Das Glück kam von ganz allein: Erika Roman 6 – Liebesroman
Von Aja Berg
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Über dieses E-Book
Doktor Knut von Lassen, Rechtsanwalt, hatte an dem schönen Märztage, mit dem unsere Geschichte beginnt, allen Grund, mit sich und der Welt zufrieden zu sein.
Er erwachte in dem großen, luftigen Schlafzimmer seines hübschen Landhauses wie üblich um sechs Uhr morgens, sprang aus dem Bett und rieb sich im Badezimmer kühl ab. Dann trieb er mit Eifer Gymnastik und freute sich, wie gut er in Form war. Nachdem er sich rasiert hatte, frühstückte er, machte einen Gang durch den Garten und fuhr mit seinem schnittigen Mercedes zum Tattersall.
Der Morgenritt dauerte genau eine Stunde.
Heimgekehrt, wurde der Reitanzug mit dem Stadtzivil vertauscht, und statt des Reitstocks begleitete eine elegante schweinslederne Aktentasche ihren Herrn auf der Fahrt ins Büro.
Die Schreibmaschinendamen, unter der Aufsicht von Fräulein Grieß, arbeiteten schon seit einer halben Stunde, und seit einer halben war auch der Freund und Mitarbeiter Lassens, Rechtsanwalt Graun, bereits in seinem Zimmer tätig.
Es ergab sich aber heute, wie jeden Tag, daß der junge Chef in einer knappen Stunde mehr leistete als die übrigen zusammen.
Die Stenotypistinnen nahmen, sobald er in seinem Arbeitszimmer hinter dem Schreibtisch saß, mit fliegenden Fingern so viel Text auf, daß sie bis zum Spätnachmittag zu tun hatten. Sie konnten nur gerade, wenn sie das Chefzimmer betraten und verließen, einen bewundernden Blick auf den Hochverehrten werfen – er begann zu diktieren, sobald sie nur an dem für sie bestimmten Seitentisch Platz genommen hatten, und sprach ohne Pause die schwierigsten Beweisanträge und Erwiderungen auf gegnerische Forderungen herunter, als sei in seinem Gehirn ein Motor, den er
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Buchvorschau
Das Glück kam von ganz allein - Aja Berg
Erika Roman
– 6–
Das Glück kam von ganz allein
Aja Berg
Doktor Knut von Lassen, Rechtsanwalt, hatte an dem schönen Märztage, mit dem unsere Geschichte beginnt, allen Grund, mit sich und der Welt zufrieden zu sein.
Er erwachte in dem großen, luftigen Schlafzimmer seines hübschen Landhauses wie üblich um sechs Uhr morgens, sprang aus dem Bett und rieb sich im Badezimmer kühl ab. Dann trieb er mit Eifer Gymnastik und freute sich, wie gut er in Form war. Nachdem er sich rasiert hatte, frühstückte er, machte einen Gang durch den Garten und fuhr mit seinem schnittigen Mercedes zum Tattersall.
Der Morgenritt dauerte genau eine Stunde.
Heimgekehrt, wurde der Reitanzug mit dem Stadtzivil vertauscht, und statt des Reitstocks begleitete eine elegante schweinslederne Aktentasche ihren Herrn auf der Fahrt ins Büro.
Die Schreibmaschinendamen, unter der Aufsicht von Fräulein Grieß, arbeiteten schon seit einer halben Stunde, und seit einer halben war auch der Freund und Mitarbeiter Lassens, Rechtsanwalt Graun, bereits in seinem Zimmer tätig.
Es ergab sich aber heute, wie jeden Tag, daß der junge Chef in einer knappen Stunde mehr leistete als die übrigen zusammen.
