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Murphy´s Outlaw
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eBook469 Seiten7 Stunden

Murphy´s Outlaw

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Über dieses E-Book

Einige Zutaten zu dieser wahren Story finden sich in jeder spannenden Erzählung: Sex, Drugs, Liebe, Verrat, Flucht und Wiederkehr - angerührt mit jeder Menge Rock ´n Roll - geschüttelt von einer korrupten Jury - genossen auf einer kleinen Atlantik-Insel im ewigen Frühling der Canary Islands.

Doch Murphy´s Outlaw ist mehr als eine biographische Piraten-Geschichte ...

Der Leser wird auf eine mit treibenden Beats unterlegte Reise in eine fremde Welt entführt, und dann nimmt die Geschichte eine vollkommen unerwartete Wendung …

Ein lange vertuschtes Geheimnis um das vergessene Foltergefängnis der katholischen Inquisition wird entdeckt und gelüftet und somit ist dieser investigative Teil von Murphy´s Outlaw der schlagende Beweis dafür, dass das Schicksal einen ausgesucht exquisiten Humor hat und die Besten Geschichten vom wahren Leben geschrieben werden.

Mehr Infos über dieses Buch auf: murphys-outlaw.com
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum11. Mai 2011
ISBN9783844204445
Murphy´s Outlaw

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    Buchvorschau

    Murphy´s Outlaw - Ralph Kloos

    Ralph Kloos

    Murphy´s Outlaw

    Rübezahl Verlag

    Originalausgabe von 2010

    Wenn alles was schief gehen kann, schief geht,

    dann nennt man das: MURPHY´S LAW.

    Und wenn es dann trotzdem noch gut geht,

    dann heißt das ab jetzt: MURPHY´S OUTLAW.

    4. Juli 1629 / Bamberg / Untere Sandstrasse

    Elisabeth hatte sich gerade angeschickt, ihr heutiges Tagwerk in ihrer kleinen Schneiderei vorzubereiten, als es mehrmals laut an der Haustür klopfte. Noch bevor sie die Tür erreicht hatte pochte es erneut, dieses mal aber wesentlich stärker und fordernder. Elisabeth hatte die Türklinke erst halb heruntergedrückt, als die Haustür krachend aufsprang, denn einer der Besucher hatte fest mit dem Stiefel dagegen getreten, und innerhalb weniger Augenblicke war die kleine Schneiderstube voll geharnischter Büttel des Fürstbischofs von Bamberg.

    Seid Ihr die Elisabeth Möhrlin - auch Einhendlers Lisbeth genannt - und von Marckschonfeld gebürtig? Mit scharfer Stimme hatte sie der Anführer der Männer angeherrscht und Elisabeth war so verstört, dass sie nur stumm nicken konnte, denn ihre schlimmsten Alpträume drohten gerade wahr zu werden.

    Den Hauptmann, der ihr die Hiobsbotschaft direkt in ihr engelshaftes Gesicht verkündete, kannte sie flüchtig, doch er war vollkommen ungerührt von ihrem panischen Gesichtsausdruck: Elisabeth Möhrlin, Ihr werdet verdächtigt, mit den Zauberern und Hexen gemeinsame Sache zu machen. Darüber hinaus wurdet Ihr von mehreren bereits verurteilten Truden besagt: Man hat Euch beim Hexentanz, beim Ausritt und beim Schlecht-Wetter machen erkannt und Ihr werdet deshalb - im Namen des Fürstbischofs - von der Hexenkommission im Malefiz Haus vernommen. Ihr werdet uns also unverzüglich dorthin begleiten!

    Wie in Trance streichelte die junge Schneiderin ein letztes Mal über den schönen Damaststoff, den sie gerade mit einer Abschlussborte umnäht hatte, doch einer der Büttel zog sie ruckartig an der Schulter, fesselte ihre schlanken Hände mit einem groben Strick und zog sie unsanft aus der Tür in die kleine Gasse, die nach wenigen Metern in die Sandtrasse führte. Dann hörte Elisabeth das laute Poltern der Stiefel im ersten Stock, denn die Schergen untersuchten das gesamte Haus nach verdächtigen Gegenständen und okkulten Beweisen.

    Seitdem ihre liebe Tante Katharina vor vier Monaten verstorben war, wohnte Elisabeth allein in dem verwinkelten Haus mit der Schneiderwerkstatt im Erdgeschoss und führte dort ein zurückgezogenes Leben.

    Ihre Tante hatte sie im Frühjahr 1623, mit 12 Jahren, nach Bamberg geholt, denn ihre leiblichen Eltern waren im Abstand von wenigen Wochen in Marckschonfeld verstorben und Elisabeth hatte sonst keine anderen Verwandten. Eine Monat nach ihrer Ankunft wurden große Feierlichkeiten im gesamten Erzbistum vorbereitet, um den neu gewählten Fürstbischof Johann Georg II, Fuchs von Dornheim gebührend in sein katholisches Hochamt einzuführen. Elisabeth hatte noch nie so viele fremdartige Menschen gesehen, die aus dem gesamten Reich angereist waren und in ihren besten Kleidern eine tagelange opulente Amtseinführung feierten. Nach seiner Einführungspredigt hatte der neue Fürstbischof großzügig Goldmünzen unter das Volk werfen lassen und selbst die Armenhäuser der Stadt wurden mit allerlei milden Gaben und mehreren Fässern Wein beschenkt. In den ersten Jahren seiner feudalen Herrschaft schien Fürstbischof Fuchs von Dornheim kein besonderes Interesse an weiteren Hexenprozessen zu haben und als das Hexenbrennen dann doch begann, war zuerst auch nur die kleine Stadt Zeil am Main betroffen, die ca. 30 Kilometer von Bamberg entfernt war und auf dem Weg ins Bistum Würzburg lag.

    Im Jahr 1626 kaufte Johann Georg ein großes Grundstück von den Stahlschützen der Stadt. Es lag direkt an der Stadtmauer und zusammen mit dem Generalvikar Dr. Friedrich Förner liess er auf diesem Gelände das Malefiz-Haus errichten, dass Ende 1627 in Betrieb genommen wurde Spätestens nachdem im Vorjahr der Kanzler der Stadt, Dr. Georg Haan mit seiner gesamten Familie verbrannt worden war, konnte sich kein Bürger in Bamberg mehr sicher sein, nicht auch zum Opfer der allgegenwärtigen Hexenkommission zu werden.

