Verzeih mir!: Toni der Hüttenwirt 166 – Heimatroman
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"Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser.
Bürgermeister Fellbacher läutete am Pfarrhaus. Helene Träutlein, die Haushälterin des Geistlichen, öffnete die Tür.
»Grüß Gott, Herr Bürgermeister!«
»Grüß Gott, Träutlein! Ich muss ihn sprechen.«
»Dann gehen S' durch, aufhalten kann ich Sie eh net.«
»Des klingt net gut. Darf die Haushälterin eines Geistlichen so unfreundlich sein?«
»Ich werde gleich zum Hausdrachen, wenn des so weitergeht. Ich bin am Putzen und ständig läuft jemand durch. Wenn der Boden net trocken ist, sieht man jeden Fußtappen. Aber so ein Mannsbild kann des net verstehen«, zischte Helene Träutlein verärgert.
Sie trat zur Seite und ließ Bürgermeister Fellbacher vorbei. Vielleicht hat sie einen schlechten Tag, dachte er.
Mit langen Schritten ging er zur Studierstube seines Freundes. Die Tür stand offen.
»Hast du einen Augenblick Zeit, Heiner?«, fragte Fellbacher.
Pfarrer Zandler saß am Schreibtisch und las Schriftstücke. Er sah auf.
»Grüß Gott, Fritz! Ein guter Pfarrer hat immer Zeit für seine Schäfchen und besonders für einen Schafbock, der auch noch sein bester Freund ist. Außerdem bin ich froh, eine Ausrede für eine kleine Unterbrechung zu haben. Den Papierkram, den mag ich net. Da lasse ich mich gerne ablenken«, schmunzelte er.
»Ist in der Kirche jetzt auch die Bürokratie ausgebrochen?«, lachte Fellbacher.
Pfarrer Zandler blieb ernst.
»Die Kirche hat die Bürokratie erfunden, denke ich oft. Es wurden schon lange Kirchenbücher geführt. Sie waren die einzige verlässliche Quelle für jedes Geschehen in einem Ort, von der Geburt bis zur Bahre.«
»Des stimmt«, sagte Fellbacher. »Daran habe ich nicht gedacht.«
»Weißt, ich habe einen Brief aus Kanada bekommen. Da will jemand wissen, wer seine Vorfahren waren. Er konnte aber nur spärliche Angaben
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Buchvorschau
Verzeih mir! - Friederike von Buchner
Toni der Hüttenwirt
– 166–
Verzeih mir!
Die neue Brücke zwischen den Herzen
Friederike von Buchner
Bürgermeister Fellbacher läutete am Pfarrhaus. Helene Träutlein, die Haushälterin des Geistlichen, öffnete die Tür.
»Grüß Gott, Herr Bürgermeister!«
»Grüß Gott, Träutlein! Ich muss ihn sprechen.«
»Dann gehen S’ durch, aufhalten kann ich Sie eh net.«
»Des klingt net gut. Darf die Haushälterin eines Geistlichen so unfreundlich sein?«
»Ich werde gleich zum Hausdrachen, wenn des so weitergeht. Ich bin am Putzen und ständig läuft jemand durch. Wenn der Boden net trocken ist, sieht man jeden Fußtappen. Aber so ein Mannsbild kann des net verstehen«, zischte Helene Träutlein verärgert.
Sie trat zur Seite und ließ Bürgermeister Fellbacher vorbei. Vielleicht hat sie einen schlechten Tag, dachte er.
Mit langen Schritten ging er zur Studierstube seines Freundes. Die Tür stand offen.
»Hast du einen Augenblick Zeit, Heiner?«, fragte Fellbacher.
Pfarrer Zandler saß am Schreibtisch und las Schriftstücke. Er sah auf.
»Grüß Gott, Fritz! Ein guter Pfarrer hat immer Zeit für seine Schäfchen und besonders für einen Schafbock, der auch noch sein bester Freund ist. Außerdem bin ich froh, eine Ausrede für eine kleine Unterbrechung zu haben. Den Papierkram, den mag ich net. Da lasse ich mich gerne ablenken«, schmunzelte er.
»Ist in der Kirche jetzt auch die Bürokratie ausgebrochen?«, lachte Fellbacher.
Pfarrer Zandler blieb ernst.
