Seinem Schicksal überlassen: Sophienlust 189 – Familienroman
Von Marisa Frank
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Andrea von Lehn setzte sich schlaftrunken in ihrem Bett auf. Ein Geräusch hatte sie geweckt. Sie dehnte sich und gähnte herzhaft. Da war es wieder, das kratzende, splitternde Geräusch. Es schien vom Eingang zu kommen.
Andrea horchte in die Dunkelheit hinein. Sie versuchte das Gesicht ihres Mannes zu erkennen, aber sie sah nur einen schattenhaften Umriss auf dem weißen Kissen. Vorsichtig setzte sie ihre Füße auf den Boden. Sie wollte Hans-Joachim nicht wecken, hinter ihm lag ein anstrengender Tag. Die Tierarztpraxis hatte heute einen besonders regen Zuspruch gehabt. Selbst das Mittagessen hatte er nur hinunterschlingen können, von einem gemütlichen Kaffee am Nachmittag war keine Rede gewesen. Andrea seufzte. Oft war es nicht leicht, die Frau eines guten Tierarztes zu sein. Sie fand, dass Hans-Joachim in letzter Zeit eigentlich wenig Zeit für sie und Peterle hatte. Selbst am Sonntag war er zu einem entfernten Bauernhof gerufen worden.
Ihre Gedanken wurden plötzlich unterbrochen. Ein Klirren klang durch die Stille. Andrea hielt den Atem an, dann wurde ihr klar, dass jemand an der Eingangstür sein musste. Ein Einbrecher? Ihr Herz krampfte sich zusammen. Peterle. Er schlief allein im Kinderzimmer.
»Hans-Joachim.« Sacht strich sie ihrem Mann über das Haar. Im Schlaf lächelte er und drehte sich auf die andere Seite. »Liebling!« Andrea beugte sich über ihn. Als er noch immer nicht reagierte, rüttelte sie ihn an den Schultern. »Wach auf, bitte!«
Jetzt richtete sich Hans-Joachim auf. »Was ist los?« Weitere Fragen unterbrach Munkos wütendes Bellen.
»Siehst du«, flüsterte Andrea, »irgendetwas ist nicht in Ordnung. Hör nur, wie wild Munko
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Sophienlust (ab 351)
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Buchvorschau
Seinem Schicksal überlassen - Marisa Frank
Sophienlust
– 189 –
Seinem Schicksal überlassen
Mutter und Vater – nur noch ein Traum für Stefan?
Marisa Frank
Andrea von Lehn setzte sich schlaftrunken in ihrem Bett auf. Ein Geräusch hatte sie geweckt. Sie dehnte sich und gähnte herzhaft. Da war es wieder, das kratzende, splitternde Geräusch. Es schien vom Eingang zu kommen.
Andrea horchte in die Dunkelheit hinein. Sie versuchte das Gesicht ihres Mannes zu erkennen, aber sie sah nur einen schattenhaften Umriss auf dem weißen Kissen. Vorsichtig setzte sie ihre Füße auf den Boden. Sie wollte Hans-Joachim nicht wecken, hinter ihm lag ein anstrengender Tag. Die Tierarztpraxis hatte heute einen besonders regen Zuspruch gehabt. Selbst das Mittagessen hatte er nur hinunterschlingen können, von einem gemütlichen Kaffee am Nachmittag war keine Rede gewesen. Andrea seufzte. Oft war es nicht leicht, die Frau eines guten Tierarztes zu sein. Sie fand, dass Hans-Joachim in letzter Zeit eigentlich wenig Zeit für sie und Peterle hatte. Selbst am Sonntag war er zu einem entfernten Bauernhof gerufen worden.
Ihre Gedanken wurden plötzlich unterbrochen. Ein Klirren klang durch die Stille. Andrea hielt den Atem an, dann wurde ihr klar, dass jemand an der Eingangstür sein musste. Ein Einbrecher? Ihr Herz krampfte sich zusammen. Peterle. Er schlief allein im Kinderzimmer.
»Hans-Joachim.« Sacht strich sie ihrem Mann über das Haar. Im Schlaf lächelte er und drehte sich auf die andere Seite. »Liebling!« Andrea beugte sich über ihn. Als er noch immer nicht reagierte, rüttelte sie ihn an den Schultern. »Wach auf, bitte!«
Jetzt richtete sich Hans-Joachim auf. »Was ist los?« Weitere Fragen unterbrach Munkos wütendes Bellen.
»Siehst du«, flüsterte Andrea, »irgendetwas ist nicht in Ordnung. Hör nur, wie wild Munko sich aufführt.«
Hans-Joachim war jetzt ganz wach, zustimmend nickte er. Seine Frau hatte recht. Der ehemalige Polizeihund benahm sich wirklich merkwürdig.
