Enttäuschung in der Ballnacht: Der kleine Fürst 222 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Ich weiß, wie sehr du an deiner Großmutter hängst, Bruno«, sagte Baron Friedrich von Kant, als er mit seinem jüngeren Freund einen Gang durch die Stallungen von Schloss Sternberg machte. »Es hat mir sehr leid getan, von ihrem Schlaganfall zu hören.« Bruno von Lengden dankte ihm mit einem Nicken. Er war mittelgroß und schlank, seine dichten braunen Haare trug er kurz und akkurat geschnitten, die dunklen Augen blickten ernst. Er war über zehn Jahre jünger als Friedrich, vor kurzem hatte er seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert. Wenige Tage nach der Feier hatte seine Großmutter Amalia von Lengden einen Schlaganfall erlitten, dessen Folgen zurzeit in einer Reha-Klinik im Taunus behandelt wurden. Nach einer Weile sagte er: »Weißt du, was mein Bruder neulich getan hat? Er hat ausgerechnet, wie viel wir im Falle ihres Todes erben. Ich hätte ihn beinahe geschlagen.« »Das verstehe ich. So, wie du deine Großmutter beschreibst, wird sie ihm aber den Gefallen, jetzt schon zu sterben, nicht tun.« Ganz plötzlich lächelte Bruno, was ihn sehr veränderte. Er sah sofort viel jünger aus. »Das hoffe ich. Zum Glück ist sie vor allem wütend darüber, dass ihr so etwas passiert ist. Sie jammert und klagt nicht, sie schimpft. Und das heißt normalerweise, dass sie bereit ist zu kämpfen. Beim Sprechen hat sie keine Schwierigkeiten, nur beim Laufen, aber ich denke, das kriegt sie auch wieder hin.« Er stieß hörbar die Luft aus.
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Buchvorschau
Enttäuschung in der Ballnacht - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 222–
Enttäuschung in der Ballnacht
Zeig mir dein wahres Gesicht, Nies!
Viola Maybach
»Ich weiß, wie sehr du an deiner Großmutter hängst, Bruno«, sagte Baron Friedrich von Kant, als er mit seinem jüngeren Freund einen Gang durch die Stallungen von Schloss Sternberg machte. »Es hat mir sehr leid getan, von ihrem Schlaganfall zu hören.«
Bruno von Lengden dankte ihm mit einem Nicken. Er war mittelgroß und schlank, seine dichten braunen Haare trug er kurz und akkurat geschnitten, die dunklen Augen blickten ernst. Er war über zehn Jahre jünger als Friedrich, vor kurzem hatte er seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert. Wenige Tage nach der Feier hatte seine Großmutter Amalia von Lengden einen Schlaganfall erlitten, dessen Folgen zurzeit in einer Reha-Klinik im Taunus behandelt wurden.
Nach einer Weile sagte er: »Weißt du, was mein Bruder neulich getan hat? Er hat ausgerechnet, wie viel wir im Falle ihres Todes erben. Ich hätte ihn beinahe geschlagen.«
»Das verstehe ich. So, wie du deine Großmutter beschreibst, wird sie ihm aber den Gefallen, jetzt schon zu sterben, nicht tun.«
Ganz plötzlich lächelte Bruno, was ihn sehr veränderte. Er sah sofort viel jünger aus. »Das hoffe ich. Zum Glück ist sie vor allem wütend darüber, dass ihr so etwas passiert ist. Sie jammert und klagt nicht, sie schimpft. Und das heißt normalerweise, dass sie bereit ist zu kämpfen. Beim Sprechen hat sie keine Schwierigkeiten, nur beim Laufen, aber ich denke, das kriegt sie auch wieder hin.«
Er stieß hörbar die Luft aus. »Als ich den Anruf bekam, dass sie einen Schlaganfall hatte, war es so, als zöge mir jemand den Boden unter den Füßen weg. Ich wäre beinahe ohnmächtig geworden. Sie hat mir ja immer näher gestanden als meine Mutter.« Der letzte Satz klang ganz sachlich, er sagte ihn ohne Bitterkeit in der Stimme, aber Friedrich wusste, dass er diese Tatsache nicht immer so gelassen hatte sehen können.
»Ich weiß, mein Freund«, erwiderte er, während er Bruno einen Arm um die Schultern legte.
Brunos Mutter Konstanze war eine kühle, elegante Blondine, die ihren älteren Sohn Edmund vergötterte, während sie Bruno zeit seines Lebens kaum beachtet hatte. So hatte Bruno als Kind seine Ferien bei der Großmutter auf dem Land verbracht und erst dort gelernt, dass er nicht weniger wert war als Edmund.
»Ich brauche meine Oma noch«, sagte er leise.
»Das weiß sie doch auch, oder?«
»Ja, das weiß sie.«
Sie blieben vor der Box eines temperamentvollen schwarzen Hengstes stehen. »Was für ein schönes Tier!«, sagte Bruno bewundernd.
»Wenn du ihn reiten willst, müssen wir Herrn Wenger fragen, aber ich denke, er hat nichts dagegen.«
»Du meinst, das ginge?«
»Fragen wir ihn gleich.«
Sie machten sich also auf die Suche nach Robert Wenger, dem jungen Stallmeister, der erfreut sagte: »Ich wäre sogar sehr froh, wenn jemand Hector bewegen würde, er ist schon ganz unruhig, aber normalerweise hätte er sich noch ein paar Stunden gedulden müssen, bis er an der Reihe ist.«
»Von mir aus kann es sofort losgehen«, sagte Bruno.
