Stephanies tapferer Beschützer: Der kleine Fürst 255 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Da ist kein Fenster, Chris«, sagte Stephanie von Hohenbrunn enttäuscht. Wie lange kratzten sie jetzt schon mit den Glasscherben an der Wand, die sie voneinander trennte – dort, wo es beim Klopfen hohl geklungen hatte? Sie wusste es nicht, ihr war das Zeitgefühl abhanden gekommen, seit sie sich in diesem Gefängnis befand. Das Licht war dämmerig, ob früher Tag oder später Nachmittag. Nur in der Nacht wurde es richtig dunkel, sonst herrschte hier dieses seltsame Zwielicht, dem man keine Tageszeit zuordnen konnte. Nicht einmal das Wetter war zu erahnen, denn kein Sonnenstrahl verirrte sich durch die blinden Fenster der verlassenen Fabrikhalle – und schon gar nicht in diese engen kleinen Büros, die man an einer Schmalseite in die Halle eingepasst hatte. »Wir machen eine Pause«, erwiderte Christian von Sternberg, der kleine Fürst. »Mein Arm ist schon ganz lahm.« »Ich habe nur noch so wenig Wasser«, sagte sie. »Wenn ich nur wüsste, warum niemand kommt, um nach uns zu sehen! Die müssen doch wissen, dass wir mit einem Müsliriegel und einer Flasche Wasser nicht lange auskommen können, aber das scheint ihnen gleichgültig zu sein.« Christian ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Endlich sagte er: »Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen.« »Dass sie nicht kommen?«, fragte sie ungläubig. »Was soll daran gut sein?« »Ich schätze, sie können nicht, weil die Polizei nach uns sucht.
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Buchvorschau
Stephanies tapferer Beschützer - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 255 –
Stephanies tapferer Beschützer
Viola Maybach
»Da ist kein Fenster, Chris«, sagte Stephanie von Hohenbrunn enttäuscht.
Wie lange kratzten sie jetzt schon mit den Glasscherben an der Wand, die sie voneinander trennte – dort, wo es beim Klopfen hohl geklungen hatte? Sie wusste es nicht, ihr war das Zeitgefühl abhanden gekommen, seit sie sich in diesem Gefängnis befand. Das Licht war dämmerig, ob früher Tag oder später Nachmittag. Nur in der Nacht wurde es richtig dunkel, sonst herrschte hier dieses seltsame Zwielicht, dem man keine Tageszeit zuordnen konnte. Nicht einmal das Wetter war zu erahnen, denn kein Sonnenstrahl verirrte sich durch die blinden Fenster der verlassenen Fabrikhalle – und schon gar nicht in diese engen kleinen Büros, die man an einer Schmalseite in die Halle eingepasst hatte.
»Wir machen eine Pause«, erwiderte Christian von Sternberg, der kleine Fürst. »Mein Arm ist schon ganz lahm.«
»Ich habe nur noch so wenig Wasser«, sagte sie. »Wenn ich nur wüsste, warum niemand kommt, um nach uns zu sehen! Die müssen doch wissen, dass wir mit einem Müsliriegel und einer Flasche Wasser nicht lange auskommen können, aber das scheint ihnen gleichgültig zu sein.«
Christian ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Endlich sagte er: »Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen.«
»Dass sie nicht kommen?«, fragte sie ungläubig. »Was soll daran gut sein?«
»Ich schätze, sie können nicht, weil die Polizei nach uns sucht. Sie haben Angst, dabei beobachtet zu werden, wie sie in die Fabrik gehen.«
»Aber das ist doch nicht gut!« Stephanie hörte die Panik in ihrer Stimme, aber sie schaffte es nicht, sie zu unterdrücken. »Wenn die Polizei uns nämlich nicht findet, dann sitzen wir hier ohne Essen und Wasser!« Sie versuchte, sich zu beruhigen, vergeblich. Tränen liefen ihr über die Wangen, sie konnte sie nicht zurückhalten. Wenigstens sah Christian die Tränen nicht.
»Wir finden entweder einen Weg hier heraus«, hörte sie ihn sagen, so ruhig, als sei er nicht in der gleichen verzweifelten Lage wie sie, »oder sie sagen der Polizei, wo wir sind. Das machen sie spätestens, wenn sie das Lösegeld kassiert haben, weil sie nämlich bestimmt nicht wollen, dass wir in Lebensgefahr geraten. Oder, und das ist die dritte Möglichkeit: Wir werden vorher gefunden, weil entweder Anna und Konny eine Spur entdecken oder der Kriminalrat und sein Team. Beruhige dich, Steffi. Wir dürfen uns nicht selbst verrückt machen, wir brauchen unsere Kräfte für Wichtigeres.«
Obwohl sie noch immer weinte, wäre sie beinahe in hysterisches Gelächter ausgebrochen. Sie fand ihre Lage so aussichtslos, und er redete davon, dass sie sich vielleicht selbst befreien könnten? Wie sollte das gehen?
