Die Frau mit dem anderen Ich: Gaslicht 48
Von Helen Perkins
()
Über dieses E-Book
Judith war fasziniert von den Steinen, konnte den Blick kaum noch davon abwenden. Sie drehte und wendete einen der Edelsteine in ihrer Hand, wieder und immer wieder. Dabei wurde ihr ganz merkwürdig zumute. Es verschwamm alles vor ihren Augen. Aber es war nicht so, als wenn sie nun nichts mehr gesehen hätte. Nein, im Gegenteil. Vielmehr entstanden neue Bilder. Sie sah etwas, das es hier nicht gab, das sie noch nie zuvor gesehen hatte, aber sie sah es mit bestechender Klarheit, als sei sie selbst Bestandteil des Bildes und könne alles fühlen und greifen… Und sie begann zu sprechen. Professor Larsen war der faszinierendste Mann, dem Judith je begegnet war. Nicht nur, daß er ungewöhnlich gut aussah mit seiner hochgewachsenen, stattlichen Gestalt und dem kühn geschnittenen, markanten Gesicht, er besaß auch eine ganz besondere Ausstrahlung, der Judith fast augenblicklich erlag. Und das war etwas, was sie sich einfach nicht erklären konnte. Judith Wolter war Studentin. Sie interessierte sich besonders für die spanische Sprache und alles, was mit dem spanischen Sprachraum zusammenhing. So hatte sie einen Vortrag besucht, den der norwegische Privatgelehrte Professor Erik Larsen über die Inka-Kultur hielt, über das großartige Indianer-Reich im alten Peru also, das im sechzehnten Jahrhundert von dem Spanier Pizarro zerstört wurde. Eigentlich hatte Robert Helwig, der Mann, den sie liebte und mit dem sie verlobt war, Judith zu diesem Vortrag begleiten wollen, aber er hatte in letzter Minute abgesagt. Es waren Geschäftsfreunde aus dem Ausland gekommen, und der junge Ingenieur hatte von seiner Firma den Auftrag bekommen, sich um diese Leute zu kümmern. Darum besuchte Judith also den Vortrag von Professor Larsen allein. Ob wohl alles anders gekommen wäre, wenn Robert Helwig nicht ausgerechnet an diesem Abend keine Zeit für seine Braut gehabt hätte? Wer könnte nachträglich wohl diese Frage beantworten? Das Thema des Vortrages war interessant, und der Professor wußte seine Zuhörer durch eine bilderreiche Sprache zu fesseln.
Mehr von Helen Perkins lesen
Ähnlich wie Die Frau mit dem anderen Ich
Titel in dieser Serie (79)
Gaslicht 5: Gefangene des Grauens Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 9: Reise an den Abgrund Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 11: Friedhof des Grauens Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 6: Es begann am Todessee Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 1: Die Geistergaleere Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 3: Der Fluch des Pharao Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 7: Der geheimnisvolle Palazzo Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 20: Im Bann des dunklen Grafen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 19: Wenn man von einem Toten träumt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 13: Wenn dich die Toten rufen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Geheimnis der Geisterlady: Gaslicht 43 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 2: Das Haus, das nicht sterben wollte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 4: Die Mörderin aus dem Jenseits Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 15: Das Lachen der Teufelin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 9: Reise an den Abgrund Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 26: Spiegel der Angst Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 22: Die Schreckenskammer an der Themse Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 12: Brenda und der Yeti Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 10: Lebendig begraben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 21: Das Haus der Lady Duane Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 23: Das Haus mit den schwarzen Türen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 8: Das Mord-Komplott Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 37: Das Schloss der flüsternden Schatten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 18: Das Gespenst von Withermoore Castle Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 14: Im Schatten des Mondes Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 17: Apostel des Teufels Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 35: Das Haus, in dem der Tod umgeht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 31: Das Alptraum-Haus Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGaslicht 16: Der Rattenmann Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Hexenschwestern: Gaslicht 42 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Ähnliche E-Books
Sprechende Steine: Romantic Thriller Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBei Vollmond lernen die Träume laufen: Zwei moderne Märchen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDU SOLLST VERGESSEN Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKindswut: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDOCH STERBEN MUSS SIE - EIN FALL FÜR ANTONY MAITLAND: Der Krimi-Klassiker! Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin Blick in die Vergangenheit: Dr. Norden Extra 15 – Arztroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMami 1830 – Familienroman: Mein Herz weint um ein anderes Kind Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIN DER NACHT VOR NEUJAHR: Der Krimi-Klassiker! Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen5 Romantic Carol East Thriller November 2022 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWohin geht die Fahrt?: Dr. Norden Extra 14 – Arztroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Geheimnis einer Familie: Der neue Dr. Laurin 49 – Arztroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin Alien im Kamin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Reise der Bücher Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin geheimes Töchterchen: Mami 1941 – Familienroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Goldkäfer: und andere Geschichten - die große Sammlung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIn schweren Stunden nicht allein: Dr. Norden Gold 38 – Arztroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer falsche Mann: Der kleine Fürst 279 – Adelsroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin geheimes Töchterchen: Mami Bestseller 2 – Familienroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIn schweren Stunden nicht allein: Dr. Norden Bestseller 332 – Arztroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen13 SHADOWS, Band 59: DIE GRAUENVOLLE NACHT: Horror aus dem Apex-Verlag! Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWer bist du, Florian?: Der neue Sonnenwinkel 89 – Familienroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeidi befragt ihr Herz: Heimat-Heidi 17 – Heimatroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSeltsame Geschichten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Tag, der Stefanie veränderte: Dr. Norden Bestseller 269 – Arztroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZeitenspiele: Daphnes Verwandlung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Herz gehört mir!: Der kleine Fürst 412 – Adelsroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Goldkäfer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVier Romantic Thriller - Sammelband Nr. 3: Cassiopeiapress Romance Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWer hilft der schönen Laura M.?: Notarzt Dr. Winter 60 – Arztroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWenn die Seele träumt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Mystery für Sie
Der Perfekte Fehltritt (Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt—Band Achtzehn) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Perfekte Eindruck (Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt—Band Dreizehn) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Perfekte Täuschung (Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt—Band Vierzehn) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWartet (Das Making of Riley Paige - Buch 2) Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Das Perfekte Image (Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt—Band Sechzehn) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMaigret und sein Toter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBerliner Morde: Regionalkrimi Berlin Sammelband Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Perfekte Geliebte (Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt—Band Fünfzehn) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMordsSchweiz: Krimis zum Schweizer Krimifestival Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEifel-Bullen: Ein Siggi-Baumeister-Krimi Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Maigrets Pfeife Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Freund Maigret Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Lüge eines Nachbarn (Ein Chloe Fine Suspense Psycho-Thriller − Buch 2) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Perfekte Lächeln (Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt – Band Vier) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBeobachtet (Das Making of Riley Paige - Buch 1) Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Sherlock Holmes: Ein Skandal in Böhmen und andere Krimis (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenCity on Fire: Thriller Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWeihnachten bei den Maigrets Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTotgeglaubt: Kurzkrimi aus SOKO Graz - Steiermark Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHamlet Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWenn Sie Wüsste (Ein Kate Wise Mystery – Buch 1) Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Father Brown-Krimis: Gesammelte Werke Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Dorf in den roten Wäldern: Der erste Fall für GAMACHE Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVerschwunden (ein Riley Paige Krimi—Band 1) Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Tod am Bauhaus: Norma Tanns achter Fall Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Perfekte Lüge (Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt – Band Fünf) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSherlock Holmes – Der Bund der Rothaarigen und andere Detektivgeschichten: Vollständige & Illustrierte Fassung Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Rezensionen für Die Frau mit dem anderen Ich
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Die Frau mit dem anderen Ich - Helen Perkins
Gaslicht
– 48 –
Die Frau mit dem anderen Ich
Unveröffentlichter Roman
Helen Perkins
Judith war fasziniert von den Steinen, konnte den Blick kaum noch davon abwenden. Sie drehte und wendete einen der Edelsteine in ihrer Hand, wieder und immer wieder. Dabei wurde ihr ganz merkwürdig zumute. Es verschwamm alles vor ihren Augen. Aber es war nicht so, als wenn sie nun nichts mehr gesehen hätte. Nein, im Gegenteil. Vielmehr entstanden neue Bilder. Sie sah etwas, das es hier nicht gab, das sie noch nie zuvor gesehen hatte, aber sie sah es mit bestechender Klarheit, als sei sie selbst Bestandteil des Bildes und könne alles fühlen und greifen… Und sie begann zu sprechen. Mit einer seltsam hohen, monotonen Stimme, die den Professor aufhorchen ließ…
Professor Larsen war der faszinierendste Mann, dem Judith je begegnet war. Nicht nur, daß er ungewöhnlich gut aussah mit seiner hochgewachsenen, stattlichen Gestalt und dem kühn geschnittenen, markanten Gesicht, er besaß auch eine ganz besondere Ausstrahlung, der Judith fast augenblicklich erlag.
