Kleine Hoheit träumt von der Liebe: Karin Bucha Classic 61 – Liebesroman
Von Karin Bucha
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Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht.
Noch liegt über der Hofburg und dem Land Tamarkoff tiefe Trauer. Seit einem Vierteljahr ruht der regierende Fürst Ferdinand Alexander von Tamarkoff in der Gruft der Hofburg bei seinen Ahnen. Die blutjunge Kronprinzessin Patricia von Tamarkoff soll demnächst zur Fürstin gekrönt werden. Sie leidet schwer unter dem Verlust des geliebten und verehrten Vaters. Er war nicht gerade ein bequemer Vater, aber alles, was er für seine einzige Tochter bestimmte, sollte ihr zum Besten dienen. Sie mußte für das gewiß nicht leichte Amt einer regierenden Fürstin sorgfältig vorbereitet sein. Die tüchtigsten Lehrer und Erzieherinnen hatten die junge Prinzessin geformt und ihr all das beigebracht, was sie unbedingt beherrschen mußte, wollte sie eine kluge Regentin werden. Nur etwas hatte der verstorbene Fürst nicht bedacht: daß diese Erziehung eine sehr einseitige gewesen war, geprägt von den starren Regeln einer jahrhundertealten, verstaubten Tradition. Auf Schritt und Tritt bewacht und kontrolliert, ist Kronprinzessin Patricia zu einem Wesen herangewachsen, das keine Ahnung hat, was Jugend und Frohsinn bedeuten. Vielleicht vermißt sie es auch nicht? Einfach deshalb, weil sie es nicht anders kennt? Von alten schrulligen Hofdamen umgeben, die zwar dem Hochadel angehören, aber in längst überholten Ansichten und Anschauungen leben, sieht man sie kaum lachen. Auch Amalia Gräfin von Ellersiek, die langjährige Vertraute der Kronprinzessin, die Mutterstelle an ihr vertreten hat und die Patricia von ganzem Herzen liebt, weicht in ihren Anschauungen von der übrigen Umgebung keinesfalls ab. Sie greift tief in das Leben der jungen Prinzessin ein. Sie bestimmt die Kleidung, sie bestimmt den Tagesablauf, ja, sie bestimmt den Umgang und die Lektüre, die für die Prinzessin geeignet scheinen. Aber eines Tages beginnt die Kronprinzessin zu rebellieren. Anstoß dazu gibt ein harmloses Modeheft, das sie zufällig in den Händen ihrer Zofe Wanda sieht und an sich nimmt. Mit ihrer Beute kehrt sie in ihren Salon zurück und blättert eifrig darin. Ihre Wangen, sonst meist blaß, beginnen zu glühen. Was sind da für entzückende, farbenfreudige und duftige Kleider abgebildet!
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Kleine Hoheit träumt von der Liebe - Karin Bucha
Karin Bucha Classic
– 61 –
Kleine Hoheit träumt von der Liebe
Karin Bucha
Noch liegt über der Hofburg und dem Land Tamarkoff tiefe Trauer. Seit einem Vierteljahr ruht der regierende Fürst Ferdinand Alexander von Tamarkoff in der Gruft der Hofburg bei seinen Ahnen.
Die blutjunge Kronprinzessin Patricia von Tamarkoff soll demnächst zur Fürstin gekrönt werden. Sie leidet schwer unter dem Verlust des geliebten und verehrten Vaters. Er war nicht gerade ein bequemer Vater, aber alles, was er für seine einzige Tochter bestimmte, sollte ihr zum Besten dienen. Sie mußte für das gewiß nicht leichte Amt einer regierenden Fürstin sorgfältig vorbereitet sein. Die tüchtigsten Lehrer und Erzieherinnen hatten die junge Prinzessin geformt und ihr all das beigebracht, was sie unbedingt beherrschen mußte, wollte sie eine kluge Regentin werden.
Nur etwas hatte der verstorbene Fürst nicht bedacht: daß diese Erziehung eine sehr einseitige gewesen war, geprägt von den starren Regeln einer jahrhundertealten, verstaubten Tradition.
Auf Schritt und Tritt bewacht und kontrolliert, ist Kronprinzessin Patricia zu einem Wesen herangewachsen, das keine Ahnung hat, was Jugend und Frohsinn bedeuten. Vielleicht vermißt sie es auch nicht? Einfach deshalb, weil sie es nicht anders kennt?
Von alten schrulligen Hofdamen umgeben, die zwar dem Hochadel angehören, aber in längst überholten Ansichten und Anschauungen leben, sieht man sie kaum lachen.
