Wenn wir nur beisammen sind: Sophienlust Extra 105 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Andrea von Lehn half ihrem Mann in der Praxis. Es war ein Montag, und montags kamen immer die meisten Patienten. »Der Nächste, bitte«, sagte Andrea. Eine junge Frau mit einem Schäferhund stand auf. Dr. Hans-Joachim von Lehn sah sofort, was dem Tier fehlte. »Ihr Hund hat Staupe«, sagte er zu der jungen Frau, die sich als Melissa Mertens vorgestellt hatte. »Staupe?« Sie blickte hilflos von Andrea zu deren Mann. »Aber man hat mir versichert, dass der Hund gegen Staupe geimpft sei.« »Wer hat Ihnen das versichert?«, fragte Dr. Hans-Joachim von Lehn. Er hatte bereits begonnen, den Schäferhund zu untersuchen. »Der Händler, von dem ich das Tier gekauft habe.« »Haben Sie einen Impfschein?« Melissa Mertens schüttelte den Kopf. »Nein.«
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Buchvorschau
Wenn wir nur beisammen sind - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 105 –
Wenn wir nur beisammen sind
Unveröffentlichter Roman
Gert Rothberg
Andrea von Lehn half ihrem Mann in der Praxis. Es war ein Montag, und montags kamen immer die meisten Patienten.
»Der Nächste, bitte«, sagte Andrea. Eine junge Frau mit einem Schäferhund stand auf.
Dr. Hans-Joachim von Lehn sah sofort, was dem Tier fehlte. »Ihr Hund hat Staupe«, sagte er zu der jungen Frau, die sich als Melissa Mertens vorgestellt hatte.
»Staupe?« Sie blickte hilflos von Andrea zu deren Mann. »Aber man hat mir versichert, dass der Hund gegen Staupe geimpft sei.«
»Wer hat Ihnen das versichert?«, fragte Dr. Hans-Joachim von Lehn.
Er hatte bereits begonnen, den Schäferhund zu untersuchen.
»Der Händler, von dem ich das Tier gekauft habe.«
»Haben Sie einen Impfschein?«
Melissa Mertens schüttelte den Kopf. »Nein.«
Seufzend richtete sich Hans-Joachim wieder auf. »Dann ist der Hund auch nicht geimpft. Wie gesagt, er hat die Staupe. Ich werde ihn behandeln. Aber es ist sehr fraglich, ob er durchkommt. Schade, es ist ein so schönes Tier.«
Mit einem gequälten Blick schaute der Schäferhund zu Hans-Joachim von Lehn auf. Er ist nicht ganz reinrassig, vermutete der Tierarzt, aber trotzdem ein hübscher Kerl. Schade, vermutlich wird er eingehen.
»Können Sie denn gar nichts tun, Herr Doktor?«, fragte Melissa unglücklich.
»Doch. Aber ich fürchte, es wird nicht viel helfen.«
Hilflos beugte sich Melissa zu dem Hund hinab. »Meine Kinder hängen so an ihm.«
»Wie heißt der Tierhändler, von dem Sie den Hund gekauft haben?« Melissa nannte den Namen.
»Nie gehört.« Hans-Joachim schüttelte verwundert den Kopf, denn er kannte in der näheren und weiteren Umgebung alle Tierhändler.
»Vielleicht ist er neu«, meinte Andrea. Sie erklärte Melissa die Anwendung der Medizin und strich dem leidenden Tier mitfühlend übers Fell.
»Kommen Sie in drei oder vier Tagen wieder«, sagte Hans-Joachim.
Erst als Melissa mit ihrem kranken Hund gegangen war, machte der Tierarzt seiner Entrüstung Luft. »So einem Händler sollte wirklich die Lizenz entzogen werden. Der Hund war einwandfrei nicht geimpft. Dabei ist es Pflicht, jeden Hund gegen Staupe impfen zu lassen.«
»Glaubst du, dass er durchkommt?«, fragte Andrea.
Hans-Joachim schüttelte de Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Wahrscheinlich wird man ihn ein schläfern müssen.«
Andrea dachte an die Kinder de jungen Frau, die angeblich so an de Hund hingen. Doch ihr blieb nick viel Zeit, ihren Gedanken nachzuhängen. Denn schon verlangte Hans Joachim nach dem nächsten Patienten.
