Die Nacht des großen Sturms: Der aufstrebende Fürst 7 – Familienroman
Von Betsy Collins
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Über dieses E-Book
Das ist die spannende, prekäre Situation, wie sie sich zu Beginn dieser großherrschaftlichen Familiensaga um einen herausragenden, außergewöhnlichen Lord darstellt.
»Wie bitte? Sie wollen es mir nicht sagen, Peter? Ich höre wohl nicht recht!« Lady Mildred straffte die Schultern und bedachte den Diener mit ihrem strengsten Blick. Der junge Mann in Livree schwitzte Blut und Wasser. Auf einmal fühlte sich der zusammengerollte Teppich auf seiner Schulter zehnmal so schwer an. »Verzeihung, Mylady. Es ist wirklich nicht so, dass ich es Ihnen nicht sagen will. Ich darf nicht. Der Marquess hat es ausdrücklich verboten. Ich bitte vielmals um Entschuldigung.« Lady Mildred raffte den weiten Rock ihres schwarzen Witwenkleides und rauschte hocherhobenen Kopfes am Diener vorbei. »Das ist ja wohl die Höhe«, stieß sie auf dem Weg zum Frühstückszimmer hervor. Solange ihr ältester Sohn noch nicht geheiratet hatte, war sie die Marchioness of Meadowby. Die Herrin von Renwood Hall. Selbstverständlich hatte das Personal ihr Rede und Antwort zu stehen, wann immer sie es wünschte! Der Diener vor dem Frühstückszimmer verbeugte sich respektvoll und hielt Lady Mildred die Tür auf. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, trat sie ein. Ihr Erstgeborener und seine Schwester saßen bereits an der langen Tafel.
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Die Nacht des großen Sturms - Betsy Collins
Der aufstrebende Fürst
– 7 –
Die Nacht des großen Sturms
Betsy Collins
»Wie bitte? Sie wollen es mir nicht sagen, Peter? Ich höre wohl nicht recht!« Lady Mildred straffte die Schultern und bedachte den Diener mit ihrem strengsten Blick.
Der junge Mann in Livree schwitzte Blut und Wasser. Auf einmal fühlte sich der zusammengerollte Teppich auf seiner Schulter zehnmal so schwer an. »Verzeihung, Mylady. Es ist wirklich nicht so, dass ich es Ihnen nicht sagen will. Ich darf nicht. Der Marquess hat es ausdrücklich verboten. Ich bitte vielmals um Entschuldigung.«
Lady Mildred raffte den weiten Rock ihres schwarzen Witwenkleides und rauschte hocherhobenen Kopfes am Diener vorbei. »Das ist ja wohl die Höhe«, stieß sie auf dem Weg zum Frühstückszimmer hervor. Solange ihr ältester Sohn noch nicht geheiratet hatte, war sie die Marchioness of Meadowby. Die Herrin von Renwood Hall. Selbstverständlich hatte das Personal ihr Rede und Antwort zu stehen, wann immer sie es wünschte!
Der Diener vor dem Frühstückszimmer verbeugte sich respektvoll und hielt Lady Mildred die Tür auf. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, trat sie ein.
Ihr Erstgeborener und seine Schwester saßen bereits an der langen Tafel. Wilson, der Butler, stand am Sideboard mit den Speisen und vergewisserte sich, dass noch genügend knuspriger Bacon vorhanden war.
»Guten Morgen, Mutter«, grüßte Lord Vincent.
Lady Florence musste erst einen Bissen Honigtoast hinunterschlucken, bevor sie »Guten Morgen, Mama« sagen konnte.
»Guten Morgen, Mylady.« Wilson verbeugte sich. Dann rückte er den Stuhl seiner Herrin ein Stück vom Tisch zurück, damit sie bequem Platz nehmen konnte.
»Guten Morgen«, erwiderte Lady Mildred zuckersüß. Innerlich kochte sie. Ihr Sohn saß seelenruhig da und verspeiste ein Spiegelei mit Bacon, als könnte er kein Wässerchen trüben!
