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Bittere Lüge: (Darmstadt-Krimis 15) Kriminalroman | Packender Krimi mit dem beliebten Ermittler Horndeich
Bittere Lüge: (Darmstadt-Krimis 15) Kriminalroman | Packender Krimi mit dem beliebten Ermittler Horndeich
Bittere Lüge: (Darmstadt-Krimis 15) Kriminalroman | Packender Krimi mit dem beliebten Ermittler Horndeich
eBook423 Seiten5 Stunden

Bittere Lüge: (Darmstadt-Krimis 15) Kriminalroman | Packender Krimi mit dem beliebten Ermittler Horndeich

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Über dieses E-Book

Als Nachlasspflegerin Jana Welzer das Parkett im neuen Büro ihres Elternhauses verlegen lässt, macht der Handwerker eine grausige Entdeckung: Unterm Holz finden sich Spuren eines großflächigen Blutflecks. Durch die Unterstützung ihres Detektivkollegen Steffen Horndeich stellt sich schnell heraus, dass es sich um menschliches Blut handelt. Und dass die Menge des Blutes auf eine schwere Gewalttat zurückgehen muss. Der Gedanke, das neue Geschäftsdomizil dort einzurichten, wo ein Mensch ermordet wurde, lässt Jana keine Ruhe. Gemeinsam mit Steffen Horndeich versucht sie das blutige Geheimnis zu lüften. Horndeich und Jana rollen die Geschichte des Hauses und seiner Mieter auf. Und stoßen dabei auf Geheimnisse, die vielleicht besser im Verborgenen geblieben wären ...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum7. Okt. 2023
ISBN9783955424664
Bittere Lüge: (Darmstadt-Krimis 15) Kriminalroman | Packender Krimi mit dem beliebten Ermittler Horndeich
Autor

Michael Kibler

Michael Kibler wurde 1963 in Heilbronn geboren und ist Darmstädter aus Leidenschaft. Er studierte an der Goethe-Universität Frankfurt, im Hauptfach Germanistik mit den Nebenfächern Filmwissenschaft und Psychologie. Nach dem Magister 1991 promovierte er 1998. Schreiben ist Passion seit mehr als der Hälfte seines Lebens, weshalb er seit 1991 als Texter, Schriftsteller und PR-Profi arbeitet. Schwerpunkt des Schriftstellers sind Krimis.

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    Buchvorschau

    Bittere Lüge - Michael Kibler

    Rocky I

    Und da liegst du dann, in deinen eigenen feuchten Pupsen.

    Trotzdem. Noch vor wenigen Monaten wäre ich aufgestanden, aufs Klo gegangen, hätte mich gewaschen und mich umgezogen. Niemand hätte davon irgendetwas mitbekommen. Kennen wir ja alle, die kleinen Entgleisungen des Körpers. Nach Alkohol oder nach zu viel Glutamat. Zumindest bei mir.

    Allein, dass ich darüber jetzt nachdenke, ich auch nur einen Gedanken daran verschwende, zeigt, wo ich gestrandet bin. Aber ich war in meinem Leben nie gut darin, mir Selbiges schönzureden. Fäkalien bleiben Fäkalien. »Hast du das?«, frage ich in den Raum.

    Ich kann ihn nicht sehen, denn er sitzt am Fenster. Hat eine schöne Aussicht. Muss er mich nicht anschauen. Und ich kann ihn nicht sehen. Das Bett steht falsch. »Ja«, sagt er.

    Hat den Laptop auf dem Tisch geparkt, schreibt mit, was ich ihm sage.

    Er hasst es.

    Das weiß ich.

    Aber er macht es. Weil ich ihn bezahle. Und weil er Kohle braucht. Auch das weiß ich. Ich denke, er würde mir am liebsten an die Gurgel gehen. Mir den Hals zudrücken. Warten, bis die Augen aus den Höhlen treten. Bis die Zunge aus dem Mund quillt. Bis ich blau anlaufe.

    Aber er wird es nicht tun.

    Denn wenn er das tut, geht er leer aus. Habe ich alles geregelt. Kenne die Gesetze. Und weiß, wie man sie umgeht. Nicht legal, aber effektiv.

    »Was habe ich zuletzt gesagt?« Die Frage müsste mir peinlich sein. Doch so leicht es ist, die körperliche Kontrolle auf­zugeben, so schwer ist es, die Gedanken noch auf Kurs zu halten.

    Krebs heißt die Krankheit. Und Krebs ist ein Arschloch. Bis vor zwei Monaten hat er nur meinen Körper ruiniert. Jetzt nagt er am Gehirn wie ein Biber am Holz. Die Frage ist nicht, ob der Baum fällt. Die Frage ist nur, wann.

    Und ich hoffe, ich kann meine Geschichte noch fertig erzählen, bevor der Biber sich final mit der Zunge über die Lippen fährt.

    Ein Hoch auf die standhaften Bäume.

