Geliebte Zwillinge: Mami 1894 – Familienroman
Von Susanne Svanberg
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Über dieses E-Book
Kai Teichmann war nervös. Er ging voll Unruhe im Warteraum der Anwaltskanzlei auf und ab. Immer wieder schob er den Ärmel seines grauen Jacketts etwas hoch, um auf die Uhr zu sehen.
»Fünfundzwanzig Minuten warten wir jetzt bereits! Dabei waren wir bestellt. Ich halte das für eine Unverschämtheit«, preßte er zwischen wütend zusammengekniffenen Lippen hervor. Zwei steile Falten gruben sich in seine hohe Stirn. Mit gespreizten Fingern fuhr er sich durch das kurz geschnittene dunkelblonde Haar und blieb vor seiner Frau stehen, die ruhig in einem Sessel saß und in einer Zeitschrift blätterte.
So ruhig, wie es schien, war Karin allerdings nicht. Ihr Herz klopfte ganz gewaltig, doch das hätte sie nie zugegeben. Nicht vor ihrem Mann. Sie tat, als hörte sie seine Äußerungen gar nicht, und schaute stur ins Heft. Dabei hätte sie keine einzige Zeile des Artikels wiedergeben können. Ihre Gedanken waren mit ganz anderen Problemen beschäftigt.
»Es war falsch, diesen Anwalt zu wählen.« Kai nahm seine ruhelose Wanderung wieder auf. »Er kennt uns nicht und läßt uns deshalb getrost warten. So etwas schüchtert vielleicht manche Leute ein, aber nicht mich.« Zornig sah Kai zu Karin hinüber, deren zur Schau gestellte Ruhe ihn noch zappeliger machte.
»Die Auswahl hast du getroffen«, antwortete sie mit gespielter Gleichgültigkeit.
Kai schnaubte wie ein gereizter Stier. »Schließlich wollte ich diesen Fall keinem befreundeten Advokaten übertragen und auch keinem, mit dem ich beruflich zu tun habe.« Vor dem Fenster blieb Kai stehen und trommelte mit zwei Fingern auf die Marmorbank, auf der eine halb vertrocknete Pflanze ihr kümmerliches
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Geliebte Zwillinge - Susanne Svanberg
Mami
– 1894–
Geliebte Zwillinge
Pauline und Paul halten alle in Atem
Susanne Svanberg
Kai Teichmann war nervös. Er ging voll Unruhe im Warteraum der Anwaltskanzlei auf und ab. Immer wieder schob er den Ärmel seines grauen Jacketts etwas hoch, um auf die Uhr zu sehen.
»Fünfundzwanzig Minuten warten wir jetzt bereits! Dabei waren wir bestellt. Ich halte das für eine Unverschämtheit«, preßte er zwischen wütend zusammengekniffenen Lippen hervor. Zwei steile Falten gruben sich in seine hohe Stirn. Mit gespreizten Fingern fuhr er sich durch das kurz geschnittene dunkelblonde Haar und blieb vor seiner Frau stehen, die ruhig in einem Sessel saß und in einer Zeitschrift blätterte.
So ruhig, wie es schien, war Karin allerdings nicht. Ihr Herz klopfte ganz gewaltig, doch das hätte sie nie zugegeben. Nicht vor ihrem Mann. Sie tat, als hörte sie seine Äußerungen gar nicht, und schaute stur ins Heft. Dabei hätte sie keine einzige Zeile des Artikels wiedergeben können. Ihre Gedanken waren mit ganz anderen Problemen beschäftigt.
»Es war falsch, diesen Anwalt zu wählen.« Kai nahm seine ruhelose Wanderung wieder auf. »Er kennt uns nicht und läßt uns deshalb getrost warten. So etwas schüchtert vielleicht manche Leute ein, aber nicht mich.« Zornig sah Kai zu Karin hinüber, deren zur Schau gestellte Ruhe ihn noch zappeliger machte.
»Die Auswahl hast du getroffen«, antwortete sie mit gespielter Gleichgültigkeit.