Die Stenotypistinnen nahmen, sobald er in seinem Arbeitszimmer hinter dem Schreibtisch saß, mit fliegenden Fingern so viel Text auf, daß sie bis zum Spätnachmittag zu tun hatten. Sie konnten nur gerade, wenn sie das Chefzimmer betraten und verließen, einen bewundernden Blick auf den Hochverehrten werfen – er begann zu diktieren, sobald sie nur an dem für sie bestimmten Seitentisch Platz genommen hatten, und sprach ohne Pause die schwierigsten Beweisanträge und Erwiderungen auf gegnerische Forderungen herunter, als sei in seinem Gehirn ein Motor, den er nur einzuschalten brauchte, um für den gerade vorliegenden Fall das Richtige zu treffen.
Als er die vierte der Damen eben mit reicher Tagesarbeit entlassen hatte, kam Rechtsanwalt Graun herein.
Er war ein großer, schwerfälliger Mann, Hannoveraner von Geburt und mit Lassen seit dem Gymnasium befreundet. Er wirkte älter als der Freund, war unbeholfen im Wesen, hielt sich schlecht und kleidete sich keineswegs vorteilhaft.
Größere Gegensätze, als er und Lassen, waren weder äußerlich noch innerlich zu denken. Trotzdem vertrugen sie sich ausgezeichnet, und Knut pflegte zu sagen: »Peter Graun ist mein besseres ich. Erst seit ich ihn zur Seite habe, bin ich ganz sicher, daß ich alles richtig mache. Wenn er etwas für gut befindet, dann stimmt’s, dann kann selbst das Gericht nichts mehr daran ändern«
Die Freunde begrüßten sich auch heute herzlich, und Lassen sagte, während er dem anderen einen Stoß Akten über den Tisch zuschob: »Hier, wenn du dieses Blech übernehmen möchtest! Ich bin soweit fertig und fahre nach Amtsgericht eins und drei, um die Termine wahrzunehmen!«
»Schön! Ich will nach Amtsgericht Mitte. Bach und Krause, vielleicht auch Niemann, du weißt!«
»Ich weiß«, lachte der andere. »Wie oft war Frau Bach heute schon am Telefon?«
»Viermal, nachdem sie gestern bis sechs Uhr hier gesessen hat«, seufzte Graun. »Sie kann einem direkt leid tun.«
»Mir nicht«, erklärte Lassen, und in sein hübsches, kluges Gesicht trat der kalte, verächtliche Zug, den seine Gegner kannten und fürchteten. »Du mußt dir entschieden ein dickeres Fell anschaffen, Peter. Mitleid und Barmherzigkeit sind in unserem Beruf nicht angebracht.«
Der große, gutmütige Mann nickte.
»Ich hab mich ja auch schon abgehärtet«, sagte er. »Ganz so wie anfangs nehme ich mir die Sachen nicht mehr zu Herzen. Aber einzelne Fälle gehen einem doch immer wieder nahe. Diese Frau Bach zum Beispiel – was kann sie dafür, daß ihrem Mann jetzt eine andere besser gefällt als sie?«
»Lieber Freund, würde sie dir denn gefallen? Ich hoffe nicht, denn sie ist dumm. Im übrigen kennst du ja meine Ansicht über die Weiberchen: Erst nehmen sie den ersten besten, um überhaupt unter die Haube zu kommen, und nachher jammern sie uns die Ohren voll, wenn der Mann sie los sein will. Mit so etwas habe ich kein Mitleid. Wir müssen mit dem Verstand arbeiten, nicht mit dem Herzen.
Er sah unglaublich hochmütig aus bei seinen Worten, aber das kleidete ihn gut, wie alles, was er tat und sprach.
»Als ob du überhaupt ein Herz hättest«, sagte Graun.
»Oh, erlaube! Ein sehr vorzügliches sogar! Frage nur Lony, wie nett und herzlich ich sein kann.«
Graun schnitt eine Grimasse.