»Die Kirche hat die Bürokratie erfunden, denke ich oft. Es wurden schon lange Kirchenbücher geführt. Sie waren die einzige verlässliche Quelle für jedes Geschehen in einem Ort, von der Geburt bis zur Bahre.«
»Des stimmt«, sagte Fellbacher. »Daran habe ich nicht gedacht.«
»Weißt, ich habe einen Brief aus Kanada bekommen. Da will jemand wissen, wer seine Vorfahren waren. Er konnte aber nur spärliche Angaben machen. Jetzt sitze ich über den alten Kirchenbüchern und suche.«
»So hat jeder seine Aufgabe, Heiner. Ich habe mir die letzten Tage die Grundbücher herausgesucht, bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts.«
»Mei, was liegt an, dass du darin stöberst?«
»Es geht um die Feuchtwiesen. Ich wollte ganz genau wissen, wer Besitzer war und wann.«
»Die Feuchtwiesen, die scheinen uns im Augenblick beide zu beschäftigen.«
»Was du net sagst!«, sagte der Bürgermeister erstaunt. »Dann hast du es schon gehört? Es ist mir schleierhaft, warum die jemand kaufen will.«
»Mein lieber Fellbacher, ja, ich habe es gehört.«
Pfarrer Zandler bat den Bürgermeister, sich zu setzen.
Auf dem Tisch stand vorsorglich ein Tablett mit Tassen und einer großen Kanne Kaffee.
Das stellte Helene Träutlein immer hin, wenn sie am Putzen war. Dann hatte sie keine Zeit und war auch nicht passend angezogen, Kaffee zu servieren, fand sie. Zandler schenkte ein.
»Fritz, in den letzten Tagen waren einige Gemeindemitglieder bei mir und haben um Rat gebeten. Da brodelt etwas. Da wird ein Süppchen zusammengekocht. Ich bin besorgt, dass sie am Ende ganz schön versalzen ist.«
»Des hast du gut gesagt. Ich weiß es vom Toni. Der Wenzel und die Hildegard haben ihm ihr Herz ausgeschüttet. Ihre Kinder setzen sie unter Druck, sie sollen die Feuchtwiesen verkaufen.«
»Die Kinder der Oberländer sind nicht die Einzigen, die ihre Eltern oder Großeltern überreden wollen, die angeblich wertlosen Wiesen zu verscherbeln.«
»Vom Finanziellen her sind die Wiesen wirklich so gut wie wertlos. Aber warum haben diese Leute dann Interesse daran? Des mit dem Umweltschutz, des kommt mir sehr seltsam vor und dir?«
»Richtig! Die Herren werden sich noch wundern, Fritz. Es gibt bei den meisten Wiesen eine Tatsache, die sie nicht wissen. Die Wiesen gehören den Familien, aber die Kirche hat das Recht, sie zu nutzen, wenn es von Nöten ist. Die Eigentümer wussten selbst nichts Genaues darüber. Es gibt eine Regelung, die schon lange zurückliegt. Bei vielen Familien sind die entsprechenden schriftlichen Unterlagen verschollen. Die Sache wurde von Generation zu Generation nur mündlich weitergegeben. Jetzt kommen sie her, um sich zu erkundigen. Das ist ihr Recht.«
»Wenn es von Nöten ist, sagst du. Was soll des heißen?«
Zandler erklärte es ihm.
»In früheren Zeiten gab es immer sehr arme Bauern, die einfach Pech hatten und Hunger leiden mussten, weil es Missernten gab oder die Kühe krank wurden oder weil sie sonstige Schicksalsschläge ertragen mussten. Da sie nix sparen konnten, weil ihr Land zu klein war oder aus anderen Gründen, gerieten sie sehr schnell in Not. Also musste geholfen werden. In solchen Fällen griff die Kirche auf die Feuchtwiesen zurück. Sie stellte sie den Bauern als zusätzliche Fläche zur Verfügung oder ließ sie dort das Gras mähen, für Heu, damit das Vieh etwas hatte. Zum Glück sind diese dunklen Zeiten vorbei. Aber dieses Recht gibt es immer noch. Es steht in den Kirchenbüchern. Die Bauern können die Feuchtwiesen nur verkaufen, wenn die Kirche auf ihre Nutzungsrechte verzichtet.«
»Ich wusste, dass es in der Vergangenheit Sonderregelungen gab, aber nicht, dass sie noch gültig sind. Das heißt, die Feuchtwiesen können nicht verkauft werden, wenn du nicht zustimmst?«
»So ist es. Das gilt aber nicht für alle Feuchtwiesen. Die Kirche hat ungefähr ein Drittel davon unter ihrer Obhut.«
Fellbacher trank einen Schluck Kaffee.
