Eine Lady auf Probe: Der aufstrebende Fürst 11 – Familienroman
Von Betsy Collins
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Über dieses E-Book
Das ist die spannende, prekäre Situation, wie sie sich zu Beginn dieser großherrschaftlichen Familiensaga um einen herausragenden, außergewöhnlichen Lord darstellt.
Das dezente weinrote Seidenröschen auf Gladys Walkers grauer Haube bebte. Gerade stimmte ihr Gatte auf der Kanzel Rock of Ages an. Ein wahrhaft ergreifendes Kirchenlied. Allerdings war Mrs. Walker nicht deswegen so aufgewühlt. Nein, in dem Lied kam mehrfach die Note D vor. Und Humphrey hatte nun mal die leidige Angewohnheit, stattdessen ein C zu singen. Um diesen Fehler auszumerzen, hatten sie vor dem feierlichen Weihnachtssingen in Axbury Manor täglich geprobt. Mrs. Walker am heimischen Klavier, ihr Gatte mit dem Notenblatt in der Hand daneben. Mit Erfolg. Doch seit diesem großen Ereignis übten sie seltener. Humphrey neigte dazu, in seine alten Fehler zurückzufallen. Bitte nicht, schickte Gladys Walker ein Stoßgebet zum Himmel. Nicht heute. In der ersten Reihe saß nämlich die Duchess of Parbrooke. Herrin von Axbury Manor. Die ranghöchste Aristokratin Südenglands – und keine große Kirchgängerin. Darum kam ihrer Anwesenheit heute besondere Bedeutung zu. Ihre älteste Tochter, Lady Helena, würde im Juni den Marquess of Meadowby heiraten.
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Buchvorschau
Eine Lady auf Probe - Betsy Collins
Der junge Fürst
– 11 –
Eine Lady auf Probe
Unveröffentlichter Roman
Betsy Collins
Das dezente weinrote Seidenröschen auf Gladys Walkers grauer Haube bebte. Gerade stimmte ihr Gatte auf der Kanzel Rock of Ages an. Ein wahrhaft ergreifendes Kirchenlied. Allerdings war Mrs. Walker nicht deswegen so aufgewühlt. Nein, in dem Lied kam mehrfach die Note D vor. Und Humphrey hatte nun mal die leidige Angewohnheit, stattdessen ein C zu singen.
Um diesen Fehler auszumerzen, hatten sie vor dem feierlichen Weihnachtssingen in Axbury Manor täglich geprobt. Mrs. Walker am heimischen Klavier, ihr Gatte mit dem Notenblatt in der Hand daneben. Mit Erfolg. Doch seit diesem großen Ereignis übten sie seltener. Humphrey neigte dazu, in seine alten Fehler zurückzufallen.
Bitte nicht, schickte Gladys Walker ein Stoßgebet zum Himmel. Nicht heute. In der ersten Reihe saß nämlich die Duchess of Parbrooke. Herrin von Axbury Manor. Die ranghöchste Aristokratin Südenglands – und keine große Kirchgängerin. Darum kam ihrer Anwesenheit heute besondere Bedeutung zu.
Ihre älteste Tochter, Lady Helena, würde im Juni den Marquess of Meadowby heiraten. Und Mrs. Walker hoffte inständig, dass Humphrey die Trauung vornehmen durfte. Es wäre der Höhepunkt seiner Karriere. Der vorläufige Höhepunkt jedenfalls. Denn Gladys Walker beabsichtigte, ihn zu einem der führenden Kirchenmänner des Königreiches zu machen.
Schweißperlchen traten ihr auf die Stirn, als das erste D im Lied bevorstand. Sie sang lauter als gewöhnlich, damit ein eventueller Fehler ihres Gatten nicht so auffiel.
Zu ihrer enormen Erleichterung hörte sie, dass Humphrey den Ton traf. Nicht nur dieses D, sondern auch alle übrigen Töne von Rock of Ages. Die weinrote Seidenblüte auf ihrer Haube bebte stärker. Diesmal nicht, weil Gladys Walker angespannt war, sondern vor Glück.
Das Lied verklang, und Humphrey Walker begann mit seiner Predigt. Wie immer war sie kurz, unterhaltsam und erbaulich. Genauso, wie die Gemeinde es an ihrem Pfarrer schätzte.