Und das war etwas, was sie sich einfach nicht erklären konnte.
Judith Wolter war Studentin. Sie interessierte sich besonders für die spanische Sprache und alles, was mit dem spanischen Sprachraum zusammenhing. So hatte sie einen Vortrag besucht, den der norwegische Privatgelehrte Professor Erik Larsen über die Inka-Kultur hielt, über das großartige Indianer-Reich im alten Peru also, das im sechzehnten Jahrhundert von dem Spanier Pizarro zerstört wurde. Eigentlich hatte Robert Helwig, der Mann, den sie liebte und mit dem sie verlobt war, Judith zu diesem Vortrag begleiten wollen, aber er hatte in letzter Minute abgesagt. Es waren Geschäftsfreunde aus dem Ausland gekommen, und der junge Ingenieur hatte von seiner Firma den Auftrag bekommen, sich um diese Leute zu kümmern. Darum besuchte Judith also den Vortrag von Professor Larsen allein.
Ob wohl alles anders gekommen wäre, wenn Robert Helwig nicht ausgerechnet an diesem Abend keine Zeit für seine Braut gehabt hätte? Wer könnte nachträglich wohl diese Frage beantworten? Jedenfalls begannen mit diesem Tage die Ereignisse, die so grauenvoll waren, daß Judith fast daran zerbrach…
*
Das Thema des Vortrages war interessant, und der Professor wußte seine Zuhörer durch eine bilderreiche Sprache zu fesseln. Judith aber hatte das Gefühl, daß der Mann nur für sie ganz allein spräche. Sie bildete es sich gewiß nicht nur ein, daß Erik Larsen immer wieder zu ihr hinübersah. Sie saß in einer der vorderen Reihen des Hörsaales. Zunächst mochte es ein Zufall gewesen sein, daß der Vortragende seine Blicke in ihre Richtung lenkte. Doch dann tat er es immer öfter und das offenbar ganz bewußt und gezielt.
Nun war Judith an sich daran gewöhnt, daß man sie beachtete, denn sie war eine auffallende Erscheinung. Ihr schmales, ausdrucksvolles Gesicht wurde von einer Flut langer schwarzer Haare umrahmt, Haare, die wie ein undurchdringlicher Schleier wirkten, wenn sie nach vorn fielen und ihr Gesicht teilweise verhüllten.
Ihre Züge mit den großen, ein wenig mandelförmigen Augen hatten etwas Fremdes, Südländisches. Judith war ein ausgesprochen apartes Mädchen, und so war es durchaus verständlich, daß der jungen Frau mancher bewundernder Blick galt.
Doch das, was Judith in jenem Hörsaal erlebte, war etwas anderes.
Das waren nicht nur bewundernde Blicke, die sie von dem Mann am Vortragspult auffing, von diesen Blicken ging auch etwas Zwingendes aus, etwas, das sie fast willenlos machte.
Allerdings war nicht nur das merkwürdig. Normalerweise freut sich eine Frau, wenn ihr bewundernde Blicke gelten. Es macht sie stolz und manchmal auch ein bißchen glücklich. Das war bei Judith Wolter nicht anders – zumindest hatte sie bisher so reagiert.
An diesem Tag war das nicht der Fall.
Viel lieber wäre sie von diesen Blicken geflohen. Das aber konnte sie nicht.
Der Vortrag ging zu Ende, die Zuhörer spendeten Beifall und begannen schließlich, den Vortragssaal zu verlassen. Auch Judith strebte dem Ausgang zu.
Sie ging langsam, als erwarte sie noch jemanden, und auch das war eigentlich bei ihr recht ungewöhnlich.
Plötzlich ging Professor Larsen neben ihr. Judith wunderte sich nicht einmal darüber.
»Haben Ihnen meine Ausführungen gefallen?« fragte er beiläufig, so, als würden sie sich schon seit langem kennen.
»Ihr Vortrag war sehr interessant«, antwortete Judith beklommen.
