Denn das Schicksal bestimmt: Karin Bucha Classic 44 – Liebesroman
Von Karin Bucha
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Über dieses E-Book
Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht.
Seit zwei Tagen schon – vor vier Tagen hat Kunsthändler Freiburg in seinen privaten Räumen die Ausstellung eröffnet – sitzt Albert Tressler vor dem Gemälde »Mädchen mit Rose«. Es ist ein langgestreckter, unterteilter Raum, und am Ende, in einer Nische, getrennt durch eine grüne, geraffte Samtportiere, hängt das am meisten belagerte Bild. Rechts davon steht eine Bodenvase mit den schönsten Blumen, und etwas in die Ecke gerückt, steht ein Sessel, auf dem Albert Tressler sitzt, von den wenigsten beachtet. Alle nimmt die Schönheit des Gemäldes gefangen. Albert Tressler wendet keinen Blick von dem Bild. Er murmelt Worte vor sich hin, die kaum verständlich sind. »Julietta! Es ist Julietta!« flüstert er, und dann wieder überkommen ihn Zweifel. Die Augen des Mädchens auf dem Bilde sind von tiefstem Veilchenblau. Julietta hatte große samtdunkle Augen. Auch kann er sich nicht entsinnen, daß seine Frau sich jemals hätte malen lassen. Vielleicht vor ihrer Hochzeit? Fragen über Fragen überfallen ihn, und keine einzige kann er sich beantworten. Mühsam erhebt er sich, strafft die hohe Gestalt mit dem markanten Gesicht, den lichtblauen Augen und dem schlohweißen Haar und verläßt als letzter die Ausstellung. Axel Römer heißt der Maler. Kein anderer als der Kunsthändler Freiburg kann ihm Auskunft geben, zu dem ihn jetzt sein Weg führt. Juliane Bohlen stürmt die teppichbelegte Freitreppe empor, wo sich die Privaträume befinden. Beinahe hätte sie das Hausmädchen Vera überrannt. »Ist mein Vater im Hause?«
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Denn das Schicksal bestimmt - Karin Bucha
Karin Bucha Classic
– 44 –
Denn das Schicksal bestimmt
Karin Bucha
Seit zwei Tagen schon – vor vier Tagen hat Kunsthändler Freiburg in seinen privaten Räumen die Ausstellung eröffnet – sitzt Albert Tressler vor dem Gemälde »Mädchen mit Rose«.
Es ist ein langgestreckter, unterteilter Raum, und am Ende, in einer Nische, getrennt durch eine grüne, geraffte Samtportiere, hängt das am meisten belagerte Bild. Rechts davon steht eine Bodenvase mit den schönsten Blumen, und etwas in die Ecke gerückt, steht ein Sessel, auf dem Albert Tressler sitzt, von den wenigsten beachtet. Alle nimmt die Schönheit des Gemäldes gefangen.
Albert Tressler wendet keinen Blick von dem Bild. Er murmelt Worte vor sich hin, die kaum verständlich sind.
»Julietta! Es ist Julietta!« flüstert er, und dann wieder überkommen ihn Zweifel.
Die Augen des Mädchens auf dem Bilde sind von tiefstem Veilchenblau. Julietta hatte große samtdunkle Augen. Auch kann er sich nicht entsinnen, daß seine Frau sich jemals hätte malen lassen. Vielleicht vor ihrer Hochzeit?
Fragen über Fragen überfallen ihn, und keine einzige kann er sich beantworten.
Mühsam erhebt er sich, strafft die hohe Gestalt mit dem markanten Gesicht, den lichtblauen Augen und dem schlohweißen Haar und verläßt als letzter die Ausstellung.
Axel Römer heißt der Maler. Kein anderer als der Kunsthändler Freiburg kann ihm Auskunft geben, zu dem ihn jetzt sein Weg führt.
*
Juliane Bohlen stürmt die teppichbelegte Freitreppe empor, wo sich die Privaträume befinden. Beinahe hätte sie das Hausmädchen Vera überrannt. Sie stoppt ihren Lauf und fragt atemlos:
»Ist mein Vater im Hause?«
»Ja, Herr Bohlen ist vor ungefähr einer Viertelstunde heimgekommen und befindet sich in seinem Arbeitszimmer.«
»Danke!«
Juliane hetzt weiter. Ohne anzuklopfen, tritt sie in das Zimmer ihres Vaters.
