Der Spuk vom Wendlerhof: Der Bergpfarrer 263 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Der volle Mond stand am wolkenlosen Himmel und tauchte den alten, halbverfallenen Bauernhof in ein gespenstisches, silbernes Licht. Stumm näherten sich die beiden Männer dem Grundstück. »Kannst du was seh'n?«, fragte Max. »Also, ich seh' jedenfalls nix.« »Ich auch net«, antwortete Sebastian. »Ich fürcht', wir sind völlig umsonst hergekommen. Du weißt ja, das die Leut' sich alles Mögliche zusammenreimen.« Der nächtliche Ausflug des Bergpfarrers und seines Bruders hatte einen besonderen Grund. »Auf dem Wendlerhof spukt es!« »Der Hof ist verhext!« »Der Geist vom Gottfried geht um! Er find't keine Ruh', weil er sich net mit dem Alfred ausgesöhnt hat!« So und so ähnlich lauteten die Gerüchte, die seit einiger Zeit in St. Johann die Runde machten. Wer sie in die Welt gesetzt hatte, wusste niemand mehr zu sagen. Wer sie weitertrug war indes kein Geheimnis: Maria Erbling, die Witwe des letzten Poststellenleiters und gefürchtete Klatschtante des Ortes, tat alles, damit sich die gruselige Geschichte vom Spuk auf dem Wendlerhof herumsprach. Maria ging der Ruf voraus, dass sie nichts für sich behalten konnte. Wollte man, dass sich etwas schnell herumsprach, dann musste man es ihr nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauen und konnte sicher sein, dass sich das »Geheimnis«
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Der Bergpfarrer (ab 375)
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Buchvorschau
Der Spuk vom Wendlerhof - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 263 –
Der Spuk vom Wendlerhof
Toni Waidacher
Der volle Mond stand am wolkenlosen Himmel und tauchte den alten, halbverfallenen Bauernhof in ein gespenstisches, silbernes Licht. Stumm näherten sich die beiden Männer dem Grundstück.
»Kannst du was seh’n?«, fragte Max. »Also, ich seh’ jedenfalls nix.«
»Ich auch net«, antwortete Sebastian. »Ich fürcht’, wir sind völlig umsonst hergekommen. Du weißt ja, das die Leut’ sich alles Mögliche zusammenreimen.«
Der nächtliche Ausflug des Bergpfarrers und seines Bruders hatte einen besonderen Grund.
»Auf dem Wendlerhof spukt es!«
»Der Hof ist verhext!«
»Der Geist vom Gottfried geht um! Er find’t keine Ruh’, weil er sich net mit dem Alfred ausgesöhnt hat!«
So und so ähnlich lauteten die Gerüchte, die seit einiger Zeit in St. Johann die Runde machten. Wer sie in die Welt gesetzt hatte, wusste niemand mehr zu sagen. Wer sie weitertrug war indes kein Geheimnis: Maria Erbling, die Witwe des letzten Poststellenleiters und gefürchtete Klatschtante des Ortes, tat alles, damit sich die gruselige Geschichte vom Spuk auf dem Wendlerhof herumsprach.
Maria ging der Ruf voraus, dass sie nichts für sich behalten konnte. Wollte man, dass sich etwas schnell herumsprach, dann musste man es ihr nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauen und konnte sicher sein, dass sich das »Geheimnis« wie ein Lauffeuer verbreitete.
Und Maria stand mit ihren Geschichten nicht alleine da: Alois Brandhuber, der selbsternannte Wunderheiler von St. Johann, heizte die Gerüchteküche kräftig mit an. Der alte Kauz hauste in einer alten Hütte, am Rande des Dorfes, und verdiente sich seinen Lebensunterhalt, indem er den Leuten, Einheimischen wie Urlaubern, seine obskuren Kräutermischungen, Tees und Salben für teures Geld verkaufte.
Pfarrer Trenker hatte es längst aufgegeben, auf die Dummheit der Leute hinzuweisen, die ihre »Medizin« beim Brandhuber-Loisl kauften. Dass das Zeug nicht half, hatten der Geistliche und Toni Wiesinger, der Dorfarzt, längst herausgefunden, glücklicherweise schadete es auch nicht.
Höchstens, wenn Loisls »Patienten« sich einzig auf dessen Ratschläge verließen und nicht zu einem richtigen Arzt gingen.
Nachdem das Gerücht aufgekommen war, auf dem Wendlerhof spuke es, hatte der »Wunderheiler« kräftig in dasselbe Horn geblasen. Jetzt bot er nicht nur seine Heilkünste an, sondern auch Geisterbeschwörungen und Horoskope. Hatte der Bergpfarrer diesen Unsinn bisher mit einer Handbewegung abgetan, so drohte seiner Meinung nach St. Johann ein Chaos, wenn sich dieser angebliche Spuk weiter herumsprach. Denn schon einmal war der Brandhuber schuld daran gewesen, dass Zigtausende wegen einer angeblichen Engelserscheinung das Wachnertal überfluteten und St. Johann heimsuchten.
Freilich steckte hinter dem angeblichen »Wunder vom Wendelstein« niemand anderer, als Loisl Brandhuber selbst!
»Da!«
Max hatte seinen Bruder angestoßen. Der junge Polizist deutete zum ehemaligen Wohnhaus. Längst waren Fenster und Türen zerstört, die Schindeln hatten Regen und Sturm abgedeckt. Im Schein des Mondes ragten die Balken des Dachstuhls wie die abgebrochenen Zähne eines Ungeheuers in den Nachthimmel.