»Freut mich, das von Ihnen zu hören«, sagte Professor Larsen selbstzufrieden. »Ich bin immer froh, wenn ich jungen Menschen den Blick öffnen kann für das Schöne und Erhabene einer vergangenen Kultur. Und gerade die Geschichte des Inka-Reiches gehört für mich zum Großartigsten, obwohl wir doch im Grunde ziemlich wenig darüber wissen. Ich habe übrigens eine recht interessante Sammlung darüber zusammengetragen. Möchten Sie sie sehen?«
Judith war so verblüfft, daß sie gar nicht zum Nachdenken kam. »Das würde mich schon reizen«, meinte sie nur, und das stimmte auch, denn der Vortrag war ja wirklich interessant gewesen. Sie hatte Lust, sich weiter mit der Materie zu befassen.
Nur… wie kam der Professor dazu, sie persönlich einzuladen? Er kannte sie doch überhaupt nicht!
»Also, abgemacht«, sagte Professor Larsen, der sich seiner Sache sehr sicher zu sein schien. »Ich erwarte Sie morgen gegen siebzehn Uhr in meinem Haus.«
*
»Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!« rief Marina Enders, nachdem Judith ihr die Geschichte erzählt hatte. Judith und Marina waren Freundinnen. Sie kannten sich schon seit der Schulzeit. Während Judith sich für das Studium entschieden hatte, war die hübsche blonde Marina Stewardeß geworden. Sie hatte durch ihren Beruf schon viel von der Welt gesehen, aber ein bißchen beneidete sie doch die Freundin, die in Robert Helwig bereits den Mann fürs Leben gefunden hatte und mit ihm so glücklich zu sein schien. Nicht, daß Marina eifersüchtig war, aber manchmal dachte sie doch, daß es schön wäre, wenn sie auch so einen zuverlässigen Partner fände. Die Männer, die sie bisher auf ihren Reisen kennengelernt hatte, schienen alle nur auf ein schnelles Abenteuer aus zu sein.
Marina machte sich keinen Kummer deswegen. Sie war schließlich jung, und das Leben lag noch vor ihr. Das kleine wehmütige Sehnen überkam sie nur dann, wenn sie mit Judith und Robert zusammen war und sah, daß diese beiden Menschen durch eine wunderbare Liebe vereint waren.
Darum meinte sie nun auch, die Freundin warnen zu müssen.
Doch Judith war nicht in der Stimmung, sich solche Warnungen anzuhören.
»Was, glaubst du, sei nicht mein Ernst?« fragte sie ein bißchen angriffslustig.
»Daß du dich von diesem Mann so mir nichts, dir nichts in sein Haus einladen läßt.«
»Sei nicht albern, Marina!«, wehrte Judith ab. »Du tust ja gerade so, als stecke sonstwas hinter dieser Einladung. Dieser Mann ist so alt, daß er fast mein Vater sein könnte, außerdem ist er Wissenschaftler.«
»Na und? Glaubst du, darum wäre er kein Mann?«
»Du weißt genau, was ich damit sagen will.«
»Und was, bitte sehr, willst du damit sagen?«
»Daß es sich um eine seriöse Persönlichkeit handelt. Immerhin hat er mich nicht zu nachtschlafener Zeit zu sich eingeladen, um mir seine Briefmarkensammlung zu zeigen, sondern ich soll am Nachmittag kommen, und seine Sammlung, die er mir zeigen will, interessiert mich ja wirklich.«
»Mit Speck fängt man Mäuse, meine Liebe, und ich weiß wirklich nicht, ob diese mysteriöse Sammlung nicht ein ebenso fadenscheiniger Vorwand ist, wie bei anderen Männern die Briefmarkenschätze.«
»Du hast anscheinend schon zu viele schlimme Erfahrungen gemacht, Marina«, lachte Judith nun. »Sei unbesorgt, mich erwartet bestimmt kein unangenehmes Erlebnis. Ich gebe ja zu, daß ich selbst mehr als überrascht war, von dem Professor beachtet und mit einer solchen Einladung ausgezeichnet zu werden. Aber inzwischen freue ich mich eigentlich darüber.«
»Und was sagt Robert dazu?«
»Ich habe ihn noch nicht gesehen inzwischen, also habe ich ihm auch nichts erzählt. Was sollte er auch schon dazu sagen? Immerhin betrifft die Angelegenheit ja mein Studium.«
»Na, ich weiß nicht. Mir hast du ja auch davon erzählt. Also scheint dich die