    Freitag, 14. April

    Es endete, wie es immer geendet hat. Mit schwarzen Zeugen der Verzweiflung, drapiert über und auch auf den Wangen. Verzweiflung wegen ihm. Ersetze ›ihm‹ durch den Vornamen des aktuellen männlichen Quells der Seelenpein. Jana Welzer hatte den Namen bereits wieder vergessen. Doch sie beobachtete Senta mit einem hohen Maß an physikalischem Interesse. Es war erstaunlich, wie man mit solch einer kleinen Menge an Mascara, beweint und vertupft im Gesicht, ein so großes Desaster anrichten konnte. Die Geometrie entsprach ungefähr einer Luftaufnahme des Mississippideltas.

    Senta war auf dem Höhepunkt ihrer Erzählung angelangt. Wie ihr endgültig klar geworden war, dass er nur ein Schwein sei. Wie alle anderen Männer. Oder ›Ers‹, um gerecht zu bleiben.

    Zwischen Jana und Senta stand ein Tisch, darauf die Weingläser und etwas zu knabbern. Senta schaute in Richtung Wand, an der einige Ukraine-Flaggen hingen. Janas Blickrichtung ging in den Raum hinein. So konnte Dieter, dem die Weinstube gehörte, Sentas augenblickliche Verfassung nicht erkennen, als er an ihren Tisch trat. »Bei euch alles in Ordnung?«

    Senta wandte sich ihm spontan zu und Jana entging nicht, wie Dieters Gesichtszüge für den Bruchteil einer Sekunde völlig entgleisten. Er sagte nichts, sondern wandte sich um und verschwand sofort wieder.

    »Sehe ich so schlimm aus?«, stellte Senta die eher rhetorische Frage. Und flüsterte gleich darauf: »Scheiße.« Sie nestelte in ihrer Handtasche nach einem Papiertaschentuch, entfaltete es, hielt es sich ungeschickt vors Gesicht. Mit der anderen Hand griff sie nach der Tasche, stand auf und flüchtete in Richtung Toilettenraum.

    Nein, Jana hatte keinerlei derart aufregende Männergeschichten zu berichten, und schon gar nicht in dem rasanten Dreimonatstakt ihrer Freundin Senta. Jana und ihr Ben waren eher ein Paar, als dass sie keines waren, aber eben auch kein richtiges. Sein Lebensmittelpunkt lag in Berlin, der ihre in Darmstadt – und Lufthansa und die Deutsche Bahn verdienten recht gut an den beiden. Sie erinnerte sich der Liedzeilen »Kompliziertes Innenleben«, die die Dichterin Mascha Kaléko vor mehr als 100 Jahren geschrieben hatte, besungen von der Sängerin Dota in der Gegenwart:

    »Hinter jedem Abschied steht ein Warten.

    Wenn dein Schritt verhallt ist, sehn’ ich mich.

    Wenn du kommst, ist jeder Tag ein Garten, aber wenn du fort bist, lieb ich dich.«

    War das Leben also damals auch nicht leichter gewesen. Tröstlich wie ein staubtrockener Keks …

    All das wäre noch auszuhalten gewesen, wenn sie derzeit nicht auch mit ihrem Job gehadert hätte. Jana Welzer, inzwischen straff auf die 40 zugehend, allerdings nach wie vor mit Stil und Stöckelschuhen, arbeitete als Nachlasspflegerin. Starb ein Mensch und hinterließ keine auf den ersten Blick auffindbare Nachkommen, trat sie an diese Stelle: Sie kümmerte sich darum, dass das Erbe gesichert, der Verstorbene begraben, die Wohnung aufgelöst wurde und Wertgegenstände in einem sicheren Lager landeten. Dafür wurde sie vom Amtsgericht beauftragt. Lukrativer als jene Aufträge war ihr Job als Insolvenz­verwalterin. Eine Arbeit, die ihr jedoch immer weniger Freude bereitete, weil sie dort oft eher Psychotherapeutin für zerstrittene Sippen aus Familienunternehmen war, die offenbar nur ein Ziel kannten: die Vernichtung gemeinsam erwirtschafteten Geldes durch zumeist kindische Streitereien, die aber mit Armeen ausgefochten wurden.

    Mehr Spaß machten schließlich ihre gelegentlichen Ermittlungen mit Privatdetektiv Steffen Horndeich, der in den vergangenen drei Jahren oftmals Partner bei kriminalistischen Recherchen gewesen war, und der inzwischen einen Status irgendwo zwischen gutem Bekannten und Freund hatte. Aber aufregende Fälle waren dünn gesät.

    Senta setzte sich wieder an den Tisch. Das Mississippidelta war der Sahara gewichen: Sie hatte jegliches Make-up aus dem Gesicht entfernt. Stand ihr deutlich besser als die Werbeplattform für teures Dior, Chanel, Yves Saint Laurent, Armani oder natürlich auch Gucci, als die sie ihr Gesicht oftmals missbrauchte.

    Dieter trat wieder an den Tisch, sagte nichts, stellte nur zwei Nosing-Gläser mit Whisky ab. Das für Senta beinhaltete ungefähr die dreifache Menge als jenes für Jana.

    Wortlos verschwand er wieder.