Kai schnaubte wie ein gereizter Stier. »Schließlich wollte ich diesen Fall keinem befreundeten Advokaten übertragen und auch keinem, mit dem ich beruflich zu tun habe.« Vor dem Fenster blieb Kai stehen und trommelte mit zwei Fingern auf die Marmorbank, auf der eine halb vertrocknete Pflanze ihr kümmerliches Dasein fristete.
Karin sah auf seinen Rücken mit den breiten Schultern. Sie empfand Wehmut und Ärger zugleich. Wehmut, weil sie im Begriff war, etwas zu tun, das sie eigentlich gar nicht wollte, und Ärger darüber, daß sie es nicht vermochte, das Unheil abzuwenden. Sie redete sich ein, daß es das kleinere Übel war.
»Ich habe im Büro eine wichtige Konferenz abgesagt, um hier herumzusitzen. Das muß man sich vorstellen. Diesen Rechtsanwalt werde ich schadensersatzpflichtig machen!« Kai drehte sich um und sah seine Frau herausfordernd an. Er erwartete, daß sie zustimmte, doch sie schwieg.
Hübsch sah sie aus mit dem schulterlangen blonden Haar, das nach vorne fiel, wenn sie sich wie jetzt über die Zeitschrift beugte. Die weiche Linie ihres Nackens setzte sich fort in einem schmalen Oberkörper mit sehr weiblichen Rundungen.
Kai nahm das alles nicht wahr. Für ihn zählte nur der Ärger.
»Ich warte jetzt noch genau zwei Minuten, dann werde ich…«
»Chrzanowski«, sagte da eine angenehm sachlich klingende Stimme. Ohne daß es Kai bemerkt hatte, war der Anwalt ins Besuchszimmer gekommen. Er war ein älterer Herr, mittelgroß und zierlich. Im Laufe eines langen Lebens hatten sich zahlreiche Falten in sein schmales Gesicht gegraben. Die Augen hinter der randlosen Brille waren klein, wirkten aber trotzdem sehr lebhaft.
Kai starrte ihn an wie einen Geist und vergaß vor lauter Verblüffung, sich vorzustellen.
Freundlich lächelnd begrüßte der Anwalt Karin Teichmann.
»Entschuldigen Sie, daß ich nicht gleich Zeit hatte, aber es kam ein dringender Anruf, den ich entgegennehmen mußte. Kommen Sie bitte in mein Büro, nehmen Sie Platz.« Es waren die üblichen Floskeln.
Kai folgte Dr. Chrzanowski und Karin mit finsterem Gesicht. Den bequemen Sessel vor dem Schreibtisch des Juristen belegte Kai nur zu einem Drittel, um so deutlich zu machen, daß er wenig Zeit hatte.
Mit wohlwollendem Interesse musterte der alte Herr die Besucher und fand, daß die beiden ein ideales Paar waren. Wer sie sah, mußte annehmen, daß sie glücklich zusammen lebten.
»Sie sind Karin und Kai Teichmann…« Der Anwalt begann, die persönlichen Daten zu verlesen.
»Können wir nicht darauf verzichten?« drängte Kai und rutschte unruhig auf der Sitzfläche hin und her. »Ich bin Manager eines großen Unternehmens und habe einen vollen Terminkalender. Wir haben Ihnen unser Anliegen bereits schriftlich mitgeteilt und sind nun hier, um die nötigen Formalitäten zu unterschreiben.«
»Ich weiß, Sie wollen sich scheiden lassen«, meinte der Anwalt bedächtig. Er dachte gar nicht daran, sich von der Hektik seines Mandanten anstecken zu lassen. »Etwas ungewöhnlich, daß Sie mich gemeinsam aufsuchen. Normalerweise wird das Scheidungsbegehren von einem der Partner vorgetragen.«
»Schon klar. Aber wir sind uns einig. Es wird keinen Streit über Besitz oder Unterhalt geben. Deshalb wird es kein Problem sein, wenn Sie uns beide vertreten.« Kai tat, als führte er ein solches Gespräch täglich, während Karin sich überhaupt nicht äußerte.