Aber trotz ihrer Zweifel verfehlten seine Worte ihre Wirkung nicht. Sie spürte, wie sie allmählich ruhiger wurde. Die Tränen versiegten, ihr Atem ging wieder regelmäßig. Nun schämte sie sich beinahe dafür, so die Fassung verloren zu haben. »Tut mir leid, Chris«, sagte sie. »Es war eine Panikattacke.«
»Die hatte ich auch schon. Das ist in unserer Situation ja auch kein Wunder. Wenn es dir wieder besser geht, sollen wir dann weitermachen?«
Sie glaubte nicht mehr an einen Erfolg ihrer Aktion, aber das Kratzen an der Wand vertrieb immerhin die Zeit. Alles war besser, als nur auf dem Boden zu sitzen und sich die schrecklichen Dinge auszumalen, die ihnen möglicherweise drohten.
»In Ordnung«, sagte sie. »Aber vorher beiße ich noch einmal von meinem Müsliriegel ab.«
»Gut, ich mache das auch. Und dann zwei Schlucke Wasser.«
Am liebsten hätte sie den ganzen Rest des Müsliriegels verschlungen und die Wasserflasche geleert, doch sie bezähmte sich.
»Fertig«, sagte sie. »Lass uns weiter kratzen.«
Sie hatte schon ziemlich viel von der alten, vergilbten Tapete abgekratzt, doch darunter war nichts zum Vorschein gekommen, das auf einen Hohlraum hingedeutet hätte. Auch Christian war nicht erfolgreicher gewesen. Doch kaum hatten sie die Arbeit wieder aufgenommen, als er aufgeregt rief: »Hier ist etwas, Steffi! Hier, wo ich klopfe. Das fühlt sich wie Holz an. Oder wie eine Spanplatte. Hör mal!«
Sie war ein ganzes Stück von der Stelle, an der sie ihn klopfen hörte, entfernt. Eilig bewegte sie sich dorthin, wo sie ihn vermutete und machte sich an die Arbeit. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Sie stieß auf eine Fuge von mehreren Millimetern, die sie sofort mit ihrer Glasscherbe aufschlitzte. Als sie ihre Fingerspitzen über die Fuge gleiten ließ, spürte sie deutlich den Unterschied zwischen den beiden Materialien, die dort aufeinandertrafen.
Sie klopfte fest dagegen. »Hier ist etwas eingesetzt worden, Chris, ich kann das fühlen.«
»Ein richtiger Spalt ist da!«, rief er. »Wenn wir mit einer Glasscherbe dem Verlauf dieses Spalts folgen, wissen wir bald, wie groß die Öffnung war, die hier verschlossen wurde.«
Es dauerte nicht lange, bis sie das herausgefunden hatten: Die verschlossene Öffnung war vermutlich ein recht großes Fenster zwischen den beiden Räumen gewesen, das man irgendwann, aus welchen Gründen auch immer, verschlossen hatte. Christian hatte im Stillen auf eine Tür gehofft, aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht.
»Vielleicht wollten die Leute nicht ständig von nebenan beobachtet werden«, sagte er. »Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wie wir das, was sie vor das Fenster gesetzt haben, entfernen können. Ich glaube, es ist eine Spanplatte.«
»Die haben sie bestimmt angenagelt, meinst du nicht?«
»Ja, wahrscheinlich. Aber alte Spanplatten halten nicht ewig, besonders nicht, wenn sie öfter feucht geworden sind. Die quellen auf und werden weich. Holz wäre schwieriger. Ich versuche, die Tapete abzukriegen, damit ich besser sehen kann, was sie gemacht haben.«
»Das mache ich auch«, sagte Stephanie.
Neue Hoffnung erfüllte sie. Sie waren schon fast vierundzwanzig Stunden hier eingesperrt, aber noch war nicht alles verloren.
*
Frieda Eckert saß noch immer wie festgewachsen vor dem Fernseher, ohne überhaupt zu bemerken, welches Programm gerade lief. Sie war erst zehn, aber normalerweise funktionierte ihr Verstand hervorragend. Sie wusste, was sie gehört hatte, nur konnte sie es noch immer nicht glauben, weil ihr Verstand ihr sagte, dass sie sich geirrt haben, dass sie etwas falsch verstanden haben musste. Es war doch unmöglich, dass ihr großer Bruder Marco Stephanie von Hohenbrunn entführt hatte – und vielleicht auch den kleinen Fürsten?! Ausgerechnet diese beiden, die Frieda bei der Verleihung des Musikpreises kennengelernt und bei der Gelegenheit ins Herz geschlossen hatte?
Es konnte nicht sein. Nur hatte sie ihn deutlich sagen hören, als er mit Lola telefoniert hatte, er werde die beiden frei lassen. Ihre Namen allerdings hatte er nicht genannt. Nur ›die beiden‹ hatte er gesagt, aber wenn sie eins und eins zusammenzählte, konnten nur Stephanie und Christian damit gemeint sein, schließlich war die Stadt voller Polizei, das musste ja Gründe haben. Und Frau Kabusch, ihre ehemalige Klavierlehrerin, hatte schließlich, wenn auch indirekt, bestätigt, dass der Polizeieinsatz mit Stephanie zu tun hatte.
Marco hatte außerdem noch mehr gesagt: ›Willst du die Polizei anrufen? Da kannst du dich auch gleich selbst stellen.‹ Ja, genau so hatte er es gesagt