    Dieter wusste, dass Jana einen guten Whisky schätzte, aber nur in kleinen Dosen.

    Senta musste auf ihn jedoch so gewirkt haben, als ob sie einen großen Schluck benötigen würde. Jana schnupperte an der güldenen Flüssigkeit: Torfig. Ganz offensichtlich die »­Signature Edition Thirteen« der Destille »St. Kilian«, deren flüssiges Gerstengold die Karte des Hochprozentigen zierte. Jana hob das Glas, Senta stieß schweigend mit ihr an. Dass sie nichts mehr sagte, zeigte die nächste Stufe des Dramas: Nachdem zuvor länger als eine Stunde die Beschwerden über Leopold – jetzt erinnerte sie sich doch wieder des Namens – in einem nicht enden wollenden Schwall von Logorrhoe aus ihr herausgebrochen waren, folgte nun der katatonische Zustand. Er würde bis zu den Abschiedsworten anhalten.

    Manchmal fragte sich Jana, weshalb sie für ihre Freundin eigentlich die Tröst-Tante gab. Sie mochte Senta, aber Senta war oft auch nur schwer zu ertragen. Sie war eine – Schwätzerin­. Was an Abenden wie diesem jedoch gleichermaßen einen Vorteil bot: Man musste selbst nichts zur Unterhaltung beisteuern. Jana hatte beim drittletzten Mann – oder war’s der viertletzte gewesen? – den zaghaften Versuch unternommen, auch ihre eigene Perspektive einzubringen, die sich an einigen Stellen deutlich von jener Sentas unterschied. Woraufhin nicht mehr der Mann, sondern sie, Jana, plötzlich zum Feindbild Nummer eins avanciert war. Aus der Reihe: ›Fehler, die man nur einmal macht‹.

    Senta hatte das Glas bereits geleert, nachdem Jana nur einmal genippt hatte.

    Die Uhr an Janas Hand vibrierte. Sie sah auf die Apple Watch, die ihr anzeigte, dass Jörn Großeimer sie anrief. Ihr Blick fiel auf die Uhr im Raum. Es war bereits 21:30 Uhr. Weshalb rief er um diese Uhrzeit bei ihr an?

    Sie wischte mit dem Finger über das Display der Uhr, bis sie dort lesen konnte ›Ich kann im Moment nicht sprechen‹. Ihr Finger glitt auf den ›Senden‹-Button.

    Jörn war ein guter Bekannter von ihr. Sie kannte ihn bereits seit Jahren. Bei ihrer Tätigkeit als Nachlasspflegerin hatte sie oftmals Wohnungen betreten müssen, deren Bewohner schon vor einem längeren Zeitraum die irdische Welt verlassen hatten. Jörn hatte seine Karriere als Kammerjäger angefangen und wurde dementsprechend oft auch in solche Wohnungen be­ordert. Er hatte aus der Not eine Tugend gemacht und sein Angebot um einen Entrümpelungsservice erweitert. Inzwischen war ein dritter Geschäftszweig hinzugekommen: der Innenausbau einer solchen Wohnung, mit dem man alle Spuren irdischer Verwesungsprozesse nicht nur tilgte, sondern neu verkleidete.

    Jana war vor wenigen Monaten in die Souterrainwohnung des Hauses ihrer Eltern eingezogen. Also, präzise formuliert, nicht sie, sondern ihr Büro. Die Büroräume in der ­Pützerstraße 6 hatte sie aufgegeben, nachdem das Verhältnis zum Vermieter unerträglich geworden war. Janas Mutter war auf die Idee gekommen, dass sie die Wohnung dafür nutzen könne. Zunächst fand Jana die Vorstellung, tagsüber auf Tuchfühlung mit Mama und Papa zu leben, wenig attraktiv. Zumal die Be­ziehung zu ihrem Vater eine getrübte war. Zwei Dinge hatten die Perspektive verändert: zum einen Janas Pragmatismus gepaart mit der Immobiliensituation in Darmstadt. Und zum anderen hatte sie wahrgenommen, dass ihr Vater nicht mehr gesund war. Sie wusste nicht, worunter er litt, und er war in solchen Dingen zudem nicht eben der Gesprächigste – ganz wie die Tochter. Auch ihre Mutter hatte ihr nichts sagen können. Oder wollen. Aber Jana hatte dieses Gefühl. Bauchgefühl. Da war etwas mit ihrem Vater, und es war nicht gut. Und sie wollte nicht mehr weit entfernt sein. Es waren ihre Eltern. Und sie würden eines Tages eben nicht mehr da sein. Bei allen Differenzen mit ihrem Vater – er war es eben: Ihr Vater. Der Zeit seines Lebens gut zu ihr gewesen war. Der zwar richtig Scheiße gebaut hatte, was sein Verhältnis zu legalen Machenschaften anging, aber ihr gegenüber – alle ihre Freundinnen hatten sie damals um ihren coolen Dad beneidet … Und nein, die Zeit der Flucht war vorbei. Kein Erfurt mehr, kein Berlin. Ihr Platz war hier. Auch wenn sich das nicht immer richtig anfühlte. Aber manchmal. Das musste genügen.

