Süße Spionin: Der kleine Fürst 167 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
Die Bewohner von Schloss Sternberg hatten sich, wie sie das vor allem im Winter gerne taten, in der gemütlichen Bibliothek zusammengefunden. Die schweren Ledersessel standen im Halbkreis um den Kamin, in dem ein Feuer prasselte und den Raum angenehm erwärmte. Die Lämpchen auf den kleinen Tischen, an denen man sich zum Lesen niederlassen konnte, waren stark heruntergedimmt, sodass auch das Licht zur freundlichen Atmosphäre beitrug. Das Gespräch freilich, das sehr lebhaft geführt wurde, war alles andere als entspannt.
»Er ist also wieder einmal verschwunden«, stellte Baron Friedrich von Kant gerade fest. Er sah missmutig aus bei diesen Worten, was niemanden verwunderte, denn es ging um Roberto Visconti, einen jungen Italiener, der seit einiger Zeit im Schloss zu Gast war. Nicht, dass Friedrich und seine Frau, Baronin Sofia, ihn eingeladen hätten – das war bereits der erste kritische Punkt: Sofias ältere Schwester Angelika Gräfin Maritz, die gerade in Peru mit ihrer Forschungsgruppe damit beschäftigt war, eine alte Inkastadt auszugraben, hatte angerufen und ihren Verwandten mitgeteilt, ihr Mitarbeiter Roberto Visconti werde nach Deutschland kommen, sie habe ihm gesagt, er könne während seines Aufenthalts bei ihren Verwandten wohnen. Sie hatte nicht einmal gefragt, ob es den Kants auch recht war.
Aber dann war der junge Mann angekommen und hatte mit seinem Charme und seiner Lebhaftigkeit innerhalb kürzester Zeit die ganze Familie für sich eingenommen. Vor allem die Teenager waren sofort auf seiner Seite gewesen: Sofias und Friedrichs Sohn Konrad, sechzehn Jahre alt, seine drei Jahre jüngere Schwester Anna und ihr Cousin Christian von Sternberg, der
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Buchvorschau
Süße Spionin - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 167–
Süße Spionin
Ariane von Hellern macht eine Entdeckung
Viola Maybach
Die Bewohner von Schloss Sternberg hatten sich, wie sie das vor allem im Winter gerne taten, in der gemütlichen Bibliothek zusammengefunden. Die schweren Ledersessel standen im Halbkreis um den Kamin, in dem ein Feuer prasselte und den Raum angenehm erwärmte. Die Lämpchen auf den kleinen Tischen, an denen man sich zum Lesen niederlassen konnte, waren stark heruntergedimmt, sodass auch das Licht zur freundlichen Atmosphäre beitrug. Das Gespräch freilich, das sehr lebhaft geführt wurde, war alles andere als entspannt.
»Er ist also wieder einmal verschwunden«, stellte Baron Friedrich von Kant gerade fest. Er sah missmutig aus bei diesen Worten, was niemanden verwunderte, denn es ging um Roberto Visconti, einen jungen Italiener, der seit einiger Zeit im Schloss zu Gast war. Nicht, dass Friedrich und seine Frau, Baronin Sofia, ihn eingeladen hätten – das war bereits der erste kritische Punkt: Sofias ältere Schwester Angelika Gräfin Maritz, die gerade in Peru mit ihrer Forschungsgruppe damit beschäftigt war, eine alte Inkastadt auszugraben, hatte angerufen und ihren Verwandten mitgeteilt, ihr Mitarbeiter Roberto Visconti werde nach Deutschland kommen, sie habe ihm gesagt, er könne während seines Aufenthalts bei ihren Verwandten wohnen. Sie hatte nicht einmal gefragt, ob es den Kants auch recht war.
Aber dann war der junge Mann angekommen und hatte mit seinem Charme und seiner Lebhaftigkeit innerhalb kürzester Zeit die ganze Familie für sich eingenommen. Vor allem die Teenager waren sofort auf seiner Seite gewesen: Sofias und Friedrichs Sohn Konrad, sechzehn Jahre alt, seine drei Jahre jüngere Schwester Anna und ihr Cousin Christian von Sternberg, der seit dem tragischen Unfalltod seiner Eltern im vergangenen Jahr praktisch Sofias und Friedrichs drittes Kind war.
Doch die Harmonie war nicht von langer Dauer gewesen. Gäste der Familie hatten mitbekommen, dass Roberto Visconti seine Gastgeber belog, wenn auch in unwichtigen Dingen. Er sagte mehrmals eindeutig die Unwahrheit, bevor er schließlich verschwand. Man hatte ihn zusammengeschlagen und ausgeraubt. Er war dann zum Glück gefunden und in die Sternberger Klinik gebracht worden, wo ihn die Kants selbstverständlich auch besucht hatten. Nun war er entlassen worden, aber statt ins Schloss zurückzukehren, war er abermals verschwunden.