    Wer einmal ins Malefiz-Haus eingelegt wurde, den sah man frühestens bei den öffentlichen Verbrennungen wieder, sofern man diesen bedauernswerten Menschen dann überhaupt noch erkennen konnte. Elisabeth hatte nur ein einziges mal an einer dieser Massenveranstaltungen Teil genommen - und das auch noch gegen ihren eigenen Willen, denn einer der neuen Hexenkommissare, Dr. Ernst Vasoldt, studierter Hexenjäger aus Ingolstadt, war Anfang des Jahres 1628 ebenfalls in das Sandgebiet gezogen. Er wohnte in dem reich verzierten Haus am Ende der Sandstraße, dass nach der Verbrennung der ehemaligen Eigentümer, zu einem Spottpreis in seinen Besitz übergegangen war.

    Dr. Vasoldt war ein schmächtiger, knochiger Mann von knapp 1.60 Größe, der nicht nur einen kleinen Gehfehler hatte und leicht humpelte, sondern der auch so schlecht sah, dass er grundsätzlich mit zwei verschiedenen Augengläsern ausgerüstet war. Seine Lupen-Brille war für das genaue Studium seiner Opfer und der Hexen-Akten und die andere Brille benötigte er zur Fernsicht.

    Fast jede Woche war er nun schon in die kleine Schneiderei gekommen, um sich aus teuren Stoffen reich verzierte Hemden und Röcke schneidern zu lassen, aber Tante Katharina konnte ihn vom ersten Augenblick nicht leiden. Offensichtlich war Dr. Ernst Vasoldt ganz verzaubert von der jungen, schüchternen Schneiderin, die allein bei dem Gedanken erschauern musste, diesen Mann auch nur bedienen zu müssen. Obwohl ihre langen braunen Haare seidige Locken hatten, versteckte Elisabeth ihre Haarpracht fast immer unter einem züchtigen Häubchen und trug auch niemals Kleider, die ihre weibliche Figur betonten.

    Als die Scheiterhaufen vor dem Stadttor an der Langen Gasse im Jahr 1628 fast wöchentlich brannten, merkte Tante Katharina, dass sie Dr. Vasoldt nicht länger vertrösten könnte, denn er hatte sie bereits mehrmals vergeblich zu einer Hexenverbrennung eingeladen. Für alle gottesfürchtigen Katholiken gehörte es zum guten Ton, sich an den Hinrichtungen einzufinden, um die teuflischen Hexenbanner, gemeinsam mit der ganzen Gemeinde zu vernichten. Wer sich dort nicht sehen lassen wollte, der machte sich schnell selbst verdächtig.

    Schweren Herzens hatten sich die beiden Frauen auf dem Platz vor dem Stadttor eingefunden. Wie ein gieriger kleiner Geier hatte Dr. Vasoldt, ungeduldig wippend, auf sie gewartet und geleitete sie stolz auf einen der vorbereiteten Tribünenplätze, der für geladene Gäste und die hohen kirchlichen Herrschaften reserviert war. In mehreren Ochsenkarren wurden die fünf Opfer die knapp 300 Meter vom Malefiz Haus zum Richtplatz gefahren. Sie trugen die verdreckten, lumpigen Trudenkittel und wurden von zahlreichen Kindern in der Menschenmenge begleitet, die sie verspotteten und ihnen alle Arten von Grimassen schnitten. Alle fünf Verurteilten waren Frauen, und Elisabeth zuckte merklich zusammen, denn sie hatte gleich zwei der verstümmelten Opfer wieder erkannt.

    Die Frauen wurden nacheinander vor die Tribüne geschleppt, auf der das gesamte Domkapitel in vollem Ornament saß: es fehlte nur der Fürstbischof, der die Verbrennungen aber generell mied. Mehrere hundert Bamberger Bürger waren anwesend, labten sich an den Speisen und Getränken der Marketender und redeten über die bevorstehende Hinrichtung der verdammten Hexenbanner, von denen schon so viele unter der Folter ihre Buhlschaft mit dem Teufel gestehen mussten und die ausnahmslos auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.

    Dr. Vasoldt hatte vor Elisabeth stolz damit geprahlt, dass er es war, der bei zwei der Delinquenten die peinliche Befragung geleitet hatte, und dass es seiner geschickten Fragestellung zu verdanken war, dass selbst die verstockteste Hexe, namens alte Düslin, zugegeben hatte, die Hostien in St. Martin entwendet zu haben, um sie beim Hexensabbat einzugraben. Elisabeth und ihre Tante Katharina kannten die alte Düslin seit Jahren persönlich, die als eine der frömmsten und gottesfürchtigsten Frauen in ganz Bamberg bekannt war. Doch was da knappe zehn Meter entfernt von Ihnen vor dem Richtblock stand, hatte rein optisch gar nichts mehr mit der Frau zu tun, die ihnen als alte Düslin bekannt war. Erst jetzt bemerkten sie die beiden Nachrichter, die sich ein paar Meter entfernt von den fünf mächtigen Scheiterhaufen an einem kleineren Feuer zu schaffen machten und mehrere Eisenzangen mit einem Blasebalg zum Glühen brachten. Die Alte Düslin und eine weitere Frau, die Elisabeth entfernt bekannt vorkam, wurden in die Nähe des Richtblocks geführt, während die anderen drei Frauen von den Henkern nacheinander auf die Scheiterhaufen gehoben wurden, denn anscheinend waren sie bereits zu geschwächt, um die Leitern alleine hochzuklettern. In der Mitte eines jeden Scheiterhaufens war ein großer Stamm mit einem Metallring befestigt, an den die Opfer mit einem Strick um den Hals gefesselt wurden. An den schmerzverzerrten Gesichtern konnte man die Qual erkennen, die die gefolterten Frauen beim Festzurren erlitten, aber durch den anhaltenden Lärm der Volksmenge, konnte man die Schreie dieser armen Menschen kaum hören.

