf an.«
Zum ersten Mal ergriff Arndt Stöver das Wort. »Wieso sind Sie so sicher, dass Herr von Heeren der Dieb ist?«
Sie sah ihn erstaunt an. »Wer sollte es denn sonst sein? Ich habe nur mit ihm Kontakt gehabt, abgesehen von einer Zugbegleiterin, die gleich zu Beginn meine Fahrkarte sehen wollte. Wir waren allein im Abteil, und sonst habe ich mit niemandem gesprochen.«
»Auch nicht beim Ein- oder Aussteigen? Sie hatten doch sicher eine Menge Gepäck.«
»So viel war es auch wieder nicht, und diese modernen Koffer mit den Rollen muss man ja nicht mehr tragen. Und, wie gesagt, Herr von Stein … oder Herr von Heeren hat mir geholfen, als ich ausgestiegen …« Sie stockte abrupt.
Die beiden Männer warteten geduldig. Sie wussten ja mehr als sie, wollten ihr das aber, um die Ermittlungen nicht zu gefährden, noch nicht sagen. Jonathan von Heeren war ihr Kollege. Auf der Jagd nach dem gerissenen Dieb, der seit Monaten Menschen in Zügen der Deutschen Bahn und dort ausschließlich in der ersten Klasse bestahl, hatte er in letzter Zeit viele Zugreisen unternommen.
»Ja?«, fragte der Kriminalrat, als Emilia von Hohenbrunn auch nach einer guten Minute noch keine Anstalten machte weiterzureden.
»Die Fahrkarten wurden noch einmal kontrolliert, als ich das Abteil gerade verlassen wollte«, sagte sie langsam. »Meine hatten sie ja schon gesehen, also habe ich mich von dem jungen Mann verabschiedet und mich in die Warteschlange vor der Tür eingereiht, die ziemlich lang war. Beim Aussteigen hat mir tatsächlich jemand geholfen, den Koffer auf den Bahnsteig zu heben. Das hatte ich ganz vergessen.«
»Ein Mann?«
»Ja, ein junger, ich habe ihn mir aber nicht näher angesehen, er hatte jedenfalls nichts Auffälliges an sich.« Sie sah forschend von einem zum anderen. »Sie wollen doch jetzt nicht etwa andeuten, dass Sie Herrn von Stein, oder wie immer er heißt, für unschuldig halten und stattdessen glauben …«
»Wir wollen erst einmal gar nichts andeuten, Frau von Hohenstein«, erwiderte der Kriminalrat ruhig. »Wir wollen nur wissen, wieso Sie so sicher sind, dass Ihr Mitreisender Sie bestohlen hat. Um weiterzukommen, müssen wir jegliche Möglichkeit, dass es sich auch anders verhalten könnte, ausschließen.«
»Und den falschen Namen, den er entweder mir oder der Familie meines Sohnes angegeben hat, vergessen Sie einfach?«, rief sie aufgebracht. »Ich will Ihnen mal etwas sagen: Er hat behauptet, dass er Bankkaufmann ist, aber das stimmt offenbar auch nicht. Der ganze Mann ist falsch, wenn Sie mich fragen.«
Auch dazu hätten Volkmar Overbeck und Arndt Stöver eine Menge sagen können, doch auch das taten sie nicht. Noch war nicht die Zeit für Enthüllungen, denn noch hatten sie den Trickdieb nicht geschnappt.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte der Kriminalrat. »Es wäre natürlich sehr hilfreich gewesen, wir hätten all das früher gewusst, aber ich verstehe Ihre Beweggründe, von einer Anzeige abzusehen.«
»Tatsächlich?«, fragte Emilia. »Dann sind Sie bemerkenswert einfühlsam. Meine Familie versteht sie überhaupt nicht, vor allem mein Sohn macht mir Vorwürfe dass ich mich nicht sofort an die Polizei gewandt habe.« Sie schüttelte den Kopf. »Es war ja auch dumm, ohne Frage.«
»Beim nächsten Mal machen Sie es besser«, sagte Arndt lächelnd.
»Beim nächsten Mal?«, rief sie in gespieltem Entsetzen. Endlich gewann ihr Humor wieder die Oberhand. »Ich habe nicht die Absicht, mich ein zweites Mal bestehlen zu lassen, Herr Stöver.«
»So war es auch nicht gemeint«, versicherte er. »Ich wollte nur sagen: Im Zweifelsfall holen Sie sich in Zukunft Rat und Hilfe bei Fachleuten, wobei auch immer. Wenn Sie bitte noch hier unterschreiben würden? Es ist das Protokoll Ihrer Aussage.«
Sie unterschrieb. Danach erhob sie sich, reichte beiden Männern die Hand und ging hoch erhobenen Hauptes hinaus.
»Beeindruckende Frau«, sagte Arndt Stöver.
»Ja«, seufzte der Kriminalrat. »Ich kenne sie ja schon länger. Dass sie bei dieser Geiselnahme angeschossen und danach auch noch Brustkrebs bei ihr festgestellt wurde, hat ihr Leben offenbar stark durcheinander gebracht.«
»Das wäre ja wohl jedem so gegangen. Ich finde, sie hält sich ziemlich gut, wenn man bedenkt, was sie mitgemacht hat.«
Es klopfte. »Kommen Sie herein, Jonathan!«, rief