Auch Amalia Gräfin von Ellersiek, die langjährige Vertraute der Kronprinzessin, die Mutterstelle an ihr vertreten hat und die Patricia von ganzem Herzen liebt, weicht in ihren Anschauungen von der übrigen Umgebung keinesfalls ab. Sie greift tief in das Leben der jungen Prinzessin ein. Sie bestimmt die Kleidung, sie bestimmt den Tagesablauf, ja, sie bestimmt den Umgang und die Lektüre, die für die Prinzessin geeignet scheinen.
Aber eines Tages beginnt die Kronprinzessin zu rebellieren.
Anstoß dazu gibt ein harmloses Modeheft, das sie zufällig in den Händen ihrer Zofe Wanda sieht und an sich nimmt.
Mit ihrer Beute kehrt sie in ihren Salon zurück und blättert eifrig darin. Ihre Wangen, sonst meist blaß, beginnen zu glühen. Was sind da für entzückende, farbenfreudige und duftige Kleider abgebildet! Kleider, die sie niemals zu Gesicht bekommen hat, viel weniger jemals hat tragen dürfen. Kostüme, vornehm geschnitten, mit engen und auch mit schwingenden Röcken. Und dann die Abendroben! Nicht auszudenken, daß man so etwas Wunderschönes selbst besitzen dürfte.
Gewiß, die Roben, die sie bei passenden Gelegenheiten anziehen muß, sind von kostbarstem Stoff, aus wertvollstem Material. Aber die sie hier abgebildet sieht, sind wie bezaubernde Gemälde.
Blitzschnell geht Patricia in Gedanken ihre Garderobe durch, und sie hat auf einmal das Gefühl, daß alle ihre Kleider wie Uniformen sind, alle von einem Schnitt, alle über einen Leisten geschlagen.
»Aber Hoheit…«
Gräfin Ellersiek ist unverhofft vor der Kronprinzessin aufgetaucht, so daß diese erschrocken zusammenfährt.
Die Gräfin ist eine imposante Erscheinung, mit noch reichem weißem Haar, das sie hochgetürmt trägt. In ihren Augen steht viel mütterliche Güte, jetzt jedoch ein Ausdruck des Vorwurfs.
»Was haben Hoheit für eine Zeitschrift in der Hand?«
Patricia hebt den Kopf. Ernst und groß ruht ihr Blick auf dem Gesicht der Gräfin. Es sind Augen von einem geradezu unwahrscheinlichen Blau, in einen Kranz von dichten schwarzen Wimpern gebettet. Die feingezeichneten Brauen haben sich unmutig zusammengezogen.
»Das ist ein Modeheft, Gräfin«, sagt sie gelassen und blättert weiter.
»Wer… wer hat das Hoheit gegeben?« Die Stimme der Gräfin klingt heiser vor Schreck.
»Niemand, Gräfin. Das habe ich mir genommen.«
»Genommen?« fragt die Gräfin entsetzt.
»Sehr richtig, Gräfin, genommen, einfach genommen, ohne Sie zu fragen.« Patricias Augen funkeln angriffslustig.
»Aber, Hoheit…«
Prinzessin Patricia ist ein sehr verträgliches, liebenswürdiges Menschenkind, und alle mögen sie. Sie ist weder herrisch noch hochmütig, doch im Augenblick reizt sie die Art der Gräfin zum Widerspruch.
»Bitte erklären Sie mir, weshalb Sie sich erregen, Gräfin.«
»Es ist unmöglich, solche Zeitschriften anzusehen, Hoheit. Bis jetzt habe ich Ihnen den Lesestoff ausgesucht, und Sie waren immer damit zufrieden…«
»Sehr richtig, Gräfin, ich war«, unterbricht die Prinzessin die Gräfin. »Jetzt bin ich es nicht mehr. In Zukunft werde ich mir den Lesestoff selbst aussuchen. Ich habe schon lange den Wunsch, einige Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt zu besitzen. Und Sie werden sie mir besorgen lassen.«
»Aber, Hoheit…«
Abwehrend hebt die Prinzessin die Hand.
»Hören Sie endlich mit dem albernen ›aber Hoheit‹ auf! Langsam geht mir das auf die Nerven.«
»Patricia, Kind…« Unwillkürlich fällt die Gräfin in den vertrauten Ton. Sie läßt sich in einen Sessel nieder. Entgeistert starrt sie die Prinzessin an. Wann hat ihr Schützling einmal in diesem Ton zu ihr gesprochen? Sie kennt von der Prinzessin nur bedingungslosen Gehorsam. »Was ist denn in dich gefahren, Patricia? So kenne ich dich doch gar nicht.«
Langsam erhebt sich die Kronprinzessin, geht ein paarmal durch das Zimmer. Sie ist sehr nachdenklich, und die Gräfin wagt die Prinzessin nicht zu stören. Endlich bleibt Patricia abrupt stehen.