Dabei hatten Sofia und Friedrich sich fest vorgenommen, ihn wegen seiner Schwindeleien endlich zur Rede zu stellen. Auch in der Klinik war ihr Gast nämlich wieder aufgefallen, weil er Geschichten erzählt hatte, die frei erfunden waren. Einfacher wäre es natürlich gewesen, sie hätten mit Sofias Schwester Angelika über ihre Fragen sprechen können, doch die war seit Roberto Viscontis Ankunft in Deutschland praktisch unerreichbar. Weder über das Telefon, noch über das Internet war es den Kants möglich gewesen, eine Verbindung zu ihr herzustellen. Besonders die Baronin ärgerte sich sehr darüber. Ihr Verhältnis zu Angelika war immer gespannt gewesen, jetzt steuerte diese Spannung auf einen neuen Höhepunkt zu. Sie hatte sich vorgenommen, das nächste Mal Klartext mit Angelika zu reden. Nur musste sie es erst einmal schaffen, sie ans Telefon zu bekommen.
»Ich verstehe das immer noch nicht«, sagte Christian. Er war ein lang aufgeschossener Junge von fünfzehn Jahren, mit ernsten Augen im schmalen Gesicht. Der Tod seiner beiden Eltern hatte ihn vorzeitig reifen lassen, doch zur größten Freude von Sofia und Friedrich hatte er trotz dieses Schicksalsschlages den Lebensmut nicht verloren. In der Bevölkerung hieß er noch immer ›der kleine Fürst‹. Diesen Namen hatte er als kleiner Junge bekommen, als sein groß gewachsener Vater Leopold ihn mit auf Reisen genommen hatte. Bald schon hatte man sie ›der große und der kleine Fürst‹ genannt, und dabei war es, was Christian betraf, geblieben, obwohl er längst kein kleiner Junge mehr war. Ihm gefiel der Name, denn er wusste, dass er liebevoll gemeint war.
»Roberto ist aus der Klinik entlassen worden«, fuhr er fort, »Herr Wiedemann konnte ihn nicht abholen, weil er dich zu einem geschäftlichen Termin gefahren hat, Onkel Fritz. Deshalb hattet ihr ihm gesagt, dass er ein Taxi nehmen muss. Das wollte er auch machen. Und dann?«
»Das ist eben die Frage!«, rief der Baron. »Niemand weiß es. Er hat seine Entlassungspapiere abgeholt, sich noch freundlich von Herrn Dr. Brocks verabschiedet und sich für die gute Behandlung in der Klinik bedankt, danach verliert sich seine Spur. Eine Schwester hat ihn die Klinik verlassen sehen, aber sie kann nicht sagen, ob er in ein Taxi gestiegen ist oder nicht. Er ist spurlos verschwunden, zum zweiten Mal.«
»Hoffentlich ist er nicht wieder niedergeschlagen und ausgeraubt worden.« Annas hübsches, rundes Gesicht hatte einen bekümmerten Ausdruck angenommen. Sie war ein kluges, lebhaftes Mädchen, das seiner Mutter sehr ähnlich sah. Auch die blonden Locken hatte sie von der Baronin geerbt.
Konrad, ihr großer Bruder, ähnelte dagegen mehr seinem Vater. Zwar war auch er blond, aber die eher schmalen, markanten Gesichtszüge hatte er von seinem groß gewachsenen braunhaarigen Vater geerbt.
»Bloß nicht«, sagte er. »Aber der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Was machen wir denn jetzt?«
»Die Polizei weiß Bescheid«, erklärte der Baron. »Nachdem sie uns ja beim ersten Mal erklärt hatten, wir müssten wegen einer Vermisstenanzeige noch warten, haben sie dieses Mal sofort reagiert, schließlich ist Herr Visconti schon einmal überfallen worden.«
»Aber da hat ihn gleich jemand gefunden, Papa«, warf Anna ein. »Jetzt haben wir Abend, und er ist heute Vormittag entlassen worden.«
»Es muss jedenfalls etwas passiert sein, sonst hätte er sich gemeldet«, sagte Christian. »Roberto lässt uns doch nicht einfach hängen.«
Die Teenager hatten den Gast von Anfang an geduzt, wie sie es fast immer taten, während Sofia und Friedrich in der Regel erst einmal Distanz hielten. So war es auch dieses Mal gewesen. Aber sie hatten Anna, Konrad und Christian auch nicht erzählt, dass ihr Gast sie schon mehrfach belogen hatte. Es war ihnen besser erschienen, das für sich zu behalten, zumal sie nicht wussten, welche Bedeutung sie den Schwindeleien zumessen sollten. Sie wirkten so harmlos – musste man sich deshalb wirklich beunruhigen?
Was sie nicht ahnten: Die Teenager waren bestens informiert, da Anna, was sie gern tat, wieder einmal gelauscht hatte. Nur waren Christian, Konrad und sie trotz des Wissens um Roberto Viscontis Schwindeleien nach wie vor auf seiner Seite. Sie nahmen an, dass er gute Gründe hatte, gelegentlich die Wahrheit zu verschleiern, doch darüber sprachen sie nicht. Sie ließen Sofia und Friedrich in dem Glauben, dass sie nichts ahnten von den Irritationen, die der Gast hervorgerufen hatte.
»Von Anfang an stand dieser Besuch unter einem schlechten Stern«, stellte die Baronin fest. »Dass Angelika uns so überfahren hat, war nicht gut.«
»Ach, Mama«, sagte Anna, »Roberto ist so nett!«
»Ja, das ist er«, gab Sofia zu. Das war es ja, was die Angelegenheit so kompliziert machte.
Baron Friedrich warf einen Blick auf die Uhr. »Es ist schon reichlich spät, ich schlage vor, ihr geht ins Bett. Die Schule fällt morgen