    Mit einem lauten Trompetenstoß des fürstlichen Trompeters verschaffte sich der Generalvikar Dr. Friedrich Förner Gehör und hielt eine seiner berüchtigten Hetzreden gegen die schändlichen Zauberer und Hexen, die im fürstlichen Hochstift ihr nächtliches Teufelswerk ausübten, dem Teufel huldigten, mit ihm Verkehr hatten und somit den einzig wahren Gottesglauben für immer verlassen hatten. Nach dieser Predigt stellte er die einzelnen Delinquenten der Hinrichtung mit ihrem vollen Namen vor und verlas die Listen ihrer eingestandenen Verbrechen.

    Die alte Düslin blickte nicht einmal nach oben, als ihr Urteil verlesen wurde, denn vor ihrer Verbrennung war sie zu zwei Griffen mit glühenden Zangen verurteilt worden: wegen der eingestandenen Hostienschändung und des begangenen Wetterzaubers. Auch die zweite Frau hatten Elisabeth und ihre Tante fast nicht wieder erkannt, aber es war wirklich die allseits respektierte und angesehene Apothekerin Lisa Burckhardin, die hier vor ihnen kauerte. Trotz ihrer 36 Jahre, sah sie aus wie eine uralte Frau - die Wochen lange Marter hatte aus einer schönen, wohlhabenden Dame eine zerschundene, arme Hexe gemacht, die man nur bemitleiden konnte.

    Mit zynischer Häme verlas Generalvikar Dr. Förner zuerst das erfolterte Geständnis der Apothekerin, um danach noch ein weiteres Pergament aus seiner Kutte zu ziehen. Der hochwürdige unser allerseits gnädige Fürst und Herr von Bamberg, Johann Georg II Fuchs von Dornheim hat aus sonderbar bewegenden Ursachen der geständigen Hexe Lisa Burckhardin , die hohe fürstliche Gnade erwiesen, dass sie nämlich erstlich mit dem Schwert vom Leben zum Tod hingerichtet wird. Als dann soll ihr Körper mit dem Feuer zu Pulver und Asche verbrennt werden. Das kurze Schluchzen der geschundenen Frau hörte sich, trotz ihres schlimmen Zustands, wie ein freudig erlöstes Ja" an und nachdem die gesamte Gemeinde ein letztes VATERUNSER gebetet hatte, begann die grausame Hinrichtungs-zeremonie mit der ehemaligen Apothekerin.

    Ein Schwall von Blut ergoss sich über hölzernen Richtbock, nachdem der vermummte Henker mit einem sauberen Schlag den kahl rasierten Kopf vom Rumpf der Apothekerin getrennt hatte. Mit zwei Händen nahm er den abgeschlagenen Kopf und hielt ihn der tobenden Menge entgegen. Während Friedrich Förner und Dr. Vasoldt zustimmend nickten, trugen die Henker den Rumpf und den Kopf auf den ersten der Scheiterhaufen und mit ein paar pechgetränkten Fackeln steckten sie das Reisig zügig in Brand und schon nach zwei Minuten brannte der gesamte Holzstoß lichterloh knisternd. Der Dampf des verbrannten Fleisches vermischte sich auf seltsame Weise mit den Gerüchen der Garküchen, die am Rande des Platzes, direkt an der Stadtmauer, aufgebaut waren. Elisabeth war so berührt, dass es ihr unmöglich erschien, zu Essen oder zu Trinken und am liebsten wäre sie auch sofort aufgesprungen und hätte den Hinrichtungsort verlassen, doch die wiederholten Blicke von Dr. Vasoldt und der starke Händedruck ihrer Tante Katharina ließen sie erstarrt sitzen bleiben.

    Die nächsten drei Hinrichtungen verliefen alle gleich. Nachdem die Verurteilten an dem Pfahl gebunden waren, wurden sie von einem Priester der Jesuiten ausgiebig mit Weihwasser besprüht. Mit der Verbrennung würde ihnen der Teufel ausgetrieben, und somit könnten ihre gereinigten Seelen dann friedlich gen Himmel fahren. Mit jedem weiteren angezündeten Feuer verdunkelte sich der Himmel - nicht nur wegen dem Rauch, sondern auch, weil sich ein nahendes Gewitter mit entfernt grollendem Donner ankündigte. Soweit sie es von der Tribüne aus beobachten konnte, sah Elisabeth mit schreckensbleichem Gesicht, wie das Feuer die angeblichen Hexen und Zauberer langsam tötete. Sobald das Reisig den unteren Teil des Scheiterhaufens in Brand gesetzt hatte, fingen die armen Opfer an, zu Schreien und zu Zappeln. Obwohl der schwelende Rauch fast die gesamte Sicht auf das Zentrum des Feuers verhinderte, konnte man selbst nach mehreren Minuten noch erkennen, dass die Frauen noch lange nicht tot waren, sondern schreiend, hustend, konvulsiv zuckend ihr Leben aushauchten. Elisabeth drückte die Hand ihrer Tante so fest zusammen, dass diese erschrocken zusammenzuckte. Wer jetzt aufstand und vor dem Höhepunkt der Veranstaltung verschwand, der machte sich garantiert verdächtig.

    Die alte Düslin hatte die ganze Zeit abwesend auf dem Boden gehockt. Von Zeit zu Zeit zerrte sie an ihren Fesseln herum und blickte wirr in die schreiende Menge. Auf das Kommando von Dr. Förner wandten sich die Scharfrichter an die alte Frau: Zwei der Schergen hielten sie an den Händen fest, während der Dritte mit einem festen Ruck den grauen Trudenkittel der alten Düslin von hinten zerriss. Ein lautes Raunen ging durch die Menge, denn der wochenlang geschundene Körper der armen Frau war komplett blau geschlagen. Die einzelnen Striemen der Peitschenhiebe konnte man gar nicht mehr erkennen, denn der gesamte ausgemergelte Körper dieses Menschen war blau geprügelt und zwischen den Beinen erstreckte sich eine einzige Fläche braunroten Schorfes bis hinunter zu den Knien. Die alte Düslin hatte tagelang tapfer jeder Folter widerstanden, doch dann setzten sie die Folterknechte für einen ganzen Tag auf dem Bock und rüttelten alle halbe Stunde daran, bis sie schliesslich doch Alles zugeben musste, was die Doktoren der Inquisition von ihr hören wollten.

