BÜCHER | ERZÄHLUNGEN & ROMANE
FLAVIUS ARDELEAN
Der Heilige mit der roten Schnur
Übersetzt von Eva Ruth Wemme
HOMUNCULUS, 216 Seiten, 22 Euro
In einer kleinen Stadt, die in der wunderschön zu lesenden deutschen Übersetzung “Gaisterstat” heißt, wird ein besonderes Kind geboren. Der Junge Taush besitzt schon als Kleinkind besondere Kräfte, redet mit Insekten, zähmt wilde Tiere und tröstet die Sterbenden, indem er eine rote Schnur aus seinem Nabel spinnt, die er ihnen ums Handgelenk bindet. Schon bald genießt er den Ruf eines Heiligen. Den Tod oder das Böse bannen kann Taush jedoch nicht, kann weder den Tod seines Vaters verhindern noch, als junger Mann, die Verschleppung und Tötung seiner Liebsten durch riesige Ratten. Die Ratten sind gleichsam die Vorboten alles Kommenden. Mit fortschreitender Handlung nehmen die grotesken, phantasmagorischen Elemente immer mehr zu. In einer Art Stationendrama gerät Taush mit seinen Gefährten in eine gefahrvolle Begegnung nach der anderen, wird konfrontiert mit körperloser Fleischeslust, durchleidet drei große Ekelzustände und gründet trotz allem zum Schluss eine neue Stadt. Das Ganze ist in eine nicht minder albtraumhafte Rahmenhandlung gebettet und wird dabei in einem fast märchenhaften Tonfall erzählt, der auch grausigste Details als ganz selbstverständlich erscheinen lässt. (kgr)
Eine fantastische Heiligenlegende: Sprachmächtig interpretiert der rumänische Autor den Schauerroman neu.
BEKA ADAMASCHWILI
In diesem Buch stirbt jeder
Übersetzt von Sybilla Heinze
VOLAND & QUIST, 208 Seiten, 25 Euro
Was hat man als Romanfigur für Möglichkeiten, wenn man erfährt, dass der Antagonist kein Geringerer als der Autor ist? Memento Mori jedenfalls hat es sich zur Aufgabe gemacht, diverse Protagonisten vor dem sicheren Tod zu wahren. Was zunächst einmal wie eine heitere und lockere Lektüre klingt, entpuppt sich als ein durchaus anspruchsvolles, verschachteltes und herausforderndes Werk – mit viel Humor. Als Literaturliebhaber hat man seine wahre Freude, die vielen Andeutungen und Zitate berühmter Schriftsteller und Werke ausfindig zu machen. Und so trifft man etwa auf Shakespeare, Cervantes oder auch Hemingway – und lernt selbst noch Überraschendes. Der Spaß beginnt schon auf dem Cover, denn hier handelt es sich tatsächlich um Rubbelfelder. Was darunter liegt? Wird natürlich nicht verraten (bitte nicht einfach rubbeln, erst das Buch lesen!), ebenso wenig vom Inhalt. Eines kann man dennoch sagen, ohne zu viel preiszugeben: Das Buch macht große Lust auf Literatur und bereitet vergnügliche Lesestunden – und fordert zum aktiven Mitmachen auf. Nur allzu ernst darf man dann alles doch nicht nehmen. “Der Autor ist tot. Derjenige, der das gesagt hat, ist ebenfalls tot. Es lebe die neue Romanfigur!” (lin)
Aberwitzig, tiefsinnig, schlau und manchmal auch etwas
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