»Ich werde lieber nicht fragen. Übrigens ist es selbstverständlich, daß alle Frauen in dich verliebt sind. Wer aussieht wie du, wer klug und kaltschnäuzig ist wie du, der hat sie eben alle am Bändel.«
Lassen stand auf und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Tröste dich«, sagte er. »Dafür fahre ich dermal einst als hartgesottener Junggeselle in die Hölle und muß des Teufels Großmutter die Wangen streicheln, während du als zärtlich geliebter Familienvater im Kreise von Frau und sieben bis zehn Kindlein ein Gott wohlgefälliges Leben führen wirst. Aber du kannst sie dir ruhig leisten! Ich werde Erbonkel für deinen Nachwuchs, dieweil ich ja sonst keine lebendige Seele auf der Welt habe. – Wiedersehen!«
*
Auch der übrige Teil des Tages verlief für den jungen Rechtsanwalt durchaus angenehm.
Er fuhr von einem Gericht zum anderen und nahm die Termine wahr, die wichtig genug waren, seine persönliche Gegenwart zu verlangen.
Sein Mittagessen verzehrte Lassen in einem guten Weinrestaurant, dann hielt er im Büro Sprechstunde ab – eine anstrengende Sache, denn er war einer der gesuchtesten Anwälte und namentlich in Scheidungsangelegenheiten sehr in Mode.
Geduldig hörte er die oft von Tränen begleiteten Klagelieder seiner Klientinnen an, wußte aus dem Wirrsal von Anschuldigungen gegen die Ehemänner das Brauchbare und Nötige herauszuklauben und umgekehrt, tobende Gatten mit wenigen Worten zu beruhigen und zur Angabe dessen zu bringen, was für eine Scheidungsklage notwendig war. Mit einem Worte: ein Anwalt, wie er sein soll.
Nach sechs Uhr hatte er seine letzten Besucher entlassen und ging hinüber zu Graun, der ebenfalls mit den Klienten fertig war und emsig in den Akten arbeitete.
Er warf sich in einen Sessel und reckte die Arme.
»Gott sei Dank, das waren wieder mal erhebende Eindrücke! Pfui Teufel! Wie geht’s in der Welt zu! Mir soll bloß einer zum Heiraten zureden. Diese Weiber! Ich möchte nur einmal – ein einziges Mal eine Frau sehen, die Stolz und Ehrgefühl hat!«
»Ja, ich habe auch ein paar neue, sehr unerquickliche Fälle«, sagte Graun. »Da ist eine Frau Stelzer, deren Mann hat schon seit zwei Jahren ein Verhältnis mit ihrem Kinderfräulein.«
Lassen sprang auf.
»Ich bitte dich, verschone mich! Dergleichen habe ich heute zur Genüge gehört. Ich fahre jetzt nach Hause, nehme ein Bad und lese in einem guten Buch, um mich körperlich und seelisch zu säubern. Heute abend bin ich bei Roloffs eingeladen. Da kann ich unsere künftigen Klienten sehen, diejenigen, die vor der Öffentlichkeit noch nicht geschieden sind, es also noch vor sich haben.«
»Recht so! Ich gehe in die Oper, Rosenkavalier«, sagte Graun vergnügt. Er liebte Musik sehr, obwohl er sie selbst nicht ausübte.
Lassen gab dem Bürovorsteher, Herrn Siegel, noch einige Weisungen und fuhr dann nach Hause.
Behaglich legte er sich im Wintergarten seiner Villa auf den Diwan. Es war angenehm warm, die großen Kamelienbüsche in den Ecken blühten, der kleine Springbrunnen rieselte sanft, und Jo, der wohlgeschulte Diener, rollte den Teewagen heran, um seinen Herrn mit Tee, Kuchen und Zigaretten zu versorgen.
Der junge Rechtsanwalt fand wieder einmal, daß es ihm sehr gut ginge. Selbstverständlich infolge der allgemein klugen Art, mit der er sein Leben eingerichtet hatte.
»Wie man sich bettet, so schläft man«, dachte er und legte sich auf dem weichen Polster des Diwans auf die andere Seite.
Zwei Stunden später betrat er im Frack die Diele der Grunewaldvilla, in der Konsul Roloff an diesem Abend eine große Gesellschaft gab.