»Und ich mache mich wieder an die Arbeit«, erklärte der Baron. »Viel Spaß, Bruno.«
»Dir auch.«
Bruno war bereits in Reitkleidung, Robert Wenger half ihm, den Hengst zu satteln. Anschließend saß er auf und lenkte den Hengst Richtung Wald, während er leise auf das temperamentvolle Tier einredete, das sich kaum zügeln lassen wollte.
»Wenn ich nicht wüsste, dass Herr von Lengden ein sehr guter Reiter ist, hätte ich ihm Hector nicht anvertraut, Herr Baron«, sagte Robert Wenger.
»Hector wird jedenfalls mehr als genug Auslauf bekommen heute«, lächelte Friedrich. »Müssen wir noch etwas besprechen, Herr Wenger?«
»Nein, ich denke nicht.«
»Dann bis später.« Mit diesen Worten machte sich Baron Friedrich auf den Rückweg zum Schloss. Obwohl in seinem Büro viel Arbeit auf ihn wartete, ließ er sich Zeit. Es war ein milder Frühlingstag, die Luft war so klar, dass es eigentlich eine Schande war, den Tag am Schreibtisch zu verbringen. Aber ihm würde nichts anderes übrig bleiben. Seit er für Christian von Sternberg, den Neffen seiner Frau Sofia, die Geschäfte führte, hatten sich seine Aufgaben hier im Schloss vervielfacht.
Sofia und er hatten zwei Kinder, Konrad und Anna, mit denen sie schon lange auf Schloss Sternberg lebten. Sie waren auf Bitten des Fürstenpaars von Sternberg hergezogen: Fürstin Elisabeth war Sofias Schwester gewesen. Sie und ihr Mann Leopold hatten nur einen Sohn, Christian, und sie wussten, sie würden keine weiteren Kinder bekommen. Damit der Junge nicht ohne die Gesellschaft anderer Kinder aufwachsen musste, hatten sie Sofia und Friedrich gebeten, zu ihnen ins Schloss zu ziehen. Platz genug war ja vorhanden gewesen.
Glückliche Jahre, dachte der Baron nachdenklich, während er sich langsam dem Schloss näherte.
Die beiden jungen Familien waren, auch wenn sie in zwei unterschiedlichen Flügeln des Schlosses gewohnt hatten, zu einer Großfamilie zusammengewachsen. Sie hatten viel gemeinsam unternommen, die Kinder waren ohnehin ständig zusammen gewesen. Aber auch Sofia und Elisabeth, die beiden Schwestern, die schon als Kinder enge Freundinnen gewesen waren, hatten die räumliche Nähe genutzt und genossen. Ja, es waren glückliche Jahre gewesen – bis zu jenem Tag, an dem Elisabeth und Leopold bei einem Hubschrauberabsturz gemeinsam mit dem Piloten ums Leben gekommen waren.
Seitdem lebte Christian als drittes Kind der Familie von Kant bei ihnen im Westflügel. Er hatte seinen eigenen Weg gefunden, seine Trauer zu verarbeiten. Jeden Tag besuchte er seine Eltern auf dem Familienfriedhof und ›sprach‹ mit ihnen, während Sofia den Gang dorthin scheute. Sobald sie den Namen ihrer geliebten Schwester auf der Gruft las, bekam sie kaum noch Luft zum Atmen. Aber alles in allem hatten sie, als Familie, es recht gut geschafft, diesem Schicksalsschlag zu trotzen. Christian hatte sich vor nicht allzu langer Zeit sogar verliebt, und diese junge Liebe half ihm ebenfalls dabei, die Schrecken der Vergangenheit zu bannen.
Als Friedrich die wenigen Stufen zum Hauptportal hinaufging, hatte Eberhard Hagedorn, der langjährige Butler, es bereits geöffnet und erwartete ihn mit seinem zurückhaltenden Lächeln. »War alles zu Ihrer Zufriedenheit, Herr Baron?«
»Ja, es ist immer wieder eine Freude, die Pferde zu besuchen.«
»Es war eine gute Idee von Ihnen, das Gestüt weiter auszubauen, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.«
Friedrich lächelte. »Ich glaube auch, dass es eine gute Idee war. Unsere Pferde sind auf der ganzen Welt begehrt. Wir könnten auch noch mehr verkaufen, wenn wir wollten, aber ich denke, wenn wir noch weiter wachsen wollen, sollten wir es nicht zu schnell tun.«
Er betrat die Eingangshalle des Schlosses, die in vielen Reiseführern abgebildet war, nicht nur wegen ihres wunderschönen Mosaikfußbodens, sondern auch wegen der elegant geschwungenen breiten Treppe, auf der man oben in die Privaträume der Familie und die Gästesuiten gelangte. Manchmal blieb er eine Weile stehen und blickte sich um, weil er nicht aus Gewohnheit irgendwann blind werden wollte für die Schönheit, die ihn umgab, aber nun hatte er es doch eilig, in sein Büro zurückzukehren. Es lag direkt neben der Eingangshalle.
»Ist