Sie arbeiteten durch bis halb zwei. Erst dann war auch das letzte Tier behandelt.
»Gott sei Dank!« Andrea atmete auf. »Ich gehe schnell in die Küche und sehe nach, wie weit Mariann mit dem Essen ist.«
»Gut, ich komme gleich nach.«
Die Praxis des Tierarztes war mit seiner Wohnung verbunden. Andrea stand schon in der Küche neben ihrem Hausmädchen und prüfte den Inhalt zweier Töpfe. »Schmeckt wunderbar. Ist der Tisch schon gedeckt? Mein Mann wird gleich hier sein.«
»Es ist alles bereit«, sagte Marianne. »Und Peterle habe ich schon gefüttert und hingelegt.«
Andrea ging zum Kinderzimmer und öffnete vorsichtig die Tür. Lautlos spähte sie ins Zimmer. Peterle schlief bereits.
Beruhigt schloss Andrea die Tür wieder und ging ins Esszimmer. Hans-Joachim wartete dort schon auf sie. »Können wir?«
»Ja, alles fertig. Marianne bringt sofort das Gulasch.«
Während des Essens kam Hans-Joachim noch einmal auf den kranken Schäferhund zurück.
»Am liebsten würde ich mir diesen gewissenlosen Tierhändler einmal aus der Nähe betrachten.«
»Du hast ohnehin genug am Hals«, sagte Andrea. »Und außerdem kann der Hund ja wieder gesund werden.«
Doch das bezweifelte Hans-Joachim.
*
Der Tierarzt behielt recht. Drei Tage später saß Melissa Mertens schon wieder in seinem Wartezimmer.
Andrea half auch an diesem Vormittag ihrem Mann. Als sie den Schäferhund sah, erschrak sie. Es gelang ihr nicht ganz, das vor Melissa Mertens zu verbergen.
»Du machst ihn doch wieder gesund, Tante Doktor?«, fragte ein kleines Mädchen besorgt.
»Das ist meine Tochter Nicole«, sagte Melissa.
»Können wir hinausgehen, Mutti?«, fragte ein kleiner Bub. Er stand bereits an der Tür. Seine Ähnlichkeit mit Nicole war nicht zu übersehen.
»Sind die beiden Geschwister?«, fragte Andrea.
Melissa bestätigte es. »Marco ist ein Jahr älter als seine Schwester.«
»Dürfen wir, Mutti?«, fragte Marco nun drängend.
»Ich will gar nicht«, antwortete seine Schwester anstelle seiner Mutter. »Ich bleibe lieber bei unserem Hund.«
»Geh ruhig mit deinem Bruder hinaus zum Spielen«, schlug Andrea vor. »Deine Mutti ist ja bei eurem Hund. Sobald der Onkel Doktor ihn behandelt hat, sage ich euch Bescheid. Einverstanden?«
»Na gut«, sagte die Kleine und stand auf. »Aber du musst dem Onkel Doktor sagen, dass er unseren Hund wieder gesund machen soll, ja?«
»Ich werde es ihm sagen«, versprach Andrea. Dann brachte sie die Kinder auf den Hof. Sie war überzeugt, dass ihr Mann den Hund einschläfern würde. Das sollten die Kinder aber lieber nicht sehen.
»Frau Mertens ist mit ihrem Schäferhund wieder da«, sagte Andrea, als sie das Behandlungszimmer betrat.
Hans-Joachim schaute auf. Er hatte gerade einem Wellensittich eine Spritze gegeben. »Und wie sieht der Hund aus?«
»Entsetzlich«, sagte Andrea leise.
Die alte Dame mit ihrem Wellensittich hatte es trotzdem gehört. »Mein Vogel wird doch wieder gesund, Herr Doktor?«, fragte sie ängstlich.
»Er wird ganz bestimmt wieder gesund«, versicherte Hans-Joachim ihr. »Sie müssen nur ein bisschen Geduld mit ihm haben.«
Andrea brachte die alte Frau mit ihrem Wellensittich zur Haustür. Dann bat sie den nächsten Patienten zu ihrem Mann.