»Was wirst du machen?«
»Was ich in solchen Fällen immer mache. Ich überstürze nichts. Ich habe gesagt, ich müsse zuerst die Unterlagen heraussuchen und dann mit der Bischöflichen Verwaltung reden. Das geht nicht so schnell. Ich gebe zu, ich spiele auf Zeit und hoffe, dass sich Unruhe und Aufgeregtheit bald legen.«
»Du bist ganz schön durchtrieben, Heiner.«
»Das bin ich nicht.« Pfarrer Heiner Zandler grinste. »Aber ich gebe zu, dass ein bisserl Taktik dabei ist. Den alten Gemeindemitgliedern kann ich auf diese Weise eine Weile Ruhe verschaffen, vor dem Ansinnen ihrer Kinder und Enkel. Vor der Kirche haben sie noch Respekt und geben zunächst Ruhe. Aber ich muss zugeben, mich hat die Angelegenheit überrascht. Ich kannte mich in den Sachen auch nicht aus und musste mich erst einlesen. Jetzt muss ich prüfen, ob ich es verantworten kann, dass die Kirche auf ihr traditionelles Recht verzichtet. Zumindest habe ich erreicht, dass sich die geldgierigen Erben in Geduld üben müssen.«
Fellbacher reichte Zandler eine Liste.
»Das ist die Liste, die ich nach dem Grundbuch erstellt habe. Vielleicht kannst du die Flurstücke markieren, welche die Kirche nutzen dürfte, wenn sie es für notwendig hält.«
»Ich werde die Liste sorgfältig prüfen und markieren. Du kannst sie morgen abholen. Übrigens, einer von uns sollte mit Tassilo sprechen. Mich würde interessieren, ob diese seltsamen Käufer auch bei ihm waren. Den Grafen von Teufen-Thurman gehören seit ewigen Zeiten die meisten Wiesen am Bergsee.«
»Das muss noch etwas warten. Tassilo ist mit der ganzen Familie in Urlaub. Er kommt erst in zwei Wochen zurück. Aber dann gehen wir gemeinsam zu ihm.«
»Das machen wir. Bis dorthin sollten wir die Leute beruhigen.«
»Und wir sollten herausfinden, wer diese möglichen Käufer sind, welche Geldgeber dahinterstecken und welche Absicht sie verfolgen. Das wird nicht einfach, weil sie nie Unterlagen zurücklassen.«
»Gib mir einige Tage Zeit, Fritz! In mir reift eine Idee, die uns weiterbringen könnte.«
»Sag schon! Was denkst du?«
»Das kann ich nicht, noch bin ich am Aushandeln.«
»So?«
»Ja, frag nicht weiter, Fritz.«
»Entschuldige! Ich vermute, es ist etwas, was du im Beichtstuhl erfahren hast.«
»Es hängt damit zusammen. Aber ich finde einen Weg. Dann lasse ich es dich wissen.«
»Gut, dann übe ich mich in Geduld und dir wünsche ich Gottes Beistand und Segen.«
»Fritz, das ist eigentlich mein Spruch«, wehrte sich Pfarrer Zandler.
Sie lachten. Pfarrer Zandler begleitete Fellbacher zur Haustür und verabschiedete ihn. Dann ging er in die Kirche, setzte sich in eine Bank und dachte nach, nachdem er um Gottes Beistand gefleht hatte.
*
Es war ein strahlender Sommertag. Die Sonne schien durch die raumhohen Sprossenfenster der Werkstatt. Die Schwestern Nadine und Maike saßen an den Werkbänken und waren in ihre Arbeit vertieft. Im Hintergrund lief das Radio.
Das Büro befand sich, durch Glaswände abgeteilt, in einem anderen Raum. Dort saß ihr Vater und telefonierte. In Abständen warfen die Schwestern einen Blick in seine Richtung.
»Er redet schon ziemlich