»Glaubst du, dass jemand im Haus ist?«, flüsterte Andrea und war froh, als Hans-Joachim beschützend den Arm um ihre Schultern legte.
»Du kennst doch unseren Munko.« Unwillkürlich flüsterte auch er. »Nie hätte er einem Fremden den Zutritt gestattet. Du weißt doch, welch vortreffliche Dienste der Schäferhund der Polizei geleistet hat. Wenn er jetzt auch im Ruhestand ist, so hat er seine Ausbildung sicher nicht vergessen.«
Er unterbrach sich und lauschte. Munkos Bellen entfernte sich. »Ich gehe nachsehen.« Entschlossen sprang der junge Tierarzt aus dem Bett.
Während er in eine Hose stieg, bellte vor dem Fenster dreimal kurz ein anderer Hund.
»Das ist Waldi. Wahrscheinlich will er uns melden, dass alles in Ordnung ist. Als Chef des Tierheims fühlt er sich dazu berechtigt.« Er lächelte seiner Frau zu, er wollte ihr die Angst nehmen.
Andrea, die durch das Fenster geblickt hatte, wandte sich um. »Ich kann nichts erkennen. Der Mond hat sich gerade hinter einer Wolke versteckt.«
»Ich nehme eine Taschenlampe mit. Bald werden wir wissen, was Munko so auf die Palme gebracht hat.«
»Sei vorsichtig«, mahnte Andrea. »Ich bin sicher nicht durch Munko, sondern durch ein Geräusch aufgewacht.«
»Keine Angst, Waldi und Munko haben den Einbrecher sicher bereits gefasst«, scherzte Hans-Joachim. Unbekümmert betätigte er den Lichtschalter. Andrea saß am Ende des Bettes, und er fand, dass sie mit ihrem zerzausten Haar besonders reizvoll aussah. Schnell war er bei ihr und küsste sie auf den Mund.
»Du bist unmöglich«, tadelte sie, aber sie lächelte glücklich. Sie führten eine sehr harmonische Ehe.
Andrea versetzte ihrem Mann spielerisch einen zärtlichen Nasenstüber, dann bat sie: »Sieh doch nach, ob alles in Ordnung ist. Ich sehe inzwischen nach Peterle.«
»Ich komme gleich zurück«, versprach Hans-Joachim und ging hinaus.
Im Kinderzimmer war alles in Ordnung. Liebevoll sah Andrea auf ihren einjährigen Sohn. Sein blondes Lockenköpfchen war in Kissen vergraben. Seine rechte Hand hielt einen Stoffhund fest. Es war Peterles Lieblingsstofftier. Hinter seinem Gitterbett stand ein Regal mit vielen Stofftieren, den kleinen Hund hatte er aber besonders ins Herz geschlossen. Er war nicht dazu zu bewegen, ohne ihn ins Bett zu gehen. Bittere Tränen hatte es schon gegeben, wenn der Hund nicht aufzufinden war.
Zärtlich schob Andrea die Decke höher, dann verließ sie auf Zehenspitzen das Zimmer. Im Schlafrock, den sie sich schnell übergeworfen hatte, trat sie an die Haustür. Dort stand Hans-Joachim mit nachdenklich gerunzelter Stirn.
»Hast du die Einbrecher schon gefasst …« Der Scherz erstarb auf ihren Lippen. Sie war Hans-Joachims Blick gefolgt, und im Schein der Flurbeleuchtung sah sie das zerkratzte Türschloss.
»Alles in Ordnung, Liebling.« Der Tierarzt wandte sich ihr zu. »Es war nur ein Versuch. Ins Haus eingedrungen ist niemand.«
Andrea wurde blass. Auch sie hatte nicht im Ernst daran gedacht, dass sie vielleicht in Gefahr gewesen waren. »Du meinst, es hat wirklich jemand bei uns einsteigen wollen?«
»Es sieht so aus, aber Munko scheint ihn vertrieben zu haben«, sagte Hans-Joachim. »Auf jeden Fall war es ein Anfänger. Auch ohne Munko wäre es ihm kaum gelungen, einzudringen.«
Freudig bellend kam Waldi, der braune Kurzhaardackel, aus der Dunkelheit herangesprungen. Schwanzwedelnd blieb er vor dem Ehepaar stehen. Hans-Joachim beugte sich zu ihm hinunter und kraulte ihm das Fell.
»Nun erzähl schon, was du auf dem Herzen hast.«
»Wau, wau«, antwortete Waldi, sprang auf seinen kurzen Beinen aus dem Lichtkreis, um bellend stehen zu bleiben. Als Hans-Joachim ihm nicht folgte, kam er zurück.
»Er scheint etwas entdeckt zu haben«, meinte der Tierarzt.