»Bitte, Gräfin, hören Sie mir einmal genau zu.« Sie läßt eine kurze Pause eintreten, als wolle sie ihren Worten die nötige Wirkung verleihen. Man sieht ihrem blassen, beherrschten Gesicht nicht an, daß ihr Herz heftig klopft. Aber sie muß sich überwinden, sie muß einfach den Mut aufbringen, ihren Willen durchzusetzen. »In einigen Wochen werde ich gekrönt, dann bin ich regierende Fürstin. Bis zu seinem Tod habe ich meinem Vater und all denen, die er mir zur Seite gestellt hatte, blind gehorcht. Meinen Sie nicht auch, Gräfin, daß diese Zeit vorbei ist?«
Herausfordernd, tiefernst schaut die Prinzessin auf die Frau, die sie jahrelang geleitet hat; und ehrlich wie sie ist, muß sie zugeben, mit viel Liebe und Güte. Dafür ist sie ihr auch von Herzen dankbar.
»Was… was ist vorbei, Hoheit?« stammelt die Gräfin. Sie hat das Gefühl, als würde der Boden unter ihr wanken. »Welche Zeit?«
»Die Zeit des blinden Gehorsams ist vorbei. Jetzt gebe ich die Anweisungen, und ich verlange, daß man sie ausführt! Haben Sie mich soweit verstanden, Gräfin?«
Sie läßt ein paar Sekunden verstreichen, und als die vor ihr Sitzende noch nach Worten ringt, fährt die Prinzessin fort: »Nehmen Sie meinen ersten Wunsch zur Kenntnis, Gräfin. Stellen Sie eine Liste einiger jungen Damen aus unseren Kreisen auf. Ich wünsche mir eine gleichaltrige Gesellschafterin und Freundin. Aber sie darf nicht ein Jahr älter sein als ich. Die jungen Damen sollen sich, sagen wir, übermorgen zwischen elf und zwölf Uhr vorstellen. Danke, Gräfin, das wäre es erst einmal.«
Sie neigt den Kopf und verläßt schnell den Salon, um hinüber in ihr Arbeitszimmer zu gehen, das neben dem ehemaligen Arbeitskabinett ihres verstorbenen Vaters liegt.
Lange steht sie, tief in Gedanken versunken am Fenster. –
Gräfin Ellersick ist wohl noch nie in einem so schnellen Tempo die Flure und Treppen im Schloß entlang geeilt wie jetzt. Sie reißt die Tür zum Vorzimmer des Grafen Blühen auf und befiehlt dem anwesenden Diener.
»Melden Sie mich dem Minister.«
»Der Minister läßt bitten.« Weit öffnet der Diener vor der Gräfin die Tür.
Die Gräfin stürmt förmlich in das Arbeitszimmer.
»Palastrevolution, Graf, Palastrevolution!« stößt sie atemlos hervor.
»Nanu, Gräfin!« Graf Blühen kommt um seinen Schreibtisch herum und weist auf einen Sessel. »Sie sind ja ganz aufgeregt. Was ist denn los?«
»Sie werden es gleich hören, Graf, es ist furchtbar.« Die Gräfin läßt sich nieder und atmet tief ein und aus. »Die Kronprinzessin…«
»Ist sie krank?« wirft Graf Blühen ein.
»Ach wo, sie erfreut sich bester Gesundheit!« Und dann berichtet sie mühsam beherrscht von der Unterredung mit Patricia.
Eine Weile bleibt es still. Der Graf hat sich wieder auf seinen Platz hinter dem Schreibtisch gesetzt. Die Gräfin starrt den Mann entgeistert an.
»Sie sagen nichts dazu, Graf?«
»Dazu habe ich sehr viel zu sagen, Gräfin«, erwidert er. Um seinen Mund steht ein kleines Lächeln. »Wir haben beide einen großen Fehler begangen…«
»Ich bitte Sie, Graf!« fällt sie ihm in die Rede. Er hebt die Hand.
»Lassen Sie mich aussprechen, Gräfin. Wir haben beide vergessen, daß die Kronprinzessin ein blutvoller Mensch ist, eine Frau, ein junges Mädchen. Unser verstorbener Fürst hat seine Tochter sehr streng erziehen lassen. Sie hat weniger Bewegungsfreiheit gehabt als das einfachste Bauernmädchen. Erstaunt es Sie, Gräfin, wenn die Kronprinzessin sich gegen diesen Zwang auflehnt? Mich nicht! Es ist endlich an der Zeit, daß die Prinzessin ihren Willen durchsetzt, und das ist ganz in Ordnung.«
»In Ordnung finden Sie das, Graf?« Die Gräfin ringt die Hände.
»Es ist die natürliche Reaktion, Gräfin«, fährt er in seiner ruhigen, gemessenen Art fort. »Wenn die Kronprinzessin eine junge Begleiterin wünscht, dann bitte, kommen Sie diesem Befehl nach.