Keine wahre Liebe ohne Wahrheit: Der kleine Fürst 394 – Adelsroman
Von Viola Maybach
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"Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
Benedikt von Langenburg blieb stehen, als er den festlich gedeckten Tisch im Grauen Salon von Schloss Sternberg sah. »Ich bin überhaupt nicht angemessen gekleidet für ein Abendessen in eleganter Atmosphäre, Baron von Kant«, sagte er. Er hatte die Einladung, von Friedrich von Kant erst kurz zuvor ausgesprochen, mit Freuden angenommen. Zum einen, weil ihm der Baron und die Sternberger Teenager auf Anhieb sympathisch gewesen waren, mehr noch aber wegen Charlotte von Cur, die im Schloss zu Gast und der eigentliche Anlass seines Besuches war, was freilich niemand wusste. Er hatte sich als ›Krill von Hagen‹, der eins der Sternberger Pferde zu kaufen wünschte, ausgegeben. Mittlerweile fand er selbst, dass das keine gute Idee gewesen war, aber nun war es zu spät und ließ sich nicht mehr ändern. »Machen Sie sich über Ihre Kleidung keine Gedanken«, erwiderte der Baron. »Wir wissen ja alle, dass meine Einladung spontan erfolgt ist, Sie also nicht darauf gefasst sein konnten. Wir freuen uns, dass Sie sie angenommen haben. Sie haben ja gehört, wie unsere Kinder darauf reagiert haben.« Baronin Sofia, Friedrichs Frau, betrat den Salon. Sie trug ein graues Seidenkleid, war dezent geschminkt und lächelte den ihr noch unbekannten Gast so liebenswürdig an, dass Benedikt sein Unbehagen augenblicklich vergaß. Die Baronin war eine hübsche Frau von Anfang vierzig, das Gesicht ein wenig rund, die Augen porzellanblau, die Locken blond. »Wie schön, dass Sie heute Abend unser Gast sind, Herr von Hagen«, sagte sie, als sie Benedikt die Hand reichte. Immerhin zuckte er bei dem fremden Namen nicht mehr zusammen, das war ein Fortschritt. Dennoch wünschte er inständig, er hätte die Idee, sich hier als Pferdekäufer unter falschem Namen einzuführen, nicht gehabt. Charlotte von Cur hatte ihr Elternhaus, in dem sie einen großen Teil der Semesterferien hatte verbringen wollen, überstürzt und ohne Angabe von Gründen verlassen.
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Buchvorschau
Keine wahre Liebe ohne Wahrheit - Viola Maybach
Der kleine Fürst
– 394 –
Keine wahre Liebe ohne Wahrheit
Viola Maybach
Benedikt von Langenburg blieb stehen, als er den festlich gedeckten Tisch im Grauen Salon von Schloss Sternberg sah. »Ich bin überhaupt nicht angemessen gekleidet für ein Abendessen in eleganter Atmosphäre, Baron von Kant«, sagte er.
Er hatte die Einladung, von Friedrich von Kant erst kurz zuvor ausgesprochen, mit Freuden angenommen. Zum einen, weil ihm der Baron und die Sternberger Teenager auf Anhieb sympathisch gewesen waren, mehr noch aber wegen Charlotte von Cur, die im Schloss zu Gast und der eigentliche Anlass seines Besuches war, was freilich niemand wusste. Er hatte sich als ›Krill von Hagen‹, der eins der Sternberger Pferde zu kaufen wünschte, ausgegeben. Mittlerweile fand er selbst, dass das keine gute Idee gewesen war, aber nun war es zu spät und ließ sich nicht mehr ändern.
»Machen Sie sich über Ihre Kleidung keine Gedanken«, erwiderte der Baron. »Wir wissen ja alle, dass meine Einladung spontan erfolgt ist, Sie also nicht darauf gefasst sein konnten. Wir freuen uns, dass Sie sie angenommen haben. Sie haben ja gehört, wie unsere Kinder darauf reagiert haben.«
Baronin Sofia, Friedrichs Frau, betrat den Salon. Sie trug ein graues Seidenkleid, war dezent geschminkt und lächelte den ihr noch unbekannten Gast so liebenswürdig an, dass Benedikt sein Unbehagen augenblicklich vergaß. Die Baronin war eine hübsche Frau von Anfang vierzig, das Gesicht ein wenig rund, die Augen porzellanblau, die Locken blond. »Wie schön, dass Sie heute Abend unser Gast sind, Herr von Hagen«, sagte sie, als sie Benedikt die Hand reichte.
Immerhin zuckte er bei dem fremden Namen nicht mehr zusammen, das war ein Fortschritt. Dennoch wünschte er inständig, er hätte die Idee, sich hier als Pferdekäufer unter falschem Namen einzuführen, nicht gehabt.
Charlotte von Cur hatte ihr Elternhaus, in dem sie einen großen Teil der Semesterferien hatte verbringen wollen, überstürzt und ohne Angabe von Gründen verlassen. Florentine und Philipp von Cur, ihre Eltern, die Sebastian gut kannte, wussten noch immer nicht, wo sie sich aufhielt. Dank der Nachforschungen seiner alten Freundin Sara von Zarkow hatte er Charlottes Aufenthaltsort bald ermittelt, aber statt die Curs zu informieren, war er selbst nach Sternberg gefahren. Er war neugierig auf Charlotte gewesen, die er zuletzt vor zehn Jahren gesehen hatte. Damals war sie ihm, schlicht gesagt, auf die Nerven gegangen: eine weinerliche und ängstliche Halbwüchsige. Und dann hatte er hier plötzlich einer selbstbewussten, strahlend schönen Frau gegenüber gestanden, die sein Herz ins Stolpern brachte. Und die, natürlich, annahm, er sei ein Mann namens Kyrill von Hagen.