    Das Haus lag im Richard-Wagner-Weg, nicht weit entfernt von Steffen Horndeichs Domizil. Als Jugendliche hatte sie in den Räumen sogar ein paar Jahre gewohnt. Der Empfangsraum, der Büroraum, Küche und Archiv sowie Bad waren bereits renoviert und eingerichtet worden. Hier hatte sie ebenfalls auf die Dienste von Jörn Großeimers Unternehmen zurückge­griffen. Nun hatte er sich den Eingangsraum vorgenommen. Sie hatte überlegt, das Parkett neu schleifen und versiegeln zu lassen. Doch dann waren Jörn Großeimer einige lose Parketthölzer aufgefallen und Jana hatte sich entschlossen, das Parkett komplett neu verlegen zu lassen.

    Am heutigen Freitag sollte Jörn das alte Parkett herausreißen. Janas Eltern waren zu einem Wochenendtrip aufgebrochen und so störte der Lärm nicht weiter. Eigentlich hätte die gesamte Aktion bereits am frühen Abend abgeschlossen sein sollen. Doch gleich zwei Bohrhammer, die Jörn für diese Arbeit benötigte, hatten sich im Abstand von 15 Minuten verabschiedet. Und es hatte einfach Zeit gebraucht, neue aufzutreiben. Jan und seine Mitarbeiter hatten beschlossen, das Entfernen des alten Bodens dennoch an diesem Freitag zu Ende zu bringen. War ihm jetzt schon wieder eine Maschine kaputtgegangen?

    Abermals vibrierte Janas Uhr. Wieder war es Jörn, der anrief. »Sorry, Senta, da muss ich kurz drangehen.« Sie tippte auf das grüne Icon und hob das Handgelenk in Richtung Mund. Noch vor kurzem hätte man bei einer solchen Geste die Besitzerin mit einem Stirnrunzeln angeschaut: Plante sie, in ihre eigene Uhr zu beißen? Doch dieses Meisterwerk der Technik war letztlich nichts anderes als ein vollwertiges Smartphone. Wenn auch das Display kleiner war.

    »Was ist?«, wollte Jana wissen. Während sie das sagte, verließ sie den Gastraum und trat ins Freie auf den Bürgersteig vor der Weinstube.

    Jörn Großeimers Stimme war gut zu verstehen. »Jana, ich glaube, du solltest mal herkommen.« Zwar entsprach der Klang aus dem winzigen Lautsprecher der Uhr in keiner Weise jenem einer HiFi-Box. Doch dass in der Stimme ihres Bekannten ein Hauch von Sorge mitschwang, konnte Jana deutlich vernehmen.

    »Weshalb?«, hakte Jana nach. Zwar war Senta bereits im sprachlosen Zustand angekommen, aber sie konnte und wollte die Freundin noch nicht allein lassen.

    »Ich habe hier was gefunden. Und das solltest du dir an­schauen. Am besten sofort. Davon hängt auch ab, ob und wie wir hier weitermachen.«

    Das klang nicht gut. Das klang nach einem großen Problem. Sie erinnerte sich des Spruches ihres Professors der Betriebswirtschaftslehre, der ihr die wichtigsten Dinge über das Thema Insolvenz beigebracht hatte: »In jedem kleinen Problem steckt ein größeres, das unbedingt herauswill.« Genau nach so einem größeren Problem klangen Jörn Großeimers Worte. Jana seufzte. Wenn es darum ging, ob Jörn mit dem Parkettlegen überhaupt fortfahren würde, dann war offensichtlich wirklich etwas Ernstes geschehen. »Was ist los?«

    »Ich habe hier Blut gefunden. Viel Blut.«

    Ja, auch Jana hatte sich inzwischen ein E-Bike gegönnt. Nicht, dass sie nicht auch mit einem normalen Fahrrad zurechtgekommen wäre. Aber sie genoss es, den Aktionsradius deutlich erweitert zu haben. Fuhr sie früher 25 Kilometer mit dem Rad, waren es jetzt bis zu 70. Was ihr auch der Sattel erlaubte. Denn der war bei allen Aktionen, die sie mehr als 20 Kilometer durch die Welt führten, das schwächste Glied in der Kette. Jana mochte weder wund noch Aua. Jetzt ärgerte sie sich darüber, an diesem Abend nicht mit dem Elektrofahrrad nach Arheilgen geradelt zu sein. Denn sie saß im HeinerLiner – dem Ruftaxi-Kleinbus Darmstadts. Sie mochte das Konzept: per App den Siebensitzer bestellen. Und sich dann für rund fünf Euro direkt ans Ziel bringen zu lassen. Unmittelbar vor der Weinstube Kilian befand sich einer der zahlreichen Haltepunkte. Ebenso vor dem Haus ihrer Eltern. Also, dem Haus, in dem auch ihr Büro lag. Sie würde die Synapsen in ihrem Gehirn noch dressieren müssen, damit die mit der Adresse primär jene Arbeitsstätte assoziierten.