    Wer die alte Düslin noch vor ein paar Monaten gesehen hatte, konnte sich kaum vorstellen, dass dies hier dieselbe Frau war, doch nun kam der vierte Henkersknecht mit einer rot glühenden Brustkralle und obwohl kaum noch eine große Reaktion von der abgemagerten alten Frau zu erwarten war, bäumte sich der zermarterte Körper blitzschnell auf, als sich das glühende Eisen in ihre schlaffe Brust frass und eine weissliche Wolke stinkenden Dampfes aus ihrem Oberkörper zischte. Der Henker war wenigstens so menschlich, dass er die Prozedur nicht unnötig in die Länge zog. Auch die zweite Brust der alten Düslin wurde von ihm mit der Brustkrallen-Zange verbrannt, was die Menge erneut johlen ließ: Verbrennt sie, die alte Hexe! Skandierten sie. Treibt ihr den Teufel aus!

    Mittlerweile hatten die Schergen die alte Frau auf das Podest des Scheiterhaufens gezerrt und begannen sie festzubinden, als Generalvikar Friedrich Förner, mit sich fast überschlagender Fistelstimme, alle Übeltaten der alten Düslin in die johlende Menge schrie. Doch dann wurde die schwüle Nachmittagshitze durch einen einzigen Donnerschlag lautstark unterbrochen und Sekunden später fing es an, wie aus Eimern, zu regnen. Hektisch gossen die Schergen ein Fass Pech auf den Holzstoß und schafften es so, das letzte Feuer des Tages doch noch in Gang zu bekommen. Auch die anderen Scheiterhaufen stiessen meterhohe dampfende Wolken aus, aber sie brannten. Ein paar Blitze tauchten die verregnete Szene in ein gespenstisches Licht und die Zuschauer rannten in panischer Angst vor den Blitzen des Teufels, der wohl seine brennenden Gespielinnen betrauerte, in Richtung Stadttor oder auf die andere Seite der Regnitz.

    An der Hand ihrer Tante verließ Elisabeth die Richtstätte vollkommen traumatisiert und beide Frauen waren noch Stunden später unfähig, auch nur ein Wort über diese grauenvolle Hinrichtung zu sprechen. Dr. Vasoldt hatte sich mit kurzen Worten, krähenhaft aufgeplustert, verabschiedet und war mit dem Generalvikar und einigen anderen Geistlichen in Richtung Geyerswörthschloss verschwunden, um dem Fürst von Bamberg stolz vom erfolgreichen Ablauf der Hinrichtung der fünf Hexen zu berichten. Die alte Düslin war in dem schwarzen Pechqualm längst erstickt und da das Unwetter noch Stunden über dem Hochstift stand, mussten die Henker das Feuer am nächsten Morgen nochmals anschüren, denn beim Hexenbrand durfte ausser Asche und Pulver nichts von der Leiche übrig bleiben, da sie der gerissene Teufel sonst wieder zum Leben erwecken könnte. Während Elisabeth gefesselt hinter den Bütteln zum Malefiz Haus lief, wiederholten sich alle Bilder der damals erlebten Hexenverbrennung vor ihrem geistigen Auge. Ihr Weg führte durch die enge Sandstrasse in Richtung Brückenrathaus und an der kleinen Bäckerei schnupperte sie den leckeren Hefeduft des warmen Brotes und wusste instinktiv in dieser Sekunde, dass sie diesen Geruch wohl nie wieder riechen würde und das dieser Gang ihre letzten Stunden einleitete.

    Eine Nachbarin, die Ihnen entgegenkam, bekreuzigte sich erschrocken, denn sie hatte Elisabeth erkannt und mittlerweile wusste jeder Bürger der Stadt, was es bedeutete, wenn man in captura der fürstbischöflichen Büttel war. Woche für Woche predigte Dr. Friedrich Förner von der Kanzel in Sankt Martin, dass Jeder vom Teufel verführt werden könnte und dass sich die wahren Gläubigen tagtäglich im Gebet gegen die Anfechtungen des Bösen wehren mussten.

    Der schwere Gang zum Malefiz Haus führte über den Grünen Markt in die Gasse, die heute Franz-Ludwig-Strasse heißt. Seitdem das neu gebaute Foltergefängnis im Jahr 1627 fertiggestellt worden war, hatte Elisabeth diesen Teil der Stadt möglichst gemieden, denn es kursierten die grausamsten Geschichten über das, was innerhalb des ummauerten Geländes mit den armen Opfern des Fürstbischofs geschah. Von den Anwohnern, die in direkter Umgebung des Hauses wohnten, wurden diese Gräuelgeschichten noch lebhaft gefördert, denn die abergläubischen Nachbarn hatten natürlich schon des öfteren den leibhaftigen Beelzebub mit seinen Hexenbannern um das Haus fliegen sehen. Der Legende nach wollte der listige Teufel seine treue Gefolgschaft angeblich Nachts aus den Fängen des Fürstbischofs retten, weshalb die weiblichen Gefangenen selbst im Schlaf angekettet in ihren Zellen liegen mussten.

    Nachdem die kleine Gruppe das streng bewachte Hoftor passiert hatte, sah Elisabeth zuerst die großen Dobermänner, die an langen Ketten auf dem Anwesen verteilt waren und sofort bellten, sobald sich jemand näherte. Von außen war das Malefiz Haus ein prunkvolles Gebäude, aus großen Sandsteinen gebaut und mit allerlei geometrischen Verzierungen geschmückt, die den Teufel vom Betreten des Hauses abhalten sollten. Das mächtige Haupthaus war eines Fürstbischofs wahrhaft würdig. Über der Eingangstür prangte eine Statue der Justizia mit Schwert und Waage, aber der lateinischen Spruch, der über der Tür prangte, war für Elisabeth nicht zu verstehen, denn sie konnte zwar Lesen und Schreiben, aber natürlich nicht die lateinische Sprache.

