Kopf hoch, Ilona!: Karin Bucha Classic 58 – Liebesroman
Von Karin Bucha
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Über dieses E-Book
Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht.
»Es ist unerhört!« eiferte sich ein kleiner dicker Mann. »Diebstahl an Bord!« Die Passagiere des Luxusdampfers standen in Gruppen zusammen und besprachen das unerhörte Vorkommnis. Ein Diebstahl – um Himmels willen! Es waren durchweg vornehme, zumindest begüterte und elegant gekleidete Menschen – und weit entfernt davon, die eigene Person mit dem überaus peinlichen Zwischenfall in Verbindung zu bringen. Ihre Wohlhabenheit umgab sie wie eine Schutzmauer gegen jeden Verdacht. Immer erregter wurden ihre Reden, tolle Vermutungen tauchten auf. Manche wußten plötzlich Einzelheiten – woher? Wie hieß die Täterin: Ilona Waagen? Das kleine hübsche Mädel? Nein, so was! Stenotypistin war sie? Kaum glaublich! Wie kam eine einfache Stenotypistin auf diesen Luxusdampfer? »Ich habe es gleich gesagt!« behauptete die reichlich angejahrte Gattin des dicken Mannes, der eben gesprochen hatte. »Die Person ist mir gleich verdächtig vorgekommen! Ich…« Sie stockte plötzlich.
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Kopf hoch, Ilona! - Karin Bucha
Karin Bucha Classic
– 58 –
Kopf hoch, Ilona!
Karin Bucha
»Es ist unerhört!« eiferte sich ein kleiner dicker Mann. »Diebstahl an Bord!«
Die Passagiere des Luxusdampfers standen in Gruppen zusammen und besprachen das unerhörte Vorkommnis.
Ein Diebstahl – um Himmels willen! Es waren durchweg vornehme, zumindest begüterte und elegant gekleidete Menschen – und weit entfernt davon, die eigene Person mit dem überaus peinlichen Zwischenfall in Verbindung zu bringen. Ihre Wohlhabenheit umgab sie wie eine Schutzmauer gegen jeden Verdacht.
Immer erregter wurden ihre Reden, tolle Vermutungen tauchten auf. Manche wußten plötzlich Einzelheiten – woher?
Wie hieß die Täterin: Ilona Waagen? Das kleine hübsche Mädel? Nein, so was! Stenotypistin war sie? Kaum glaublich! Wie kam eine einfache Stenotypistin auf diesen Luxusdampfer?
»Ich habe es gleich gesagt!« behauptete die reichlich angejahrte Gattin des dicken Mannes, der eben gesprochen hatte. »Die Person ist mir gleich verdächtig vorgekommen! Ich…«
Sie stockte plötzlich. Auch die anderen brachen ihre Gespräche ab.
Am Ende des Ganges war eine zierliche Mädchengestalt aufgetaucht.
Freundlich grüßend schritt sie durch die Gasse, die sich gebildet hatte.
Ilona Waagen sah nicht die verlegenen und auch feindseligen Gesichter. Mit kleinen festen Schritten näherte sie sich der Kapitänskajüte.
»Guten Morgen!« grüßte sie freundlich die vier Menschen, die nahe an der Tür standen und sich nach flüchtigem Gegengruß abwandten.
Ilona stutzte verwundert. Was hatten die Leute? Ach was, sie hatte sich geirrt, der kühle Gruß war ihr wohl nur so erschienen.
Ilona drückte die Türklinke zur Kajüte des Kapitäns herunter
Was mochte Kapitän Peters von ihr wollen? Er hatte sie rufen lassen.
»Guten Morgen!«
Erstaunt blickte sie auf drei Männer, die ein eifriges Gespräch unvermittelt abbrachen.
Sie hatten von ihr gesprochen, fühlte Ilona.
Etwas beklommen stand sie auf der Schwelle. Ein Sonnenstrahl der sich durch das kleine Bullauge in die Kabine verirrte, verfing sich in ihrem üppigen dunklen Haar und ließ goldene Lichter darauf tanzen. Viel zu schwer die dunkle Pracht für den schmalen Kopf, der so stolz und frei auf dem schlanken Hals saß.