    Als Jana Senta mitgeteilt hatte, dass sie jetzt sofort zu ihrem Büro fahren müsse, hatte Senta es sich nicht nehmen lassen, sie begleiten zu wollen. »Ich muss mein Leben ohnehin neu sortieren. Dann kann ich jetzt damit auch gleich anfangen.«

    Dem hatte Jana nur wenig entgegenzusetzen. Und so bestellte sie in der App zwei Plätze im Auto.

    Es war immer mal wieder vorgekommen, dass das Ruftaxi während der Fahrt die Route geändert hatte, um noch einen weiteren Fahrgast aufzunehmen. Das lag in der Natur der Sache und war für Jana völlig in Ordnung. Nur an diesem Abend wollte sie so schnell wie möglich ihr Ziel erreichen. Doch kaum hatten sie eine junge Dame in Arheilgen eingesammelt, bog der ­HeinerLiner in Kranichstein schon wieder von der direkten Route ab, ins Nirvana der Einfamilienhaus-Siedlung. Die Fahrer des Elektro-Benz orientierten sich dabei strikt an dem, was das HeinerLiner-Navi ihnen vorgab. Das Problem dabei: Die App barg ein hohes Potenzial für Verbesserungen. Denn es lotste die Fahrer oft durch winzigste Nebenstraßen, in denen der Chauffeur das Fahrzeug auch mal 50 Meter zurücksetzen musste wegen Gegenverkehr. Wie zum Beispiel in diesem Moment.

    Gefühlte zwei Stunden später nahmen zwei Herren im Taxi Platz. Und Jana hoffte, dass es jetzt endlich direkt in den Richard-Wagner-Weg ging. Weit gefehlt. Sie brauchten für die Tour, die sie mit dem E-Bike in 15 Minuten zurückgelegt hätte, fast eine halbe Stunde. Jana war Senta dankbar, dass die Neuausrichtung ihres Lebens nicht beinhaltete, leichtfertig mit alten Traditionen zu brechen: Auch auf der Fahrt behielt sie zum Glück ihr Schweigegelübde der letzten Phase bei.

    Vor dem elterlichen Haus standen zwei Fahrzeuge, die Jana wieder ein Lächeln ins Gesicht zauberten. So seriös sich Jörn Großeimers Innenausbau-Firma auch gab – alle Fahrzeuge von Jörn waren knallrot lackiert und ein freches Mardergesicht grinste die Welt von den Seitenflächen an. Relikt aus der Zeit, als Jörn noch ausschließlich als Kammerjäger unterwegs gewesen war. »Großeimer GmbH« lautete der einzige Schriftzug neben dem Marder. Jörn differenzierte im Außenauftritt nicht zwischen den Tätigkeiten als Kammerjäger, Entwickler und Innenausbauspezialist.

    »Wie cool ist das denn?«, begeisterte sich auch Senta beim Blick auf die Lackierung der Firmenfahrzeuge. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Es war der erste Satz, den sie seit dem Einstieg in den HeinerLiner von sich gegeben hatte.

    Jörn hatte während seiner Tätigkeit von Anfang an Selbstbewusstsein bewiesen: Einige Kunden hatten darauf bestanden, dass er, als er noch ausschließlich als Kammerjäger tätig war, mit einem neutralen Fahrzeug vor dem Geschäft parkte. Doch Jörn hatte darauf bestanden, mit dem offiziellen Firmenfahrzeug vorzufahren: inklusive Marder und Schriftzug. Einige hatten sich zähneknirschend darauf eingelassen, andere hatten daraufhin die Konkurrenz beauftragt. Um dann ein Jahr später ebenfalls zur ersten Gruppe zu gehören.

    Die Souterrainwohnung erreichte man, indem man die Rampe zur ehemaligen Garage hinunterging. Am unteren Ende links befand sich die Eingangstür. Jana musste nicht mal aufschließen, die Tür war geöffnet.

    »Ah! Da bist du ja endlich.« Jörn begrüßte Jana mit einer Umarmung. »Und das ist?«, fragte er und schaute in Richtung Senta.

    »Ich bin Senta, die beste Freundin von Jana«, sagte diese.

    Jana hätte den Status etwas anders definiert. War ›Freundin‹ überhaupt die richtige Bezeichnung? Aber der Begriff ›Bekannte‹ wirkte in der deutschen Sprache steriler als OP-Besteck. ›Eine Freundin‹ – war das treffender? Fühlte sich auch eher an wie ein Dreier im Lotto. Aber, wenn nicht Senta, wer war dann eigentlich ihre beste Freundin? Während ihres Studiums, da hatte sie beste Freundinnen gehabt. Sie waren eine Clique gewesen. Drei unzertrennliche Mädels. Die sich erst dann getrennt hatten, als zwei von ihnen quasi zeitgleich ihre künftigen Lebenspartner getroffen hatten. Jana war keine dieser beiden gewesen.