Knut von Lassen warf noch einen Blick in den Spiegel, nachdem ihm der Diener den Frackmantel abgenommen hatte. Er war mit dem Bild des jungen Gentleman, das das Glas zurückgab, sehr zufrieden. Der Frack saß vortrefflich, das Gesicht über der weißen Binde war frisch und hübsch, die dunklen Augen blickten klug und zuversichtlich, und das dunkelblonde Haar hatte genau die richtige Linie über der geistreichen Stirn. Man konnte sich sehen lassen.
Im sicheren Gefühl seiner Unwiderstehlichkeit betrat er die prunkvollen Festräume, in denen schon zahlreiche Gäste anwesend waren.
Er hatte hier und da Bekannte zu begrüßen, während er langsam dem Mittelsalon zustrebte, in dem der Konsul seine Gäste bewillkommnete.
Schließlich schüttelte ihm der Gastgeber herzlich die Hand.
»Nett, daß Sie da sind, Doktor von Lassen. Was sagen Sie zu der Völkerschau, die meine Frau mal wieder zusammengebracht hat?«
Der junge Mann lachte, während er, neben dem Konsul stehend, die festlich gekleidete Menge in den Räumen überblickte.
»Völkerschau ist wohl ein bißchen viel gesagt, Herr Konsul, aber Menschen genug sind beisammen. Warum übrigens auch nicht? Sie haben ja reichlich Platz, so viele Gäste zu beherbergen!«
»Ja, aber gemütlich ist es nicht. Mir wäre ein kleiner Kreis von Leuten, die gut zueinander passen, lieber. Meine Frau tut’s aber nun mal nicht unter fünfzig bis siebzig Personen. Na, Sie werden sich hoffentlich gut amüsieren.«
»Sicherlich, Herr Konsul. Ich habe schon eine ganze Menge Bekannte begrüßt«, lachte Knut.
»Da kommt eben Ihre Tischdame. Sie sehen, ich hab’s gut mit Ihnen gemeint. Kennen Sie Frau von Ried schon, Doktor?«
»Nein, hatte noch nicht die Ehre.«
Gefesselt blickte der Rechtsanwalt einer schönen, schlanken, noch sehr jugendlichen Frauengestalt entgegen, die ihm der Hausherr bezeichnete. Sie trug ein silbergraues Brokatkleid, das mit ihren aschblonden Haaren vortrefflich harmonierte.
Doktor von Lassen sagte sich befriedigt, daß diese junge Dame sehr gut neben ihm aussehen würde.
Sie hatte übrigens den Konsul noch nicht bemerkt, denn sie sprach mit einem Herrn und wandte den Kopf, der auf einem schlanken, stolzen Nacken saß, nach der anderen Seite. Jetzt verabschiedete sie den Herrn und kam tiefer in den Saal herein.
»Meine Gnädigste, ich bin entzückt, daß Sie uns die Ehre geben. Ist der Herr Geheimrat auch schon anwesend?«
Knut konnte jetzt auch das Gesicht der jungen Dame sehen, ein schönes, klares Antlitz mit großen, grauen Augen, die noch sehr mädchenhaft blickten.
Die schöne Frau reichte dem Konsul die Hand.
»Mein Vater ist schon von Ihrer Frau Gemahlin empfangen worden, Herr Konsul. Sie hat ihn einem ganzen Kreise von Großwürdenträgern eingereiht«, sagte sie, und das Lächeln, mit dem sie ihre Worte begleitete, machte ihr schönes Gesicht betörend.
»Das sieht meiner Frau ähnlich! Sie sonnt sich gar zu gern im Glanz von Titeln und Orden«, nickte der Hausherr. »Aber nun gestatten Sie mir, Ihnen meinen jungen Freund vorzustellen, Gnädigste, der das Glück haben wird, Sie zu Tisch zu führen.«
Lassen war herangetreten und wollte sich