Irgendwie hatte ihr Anblick den Männern die Sprache verschlagen, wie ein Bann lag es auf ihnen.
Ilona fühlte plötzlich ihr Herz in wildem Schlag bis in die Kehle klopfen.
Was wollten die Männer von ihr? Warum hatte man sie hergerufen?
Ihre Augen wanderten reihum. Da war Kapitän Peters. Er blickte vor sich nieder, als ihr Blick ihn traf.
Da war weiter Dr. Volkmar, ein Passagier der ersten Klasse. Sein Gesicht schien strenger als sonst.
Und dann war da noch ein spindeldürres Männchen, das den lieben langen Tag immer auf den Beinen war. Ilona hatte sich erzählen lassen, daß es der Schiffsdetektiv sei.
Ein Schreck durchzuckte sie zum Herzen.
Was hatte er hier zu suchen? Galt das ihr?
Sie mußte lächeln bei dem Gedanken, und fand ihre Sicherheit zurück.
»Sie haben mich rufen lassen?« wandte sie sich an den Kapitän.
Peters gab nicht sofort Antwort, sondern brummte nur etwas vor sich hin.
Dr. Volkmar, der in einem der schweren Polsterstühle gesessen hatte, stand umständlich auf.
Es war Unsinn, überlegte er, dieses Mädchen mit einem Diebstahl in Verbindung zu bringen.
Es war ihm förmlich peinlich, der Vernehmung beiwohnen zu müssen. Er war überzeugt, daß sie mit einer Niederlage des Detektivs enden würde.
Ilona fühlte wieder die beklemmende Angst. Sie stand jetzt schon über eine Minute im Zimmer, und keiner sprach.
Wozu hatte man sie hergerufen?
Auch Kapitän Peters fand, daß man in eine ganz verrückte Lage geraten war.
Er setzte zum Sprechen an.
Aber der Schiffsdetektiv kam ihm zuvor. Sehr scharf klang seine Stimme, als er Ilona aufforderte, Platz zu nehmen.
Das Mädchen rührte sich nicht, die Glieder waren ihm wie gelähmt. Peters drückte sie rücksichtsvoll in einen Sessel.
»Es wird Ihnen nicht unbekannt sein«, begann der Detektiv, »daß sich ein bedauerlicher – ehem – Zwischenfall auf diesem Schiff ereignet hat –«
»Ich verstehe nicht – was habe ich damit zu tun?«
Der kleine Mann blickte sie mit einem feindseligen Blick an, der ihr glühende Röte ins Gesicht jagte.
Dann richtete er sich straff auf. Die Verwirrung des Mädchens bestärkte ihn in seinem Verdacht.
»Sollte Ihnen der Diebstahl, der gestern begangen wurde, wirklich unbekannt sein –?« fragte er gedehnt.
»Diebstahl –?« fragte Ilona. Sie verstand nicht sofort.
Aber dann flackerte plötzlich die Angst in ihren großen Augen auf.
Sie hatte begriffen, daß man sie irgendwie mit einem gemeinen Diebstahl in Verbindung bringen wollte.
»Was wollen Sie von mir?«
Sie schrie mehr als sie sprach.
»So reden Sie doch endlich! Was wollen Sie von mir?« Sie zitterte am ganzen Leib vor Erregung.
»Was wollen Sie von mir –? Bitte sagen Sie, was ich hier soll?«
Ihre Stimme war jetzt ganz tonlos, das Herz zuckte in wahnsinniger Angst mit jedem Schlag bis in die Kehle.
Der kleine Detektiv zögerte mit der Antwort. Er verschleppte das Verhör absichtlich. Er hatte seine Methode für solche Vernehmungen. Die Verschleppung zerrte an den Nerven der Vernommenen, machte sie mürbe und eher zu einem Geständnis bereit.