    Dann? Später? Als sie viele Jahre beim Technischen Hilfswerk gearbeitet hatte, zum Schluss sogar hauptamtlich, ja, natürlich hatte sie Freundinnen gehabt. Aber so eine richtig feste beste Freundin, die Seelenverwandte fürs Leben? Nein. Die hatte es nie gegeben.

    »… mir erst jetzt vor?«

    Jörns Stimme holte sie in die Gegenwart zurück. »Sorry, was hast du gefragt?«

    »Wieso du mir deine beste Freundin erst heute vorstellst?«

    Jörn war ein attraktiver Mann. Das hatte Jana vor Jahren schon festgestellt. Sein Gesicht war kantig, scharf geschnitten, und sein Blick strahlte immer, umrahmt von Lachfältchen. Aber Jörn war stets tabu gewesen, denn Jörn trug einen Ehering. Ihr Blick fiel auf Jörns rechte Hand. Kein Ring.

    Kein Ring?

    Sie hatte Jörn das letzte Mal vor drei Monaten getroffen. Da hatte der Ring den Finger noch geziert. Denn Jana erinnerte sich glasklar an den Gedanken, der ihr damals durch den Kopf geschossen war: Der Ring blitzte ohne jeden auch nur kleinsten Kratzer. Und Jana hatte sich gefragt, ob Jörn den Ring vielleicht heimlich polierte, damit er immer schön strahlte.

    Strahlen war das Stichwort: Senta strahlte. Beim Anblick von Jörn. Nein, Jana rollte nicht die Augen. Aber sie wusste bereits in diesem Moment, wie der Name des Mannes lautete, der in den kommenden Monaten über Sentas Lippen sprudeln würde. Bis zum unvermeidlichen Finale nach drei Monaten. Natürlich machte Senta immer die Männer dafür verantwortlich. Aber Jana wusste, dass auch Senta selbst einen großen Teil der Verantwortung dafür trug, dass die Beziehungsversuche früh in die Binsen gingen.

    Jana war sich sicher, dass Jörn den Ring ausgezogen hatte, weil er sich mit dem Parkett im Eingangsbereich der Wohnung auseinandersetzen musste. Was nichts daran änderte, dass sich die Figurenpositionen auf dem Schachbrett deutlich verändert hatten: Die schwarze Dame stand unverblümt näher beim weißen König als die weiße Dame. Wenn Jana sich und Jörn im gleichen weißen Team verortete.

    Was für Gedanken beschäftigten sie? Sie war hierhergekommen, weil Jörn Großeimer Blut entdeckt hatte. »Also, Jörn, wo ist das Blut?« Während sie diese Frage stellte, entging ihr nicht, dass Jörns Blick auf Senta nicht gleich beim Aussprechen der ersten Silbe von ›also‹ in ihre Richtung gewandert war, sondern erst beim Aussprechen des Wörtchens ›Blut‹.

    »Das Blut, ja. Das Blut«, stammelte Jörn. Er schien sich ge­danklich erst sortieren zu müssen.

    So hatte Jana Mr. Käfervernichter noch nie erlebt … Er ­räusperte sich. Der Moment, in dem er zu alter Form auflief. »Wir hatten ungefähr die Hälfte des Parketts herausgerissen«, sagte er. »Dann wurde es unheimlich.«

    Jana fiel auf, dass Jörn offensichtlich allein in der Wohnung war. Eigentlich war er mit drei weiteren Mitarbeitern angerückt. Jörn schien Janas Gedanken lesen zu können. »Die anderen habe ich bereits heimgeschickt. Heute machen wir nichts mehr.«

    Ja, es war Jana schon immer ein wenig unheimlich vorgekommen, wie sehr sie und Jörn in manchen Situationen fast exakt gleich getickt hatten, als ob sie dem Takt eines universellen Metronoms folgten. Aber, wie gesagt, Jörn war unantastbar. Jörn war verheiratet. Und wenn Jana Jörns Aussagen richtig interpretierte, was Inhalt, Körperhaltung und Stimmlage anging, dann war er so was von verheiratet. Schon früher hatte sie ein paarmal gedacht, dass die Ehe von Jörn und seiner Frau dem Gebäude des Gasthauses Krone in Darmstadt entsprach: Es war das einzige Haus der Altstadt gewesen, das das Bombardement am 11. September 1944 völlig unbeschadet überstanden hatte.

    »Wenn wir weitermachen, dann machen wir morgen weiter«, fuhr Jörn fort.

    »Sie haben hier Blut gefunden?«, wollte Senta wissen. Jana hatte ihr nur gesagt, dass sie wegen Problemen auf der Baustelle sofort in ihr Büro zurückfahren müsse. »Wie aufregend!«

    Fremdschämen. Senta klang wie die Provinzkandidatin von ›Germany’s Next Topmodel‹ mit der Frage nach der richtigen Mascara für die Wimpern.

    »Ich zeige euch das mal«, sagte Jörn. Er griff nach seinem Tablet, klappte die Abdeckung nach hinten, zeigte Jana – und auch der sofort an ihre Seite getretenen Senta – ein Foto. Auf dem Bild war ein einzelner Parkettstab zu sehen. Aber nicht von oben, sondern von der Unterseite. Und die war nicht hell oder grau, wie Jana das erwartet hätte, sondern in ein dunkles Braun getaucht.