»Ich bedanke mich auch bei Ihnen noch einmal herzlich für die Einladung, Frau von Kant«, sagte er, sich mühsam von seinen Gedanken losreißend.
In diesem Moment kamen die Teenager herein, Anna, die eine jüngere Ausgabe ihrer Mutter war, Konrad, der eher seinem Vater ähnelte, und Christian von Sternberg, der Neffe der Baronin, der im vergangenen Jahr seine Eltern verloren hatte, ein schlanker Junge mit ernsten Augen, der aber, wie Benedikt bereits wusste, trotzdem zu fröhlichem Überschwang fähig war.
Sein Blick ging zur Tür, aber von Charlotte war noch nichts zu sehen. Sie hatten sich drüben im Gestüt getroffen, als der Baron ihn herumgeführt hatte, um ihm die Pferde zu zeigen. Er würde tatsächlich zwei Pferde kaufen, obwohl das ursprünglich nicht unbedingt sein Plan gewesen war.
Der alte Butler mit der sympathisch-zurückhaltenden Art kam mit einem Glas Champagner auf ihn zu. Er hieß Eberhard Hagedorn, wie Benedikt mittlerweile wusste.
»Bitte sehr, Herr von Hagen«, sagte er.
»Vielen Dank, Herr Hagedorn«, erwiderte Benedikt mit einem Lächeln, das freundlich erwidert wurde.
Die Teenager bekamen auch Champagner, allerdings nur je ein halbes Glas.
»Bin ich zu spät?«, fragte Charlotte von der Tür her.
»Nein, nein, du kommst genau richtig«, antwortete die Baronin.
Benedikt konnte die Augen nicht von der jungen Frau abwenden, die mit schnellen Schritten näherkam und von Eberhard Hagedorn ebenfalls ein Glas Champagner in Empfang nahm. Noch immer war es ihm unverständlich, wie ein Mensch sich so sehr verändern konnte. Er erinnerte sich doch genau an sie, wie sie damals gewesen war, als Elf- oder Zwölfjährige: ein verhuschtes Mädchen, das sich am liebsten unsichtbar gemacht hätte. Von ihrer heutigen Schönheit hatte damals niemand etwas ahnen können. Sie war unscheinbar gewesen, mit staksigen Gliedern und ungelenken Bewegungen. Er erinnerte sich noch gut daran, dass ihm seinerzeit jemand zugeflüstert hatte: ‚Sie findet garantiert nie einen Mann, wetten? Sie ist ja jetzt schon eine Schreckschraube.’ Wer hatte das gesagt? Er wusste es nicht mehr, aber so hatten sie damals geredet, junge Männer von Mitte Zwanzig, überzeugt davon, dass es ihnen gelingen werde, die Welt zu erobern und ohne Mitleid für andere, wie zum Beispiel Charlotte, die in ihren Augen ganz sicher scheitern würde.
Wie hochmütig wir damals waren, dachte Benedikt. Und wie falsch wir gelegen haben!
Charlotte hatte die langen braunen Haare aufgesteckt, was die elegante Linie ihres Halses zur Geltung brachte. Sie trug als einzigen Schmuck Diamantohrringe, ihr fast streng geschnittenes blaues Kleid wirkte schlicht, war es aber keineswegs. Sein raffiniert einfacher Schnitt brachte ihre hübsche Figur äußerst vorteilhaft zur Geltung.
Der Baron ergriff das Wort. »Wir freuen uns, Sie als Gast bei uns zu haben, Herr von Hagen«, sagte er und hob sein Glas. »Auf einen schönen Abend!«
Nachdem sie den Champagner getrunken hatten, nahmen sie am großen Tisch Platz. Neben Charlotte saßen Christian und die Baronin, während Benedikt von Anna und Konrad eingerahmt wurde. Der Baron hatte am Kopf der Tafel Platz genommen. Anna machte gleich ihre Ankündigung wahr und bombardierte Benedikt mit Fragen nach den Aufgaben eines Ingenieurs, der, wie er, an großen Bauvorhaben in der ganzen Welt beteiligt war. Er antwortete sehr kontrolliert, wusste er doch, dass dieses ein heikles Thema war. Er hatte ja in den vergangenen Jahren immer mal wieder mit Charlottes Eltern Kontakt gehabt, und es war durchaus denkbar, dass die Curs ihrer Tochter gegenüber die Orte erwähnt hatten, an denen er tätig gewesen war.
Also konzentrierte er sich jetzt lieber auf Orte, an denen er bereits vor Jahren gearbeitet hatte, das erschien ihm am unverfänglichsten. Während er seine Geschichten über Tunnel und Staudämme erzählte, fragte er sich gleichzeitig, was aus dieser Sache hier, die er so unbedacht begonnen hatte, werden sollte. Am liebsten hätte er umgehend die Wahrheit gesagt, aber er konnte ja nicht einmal eine einleuchtende Erklärung dafür anführen, dass er sich auf Sternberg unter falschem Namen eingeführt hatte!
»Sie sind ja ganz schön weit herumgekommen«, stellte Konrad fest.
»Ja, das wollte ich auch immer. Ich konnte mir, als ich angefangen habe zu arbeiten, nicht vorstellen, in einem Büro zu sitzen, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Ich wollte erst einmal hinaus in die Welt, und ich glaube, es war eine richtige Entscheidung. Aber jetzt bin ich über dreißig, und ich merke, dass sich etwas ändert. Ich möchte eine Familie gründen und zumindest nicht mehr