Armin Bohlen, noch nicht fünfzig Jahre alt, stattlich, gepflegt und gutaussehend, blickt bei Julianes Eintritt von seiner Arbeit auf.
»Vater!« Sie wirft sich ihm an den Hals. »Väterchen! Freiburg hat mein Bild ausgestellt«, schluchzt sie. »Alle können es sehen. Alle begaffen es. Hast du davon gewußt?«
Behutsam löst er ihre Arme von seinem Hals und sieht sie bestürzt an.
»Das kann doch nicht möglich sein, Kind! Er hat mir versprochen, das
Bild nicht auszustellen. Beruhige dich, Juliane. Das werde ich in Ordnung bringen. Es muß sofort verschwinden!«
»Es ist gemein«, stößt Juliane zitternd vor Erregung hervor. »Hätte ich nur nicht meine Zusage zu den Sitzungen gegeben! Ob Axel Römer dahintersteckt?«
»Das werde ich in Erfahrung bringen«, erwidert Armin Bohlen, den man allgemein den Gummireifen-König nennt, und dessen Vermögen stattlich ist.
»Warum weinst du so sehr? Jede andere Frau wäre beglückt, so viel Bewunderer zu finden –«
Sie legt den Kopf in den Nacken.
»Du heißt es gut, Vater?«
Er schüttelt heftig den Kopf. »Keineswegs, Kind. Ich bin genauso empört wie du. Das war auch nicht ausgemacht. Ich wollte das Bild für mich haben.«
Sie lächelt ihn unter Tränen erlöst an. »Dann ist es gut. Du wirst die Sache bereinigen, nicht wahr?«
»Worauf du dich verlassen kannst«, sagt er grimmig. Ihm ist es so wenig recht wie Juliane. Gerade ist sie aus der Schweiz zurückgekehrt, wo sie eine gute Erziehung genossen hat, und noch ehe er sie in die Gesellschaft eingeführt hat, muß die dumme Geschichte passieren. Auch aus einem anderen Grund ist sie ihm höchst unangenehm, aber das verschweigt er Juliane.
*
Albert Tressler steht vor dem Kunsthändler, einem mittelgroßen Mann mit einem durchgeistigten Gesicht, der überall Sympathien hat.
»Es tut mir wirklich leid, daß ich Ihnen über dieses Bild keine Auskunft geben kann. Es ist mir verboten worden.«
Schon eine ganze Weile hat er auf den Kunsthändler eingesprochen, ohne zu einem Ziel zu gelangen. Er stößt immer wieder auf dessen Wider-
stand.
»Ich habe ein ganz persönliches Interesse an dem Bild«, gibt er endlich zu. »Es ähnelt einer Verwandten von mir, und ich möchte es erwerben.«
»Auch das geht nicht«, widerspricht Freiburg. »Das Bild ist unverkäuflich.«
»Unverkäuflich«, murmelt Tressler vor sich hin. Ob er über den Maler Römer etwas erfahren kann? Vielleicht öffnet er den Mund, wenn er ihm Geld bietet, viel Geld.
»Entschuldigen Sie die Störung«, verabschiedet Tressler sich. »Nur um einen Gefallen möchte ich Sie bitten: geben Sie mir die Anschrift des Malers.«
»Gewiß, die können Sie haben«, versichert Freiburg, dem der Besuch unangenehm ist. »Aber ich mache Sie darauf aufmerksam: auch der Maler darf nichts von dem Modell erzählen.«
»Wir werden sehen«, erwidert Tressler zuversichtlich.
Mit der Adresse Axel Römers in der Tasche verläßt er Freiburg.
Unauffällig sieht Albert Tressler sich in dem Atelier um. Aus allen Ecken scheint die Armut zu schreien. Der Maler macht einen guten Eindruck auf ihn. Er ist höflich, aber er sieht aus, als bekäme er nicht richtig zu essen. Er ist schmal und blaß. Aber die Augen sind offen und lebendig.
Tressler hat sein Anliegen hervorgebracht, und Römer hat ihm eine Absage geben müssen.
