Verrat oder Liebe: Der kleine Fürst 211 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Ich will Ihnen doch überhaupt nichts tun«, sagte der Mann. Er sagte es sehr laut, um Antonias Geschrei zu übertönen. »So seien Sie doch ruhig, Sie werden noch die ganze Nachbarschaft aufwecken!« Seine Stimme klang trotz der Lautstärke so wenig bedrohlich, dass Antonia tatsächlich verstummte. Aber sie zitterte noch immer am ganzen Körper vor Schreck, und ihr wurde bewusst, dass es nichts gab, womit sie sich verteidigen konnte, wenn er doch versuchen sollte, sie anzugreifen. Sie saß auf der Matratze, die sie mitten ins Zimmer gezogen hatte, mit nichts als einem Hemd bekleidet, und im Türrahmen stand ein fremder Mann, der nicht in dieses Haus gehörte. Er war eingebrochen, genau wie sie. Und wahrscheinlich suchte er, genau wie sie, ein Dach über dem Kopf. »Wir sind uns schon begegnet«, sagte der Mann. »Erkennen Sie mich denn nicht?« Sie hatte sein Gesicht bis jetzt nicht gesehen, es auch nicht sehen wollen. Der Schein ihrer Taschenlampe war nicht sehr stark, aber er hatte jedenfalls ausgereicht, um die Silhouette des Mannes zu erfassen, die ihr diesen Heidenschrecken eingejagt hatte. Nun erst richtete sie die Lampe auf sein Gesicht. Sofort hob er eine Hand, um seine Augen zu schützen. Antonia stockte kurz der Atem. »Sie waren neulich schon mal hier«, stellte sie fest. »Unten am See.«
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Verrat oder Liebe - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 211–
Verrat oder Liebe
Du hast mich enttäuscht, Nikolai!
Viola Maybach
»Ich will Ihnen doch überhaupt nichts tun«, sagte der Mann. Er sagte es sehr laut, um Antonias Geschrei zu übertönen. »So seien Sie doch ruhig, Sie werden noch die ganze Nachbarschaft aufwecken!«
Seine Stimme klang trotz der Lautstärke so wenig bedrohlich, dass Antonia tatsächlich verstummte. Aber sie zitterte noch immer am ganzen Körper vor Schreck, und ihr wurde bewusst, dass es nichts gab, womit sie sich verteidigen konnte, wenn er doch versuchen sollte, sie anzugreifen. Sie saß auf der Matratze, die sie mitten ins Zimmer gezogen hatte, mit nichts als einem Hemd bekleidet, und im Türrahmen stand ein fremder Mann, der nicht in dieses Haus gehörte. Er war eingebrochen, genau wie sie. Und wahrscheinlich suchte er, genau wie sie, ein Dach über dem Kopf.
»Wir sind uns schon begegnet«, sagte der Mann. »Erkennen Sie mich denn nicht?«
Sie hatte sein Gesicht bis jetzt nicht gesehen, es auch nicht sehen wollen. Der Schein ihrer Taschenlampe war nicht sehr stark, aber er hatte jedenfalls ausgereicht, um die Silhouette des Mannes zu erfassen, die ihr diesen Heidenschrecken eingejagt hatte. Nun erst richtete sie die Lampe auf sein Gesicht. Sofort hob er eine Hand, um seine Augen zu schützen.
Antonia stockte kurz der Atem. »Sie waren neulich schon mal hier«, stellte sie fest. »Unten am See.«
»Und Sie waren in der Praxis, oder nicht?«
Sie schluckte. Er hatte sie also auch gesehen, aber er wusste ihren Namen nicht, das war die Hauptsache.
»Wieso sind Sie weggelaufen? Aus der Praxis, meine ich?«
»Das geht Sie nichts an«, erwiderte Antonia spröde.
»Na ja…«
»Ich habe es mir eben anders überlegt. Was hatten Sie denn da zu suchen?«
Er wirkte erstaunt. »In der Praxis?«
»Ja, natürlich. Sie machen keinen kranken Eindruck. Sind Sie mir nachgegangen?«
»Aber nein, ich hatte Sie vorher gar nicht gesehen. Nein, nein, ich bin…« Er stockte, überlegte, schüttelte dann den Kopf. »Ich bin auch nicht krank«, sagte er dann. »Ich war aus anderen Gründen da.«
»Sind Sie mir bestimmt nicht gefolgt?«
»Wenn Sie wollen, schwöre ich.« Während er das sagte, machte er zwei Schritte ins Zimmer.
»Bleiben Sie sofort stehen oder ich schreie wieder!«
»Darf ich mich vielleicht setzen? Ich bin müde, wissen Sie? Ich will Ihnen nichts tun. Ich wollte nur… ein Dach über dem Kopf. Ich… ich wusste nicht, dass Sie im Haus sind.«
Hielt er sie etwa für die Bewohnerin? »Wieso haben Sie kein Dach über dem Kopf?«, fragte sie misstrauisch. »Sie sehen nicht so aus.«
»Darf ich mich nun setzen?«
»Von mir aus, aber in den Sessel da hinten. Und versuchen Sie nicht, mich reinzulegen.«
Er seufzte und ließ sich in den Sessel fallen, der am weitesten von ihr entfernt stand. Daraufhin schaltete sie die Taschenlampe wieder aus.