Ein seltenes Gefühl meldete sich in Gladys Walker: Stolz auf ihren Ehemann. Wie er dort auf der Kanzel stand und gutmütig in die Runde lächelte … Ein zugewandter, in sich ruhender Seelsorger. Groß und stattlich wirkte er.
Vielleicht ein wenig zu stattlich? Sie zog die Stirn kraus.
*
»Euer Gnaden. Es ist mir eine Freude, Sie zu sehen.« Humphrey Walker verbeugte sich respektvoll. Seine Gattin knickste so tief, dass sie Mühe hatte, sich wieder würdevoll aufzurichten.
»Guten Tag, Mr. Walker und Mrs. Walker.« Die Duchess of Parbrooke nickte lächelnd. »Ich fürchte, diese Freude gönne ich Ihnen beschämend selten. Umso mehr weiß ich Ihre nette Begrüßung zu schätzen.«
»Zu Scham besteht absolut kein Anlass, Euer Gnaden«, versicherte der Pfarrer. »Viele meiner Schäfchen können nicht jeden Sonntag zur Kirche kommen. Mal ist eine kranke Großmutter zu pflegen. Mal kalbt eine Kuh. Mal schlüpft die beste Legehenne durch ein Loch im Zaun und muss eingefangen werden. Für mich zählt, dass ein Mensch Gott in seinem Herzen trägt. Das ist wichtiger, als wenn jemand stets auf der Kirchenbank sitzt, ohne innerlich anwesend zu sein.«
Gladys Walker war einer Ohnmacht nahe. Humphrey redete mit dem vornehmen Gast ja wie mit einem x-beliebigen Gemeindemitglied! Im Zusammenhang mit der Duchess nahm man doch nicht das Wort ›Scham‹ in den Mund! Außerdem war die Frau garantiert noch nie einer ausgebüxten Henne hinterher gehuscht. Auch pflegebedürftige Angehörige oder kalbende Kühe hielten sie nicht vom Kirchgang ab.
Nein, Ihrer Gnaden mangelte es schlicht und einfach an Hingabe. Jedenfalls, was die Ausübung ihres Glaubens betraf. Dieses Phänomen hatte Mrs. Walker schon des Öfteren bei Adeligen beobachtet. Natürlich hätte sie es niemals laut ausgesprochen.
Es gab nun mal eine bestimmte Ordnung in der Welt. Der Schöpfer hatte sich etwas dabei gedacht. Deshalb war es nicht Gladys Walkers Aufgabe, die Verhältnisse zu hinterfragen. Geschweige denn, sie ändern zu wollen. Wohl aber durfte sie versuchen, für sich – und ihren Gatten – das Bestmögliche aus dieser Ordnung herauszuholen.
Ihren Traum von einer Karriere als Konzertpianistin konnte sie nicht verwirklichen. Dieser Weg blieb ihr als Frau im Jahr 1839 versagt. Also legte sie all ihren Ehrgeiz in Humphreys beruflichen Aufstieg. Und zum Glück sah es ganz danach aus, als nähme die Duchess ihm seine Bemerkung nicht übel.
Im Gegenteil, Constance Parbrooke nickte huldvoll. »Sie sind ein großzügiger Mann, Mr. Walker. Genau die richtige Person, um meine Helena und den Marquess of Meadowby zu trauen. Am zweiten Mittwoch im Juni. Ich darf doch auf Sie zählen?«
Hinter der Duchess schnappte jemand nach Luft. Es war Lady Mildred, die Mutter des Bräutigams. Gleich darauf räusperte sie sich demonstrativ. Constance Parbrooke ignorierte es.
»Auf mich, Euer Gnaden?« Verdutzt zeigte Humphrey Walker auf sich selbst. »Für die Hochzeit von Lady Helena und Lord Vincent?«
»Ja. Ich hoffe, Sie haben an dem Tag nicht bereits andere Verpflichtungen?«
»Aber nein.« Der Pfarrer strahlte. »Es wird mir eine große Ehre sein, die Trauung zu vollziehen, Euer Gnaden.«
»Sehr schön. Kommen Sie doch in den nächsten Tagen einmal nach Axbury Manor, damit wir die Details besprechen können.«
»Sehr gern. Du meine Güte. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Vielen Dank, dass Sie Ihr Vertrauen in mich setzen, Euer Gnaden. Und Sie, Lady Mildred«, meinte Humphrey Walker zu der Dame hinter der Duchess. Vor Freude hatte er ganz rote Wangen.