»Das Bild ist schon verkauft.«
»Verkauft?« wiederholt Tressler erstaunt. Davon hat der Kunsthändler ihm nichts erzählt. »Und wer hat es gekauft?«
Römer zuckt die Schultern. »Darüber darf ich nicht sprechen.«
Auch hier wieder die unüberwindliche Mauer, gegen die er immer wieder stößt.
»Können Sie mir wenigstens sagen, wer die Dame auf dem Bilde ist?«
»Auch das darf ich nicht sagen. Dafür habe ich mein Wort gegeben.«
Tressler blickt enttäuscht auf den Maler. Er sieht ein, daß es wenig Zweck hat, noch weitere Fragen zu stellen. Er verabschiedet sich und sucht abermals die Ausstellung auf.
*
Nervös trommelt Bohlen auf die Schreibtischplatte.
»Ich wünsche, daß das Bild meiner Tochter sofort entfernt wird.« Seine Stimme ist scharf am Telefon. »Wie konnten Sie es überhaupt aufhängen?«
»Es ging um Axel Römer, dieses junge Talent. Ihm wollte ich einen Gefallen damit tun. Man sollte auf ihn aufmerksam werden.«
Bohlen überlegte kurz. Er kann sich gut in den Kunsthändler hineinversetzen. Trotzdem – es geht um seine Tochter – und noch um mehr.
»Sie werden es sofort wegnehmen?« läßt Bohlen sich verneh-
men.
»Gewiß, wenn Sie es wünschen – nur –«
»Was heißt nur? Ich werde das Bild dem Maler abkaufen, und zwar für jeden Preis, den er verlangt. Richten Sie ihm das aus.«
»Wenn es Ihnen recht ist, schicke ich Axel Römer zu Ihnen.«
»Ist mir recht«, gibt Bohlen zurück und bricht das Gespräch ab.
*
Bedrückt, niedergeschlagen kommt Axel Römer bei Margit Sommers an. Sie ist die Frau, die er liebt. Er hätte sie längst geheiratet, aber sie hat als Verkäuferin ein kleines Gehalt, und er verdient viel zu wenig, um eine Familie gründen zu können.
Kurz vor Abschluß der Ausstellung hat er sich noch einmal das Bild ansehen wollen – und fand den Platz leer. Kopflos ist er davongestürzt, um Margit Mitteilung davon zu machen. Sie teilt getreulich Freud und Leid mit ihm. Vor allem glaubt sie an sein Können und versteht es immer wieder, ihn aufzurichten.
Aber jetzt versagt das zierliche, quecksilbrige Persönchen mit dem dunklen Wuschelhaar und den großen sprechenden Augen. Er sieht ihr zu, wie sie mit wenig Mitteln versucht, einen netten Tisch zu decken. Beim Vorübergehen streicht sie ihm über das braune Haar.
»Nun verzweifle doch nicht gleich, Axel«, ermuntert sie ihn. »Iß erst mal was, und trink eine Tasse Tee. Wer weiß, warum Freiburg das Bild entfernt hat.«
Sie geht zur Kochnische und holt den aufgebrühten Tee heraus. Aus dem Schrank bringt sie schmunzelnd eine Flasche hervor.
»Noch ein Rest Rum für dich, Axel.«
Er zieht sie an sich und preßt sein Gesicht an ihre Schulter.
»Wenn ich dich nicht hätte! Ich verstehe nicht, woher du immer wieder das Vertrauen zu meinem Schaffen nimmst.«
»Ich liebe dich, du ungläubiger Thomas«, sagt sie, küßt ihn auf die Nasenspitze und nimmt ihm gegenüber Platz. »Nun lang zu. Hast du heute überhaupt schon etwas zu dir genommen?«
Mit beiden Händen fährt er sich über das Haar. »Jetzt erst fällt es mir ein, daß ich noch nichts gegessen habe.«
»Kein Wunder!« Margit reicht ihm die Platte mit den belegten Broten. »Mit leerem Magen ist man geneigt, alles viel schwärzer zu sehen.«
Er kaut an der Schnitte, als sei es Leder. Er hat einfach keinen Appetit. Immer muß er an das Bild denken, und warum Freiburg es herabnehmen will.