Und Lady Florence – wusste sie Bescheid? Jedenfalls hatte die Neunzehnjährige wieder mal viel zu viel Honig auf ihren gebutterten Toast gestrichen. Ein zäher goldfarbener Tropfen hing schon bedrohlich weit über eine Brotecke.
Die Marchioness nahm Platz. »Ich nehme Tee und Rührei mit gebratenen Pilzen.«
»Sehr wohl, Mylady.«
»Ist es heute eigentlich sehr kalt draußen, Wilson? Oder …« In gespieltem Entsetzen hielt sie sich eine Hand vor den Mund. »Dürfen Sie mir das womöglich gar nicht sagen? Ich möchte Sie auf keinen Fall in Verlegenheit bringen.«
Der Butler stockte verdutzt. »Mylady?«
»Ich meine ja nur.« Ärgerlich sah sie Lord Vincent an. »Auf dem Korridor bin ich eben Peter begegnet. Er trug einen zusammengerollten Teppich über der Schulter. Ich habe ihn gefragt, wohin er damit will. Er meinte, er dürfe es mir nicht sagen. Du hättest es ihm ausdrücklich verboten.«
Wilson zog sich diskret zum Sideboard zurück. Oje, dachte er.
»Vielleicht hast du ja das gesamte Personal angewiesen, Fragen von mir nicht mehr zu beantworten?«, schob Lady Mildred beleidigt hinterher. »Falls ja, kläre mich doch bitte auf. Dann spare ich mir meine ach so unwichtigen Fragen künftig.«
Der dunkelhaarige junge Fürst schüttelte den Kopf. »Darüber wollte ich ohnehin gleich mit dir sprechen. Florence und Wilson wissen schon Bescheid, denn …« Weiter kam er nicht.
»Aha. Mich braucht man wohl nicht mehr einzubeziehen. Ich werde das Regiment ja ohnehin bald an deine Verlobte übergeben. Du möchtest vermutlich, dass ich mich schon einmal an den Gedanken gewöhne.«
»… denn im Gegensatz zu dir waren sie gestern beim Dinner hier«, beendete Lord Vincent seinen Satz gelassen, als hätte seine Mutter ihn nicht unterbrochen. »Ich habe auf dich gewartet, aber der Liederabend bei Lady Dorothy war offenbar kurzweilig, und ich wollte heute mit den Arbeiten beginnen. Also habe ich entschieden, dich heute beim Frühstück zu informieren, und bin zu Bett gegangen.«
Der Liederabend … Ja, es war gestern tatsächlich spät geworden. Sehr spät sogar. Aber Lady Dorothy hatte den skandalösen Ehekrach zwischen den Everton-Palmers aus nächster Nähe mitbekommen. Und nach dem zweiten Gläschen Portwein war sie überaus gesprächig geworden. Aus dem Grund hatte die Marchioness of Meadowby erst kurz vor Mitternacht die Heimfahrt angetreten. Konnte man es ihr verdenken?
»Welche Arbeiten denn?«, fragte sie, um von ihrer späten Heimkehr abzulenken. Huldvoll nickte sie Wilson zu, der ihr jetzt das Frühstück servierte.
»Ich richte ein Zimmer für Lady Helena im zweiten Stock ein. Dafür ist unter anderem der Teppich bestimmt, den Peter getragen hat.«
Lady Mildred zog die Brauen hoch. »Ich bin davon ausgegangen, dass Lady Helena nach der Hochzeit die Suite neben deiner bezieht. Im ersten Stock.«
»Das wird sie auch tun. Darüber hinaus richte ich für sie ein Zimmer her. Das frühere Atelier von Großmutter Lydia.«
Atelier – wie das klang! Als hätte Lady Mildreds Schwiegermutter eine künstlerische Ader besessen. Was definitiv nicht der Fall war. Natürlich hatte die Marchioness die Kritzeleien ihrer Schwiegermutter stets wortreich bewundert. So gehörte es sich ja auch für eine pflichtbewusste Schwiegertochter.
»Tatsächlich?« Sie trank einen Schluck Tee. »Ich wusste gar nicht, dass deine Verlobte auch ein Faible für die Malerei hat.«
»Wie Lady Helena das Zimmer nutzt, bleibt ihr überlassen«, erwiderte Lord Vincent ausweichend. »Auf jeden Fall ist dieses Zimmer zu ihrer alleinigen Nutzung bestimmt. Sie soll sie sich dorthin zurückziehen können, wann immer sie es wünscht. Es soll eine Überraschung werden. Deshalb habe ich Florence genau wie das Personal um Stillschweigen gebeten. Und nun bitte ich auch dich darum, Mutter. Ich kann mich doch auf dich verlassen?«
»Selbstverständlich. Ich werde dein Geheimnis hüten. Nun weiß ich ja, was es damit auf sich hat, wenn unser Personal Möbel oder Teppiche durch das Haus trägt. Ich wünsche dir, dass Lady Helena deine Überraschung zu schätzen weiß.«
»Danke.« Lord Vincent aß ein Stück Bacon.
»Allerdings hoffe ich, deine zukünftige Gattin wird sich nicht genötigt sehen, sich in ein privates Zimmer zurückziehen zu müssen. Schließlich empfangen wir sie in Renwood Hall mit offenen Armen, nicht wahr? Sie dürfte keinen Grund haben, vor uns flüchten zu wollen.«
»Von Flucht kann keine Rede sein«, stellte der junge Fürst klar. »Ich finde es wichtig, dass man auch mal allein sein kann, wenn einem danach ist. Um in Ruhe nachzudenken, zum Beispiel. So, wie ich es in meinem Arbeitszimmer tun kann.«
»Und ich in meinem«, ergänzte Lady Florence. »Sehr praktisch. Wenn ich dort bin, platzt niemand mit dem Bedürfnis nach einem Schwatz herein. Ich kann mich ganz auf die Arbeit konzentrieren.«
»Du hast ein Arbeitszimmer?«, fragte Lady Mildred erstaunt. Sie spießte einen gebratenen Pilz auf ihre silberne Gabel.
Lady Florence seufzte leise. Nun unterstützte sie ihren Bruder schon seit Monaten bei der Verwaltung der Ländereien von Renwood Hall. Würde ihre Mutter das irgendwann zur Kenntnis nehmen?
Vermutlich nicht. Die Marchioness fand es ebenso überflüssig wie unangemessen für eine Aristokratin, sich mit Ackerbau und Viehzucht zu beschäftigen. Sie blendete das Thema einfach aus. »Ja, Mama«, antwortete Lady Florence resigniert. »Das ehemalige Ankleidezimmer, das an meine Suite grenzt.«
»So? Nun, Zimmer gibt es in unserem Haus zum Glück ja mehr als genug. Für jeden Zweck und jeden Geschmack, möchte ich behaupten. Ich persönlich habe es nie für nötig befunden, mir ein Zimmer für meine Arbeit einzurichten. Oder eins, das zu meiner alleinigen Nutzung bestimmt ist. Aber vielleicht sollte ich mit der Zeit gehen?«
Lady Florence und ihr Bruder wechselten rasch einen Blick. Die Marchioness of Meadowby registrierte ihn nicht. Sie war vollauf damit beschäftigt, sich zu bedauern. Leider wussten ihre Kinder ihre Anstrengungen für Renwood Hall nicht zu schätzen.
Es war keine Kleinigkeit, Dinnerpartys, Sommerfeste und Geburtstagsfeiern zu arrangieren. Dafür zu sorgen, dass mehrmals am Tag wohlschmeckende und abwechslungsreiche Speisen in ausreichender Menge auf dem Tisch standen. Mindestens einmal im Monat lange Gespräche mit der Schneiderin zu führen, damit die Damen des Hauses stets wie aus dem Ei gepellt waren. Dafür