    Auf zwei großen verzierten Steintafeln im ersten Stock war ein Text zu lesen: in Deutsch und in Lateinisch. Er stammte aus dem Buch der Könige und bevor sich die Tür nach Minuten endlich öffnete, las Elisabeth diesen Spruch aus der Bibel: Das Haus wird ein Exempel werden, dass Alle die vorüber gehen werden, sich entsetzen und blasen und pfeifen und sagen: Warum hat der Herr diesem Land diesem Haus also getan? So wird man antworten: Darum, dass sie den Herrn ihren GOTT, verlassen haben und haben angenommen andere Götter und sie angebetet und ihnen gedienet. Darum hat der Herr all dies Übel über sie gebracht.

    Elisabeth war als Kind sehr fromm und gläubig erzogen worden, doch in den letzten Monaten hatte sich ihr Verhältnis zum katholischen Glauben grundlegend geändert. Die alte Düslin und auch die Apothekerin waren herzensgute, fromme Frauen gewesen - sie konnten diese unglaublichen eingestandenen Verbrechen unmöglich begangen haben. Es waren die unsäglichen Foltermethoden des Hexenbrenners Fuchs von Dornheim, die keines der völlig unschuldigen Opfer lange aushalten konnte: diese perfide gequälten Menschen zerbrachen im Laufe der Marter und wünschten sich danach nur noch einen schnellen, barmherzigen Tod von ihren Mördern.

    Bevor Elisabeth eingefangen wurde, waren bereits mehrere Bürgermeister und fast der gesamt Rat der Stadt in den Flammen der Inquisition gerichtet worden und die junge Schneiderin war intelligent genug, um zu erkennen, dass gerade die konfiszierten Vermögen der verbrannten Hexenopfer der wahre Grund für die Verhaftung und Verbrennung so vieler wohlhabender Bürger war.

    In ihrem Fall konnte es nicht das Geld sein, das sie in den Strudel des Verdachts der Hexenkommission zog - dafür waren sie und die kleine Schneiderei im Sandgebiet einfach viel zu unbedeutend. Kaum hatte Sie diesen Gedanken beendet, als Dr. Vasoldt aus der Tür des Malefiz Hauses trat und sie zynisch begrüsste: Jungfer Elisabeth! Ihr hier? Ihr möchtet wohl Euren Zechgenossen vom Hexentanz einen letzten Besuch abstatten?

    Allein der zischende Unterton in der fistelnden Stimme von Dr. Vasoldt machte Ihr klar, das der wahre Grund für ihre Verhaftung direkt vor ihr stand.

    Nach der Hinrichtung hatte sie wochenlang einen großen Bogen um den unsympathischen Hexenkommissar gemacht, doch da er fast täglich an der Schneiderstube vorbei schlich, war es eines Abends zu einer unangenehmen Szene mit ihrer Tante Katharina gekommen. Dr. Vasoldt hatte bei der Anprobe seinen neuen Rockes eindeutige Bemerkungen in Bezug auf Elisabeth gemacht und das er, trotz seines Alters, an eine Heirat mit ihrer unvermögenden Nichte gedacht hätte. Hinter der Hoftür hatte Elisabeth der Unterhaltung im Geheimen gelauscht und obwohl sie sich sicher war, dass ihre Tante jegliche Avancen der ekligen Hexenkommissars strikt ablehnen würde, musste sie ihm ihre Empörung unbedingt persönlich entgegen schreien - und das war eine sehr unkluge Art und Weise, sich mit einem der gefährlichsten Hexenjägers des ganzen Bistums anzulegen: Einen so bösen alten Mann wie Euch, will ich niemals zum Ehemann nehmen - lieber ginge ich für immer in ein Kloster.

    Damit hatte sie sich Dr. Vasoldt eindeutig zum Feind gemacht, doch während der drei folgenden Monate ließ er sich nicht ein einziges Mal in der Schneiderei sehen. Tante Katharina hatte sich im eisigen Winter eine verschleppte Lungenentzündung geholt und lag kurz darauf im Sterben. Schon eine Woche nach der schmucklosen Beerdigung auf dem Gottes Acker kam der Hexenkommissar mit einem weissen Hemd zur Schneiderstube gehumpelt und wollte es ändern lassen. Elisabeth konnte einfach nicht anders und weigerte sich, diese Arbeit auszuführen. Sie spürte geradezu körperlich, dass ihr Schicksal von diesem Moment an, besiegelt war, doch sie konnte einfach nicht anders. Aus Dr. Vasoldts verschlagenen Augen funkelte es sadistisch und um seinen lange geplanten Triumph noch eingehender zu geniessen, wechselte er sein Augenglas und musterte Elisabeth ausgiebig mit seiner Lupe. Ihr wurdet gleich von zwei Hexen besagt, die ebenfalls hier einliegen, Jungfer Elisabeth! In der peinlichen Befragung werden wir sehen, ob ihr auch zu den Teufeln und Zauberern gehört, die unser ehrwürdiger Fürstbischof alle ausnahmslos ausbrennen wird!

    Dr. Vasoldt befahl den Hauptmann der Wache zu sich heran und flüsterte ihm ein paar Sätze ins Ohr. Dann verabschiedete er sich mit einem Griff an seinen schwarzen Hut und verlies das Grundstück durch das Eisentor. Gleich nach ihrer Einlieferung hatte man Elisabeth in einer der größeren Zellen im Erdgeschoss eingesperrt - doch schon am nächsten Morgen begann ihre peinliche Befragung, denn Sie wurde gebunden und in eines der Befragungszimmer im Erdgeschoss verbracht und dort auf einen schweren Stuhl gefesselt. Vor ihr saßen drei Hexenkommissare, aber Dr. Vasoldt war nicht dabei. Ebenfalls anwesend waren ein wieselflinker Schreiber und ein Folterknecht, der schon am frühen Morgen faulig nach Bier und kaltem Schweiss stank.

    Nach dem Beginn der Befragung hatte sich hinter Elisabeth eine Tür geöffnet, durch die man eine andere Frau heranbrachte, die in ihrem Rücken stand und sie identifizieren sollte. Erkennt Ihr die Angeklagte Elisabeth Möhrlin, mit der Ihr nicht nur beim Hexentanz gesehen worden seid, sondern mit der ihr auch das schlechte Wetter von 1626 gemacht habt?