»Moment, ich schalte die Hofbeleuchtung ein«, sagte Andrea. Sekunden später lag der Hof im Schein einiger Laternen. Selbst der langgestreckte Flachbau des Tierheims lag nicht mehr im Dunkeln.
Waldi bellte erneut kurz, aber energisch. Entfernt ertönte Munkos Antwort. »Ich sehe einmal nach«, sagte Hans-Joachim entschlossen, und ehe Andrea es verhindern konnte, ging er über den Hof, begleitet von Waldi.
Munko hatte anscheinend beim Zaun auf ihn gewartet. Andrea sah, wie der ehemalige Polizeihund ihrem Mann entgegengesprungen kam. Sie zögerte. Sollte sie ihm nachgehen oder hier im Haus bleiben? Da hörte sie Hans-Joachims erstaunten Ausruf.
»Andrea, sieh mal!« Neugierig trat sie in den Hof. Kinderweinen klang an ihr Ohr. Sie blieb stehen, blickte zum Haus zurück. Nein, das Weinen kam nicht von dort. Jetzt konnte sie ihren Mann erkennen. Er bückte sich.
Andrea traute ihren Augen nicht, als sie endlich erkannte, was Hans-Joachim gefunden hatte. Es war ein Kind. Ängstlich presste es sich an den Zaun, dabei weinte es leise vor sich hin.
Voller Mitleid ging Andrea auf die kleine Gestalt zu. Der Mond trat hinter der Wolke hervor, und sie sah, dass das Kind noch keine zwei Jahre alt war.
»Du brauchst keine Angst zu haben.« Andrea holte ein Taschentuch hervor. Sorgfältig tupfte sie dem Kleinen die Tränenspuren aus dem Gesicht. Kurze Zeit ließ er es geschehen, blickte sie nur aus seinen großen dunklen Augen ängstlich an. Dann wandte er sich plötzlich ab und presste sein Gesichtchen gegen den Zaun.
Fragend sah Andrea ihren Mann an.
Hans-Joachim zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihn so gefunden, besser gesagt, Munko hat ihn gefunden.« Waldi bellte, und der Tierarzt meinte: »Na gut. Vielleicht warst auch du es, der ihn gefunden hat.«
Andrea versuchte den Kleinen hochzunehmen, aber mit beiden Fäusten klammerte er sich an eine Zaunlatte. »Mami, Mami!« Er schluchzte herzerweichend.
»Nicht weinen. Du musst nicht weinen.« Sanft sprach Andrea auf den Kleinen ein. »Bald bist du wieder bei deiner Mami.«
»Mami!« Der Junge hörte auf zu schluchzen. »Mami!« Sehnsüchtig streckte er die Ärmchen aus.
»Bald, wir werden deine Mami schon finden.« Andrea fuhr dem Jungen zärtlich über das Köpfchen. Dann versuchte sie ihn erneut auf die Arme zu nehmen, und diesmal wehrte er sich nicht.
»Was willst du mit ihm tun?«, erkundigte sich Hans-Joachim.
»Ihn mit ins Haus nehmen.« Andrea warf ihrem Mann einen vorwurfsvollen Blick zu. »Siehst du nicht, dass er vor Kälte zittert?«
»Wie heißt du denn?«, fragte sie.
»Mami!«, stieß er schluchzend hervor. Mit den zu Fäusten geballten Händen schlug er Andrea auf die Brust. »Mami, nicht, will Mami.«
Andrea hatte alle Mühe, den wie wild um sich schlagenden Kleinen zu halten, und schließlich kam ihr Hans-Joachim zu Hilfe. Er nahm ihr das Kind ab. »Du bist doch ein großer Junge, größer als mein Sohn. Weißt du, ich habe auch einen kleinen Jungen, aber der schläft schon lange. Wenn du lieb bist, dann darfst du morgen mit ihm spielen.«
Sekundenlang hatte das fremde Kind Hans-Joachims Stimme gelauscht, dann fing es zu schreien an. »Mami, Mami!«
Unbeirrt trug Hans-Joachim das schreiende Kind ins Haus. Als sie den Flur betraten, schlug Andrea entsetzt die Hände zusammen. »Der ist aber schmutzig.«
Ihr Mann sah dem Kleinen ebenfalls ins Gesicht, er konnte seiner Frau nur recht geben. Aber nicht nur das Gesicht, auch das T-Shirt und die kurze Hose starrten vor Schmutz.
»Am besten stecke ich ihn in die Badewanne«, sagte Andrea fürsorglich.
»Ich werde die Polizei verständigen«, meinte Hans-Joachim.
»Die Polizei!« Andrea fiel erst jetzt wieder ein, wie ungewöhnlich dieser Fund mitten in der Nacht war. »Du glaubst, der Junge hat etwas