»Was wollen Sie –?« fragte Ilona flüsternd, aber es klang wie ein Schrei.
Peters konnte die absichtliche Quälerei nicht mehr mit ansehen und wollte einschreiten.
Die scharfe Stimme des Detektivs unterbrach ihn sofort: »Mitleid ist hier durchaus nicht am Platze! Bitte, lassen Sie mich die Unterredung weiterführen, Herr Kapitän!«
Einen Augenblick lang schien es, als wolle der Kapitän aufbrausen und dem Detektiv in seiner derben Art über den Mund fahren. Aber dann besann er sich und zuckte nur die Achsel.
Schließlich hatte der Mann recht, der Diebstahl war seine Angelegenheit. In die Aufklärungsarbeit eines an Bord des Schiffes begangenen Verbrechens hatte ihm auch kein Kapitän etwas dreinzureden. Seine Arbeit konnte er erledigen, auf welche Methode er wollte. Hauptsache war, daß sie zum Ziel führte, zur Überführung des Übeltäters.
Widerwillig brummend fügte sich der Kapitän und schwieg.
»Nur einige Fragen sollen Sie uns beantworten, Fräulein Waagen«, erklärte der kleine Mann. »Was sind Sie von Beruf?«
Ilona mußte ihre ganze Kraft zusammennehmen. Eisig und ablehnend antwortete sie: »Meine Personalien sind aus der Schiffsliste ersichtlich. Überhaupt, wollen Sie mir nicht endlich sagen, was Sie mit diesem – Verhör bezwecken?«
»Wir sind auf der Suche nach dem Dieb, der in der letzten Nacht eine – immerhin recht bedeutende – Summe Bargeld aus der Kabine des Herrn Dr. Volkmar entwendet hat!« sagte der Detektiv schonungslos.
»Und da vernehmen Sie ausgerechnet mich?«
Ilonas Stimme starb ab zu einem tonlosen Flüstern. Um Hilfe bittend, blickte sie auf den Kapitän und Dr. Volkmar. Peters wich ihrem Blick in offensichtlicher Verlegenheit aus. Volkmar starrte angestrengt durch das Bullauge.
Nein, keiner von den Männern war gewillt, ihr zu helfen. Sie stand dem Detektiv ganz allein gegenüber. Wahrscheinlich waren sie alle von ihrer Schuld überzeugt. Niemand glaubte ihr!
Ilonas Arme fielen am Körper herab. Der dunkle Lockenkopf senkte sich tief.
In ihrer Mutlosigkeit bot sie tatsächlich fast ein Bild der Schuld.
Der Detektiv räusperte sich ungeduldig.
»Wenn Sie meine Fragen nicht beantworten wollen, werde ich Ihnen eben sagen, was ich weiß. Ich habe mich nach Ihren Personalien erkundigt und bin da auf einige Dinge gestoßen, die wirklich etwas ungewöhnlich sind für einen Passagier dieses Luxusschiffes. Also: Sie sind achtzehn Jahre alt. Stenotypistin und mit einer Freikarte an Bord gekommen. Sie leben in ziemlich – ärmlichen Verhältnissen und sorgen dabei gleichzeitig noch für Ihre Mutter –«
Ilona schaute gequält auf.
Die leidenschaftslose Stimme des Detektivs klang wie eine Anschuldigung.
»Mutter – liebe, liebe Mutter!« flüsterte sie verzweifelt. »Warum kannst du nicht bei mir sein!«
»Halten Sie bitte die Vernehmung nicht unnötig auf!« unterbrach sie der Detektiv scharf. »Antworten Sie lieber auf meine Fragen. Wie sind Sie in Besitz der Freikarte gekommen?«
Ilona hörte nichts mehr. Schluchzend barg sie den Kopf in den Händen. Der Mann – und alle hier in der Kabine hielten sie für schuldig! Würden sie sonst schweigen?
»Ich warte immer noch auf die Beantwortung meiner Frage, Fräulein Waagen!« drängte die erbarmungslose Stimme des Detektivs.