    Eine kaum vernehmbare Stimme der Frau antwortete fast flüsternd: Ja, das ist die Hexe - mit ihr zusammen haben wir auch aus Kinderleichen Flugsalbe gesotten und mehrmals die heilige Hostie aus der Kirche gestohlen und in der Erde vergraben.

    Danach wurde die unbekannte Frau wieder abgeführt und auch Elisabeth wurde ohne weitere Befragungen in ihre Zelle gesperrt - aber diesmal brachte man sie über die enge Treppe in den ersten Stock. Der abartige Gestank nahm ihr fast den Atem, denn hier oben roch es nach einer scharfen Mischung aus Kot, Urin, Eiter und Erbrochenem. Nachdem sie von den Lochhütern in ihre winzige Zelle gesteckt und angekettet wurde, gab man ihr den Holzeimer für die Notdurft und einen größeren Krug mit Wasser. Dann schloss sich die Zellentür und sobald sich die schweren Stiefeltritte der Wörter nach unten entfernt hatten, hörte Elisabeth dumpf eine weibliche Stimme aus der Nachbarzelle: "Wer seid ihr? Wer hat Euch besagt? Haben sie Euch schon in der peinlichen Frag verhört? So entwickelte sich eine halb geflüsterte Unterhaltung mit Helena Kauderin, die man eine Woche vor Elisabeth in Bamberg eingefangen hatte, aber dann hörten sie die Schritte der Wächter auf der Treppe und konnten nicht mehr weiter sprechen. Kurz nach Sonnenuntergang hatte eine Nachbarin aus dem Wirtshaus in der Sandstraße eine Mahlzeit für Elisabeth zum Torwächter gebracht. Der Braten, Brot und das Gemüse wurden auf einem Holzteller mit hölzernem Löffel in die Zelle gebracht und zu trinken gab es einen ganzen Humpen Bier.

    Elisabeth mochte zwar kein Bier, aber der Alkohol würde sie so müde machen, dass sie vielleicht sogar schlafen konnte, denn Sie hatte panische Angst vor ihren eigenen Albträumen in der Marterkammer. Am frühen Morgen wurden zuerst drei weibliche Gefangene aus dem Erdgeschoss zur nächsten Verbrennung auf dem Richtplatz vorbereitet. Jeder einzelnen wurde die Beichte abgenommen und durch die geschlossene Tür konnte Elisabeth das Wehklagen und das monotone Beten der Jesuiten-Priester hören. Zu diesem Zweck war im ersten Stock ein spezielles Beichtkämmerlein eingerichtet worden und in jedem der zwei Stockwerke existierte sogar eine kleine Kapelle mit Altar und Kniebank.

    Zum normalen Klang der Kirchenglocken von Bamberg mischte sich an diesem Tag ein weiterer Ton, denn im Brückenrathaus, inmitten der Regnitz, schlug heute die so genannte Malefiz Glocke - für alle Einwohner das unüberhörbare Zeichen, dass wieder einmal eine Hinrichtung anstand, obwohl in Bamberg mittlerweile jedermann wusste, was Generalvikar Dr. Förner an jedem Sonntag wortgewaltig seiner Gemeinde predigte. Er zelebrierte die Namen aller verurteilten Angeklagten wie in einem Theaterstück und die schlimmste Hexen-Geschichte erzählte er immer zum Schluss.

    Er lies auch keine Einzelheit aus den Geständnissen der verurteilten Hexen aus und verbreitete so nicht nur die Neuigkeiten im Kampf gegen den Teufel, sondern vor allem Angst und Schrecken innerhalb der gottes-fürchtigen Bevölkerung. Da es in Bamberg auch eine der ersten Druckereien und Papiermühlen im heiligen Reich Deutscher Nation gab, lies Dr. Friedrich Förner seine Hexenpredigten sogar in gedruckter Form verteilen, denn er war zweifelsohne ein moderner Theologe.

    Die frei gewordenen Zellen wurden von den mürrischen Wärtern flüchtig ausgefegt, mit neuem Stroh belegt und so dauerte es auch nur wenige Stunden, bis sich die schwere Eingangspforte für eine neue Gefangene öffnete, die aus Zeil am Main mit einem Pferdetransport überführt worden war. Normalerweise waren nur wenige der 26 Zellen im Malefiz Haus nicht belegt, doch durch die zahlreichen neuen Besagungen der vergangenen Wochen, war es nur eine Frage der Zeit, bis weitere Hexen und Zauberer eingefangen werden würden.

    Die Hitze des und nahenden Sommers verstärkte den üblen Gestank im Inneren des Hauses dermaßen penetrant, dass die Richter und Hexenkommissare das Haupthaus ausschliesslich durch die hintere Hoftür betraten und sich tunlichst auch nur in den Gerichtsstuben und in der Folterkammer aufhielten. Was sich in den Zellen und Wachstuben des Nachts abspielte, entzog sich jeglicher Kontrolle der Hexenkommission, denn dann herrschte nur noch der Kerkermeister im Malefiz Haus und so konnten die brutalen Folterknechte mit ihren teilweise blutjungen Gefangenen alles tun, was immer sie wollten.

    In den dreckigen, gemauerten Zellen hausten zahlreiche Ratten und anderes ekliges Ungeziefer. Mehrmals bettelten die Gefangenen lautstark um mehr Wasser, doch erst Stunden später erbarmten sich die Büttel, denn in der stinkig, schwülen Hitze war das Schleppen der Wassereimer eine schwere anstrengende und unbeliebte Arbeit.