Dabei hat er sich täglich überzeugt, daß es allgemein Anklang bei den Besuchern gefunden hat, ja, daß es das meistbelagerte Bild der ganzen Ausstellung war.
Er legt den Rest Brot auf seinen Teller und steht auf. »Ich kann nicht, Margit, sei mir nicht böse. Ich muß Gewißheit haben. Deine Wirtin hat ein Telefon. Darf ich Freiburg mal anrufen?«
»Gewiß, Axel, komm!« Sie begleitet ihn auf den langen Flur, wo das Telefon steht. Das Geld für ein Gespräch legt sie gewissenhaft auf den Tisch, so wie es die anderen Mieter auch tun. Sie lehnt sich an die Wand, während Römer die Nummer wählt.
»Hier Axel Römer«, meldet er sich. Weiter kommt er nicht.
Freiburg selbst ist am Apparat.
»Menschenskind, Römer, ich lasse Sie überall suchen! Ihr Bild ist verkauft! Kommen Sie sofort zu mir! Ich warte solange, bis Sie hier sind.«
Betont langsam hängt Axel den Hörer in die Gabel. Er ist noch blasser geworden und taumelt.
»Was ist denn los?« Margit greift ihm unter den Arm und hält ihn
fest.
»Komm, Liebling, ich sage es dir in deinem Zimmer.«
Schnell zieht er Margit mit sich und schließt die Tür hinter ihnen.
»Halte dich fest, Margit, mein Bild ist verkauft!«
»Du lieber Gott!« Margit preßt die Hand gegen den Mund. »Wirklich verkauft?«
Sie kann es noch nicht fassen. Axels strahlendes Gesicht sagt ihr alles.
»Ja, wirklich und wahrhaftig verkauft! Komm, Liebes, zieh dir einen Mantel an. Wir müssen sofort zu Freiburg! Er erwartet mich.«
*
Albert Tressler sitzt auf seinem alten Platz in der Ausstellung. Noch kann er nicht fassen, daß das Bild gegen ein anderes ausgetauscht worden ist. Ganz in sich zusammengesunken starrt er vor sich hin. Warum läßt ihn das Bild nicht los? Warum steigt die Vergangenheit immer wieder vor ihm auf?
Auf einer seiner Reisen war es, die er als reicher, unabhängiger Mann unternehmen konnte, als er Julietta, seine spätere Frau, in einem kleinen ita-lienischen Ort zum ersten Male sah. Er war von ihrer Schönheit, die ihm wie eine Offenbarung erschien, wie verzaubert. Jede freie Minute verbrachte er in ihrer Gesellschaft. Bald spürte er, daß sie nicht nur schön, sondern auch klug war. Sie stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Er hätte sie gern in kostbaren Kleidern gesehen, doch stolz lehnte sie alles von ihm ab.
Er erfuhr, daß sie eine italienische Mutter und einen deutschen Vater habe. Der Vater habe ihr selbst die deutsche Sprache beigebracht. So konnte er sich mit Julietta gut unterhalten.
Er erzählte ihr von seinen Reisen und von seinem großen Besitz im Norden Deutschlands. Mit großen samtdunklen Augen saß sie neben ihm, die Hände um die Knie geschlungen, und war eine aufmerksame Zuhörerin.
Da mußte er an die Heimreise denken. Er ging nicht eher, bevor er ihre Zustimmung hatte, seine Frau zu werden. Ihrer Mutter hinterließ er eine größere Summe, und Julietta ging gern mit ihm.
Er füllte ihre Bildungslücken, er schulte sie in jeder Beziehung, er hüllte sie in kostbare Kleider, die ihre Schönheit erst richtig zur Geltung brachten. Er überschüttete sie mit Schmuck. Julietta wurde von ihm in die Gesellschaft eingeführt. Überall, wo er mit ihr auftauchte, wurde sie zum glanzvollen Mittelpunkt.
Es war die schönste Zeit seines Lebens an der Seite seiner schönen jungen Frau. Er war ihrer unbedingt sicher, so daß er ihr alle Freiheit ließ. Nur noch inniger schloß sie sich an ihn an. Er lächelte, wenn man sie auf Reisen oft für Vater und Tochter hielt.
Schlagartig veränderte sich ihr Wesen. Wohin war ihr