    »Wir haben das Parkett von vorn nach hinten herausgehebelt. Ist richtig gut angelegt worden. Hat uns zwei Bohrhammer gekostet. Und dann waren da plötzlich die Holzteile, deren Unterseiten braune Flecken aufwiesen.«

    »Okay, braune Flecken. Und was ist daran so besonders?«

    »Na, das Blut!«, mischte sich nun Senta in die Diskussion ein.

    Jana dankte ihr innerlich für den qualifizierten Wortbeitrag.

    »Wir haben noch ein paar der Hölzer vom Boden gelöst. Und uns das angeschaut. Und die hatten auch alle diese braune Färbung. Wie auch der Kleber unter dem Holz.«

    »Und woher weißt du, dass das Blut ist?«, wollte Jana nun wissen.

    Der Moment, in dem Jörn grinste. »Ist halt mein Hobby. Ich habe irgendwann angefangen, mir auch so einen kleinen Koffer zuzulegen wie bei denen von der Spurensicherung. Nicht, dass das für mich wichtig wäre. Aber du glaubst ja nicht, an was für Orten ich bereits nicht nur Fliegen und Kakerlaken entsorgt habe, sondern ganze Wohnungen aufgelöst. Und irgendwann hat es mich interessiert, was all die Flecken waren, die ich in den Behausungen gefunden habe. Deshalb habe ich auch in meinem Koffer eine Spraydose ›LumiScene‹. Also das, was man im Fernsehen immer unter ›Luminol‹ subsumiert. Du sprühst es auf einen Fleck, machst das Licht aus und wenn es dann in wundervollem Blauviolett leuchtet, heißt das: Blut. Und genau das ist bei diesem Fleck passiert.«

    »Der Fleck auf diesem Holzstück stammt also von menschlichem Blut?«

    »Nein. Er stammt von Blut. Mehr kann LumiScene nicht erkennen.«

    »Und warum hast du mich dann angerufen? Und die Pferde scheu gemacht?«

    »Weil die Fläche so groß ist. Wir haben hier fast drei Quadratmeter voll von Blut. Auf der Unterseite des Parketts. Das heißt, das Blut muss sich seinen Weg durch die Ritzen nach unten gesucht haben. Und sich dann verbreitet haben. All das lässt sich ganz bestimmt nicht dadurch erklären, dass sich irgendjemand in den Finger geschnitten hat.«

    Jörn wischte auf seinem Tablet und zeigte auf eine Fotografie, auf der das Parkett noch vollständig zu sehen gewesen war. Die Mitte des Raumes war von einem roten Ring umrahmt. »Das ist ungefähr der Bereich, in dem wir Parkettstücke gefunden haben, die mit Blut getränkt waren.«

    Jana betrachtete die Aufnahme. Und war schockiert. Da muss ein regelrechter Blutsee auf der Unterseite des Parketts zu erkennen gewesen sein. Was war hier geschehen? Jana spürte, wie ihr Magen sich in die Diskussion einmischte. Sie hatte hier vier Jahre lang gelebt. Als Jugendliche. Zwischen 14 und 18 Jahren. Und die ganze Zeit hatte diese Blutlache vielleicht neben ihr existiert? Und sie hatte nichts davon gewusst? Ihr wurde schlecht.

    Jana war gut darin, ihre Körperfunktion zu kontrollieren. Sie bekam ein Zittern unter Kontrolle, ein Frieren. Sie hatte auch ihre Gesichtszüge zumeist im Griff. Aber jetzt? Jana würgte. Sie hatte in einer Wohnung gelebt, in der die Blutspuren einer massiven Verletzung – im besten Falle – die ganze Zeit neben ihr geruht hatten?

    Das Würgen wurde stärker. Zum Glück hatte sie den ­Toilettenbereich bereits komplett renovieren lassen. Sie stürzte in Richtung Klo und übergab sich. Mehrfach. Was sie gar nicht gewohnt war. Sich zu übergeben gehörte nicht zum Repertoire ihrer Körperreaktionen. Aber jetzt übernahm die Area postrema des Hirnstamms die Kontrolle.

    »Scheiße! Ist alles in Ordnung mit dir?« Sentas Stimme. Das war eigentlich der Drehbuchtext von Jana gegenüber Senta.

    »Ja, geht schon.«

    Es ging nicht. Noch ein weiterer Schwall ergoss sich in die Toilette. Während Jana darum bemüht war, ihre Haare aus der Kampfzone herauszuhalten, spürte sie, wie Senta die Hand auf ihre Schulter legte. »Zu viel Alkohol?«

    Das fragte die Richtige ... Jana erhob sich. Trat vor das Waschbecken und den darüber angebrachten Spiegel. Spülte ihren Mund aus. Richtete Klamotten und Frisur. All das unter dem kritischen Blick von Senta. Und Jana war erstaunt, dass ihr die Anwesenheit der Freundin – okay, nennen wir sie jetzt einmal so – angenehmer war als ihre Abwesenheit.