Es war ein kleiner Goldhamster, den ein zwölfjähriger Junge brachte. Erst nach ihm war Melissa mit ihrem Hund an der Reihe. Das arme Tier konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Immer wieder knickten seine Hinterläufe ein.
»Ich habe alles getan, was Sie angeordnet haben, Herr Doktor«, sagte Melissa. »Aber sein Zustand hat sich trotzdem laufend verschlechtert.«
Hans-Joachim schüttelte betrübt den Kopf. »Da ist nichts mehr zu machen, Frau Mertens.«
Andrea hatte richtig vermutet. Der Hund musste eingeschläfert werden. Als der Tierarzt das Melissa sagte, rang sie verzweifelt die Hände. »Gibt es denn gar keinen Weg, ihn zu retten?«
»Keinen«, sagte Hans-Joachim bedauernd. »Nicht mehr, wenn dieses Stadium erreicht ist. Da ist der Hund verloren. Die Staupe ist eine heimtückische Krankheit. Nicht umsonst ist jeder Hundehalter verpflichtet, sein Tier dagegen impfen zu lassen.«
»Ich werde mich bei dem Tierhändler beschweren«, sagte Melissa leise. Dann nahm sie von ihrem Hund Abschied. Nur gut, dass Nicole und Marco nicht hier sind, dachte sie.
Der letzte Blick, den der Hund ihr aus seinen treuen Augen zuwarf, trieb ihr das Wasser in die Augen. Schnell wandte sie sich ab.
»Sind noch Patienten draußen?«, fragte Hans-Joachim.
Andrea schüttelte den Kopf. »Nein. Frau Mertens war für heute der letzte Patient mit ihrem Schäferhund.«
Während Hans-Joachim das Tier einschläferte, begleitete Andrea die junge Frau hinaus.
Auf der Schwelle blieb Melissa abrupt stehen. Auf dem Hof befanden sich plötzlich mindestens zehn Kinder. Und mitten unter ihnen waren Marco und Nicole.
»Die Kinder sind aus Sophienlust«, erklärte Andrea.
»Aus dem Kinderheim?« Melissa hatte schon davon gehört.
»Mutti!« Nicole kam zu ihr gelaufen. »Wo ist unser Bello?«
»Er …« Melissa konnte nicht mehr weitersprechen. Sie schaute hilflos zu Andrea.
Diese nahm Nicole und ihren Bruder bei der Hand. Gesagt werden musste es den Kindern ja schließlich. »Euer Bello ist jetzt im Hundehimmel.«
»Tot?«, fragte Marco entrüstet. Andrea nickte.
Da begann Nicole laut zu weinen. »Mein Bello! Es war mein Hund. Mutti hat ihn mir geschenkt.«
»Er hat auch mir gehört«, rief Marco trotzig. Er bemühte sich krampfhaft, die Tränen zu unterdrücken. Aber auch ihm gelang es nicht.
Andrea nahm den vierjährigen Jungen bei der Hand und lief mit ihm hinüber zum Tierheim. Sie wollte ihn ablenken.
Die Kinder aus Sophienlust verstanden sie und kamen ihr nach. Allen voran Henrik und Pünktchen.
Melissa hatte die dreijährige Nicole auf den Arm genommen und folgte den Kindern langsam.
»Ist das ein Affe?«, fragte Marco schnüffelnd, als Andrea und die Kinder vor Moglis Box stehenblieben.
»Ja«, sagte Pünktchen. »Es ist ein Schimpanse. Er ist noch jung.«
Der Schimpanse gefiel Marco. »Kann man ihn kaufen?«
»Nein«, antwortete Nick. »Er ist hier aufgewachsen und muss hierbleiben.«
»Warum?« Marco fuhr sich mit dem Ärmel über die Nase.
»Weil er in anderer Umgebung vielleicht sterben würde«, sagte Nick.
Damit erinnerte er Marco wieder an seinen toten Bello. Ein neuer Tränenstrom floss über die Wangen des kleinen Jungen.
»Das war nicht besonders, geschickt von dir«, flüsterte Pünktchen Nick zu.
»Habe ich auch bemerkt, aber zu spät«,