Langsam hob Ilona das tränenüberströmte Gesicht.
»Ich habe keinen Diebstahl begangen!« beteuerte sie leidenschaftlich. »Wenn ich auch in ärmlichen Verhältnissen lebe – das Eigentum fremder Menschen ist mir immer heilig gewesen.« Ihr tränennasses Gesicht glühte vor Erregung. »Meine Arbeit gibt Ihnen nicht das geringste Recht, mich als Diebin zu beschuldigen! Beweise für Ihre Behauptung haben Sie nicht! Können Sie gar nicht haben, denn ich habe ja nichts getan!« Ihre Stimme sank unvermittelt zu einem flehenden Flüstern, sie war ganz erschöpft. »Bitte, glauben Sie mir doch! Ich bin keine Diebin!«
Der Detektiv hatte einen höhnischen Zug um den Mund.
»Sie scheinen ja recht sicher zu sein, Fräulein Waagen«, sagte er mit gedehnter Ironie. »Aber ich werde das nötige Beweismaterial schon zusammentragen! Wir sind noch vier Tage unterwegs bis Hamburg. Die Zeit genügt mir, Fräulein Waagen! Darauf können Sie sich ver…«
»Halt!« donnerte gebieterisch Dr. Volkmar dazwischen.
Voller Überzeugung hatte der Detektiv ihm Ilona Waagen als einzige in Frage kommende Täterin geschildert. Als er das Mädchen dann vor sich sah, sah er das Unsinnige dieses Verdachtes sofort ein. Das unmögliche Vorgehen des Detektivs konnte er nicht mehr mit anhören.
»Ich bitte, diese unwürdige Unterredung sofort abzubrechen! Unter diesen Umständen verzichte ich auf die Aufklärung des Diebstahls!« Er wandte sich zu dem kleinen Mann: »Ihre Menschenkenntnis, Herr Detektiv, hat Sie diesmal ganz gehörig im Stich gelassen: Fräulein Waagen ist keine Diebin!«
Zwei von Tränen verdunkelte Augen strahlten in überströmender Dankbarkeit zu ihm auf.
»Ich danke Ihnen – daß Sie mir glauben! Ich versichere Ihnen beim Leben meiner Mutter, ich habe nichts gestohlen!«
Der Glanz in den tränennassen Augen erlosch plötzlich. Ilona ließ den Kopf sinken.
»Durch Ihre Güte«, sagte sie leise, »haben Sie meiner Mutter das Leben gerettet. – Sie hätte es nicht überlebt, wenn ich als Diebin verhaftet worden wäre.«
Ihre Beine versagten plötzlich den Dienst. Mit einem leisen Wehlaut sank sie langsam zusammen.
Kapitän Peters hatte diesen Zusammenbruch kommen sehen. Rasch zog er sie in einen Stuhl. Sie spürte kaum, wie er ihr väterlich über die Locken strich.
»Ich bin keine Diebin!« flüsterte Ilona.
»Beruhigen Sie sich, Fräulein Waagen – es ist alles wieder gut. Wir wissen ja, daß Sie den Diebstahl nicht begangen haben, es war ein Irrtum«, sagte Dr. Volkmar mit merkwürdig eindringlicher Stimme.
Er hätte gern seine Hand auf den dunklen Lockenkopf gelegt. Aber irgend etwas hielt ihn zurück.
Allmählich fand Ilona die Fassung zurück. Sie versuchte, sich zu erheben. Einen Augenblick stand sie schwankend vor dem Sessel, aber dann hatte sie die Schwäche niedergezwungen und ging wortlos zur Tür.
Volkmar stand mit einigen schnellen Schritten neben ihr.
»Gestatten Sie, gnädiges Fräulein, daß ich Sie begleite?«
In den dunklen Augen, die eben noch in tiefer Dankbarkeit zu ihm aufgeleuchtet hatten, zuckte es jetzt feindlich auf: »Sie brauchen sich nicht zu bemühen, Herr Doktor – ich finde meinen Weg