»Trotzdem wird es nötig sein, Punkt für Punkt zu erörtern. Die Auflösung einer Ehe, die fast zehn Jahre bestanden hat, ist keine Sache, die sich in wenigen Minuten erledigen läßt. Sie haben zwei Kinder, beide neun Jahre alt.«
»Zwillinge«, ergänzte Karin. Stolz schwang jetzt in ihrer Stimme mit.
»Die Kinder bleiben bei meiner Frau, auch das ist geklärt.« Kai erweckte mit seiner hastigen Aussage den Eindruck als könne er die Sache nicht schnell genug hinter sich bringen.
Dr. Chrzanowski nickte. »Gut. Ich nehme an, die gesetzlichen Bedingungen sind Ihnen bekannt.«
»Selbstverständlich«, versicherte Kai rasch. »Es geht nur um die Formalitäten.«
Der Rechtsanwalt legte sorgfältig die Fingerspitzen zusammen und betrachtete seine gepflegten Fingernägel. »Einige Fragen muß ich Ihnen dennoch stellen.«
»Können wir das nicht übergehen? Ich schätze es nicht, private Dinge vor Fremden…«
»Tut mir leid, es ist meine Pflicht. Wie lange leben Sie getrennt?«
»Getrennt?« wiederholte Kai überrascht. »Ich bin häufig beruflich unterwegs, nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, in Japan und Australien. Sie wissen ja, die Globalisierung… Dadurch bin ich nur wenig zu Hause.«
»Das meine ich nicht. Sie wissen doch, daß der Gesetzgeber…«
»Ist das nicht unsere Sache? Wir haben uns auseinandergelebt, verstehen uns nicht mehr. Genügt das nicht?«
Der ältere Herr zuckte die Achseln. »Es gibt Vorschriften, die wir nicht umgehen können.«
»Fragen Sie mich bloß nicht, wann wir zuletzt miteinander geschlafen haben«, zischte Kai feindselig. Herausfordernd sah er den Anwalt an.
Karin senkte den Blick. Ihr war das alles peinlich, und sie teilte den Wunsch ihres Mannes, dieses Büro so rasch wie möglich wieder zu verlassen.
Dr. Chrzanowski ging auf diese Anspielung nicht ein. »Krisen gibt es in jeder Ehe«, meinte er bedächtig. »Mit gutem Willen und etwas Engagement lassen sie sich überwinden. Das ist der Weg, den ich Ihnen vorschlagen wollte.«
»Wir haben Sie nicht um gute Ratschläge ersucht, sondern um juristischen Beistand«, erinnerte Kai ärgerlich.
»Trotzdem werde ich versuchen, Ihre Ehe zu retten, auch wenn das gegen meine Interessen ist. Ich habe das in meiner langjährigen Praxis immer so gehalten und hatte erstaunliche Erfolge damit. Mit manchem Ehepaar, das sich wieder zusammengerauft hat, bin ich heute noch befreundet.« Der ältere Herr lächelte zufrieden.
»Herr Doktor Chrzanowski, wir sind erwachsene Menschen und haben uns diesen Schritt gut überlegt.« Teichmann hielt es nicht länger auf seinem Sitzplatz aus. Er stand auf und trat hinter den Sessel. Karins Anwesenheit schien er vergessen zu haben.
Um so mehr beachtete der Anwalt die hübsche junge Frau, die so mädchenhaft wirkte. Nach den ihm vorliegenden Angaben war sie 35 Jahre alt. Doch er hätte sie wesentlich jünger geschätzt.
»Ich schlage vor, daß Sie zunächst gemeinsam in Urlaub fahren. Mindestens eine Woche, besser wären zwei.«
Kai beugte sich etwas vor, als habe er sich verhört. »In Urlaub?« wiederholte er ungläubig. »Das ist unmöglich, völlig ausgeschlossen. Wir sind schon seit Jahren nicht mehr…«
»Das habe ich mir gedacht.« Dr. Chrzanowski blieb gelassen.
Jetzt mischte sich Karin ein. »Es geht wirklich