    »Wieder alles gut?«, wollte Senta wissen.

    »Ja. Alles gut.« Natürlich war wieder ›alles gut‹ – der Begriff, der es in den vergangenen zehn Jahren geschafft hatte, zur Standardfloskel zu werden. Las man die beiden Worte, hatte man keinen Schimmer davon, wie sie gemeint waren. Es gab zig Variationen der Betonung, die die Bandbreite von ›es geht mir wirklich super‹ bis zu ›ich bin echt ganz unten‹ widerspiegelten.

    Jana widmete ihrem Spiegelbild einen letzten, prüfenden Blick, fand, dass sie wieder in die Welt hinaustreten konnte, drehte sich um und verließ den Toilettenraum. Ja, die Höflichkeit gebot, dass sie Senta die Tür aufhielt.

    »Was ist denn mit dir passiert?«, wollte auch Jörn sofort wissen.

    Jana antwortete nicht. Stattdessen stellte sie die Gegenfrage: »Wie bist du auf die Idee gekommen, dass das hier Blut sein könnte? Hätte ja auch eine Flasche Rotwein sein können, die jemand aufs Parkett geschmissen hat.«

    »Ja, natürlich, hätte auch eine Flasche Rotwein sein können. Habe ich natürlich auch zuerst dran gedacht. Habe ich immer wieder mal gesehen, wenn der Inhalt einer solchen Flasche einen Boden ruiniert hat. Aber ich hatte eben auch schon die anderen Fälle.«

    »Welche denn?«, wollte Senta sofort wissen.

    Jörns Blick wandte sich dann auch wieder ihr zu, als er antwortete: »Na ja, einmal, da hatten wir einen Suizid. Jemand hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten. Die Polizei hatte sich damals gewundert, dass nur so wenig Blut auf dem Boden zu sehen gewesen war. Als wir dann das Laminat rausgerissen hatten, da haben wir gesehen, wo die restlichen drei Liter gelagert gewesen waren. Unter dem Laminat, da hatte sich noch so eine Unterlage aus Stoff befunden. Wahrscheinlich zur Trittschalldämpfung. Die hatte all das Blut aufgenommen. Da habe ich mir dann zum ersten Mal dieses LumiScene gekauft. Die Polizei war mächtig beeindruckt, was ich ihnen dann da präsentiert hatte.«

    Jörns Blick war nicht von Senta gewichen. Und Jana kannte Jörn so gar nicht: Als Aufschneider. Als Angeber. Bislang war er ihr immer eher als zurückhaltend aufgefallen.

    »Und das war das einzige Mal, dass Sie menschliches Blut gefunden hatten?« Senta, die sich jetzt wie eine Journalistin von RTL II gab bei ihrer ersten Recherche für ein True-Crime-Format. Jörn sprang sofort drauf an: »Nein. Einmal hatten wir einen alten Mann, der im Bad gestürzt zu sein schien. Sein Schädel war eingeschlagen. Sah auf den ersten Blick alles aus wie ein Sturz. Sie hatten die Leiche weggeräumt, dann kamen wir, um sauber zu machen. Denn er hatte fast zwei Monate unbemerkt dort gelegen. Auch da hatte ich irgendwie das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Und ich hatte in der Umgebung Lumi­Scene versprüht. Und dann sofort mit allen Arbeiten aufgehört. Ich bin ja kein Kriminalexperte. Aber da war so viel Blut, das definitiv nicht mit der Theorie von einem Sturz in Einklang zu bringen war.

    Wir sind gegangen, die Spurensicherung ist gekommen. Die Leiche wurde danach noch exhumiert – und tatsächlich wurde klar, dass der Mann umgebracht worden war. Sie haben dann sogar ein halbes Jahr später den Täter gefunden.«

    »Wow!«, sagte Senta.

    Jana fühlte sich als Statistin in dieser Show. Es war an der Zeit, sich wieder als Managerin zu gebärden. »Also, was genau kannst du mir zu diesem Blutfleck sagen?«

    Das war der Moment, in dem sich Jörn endlich auch einmal ihr zuwandte. »Hier ist eine ganze Menge Blut geflossen. Mehrere Liter. Natürlich weiß ich nicht, ob es menschliches Blut ist. Aber wenn es das nicht ist, dann haben sie hier einen Hund gekillt, irgendwelche Hühner als Opfergabe vorbereitet oder das Passa-Lamm geschlachtet. Das ist mehr Blut, als durch ein Versehen geflossen sein könnte.«

    »Arbeiten Sie auch mit der Kriminalpolizei zusammen?«, Senta wieder. Die ihr unverhohlenes Interesse an Jörn Groß­eimer kaum verhehlen konnte.

    »Na ja, nicht so direkt. Aber wie gesagt, ich habe den Tatort eines Mordes identifiziert.«

    Senta schmolz dahin. Und Jana hatte nur noch einen Impuls: Sie wollte nach Hause in ihre Wohnung.

    Rocky II

    »Dann erzähl ich dir jetzt von der ersten Tour

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