»Sie wohnen auch nicht hier«, stellte er fest, »sonst lägen Sie in einem Bett und nicht auf einer Matratze und würden auch keine Taschenlampe benutzen. Ich heiße übrigens Niko.«
Sie zögerte, aber eine Abkürzung ihres Vornamens erschien ihr unverfänglich. »Toni«, sagte sie. »Wie sind Sie ins Haus gekommen?«
»Dietrich«, antwortete er nach kurzem Zögern. »Ich hatte mal einen Freund, der Einbrecher war.«
»Und jetzt sind Sie selbst einer?«
»So sehe ich mich nicht. Wie sind Sie ins Haus gekommen?«
»Durch ein Fenster.«
»Warum waren Sie in der Praxis? Sind Sie krank?«
Sie rang mit sich, aber warum sollte sie es ihm nicht erzählen? »Ja«, sagte sie schließlich. »Ich hatte Fieber und bin immer noch erkältet. Halsschmerzen hatte ich auch, aber die sind fast weg. Es war einfach zu kalt…« Sie stockte. Dass sie bei diesen Temperaturen einige Nächte in einem winzigen Zelt verbracht hatte, brauchte er nicht zu wissen.
»Warum sind Sie hier?«, fragte er weiter. »Sie sehen auch nicht aus wie jemand, der kein Dach über dem Kopf hat und deshalb in fremde Häuser einsteigen muss.«
»Ich will nicht darüber reden.«
»Gut. Worüber reden wir dann?«
»Wir reden gar nicht mehr. Gehen Sie wieder und lassen Sie mich in Ruhe.«
Er schüttelte den Kopf. »Das können Sie nicht von mir verlangen. Draußen herrschen Minusgrade, so hartherzig, mich dem auszusetzen, können Sie nicht sein.«
»Wieso sind Sie gerade in dieses Haus eingestiegen?«
»Weil es meistens leer steht.«
»Ich glaube Ihnen nicht. Neulich, am See, haben Sie gesagt, dass Sie in der Stadt wohnen. Sie haben mir sogar angeboten, mich mitzunehmen, also müssen Sie ein Auto haben.«
Er seufzte wieder, legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Sie konnte ihn gut sehen, denn der Mond, bis vor kurzem noch hinter Wolken verborgen, hing jetzt gut sichtbar als Oval am Himmel und verbreitete sein silbriges Licht.
»Also gut, ich habe gelogen«, gab er zu. »Ich bin hier, weil mir die Eigentümer gesagt haben, dass jemand im Haus war und mich gebeten haben, nach dem Rechten zu sehen. Ich bin mit einem Schlüssel ins Haus gekommen, wenn Sie es ganz genau wissen wollen.«
Das war ein Tiefschlag, mit dem sie nicht gerechnet hatte. »Sie kennen die Familie Kant?«, fragte sie.
Sie hörte ihn scharf die Luft einziehen und begriff erst nach einigen Sekunden, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
Seine nächste Frage bewies das. »Sie kennen sie also auch?«
»Nein«, behauptete sie, und das war immerhin die halbe Wahrheit. »Ich habe nur gehört, dass sie die Villa gekauft haben.«
Er schien ihr das zu glauben, denn er fragte nicht weiter nach. Eine Weile schwiegen sie, dann stellte Antonia die für sie wichtigste Frage: »Und was haben Sie jetzt vor? Rufen Sie die Polizei an?«
Die Antwort kam so prompt, und sie klang so überzeugend, dass sie ihm sofort glaubte: »Nein, ganz bestimmt nicht.«
»Aber ich bin hier eingestiegen«, sagte sie. »Etwas müssen Sie unternehmen.«
»Was würden Sie an meiner Stelle tun?«, fragte er. Es klang so, als wollte er es wirklich wissen.
Sie dachte ernsthaft über ihre Antwort nach und sagte schließlich: »Ich weiß es nicht. Vielleicht würde ich einfach wieder gehen und mich darauf verlassen, dass in der Villa nichts angerührt wird.«
»Hm. Aber ich kenne Sie nicht. Wieso sollte ich Ihnen vertrauen?«
»Weil ich Ihnen mein Ehrenwort gebe, dass ich nichts stehle und nichts kaputt mache. Ich will nur ein paar Tage hier bleiben und nachdenken.«
»Worüber?«
»Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass meine Angelegenheiten Sie nichts angehen.«
»Sie verlangen ziemlich viel von mir, finden Sie nicht? Ich soll Vertrauen zu Ihnen haben, aber Sie wollen mir nicht einmal verraten, warum Sie hier sind.«
»Ich habe ein Problem«, sagte Antonia, nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte. »Das muss ich lösen, und das kann ich nur, wenn ich für mich bin und in Ruhe darüber nachdenken kann.«
»Liebeskummer.«
Sie stieß ein kurzes, beinahe zornig klingendes Lachen aus. »Bestimmt nicht!«
Wieder schwiegen sie beide. Antonia legte sich wieder hin, sie fühlte sich von dem Mann namens Niko nicht länger bedroht. Er kannte die Sternberger, war vielleicht sogar mit