    Am nächsten Morgen wurde es schlagartig ernst, denn schon kurz nach Sonnenaufgang kam Dr. Vasoldt ins Malefiz Haus und lies Elisabeth vom Büttel ins Erdgeschoss zerren. Als sie gebunden vor ihm stand, wechselte er genüsslich seine Brille und näherte sich ihrem Gesicht bis auf wenige Zentimeter. Da er einen halben Kopf kleiner war als sie, stellte er sich, wichtig machend, auf seine Zehenspitzen. Heute, Jungfer Elisabeth, werde ich Euch in die Geheimnisse unserer peinlichen Befragung einweihen, sein hämischer Unterton und seine Stimmlage machten ihr klar, dass sie diesem Sadisten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Ich lasse Euch zuerst einen Blick in das gefaltete Stüblein werfen, damit Ihr Euch, wenn ihr Bedenkzeit braucht, nicht mit der Pein der langen Weile zu quälen braucht.

    Der Geruch im gesamten Malefiz Haus war faulig und kaum zu ertragen aber als sich die Tür zu dieser Zelle öffnete, musste Elisabeth mit ihrem plötzlich aufstossenden Mageninhalt kämpfen: Die dunklen Wände dieser Einzelkammer waren übersät mit Kratzspuren und Exkrementen, doch als sie den Boden dieser Zelle sah, mussten sich die junge Schneiderin fast übergeben. Anstelle eines normalen Stein oder Holzbodens ragte in dieser, knapp 1 mal 1 Meter großen Zelle ein Boden aus scharf angespitzten Pyramiden aus einer schleimig, glänzenden Masse, die sich bei etwas besserem Licht, als eine verdickte Suppe aus Kot, Maden, getrocknetem Blut und Eiter entpuppte. Wer in dieser Zelle nachdenkt, der denkt schnell, hechelte der widerliche Hexenkommissar in Elisabeths Ohr. Und nun folgt mir doch bitte noch in die peinliche Frag, denn ich möchte Euch auch die anderen heiligen Befragungsinstrumente demonstrieren.

    Durch das linke hintere Befragungszimmer gingen sie auf den Hof hinter dem Malefiz Haus, der mit einer fünf Meter hohen Holzwand als Sichtschutz mit der Folterkammer verbunden war. Die frische Morgenluft hatte noch nie besser gerochen und Elisabeth genoss diese kurze Verschnaufpause um ganz tief durchzuatmen. Auf dem ummauerten Hof stapelte sich Klafter weise Holz, mehrere große Fässer, eine Wanne für die Badungen und über eine breite Treppe ging es fünf Stufen hinauf zur geöffneten Folterkammer. Zwei kräftige Folterknechte schürten gerade ein Feuer und somit war es stickig heiss in dieser Kammer, in deren Mitte sich der wehe Zug befand. Im Boden eingelassen war ein metallenes Gitter, denn die Folterkammer war nach modernsten Erkenntnissen gebaut worden: Unter ihr floss ein kleiner Abwasserkanal bis unter die Stadtmauer und von dort in das Schwarzwasser, und somit liessen sich austretende Körperflüssigkeiten recht einfach mit einem Eimer Wasser in diesen Bach spülen.

    An der linken Seite des Folterkammer führte ein Treppe in den ersten Stock: dort war eine Balustrade für die Zuschauer der peinlichen Befragung, denn neben den verschiedenen Folterinstrumenten und dem großen Tisch für die Hexenkommissare war kaum noch genügend Platz für die Folterknechte und die Opfer, die oftmals parallel drangsaliert wurden.

    Von manchen dieser grausamen Folterinstrumente hatte Elisabeth bereits gehört, doch erst die peinliche genaue Erklärung von Dr. Vasoldt lies sie mehrmals vor Angst erschauern. Wenn ihr nicht zugebt, mit wem und wann ihr das Hexenhandwerk ausgeübt habt, dann werden wir Euch hier den Teufel austreiben und Euch von Eurer verstockten Besessenheit erlösen. Und glaubt mir Eines: bis heute haben wir noch jeden bösen Geist mit der scharfen Marter ausfindig gemacht - da wird Euch auch Euer unschuldiges Leugnen nicht lange helfen.

    Die Angst vor den zu erwartenden Folterqualen war eine Sache, aber seitdem Elisabeth die schreienden und zuckenden Menschen bei der Verbrennung gesehen hatte, hatte sie geradezu panische Angst vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen. Noch hatte sie ihre eigenen Kleidung an und ihr hübsches Schneiderhäubchen auf, doch schon am Ende seiner Erklärungen lies sich Dr. Vasoldt von einem der Folterknechte einen grauen Trudenkittel aus grobem Leinen geben und hielt ihr diesen triumphierend zischend ins Gesicht: Ab morgen werdet ihr wie die anderen Hexen eingekleidet und dann sehen wir uns hier in dieser Kammer wieder.

    Dann wurde sie wieder in ihre Zelle im ersten Stock gebracht und in Ketten gelegt. Am Nachmittag gab es unüberhörbares Geschrei aus dem Erdgeschoss, denn ein männlicher Gefangener wurde in das gefaltete Stüblein gesperrt und schrie dort ununterbrochen in seinen Qualen. An der Stimme erkannte Elisabeth sofort den Ratsherren und Weinhändler Peter Fürst, für den sie noch vor wenigen Wochen ein kostbares Wams genäht hatte. Einer der reichsten Bürger der Stadt winselte, wie ein kleines Kind um Gnade, dann betete er lautstark schreiend stockend und weinend das Vaterunser, immer und immer wieder.

    Elisabeth nutzte die unerwartete Gelegenheit um mit ihrer Zellennachbarin zu reden, denn die Büttel hatten sie davor gewarnt, sich zu unterhalten. Wie ist es Euch ergangen? fragte Sie und Elisabeth schilderte ihr halb flüsternd vom Ablauf ihrer peinlichen Befragung. Helena indes, konnte nur zögernd über ihre Leidensgeschichte sprechen. Gleich in der ersten Nacht im Malefiz Haus waren zwei Folterknechte in ihre Zelle gekommen und hatten sie in eine der Wachstuben im Erdgeschoss gebracht. Dann zwangen sie die gefesselte Frau, einen ganzen Humpen Wein zu trinken und vergewaltigten sie danach gemeinsam bis zum Morgengrauen.