»Siehst du?«, rief Max unterdrückt. »Die Fenster im ersten Stock, rechts über der Haustür.«
Der Bergpfarrer blickte genauer hin und sah es auch.
Die anderen Fenster waren nichts weiter als dunkle Löcher, durch die der Wind ins Haus pfiff, jene aber, auf die Max hingewiesen hatten, leuchteten mit einem Mal in einem unheimlichen grünen Licht. Es sprang den Betrachter geradezu an, huschte in den Hintergrund des Raumes und kam gleich darauf wieder nach vorne geschossen.
Gerade so, als würde jemand eine Lampe schwenken.
»Los, komm!«, rief Sebastian Trenker. »Den Burschen kaufen wir uns.«
Die beiden Brüder verließen ihre Deckung und rannten über den Hof. Sowohl Sebastian, als auch Max hielt eine Taschenlampe in den Händen. Sie ließen die Lampen aufleuchten. Die Haustür – besser gesagt das, was davon übrig war – hing in den Angeln. Der Polizist stieß die Reste beiseite. Sie standen in der ehemaligen Diele, rechts ging es in die Küche, links ins Wohnzimmer, geradeaus führte eine Treppe nach oben. Die morschen Stufen knarrten verdächtig, als Sebastian und sein Bruder hinaufeilten. Von oben war immer noch ein schwacher Schein zu sehen. Max wandte sich nach rechts, Sebastian folgte ihm. Den muffigen Geruch, der überall herrschte, hatten sie kaum wahrgenommen. Ebenso wenig die Spinnen und Mäuse, die erschreckt davonliefen, als sie in ihrer Nachtstille gestört wurden.
Die Brüder sahen sich kurz an, nickten sich im Schein ihrer Lampen zu und stürzten in den Raum über der Küche.
»Polizei!«, rief Max und leuchtete den Raum ab.
Das grüne Licht war erloschen. Sie ließen den Schein der Lampen durch das ganze Zimmer gleiten. Teile der Decke waren heruntergestürzt und lagen am Boden, ein altes, halbverfallenes Bett gammelte in einer Ecke vor sich hin, ein Kleiderschrank teilte das Schicksal auf der anderen Seite.
»Nix!«, sagte Max enttäuscht.
Sebastian ging zu dem Kleiderschrank, zog die herunterhängende Tür zur Seite und leuchtete hinein.
Außer ein paar Spinnweben enthielt der Schrank nichts weiter.
»Ich fürcht’, wir haben den Geist vertrieben«, bemerkte der Bergpfarrer. »Schad’! Ich hätt’ zu gern’ seine Bekanntschaft gemacht.«
Max Trenker grinste.
»Man könnt’ fast denken, du glaubst an diesen Mummenschanz.«
Sie sahen in den anderen Räumen nach, aber außer Staub und Ungeziefer fanden sie nichts von Bedeutung. Vorsichtig stiegen sie die Treppe wieder hinunter und kontrollierten das Erdgeschoss. Überall bot ihnen sich dasselbe Bild. Der Verfall des Bauernhauses setzte sich in jedem Raum, den sie betraten fort.
Doch von einem Geist fand sich keine Spur …
*
»Es ist ein Jammer!«, sagte Sebastian, als sie in der Küche des Pfarrhauses saßen.
Weder auf dem Weg zum Versteck, wo sie das Auto gelassen hatten, noch auf der Straße nach St. Johann war ihnen eine Menschenseele begegnet, geschweige denn eine Spukgestalt. Im Pfarrhaus angekommen, hatten sie sich in die Küche gesetzt und über die Fürsorge der Haushälterin gefreut, die ihnen eine Thermoskanne mit heißem Kaffee und einen Teller mit belegten Broten bereitgestellt hatte.
»Geradezu eine Schand’ ist es, dass der Hof so verkommt!«, setzte der Geistliche nachdrücklich hinzu. »Aber da kann man reden, was man will, unser Herr Bürgermeister hat nix Bess’res zu tun, als vor Patricia Vangaalen einen Bückling zur Eröffnung ihrer Bank zu machen!«
Jene erwähnte Bank war, neben dem angeblichen Spuk auf dem Wendlerhof, ein weiteres Ärgernis, das den guten Hirten von St. Johann beschäftigte. Seit Kurzem gab es nämlich im Dorf die »Privatbank Vangaalen«, und das, nachdem Patricia Vangaalen vor noch nicht allzu langer Zeit von der deutschen Justiz auf der ganzen Welt gesucht wurde.
»Gibt’s denn überhaupt niemanden, der Anspruch auf den Hof hat?«, fragte Max.
Sebastian zuckte die Schultern.
»Mir ist niemand bekannt. Gotthilf Wendler hatte keine Familie, so weit bekannt ist«, antwortete er. »Und über seinen Bruder weiß man net, wo er abgeblieben ist. Ich kenn’ die ganze Geschichte ohnehin nur vom Hörensagen. Als die beiden Brüder noch auf dem Hof zusammenlebten, war ich grad auf dem Priesterseminar. Was da zwischen ihnen gewesen ist, weiß wohl niemand so genau. Jedenfalls war Gotthilf schon verstorben als ich nach St. Johann zurückkehrte und mein Amt als Seelsorger antrat.«
»Trotzdem möcht’ ich wissen, was hinter diesem angeblichen Spuk steckt«,