Mit einem starren Lächeln stand Gladys Walker neben ihm. Am liebsten hätte sie ihn mit dem Ellenbogen angestoßen. Hoffentlich redete er nicht weiter! Es gab keinen Grund, sein Licht unter den Scheffel zu stellen. Er wirkte ja geradezu überwältigt. Als könne er sich gar nicht erklären, wieso die Duchess ausgerechnet ihn auswählte. Als wäre er mit der Aufgabe womöglich überfordert!
Lady Mildred nickte knapp. In ihrem schmallippigen Lächeln lag nichts von der Herzlichkeit der Duchess. Aha, die Mutter des Bräutigams hatte also andere Pläne gehabt …
Du wirst schon sehen, dachte Mrs. Walker pikiert. Auch die Marchioness of Meadowby würde an Humphreys Trauung nichts auszusetzen haben. Dafür sorgte schon seine Ehefrau. Diese Hochzeit war sein Sprungbrett – auch wenn es ihm noch nicht bewusst zu sein schien.
Jetzt gingen die beiden Aristokratinnen in ihren schwarzen Witwenkleidern weiter. Gladys Walker atmete auf. Andere Kirchgänger rückten nach, um sich zu verabschieden.
»Ist das nicht eine wundervolle Nachricht, mein Engel?«, fragte der Pfarrer seine Gattin, als sich der Platz vor der Kirche geleert hatte.
»O ja. Und so verdient.« Sie nickte nachdrücklich. Höchste Zeit, sein Selbstbewusstsein zu stärken.
»Ich dachte, einer meiner namhaften Kollegen würde Lady Helena und Lord Vincent trauen. Ihre Familien haben doch bestimmt gute Beziehungen nach ganz oben.«
Mrs. Walker hakte sich bei ihrem Mann ein. »Nicht so bescheiden, Humphrey. Du bist zwar noch nicht lange Pfarrer in dieser Gemeinde, aber du hast offenbar schon den besten Eindruck hinterlassen. Meinen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung.«
»Ich danke dir, mein Engel. Und einen guten Eindruck konnte ich nur machen, weil du mir so aufopfernd den Rücken freihältst. Du führst unseren Haushalt, leitest den Chor, hast sogar den Streit zwischen Mrs. Lodge und Mrs. Buxton wegen des Blumenschmucks für den Altar geschlichtet … Manchmal frage ich mich, wie du das alles schaffst.«
Mit der freien Hand tätschelte sie seinen Arm. »Ich tue nur meine Pflicht, damit du dich auf deine seelsorgerischen Aufgaben konzentrieren kannst. So wie auf die bevorstehende Hochzeit. Sie wird das gesellschaftliche Ereignis in Südengland sein. Jede Menge namhafter Gäste werden kommen.«
»O ja. Und ich darf die Trauung vornehmen. Was für ein Glücksfall! Ich werde mich so richtig ins Zeug legen. Lady Helena und der Marquess sollen gern an ihre Hochzeit zurückdenken.«
»Unbedingt«, pflichtete Gladys Walker ihrem Gatten bei. »Zumal unter den Gästen bestimmt Leute sein werden, die etwas für die Karriere eines aufstrebenden Pfarrers tun können.«
Mr. Walker lächelte milde. »Du meinst es wirklich gut mit mir, mein Engel. Allerdings weiß ich gar nicht, ob eine Karriere das Richtige für mich wäre. Ich bin schon sehr gern ein ganz normaler Landpfarrer.«
»Natürlich, Humphrey. Du leistest ja auch hervorragende Arbeit. Deshalb bin ich sicher, dass du mit deinen außergewöhnlichen Fähigkeiten nicht nur hier viel Gutes stiften kannst.«
»Alles zu seiner Zeit«, meinte der Pfarrer vage. »Apropos: