Der junge Fürst 5 – Familienroman: Die verschollenen Briefe
Von Betsy Collins
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Über dieses E-Book
Das ist die spannende, prekäre Situation, wie sie sich zu Beginn dieser großherrschaftlichen Familiensaga um einen herausragenden, außergewöhnlichen Lord darstellt.
»Mumienbraun.« Ehrfürchtig hielt Lady Josephine das Fläschchen Ölfarbe gegen das Licht. »Davon habe ich schon so viel gehört. Es soll ein unvergleichlich sattes Tiefbraun auf die Leinwand zaubern.« »Ich freue mich, dass Sie nun Gelegenheit haben, das selbst zu beurteilen«, sagte Frederick Chester mit Genugtuung. »Was für ein wunderbares Geschenk.« Lady Josephine ließ das Fläschchen sinken und strahlte den jungen Textilfabrikanten an. »Tausend Dank, Mr. Chester. Sie hätten mir gar keine schönere Überraschung bereiten können.« Er neigte den Kopf. »Ich weiß ja, wie gern – und gut – Sie malen.« »Oh, gern schon«, meinte die Achtzehnjährige bescheiden. »Aber gut … Bevor ich das von mir behaupten darf, habe ich noch sehr viel zu lernen.« Die Antwort gefiel Frederick Chester. Genau wie die Person, von der sie stammte. Lady Josephine zeigte sich angemessen dankbar und wertschätzend. Außerdem spielte sie ihr offenkundiges Talent herunter, also hatte sie keine Flausen im Kopf.
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Der junge Fürst
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Buchvorschau
Der junge Fürst 5 – Familienroman - Betsy Collins
Der junge Fürst
– 5 –
Die verschollenen Briefe
Lady Florence in Herzensnöten und eine Mumie in Westgrove House …
Betsy Collins
»Mumienbraun.« Ehrfürchtig hielt Lady Josephine das Fläschchen Ölfarbe gegen das Licht. »Davon habe ich schon so viel gehört. Es soll ein unvergleichlich sattes Tiefbraun auf die Leinwand zaubern.«
»Ich freue mich, dass Sie nun Gelegenheit haben, das selbst zu beurteilen«, sagte Frederick Chester mit Genugtuung.
»Was für ein wunderbares Geschenk.« Lady Josephine ließ das Fläschchen sinken und strahlte den jungen Textilfabrikanten an. »Tausend Dank, Mr. Chester. Sie hätten mir gar keine schönere Überraschung bereiten können.«
Er neigte den Kopf. »Ich weiß ja, wie gern – und gut – Sie malen.«
»Oh, gern schon«, meinte die Achtzehnjährige bescheiden. »Aber gut … Bevor ich das von mir behaupten darf, habe ich noch sehr viel zu lernen.«
Die Antwort gefiel Frederick Chester. Genau wie die Person, von der sie stammte. Lady Josephine zeigte sich angemessen dankbar und wertschätzend. Außerdem spielte sie ihr offenkundiges Talent herunter, also hatte sie keine Flausen im Kopf. Sie würde nicht versuchen, sich in den Vordergrund zu spielen, sondern ihrem Ehemann das Glänzen überlassen.
»Ihr Streben, sich zu verbessern, ehrt Sie. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich darf mich wohl mit Fug und Recht strebsam nennen. Diese Tugend hat mir schon viel Glück gebracht.«
»Das Glück des Tüchtigen.«
In Lady Josephines Stimme schwang so viel Bewunderung mit, dass die Duchess of Parbrooke beinahe unmerklich die Augen verdrehte. Sie hatte ihre drei Töchter zu selbstbewussten Persönlichkeiten erzogen. Und mit welchem Ergebnis? Josephine stellte ihr Licht unter den Scheffel! Obendrein himmelte sie den Besucher unverhohlen an. Aber Mr. Chester würde sein blaues Wunder erleben, wenn er sie zu seiner Ehefrau machte.
Denn das wollte er gewiss, sonst würde er nicht ständig in Axbury Manor aufkreuzen. Vermutlich hielt er erst um Josephines Hand an, wenn das Trauerjahr für ihren Vater endete. In dieser Hinsicht war der Gute bemerkenswert altmodisch, fand die Duchess. Wie viele Neureiche, die sich starr an die Gepflogenheiten der feinen Gesellschaft hielten, zu der sie so gern gehören wollten. Dabei übersahen sie, dass manches früher eherne Gesetz heute, im Jahr 1838, nicht mehr in Stein gemeißelt war.
Wie lange er wohl brauchte, um festzustellen, dass seine Auserkorene beileibe nicht so sanftmütig und bescheiden war, wie sie sich ihm präsentierte? Mitleid empfand die Duchess allerdings keines. Mr. Chester stammte aus kleinen Verhältnissen und hatte sich ein Vermögen erarbeitet. Was er aus eigener Kraft erreichen konnte, hatte er erreicht. Nun sollte ihm eine aristokratische Gattin den Zugang zur besseren Gesellschaft sichern.
Er war Geschäftsmann. Wie ein neues unternehmerisches Projekt plante er auch die Wahl seiner Gattin. Liebe tat dabei nichts zur Sache. Deshalb hatte er seine Aufmerksamkeit ja auch Josephine schenken können, kurz nachdem ihre ältere Schwester ihm einen Korb gegeben hatte. Ja, am selben Tag sogar noch! Wer derart kalkulierend an die Ehe heranging, verdiente kein Mitleid. Erst recht nicht, wenn fast jeder seiner Sätze mit dem Wort ›Ich‹ begann.
»Ist es wirklich wahr, dass die Farbe aus ägyptischen Mumien gemacht wird?«, fragte Lady Josephine den Besucher, der auf dem zierlichen Sofa im Grünen Salon ein wenig deplatziert wirkte. Sie vermutete, dass ihre Mutter ihm absichtlich diesen Platz zugewiesen hatte. Die Duchess of Parbrooke brachte ihre Mitmenschen gern aus dem Konzept. Angesichts des Ungewohnten offenbarten sie ihr wahres Gesicht, pflegte sie zu sagen.
Frederick Chester nickte entschieden. »Oh ja. Ich habe die Farbe bei einem absolut vertrauenswürdigen Händler erworben. Ich lege meine Hand für den Mann ins Feuer.«
»Wie aufregend! Ich habe mehrmals versucht, Mumienbraun zu kaufen. Leider stets ohne Erfolg. Die Farbe ist so begehrt, dass mich die Lieferanten immer wieder vertröstet haben.«
»In der Tat ist sie nicht leicht zu bekommen. Ich dachte mir schon, dass eine passionierte Malerin wie Sie Mumienbraun gebrauchen kann. Ich habe deshalb keine Sekunde gezögert, als mir ein Bekannter erzählte, wo gerade eine Lieferung eingetroffen ist.«
»Sie sind zu gütig. Ich schätze mich wirklich glücklich, diese exquisite Farbe nun zu besitzen – dank Ihrer Großzügigkeit, Mr. Chester.«
Zufrieden hob er die fast beängstigend dünne Porzellantasse und trank einen Schluck Tee. Wie sehr unterschied sie sich doch von den robusten Bechern, aus denen er in seiner Kindheit und Jugend getrunken hatte. »Ich freue mich, dass Sie Verwendung dafür haben, Lady Josephine.«
»Noch heute werde ich mir überlegen, für welches Motiv das Mumienbraun am geeignetsten ist.« Sie neigte den Kopf in einem ganz bestimmten Winkel und lächelte den Fabrikanten an. Diese Pose brachte ihre Gesichtszüge und den schlanken Hals optimal zur Geltung, wie sie vom Ausprobieren vor dem Spiegel wusste.
Erwartungsgemäß fand Frederick Chester den Anblick zauberhaft. Es war überaus angenehm, in Lady Josephines große braune Augen zu schauen. Er fühlte sich in seinem Urteil bestätigt: Diese Frau würde eine exzellente Gattin für ihn abgeben.
Ursprünglich hatte er einkalkuliert, sich mit der Tochter eines Barons, dem niedrigsten Titel in der aristokratischen Rangfolge, begnügen zu müssen. Lieber hätte er natürlich in die Familie eines Viscounts eingeheiratet. Auch das erschien ihm angesichts seines beträchtlichen Vermögens machbar. Doch nun war sogar die Tochter eines Duke in greifbarer Nähe! Ein Duke kam direkt nach der königlichen Familie. Das überstieg alles, was Mr. Chester realistischerweise hatte erhoffen dürfen. Die beste Partie, die man sich denken konnte.
Eine Hochzeit mit Lady Josephine garantierte ihm Aufnahme in die vornehmsten Kreise des Königreiches. In jene Elite, der er sich wegen seiner unternehmerischen Leistungen zugehörig fühlte, die ihm aber ohne eine adelige Gattin versperrt blieb.
»Ich bin gespannt, für welches Motiv Sie sich entscheiden, Lady Josephine«, sagte er. »Und natürlich auf das Ergebnis.«
Frederick Chester hatte schon immer einen ausgeprägten Instinkt für den richtigen Zeitpunkt gehabt. Jetzt war der Moment da, um sein Ass aus dem Ärmel zu ziehen. Keine Frage, die Duchess of Parbrooke und ihre Tochter würden begeistert sein.
Lässig zog er eine elfenbeinfarbene Karte aus der Innentasche seines maßgeschneiderten schwarzen Jacketts. Mit einer angedeuteten Verbeugung reichte er sie der Duchess. »Ich möchte mir erlauben, Euer Gnaden … Eine Einladung zu einem Abend der besonderen Art in Westgrove House. Für Sie, und natürlich auch für Ihre drei Töchter.«
Constance Parbrooke schluckte elegant den Rest ihres Gurkensandwiches herunter. »Ein Abend der besonderen Art?« Sie nahm die Karte. »Das klingt aber spannend.«
»Ich verspreche nicht mehr, als ich halten kann, Euer Gnaden«, beteuerte der Fabrikant selbstbewusst.
Die Duchess lächelte unverbindlich und senkte den Blick auf die Karte.
Lady Josephine schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Hoffentlich legte ihre Mutter eine angemessene Begeisterung an den Tag. Unabhängig davon, was in der Einladung stand. Die Duchess hatte ihren Töchtern versprochen, sich bei der Wahl ihrer Ehemänner nicht einzumischen. Sie würde Mr. Chester doch nicht mit einer herablassenden Bemerkung verärgern?
Jetzt hob sie die tizianroten Brauen. »Eine Mumienparty«, las sie laut vor.
Lady Josephine schnappte nach Luft. »Eine Mumienparty! Das ist ja wirklich etwas ganz Besonderes. Richtig, Mama?«
»Durchaus. Sie haben tatsächlich nicht zu viel versprochen, Mr. Chester.«
Er lächelte zufrieden. »Ich hoffe doch, Sie haben nichts anderes von mir erwartet, Euer Gnaden.«
»Ach, wissen Sie, wir beide kennen einander bisher ja eher flüchtig. Und ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, keine Vorschusslorbeeren zu vergeben.«
Frederick Chesters Lächeln wurde starr. »Ich verstehe. Und ich teile Ihre Meinung, Euer Gnaden: Es ist unklug, Vorschusslorbeeren zu vergeben. Glücklicherweise bin ich nicht auf so etwas angewiesen. Ich überzeuge durch Taten. Mit der Zeit garantiert auch Sie.«
»Ganz gewiss, Mr. Chester«, versicherte Lady Josephine eifrig. »Sie sind auf dem besten Wege, sonst würde Mama nicht so offen mit Ihnen reden. Eine Mumienparty!« Entzückt klatschte sie in die Hände. »Sagen Sie: Werden Sie allen Ernstes eine echte ägyptische Mumie in Westgrove House haben?«
»Absolut. Ich darf