    Gleich am nächsten Tag wurde sie von den gleichen Männern in der peinlichen Frag ausgezogen, kahl geschoren, ihre letzten Haare wurden mit Hilfe von brennendem Branntwein abgeflammt und sie musste den Trudenkittel anziehen. Nach der ersten Anwendung der Daumenschrauben und dem wiederholten Auspeitschen war Helena kurz vor dem Zusammenbruch und dachte darüber nach, bei der nächsten Foltersitzung eine erfundene Geschichte einzugestehen, doch ihre größte Sorge war, dass die Hexenkommissare erst dann mit der widerlichen Folter aufhörten, wenn sie auch eine genügende Anzahl an neuen Denunziationen für künftige Verhaftungen aus den halb toten Opfern herausgepresst hatten.

    Wenn ich es könnte, dann würde ich mich umbringen, denn alle, die wir hier einliegen, sind dem Scheiterhaufen geweiht. Sie lassen niemanden mehr frei, der hier gefangen ist. Und ich will niemanden besagen müssen.

    Das Geschrei von Peter Fürst war einem monotonen Singsang gewichen, bis es nach wenigen Minuten ganz still wurde. Elisabeth machte sich keine Illusionen, dass es Flucht-möglichkeit oder gar Gnade für sie geben könnte: Ihr Schicksal war verwirkt.

    In der Hitze döste sie ein und wachte, Stunden später, durch die Mark erschütternden Schreie aus dem Erdgeschoss auf: Anscheinend war Peter Fürst eine Zeitlang bewusstlos im gefalteten Stüblein gelegen, denn jetzt schrie er, fast noch lauter als zuvor, und hämmerte wie wild an die massive Zellentür: Ich gebe alles zu, Alles. Ja - ich bin ein Hexer. Ja! Ja! Ja! Ich habe die heilige Hostie vergraben. Ich gestehe Alles, was ihr hören wollt, bloß lasst mich heraus aus dieser verdammten Kammer. Lasst mich heraus!

    Kurz darauf rasselten die Ketten mit den vielen Schlüsseln und der heulende Ratsherr wurde auf den Hof gebracht und mit zwei Eimern Wasser übergossen, dann schubste man ihn in die Gerichtsstube im Parterre, zu den Doktoren der Inquisition, die die vergangenen Stunden ausgiebig im Wirtshaus gezecht hatten. "Haben wir es Euch nicht gesagt, dass das Leugnen keinen Zweck hat? Der Teufel will heraus aus Euch und deshalb haben wir Euer Geständnis bereits vom Schreiber zu Protokoll nehmen lassen. Ihr müsst es dann morgen nur noch unterzeichnen. Dankt dem gnädigen Fürstbischof, dass er Euch den Beelzebub schon in wenigen Tagen mit dem Feuer austreiben wird und Eure gereinigte Seele ins gelobte Himmelreich auffahren kann.

    Der am ganzen Leib zitternde Peter Fürst wurde in seine Zelle gesperrt und bekam dort Besuch von einem Jesuiten Pater, der mit ihm betete und seine blutenden Wunden mit einer Kräutersalbe aus der Abtei versorgte. Als ihre Zellentür am nächsten Morgen geöffnet wurde, standen gleich drei Folterknechte vor Elisabeth und zerrten sie unsanft in das untere Befragungszimmer. Ohne Vorwarnung rissen sie ihr die Kleider vom Leib und liessen sie dann nackt, inmitten des Raumes, stehen.

    Angeführt von Dr. Vasoldt füllte sich der Raum kurz darauf und Elisabeth versuchte schamhaft ihren Schoss mit den Händen zu bedecken. Ihr kleinen Brüste waren versteckt hinter ihrem glänzenden braunen Haar. Sie war eine makellose junge, schöne Frau, die noch nie nackt vor einem Mann gestanden hatte. Hinter dem großen Tisch nahmen Dr. Vasoldt, zwei weitere Hexenkommissare und ein Schreiber Platz. Links und rechts von der nackten Schneiderin postierten sich Folterknechte und hielten sie so fest, dass ihre Unterarme schmerzten. Dr. Vasoldt wechselte umständlich nestelnd seine Brille und kam hinter dem Tisch hervor. In seiner rechten Hand hielt er eine Lupe und in der anderen Hand ein metallenes Gerät, dass Elisabeth nicht erkennen konnte. Wie ein Geier untersuchte Dr. Vasoldt jeden Zentimeter ihres Körpers mit akribischer Genauigkeit. Sie könnte seinen rasselndem Atem hören und riechen, denn er stank penetrant nach fauligem Fleisch und nach Alkohol.

    Elisabeth zuckte nur kurz zusammen, als er ihren unberührten Schoß mit seinen knochigen Fingern untersuchte, aber dann hatte Dr. Vasoldt an ihrer rechten Kniekehle ein kleines Muttermal entdeckt und sofort mit der Metall-Nadel eingestochen. Doch da gleich darauf ein kleiner Blutstropfen aus dem Muttermal austrat, handelte es sich hier anscheinend nicht um ein Teufelsmal und so schimpfte Dr. Vasoldt auf die List des schlauen Teufels und wies die Folterknechte an, den Trudenkittel für Elisabeth zu holen.

    Nachdem sie den groben, kratzigen, grauen Leinenkittel angezogen hatte, wurde sie erneut abgeführt - allerdings wurde sie diesmal nicht in den ersten Stock gebracht, sondern man sperrte sie in die gegenüber liegende Stube des Befragungszimmers.

    Da man sie nicht angekettet hatte, konnte Elisabeth durch das Gitter der Zellentür alles verfolgen, was sich an diesem Tag im Parterre des Malefiz Hauses ereignete. Sie sah ihre Zellennachbarin Helena - kahl geschoren und humpelnd in das Befragungszimmer gehen - dann wurde sie durch die Hintertür ins Folterhaus gebracht, denn aus einer weiteren Zelle wurde Peter Fürst in den Gerichtsraum geführt. Obwohl die schwere Tür geschlossen war, konnte Elisabeth genug verstehen, um sich den Zusammenhang zusammen zu reimen. Nachdem Peter Fürst in seiner Pein schließlich zugegeben hatte, ein Hexer zu sein, sollte er nun das Geständnis unterschreiben, was gleichzeitig sein eigenes Todesurteil bedeutete. Peter Fürst wollte nicht sterben und bettelte lautstark

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