Gaslicht 1: Die Geistergaleere
Von Viola Larsen
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Gezeichnet von den wüsten Spuren einer blutigen Meuterei ankerte Anno 1798 die Galeere »Gelatea« vor der Küste Louisianas. Käptn Francis, ein großer, schwerer Mann mit eisgrauem Haar und Bart, über dessen Stirn kreuzförmig eine kaum verheilte Narbe verlief, bot auf dem Sklavenmarkt seine Ware feil. Der Bursche, der ihn so übel zugerichtet hatte, war mit einer glimpflichen Strafe davon gekommen, weil er, jung und stark, teuer zu verkaufen war. Verzweifelt streckte seine schwangere Frau die Arme nach ihm aus, als er dem Käufer übergeben wurde. »Vergiß ihn«, herrschte Käptn Francis sie an. »Dich habe ich für mich gekauft. Du gehörst jetzt mir!« Just an der gleichen Stelle sollte über zweihundert Jahre später etwas Seltsames geschehen…
Es geschah an einem schwülen Sommermorgen am Golf von Mexiko. Der durchdringende Duft der Hickoryblätter war wie eine Glocke über das kleine Fischerdorf gestülpt, das auf einer Landzunge lag, welche die Form eines Fisches hatte, weshalb das Dorf auch den Namen des Meeresfisches »Mojarra« trug.
Auf dem etwas außerhalb des Ortes in einem Wald von Hickorybäumen gelegenen Seemannsfriedhof, der »Letzter Ankerplatz« genannt wurde, herrschte erhabene Stille, bis der kleine Noel Hannath mit seinem Schubkarren angetrabt kam.
»Passe bitte auf, Noel!« mahnte seine Mutter Leslie, als der Karren über zwei Steine holperte und die Schaufel, die Gießkanne und der Eimer, mit denen der Karren beladen war, gegeneinander schepperten. »Du weißt doch, daß die Männer ihre Ruhe haben wollen!«
Noel, ein Pfiffikus von sieben Jahren, schnitt eine Grimasse. »Wenn nie was los ist, das ist doch ätzend, Mummy?«
»Nicht für die Männer!«
›Die
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Gaslicht 1 - Viola Larsen
Gaslicht
– 1 –
Die Geistergaleere
Ruhelos unterwegs – denn die Schuld fand kein Vergessen
Viola Larsen
Gezeichnet von den wüsten Spuren einer blutigen Meuterei ankerte Anno 1798 die Galeere »Gelatea« vor der Küste Louisianas. Käptn Francis, ein großer, schwerer Mann mit eisgrauem Haar und Bart, über dessen Stirn kreuzförmig eine kaum verheilte Narbe verlief, bot auf dem Sklavenmarkt seine Ware feil. Der Bursche, der ihn so übel zugerichtet hatte, war mit einer glimpflichen Strafe davon gekommen, weil er, jung und stark, teuer zu verkaufen war. Verzweifelt streckte seine schwangere Frau die Arme nach ihm aus, als er dem Käufer übergeben wurde. »Vergiß ihn«, herrschte Käptn Francis sie an. »Dich habe ich für mich gekauft. Du gehörst jetzt mir!« Just an der gleichen Stelle sollte über zweihundert Jahre später etwas Seltsames geschehen…
Es geschah an einem schwülen Sommermorgen am Golf von Mexiko. Der durchdringende Duft der Hickoryblätter war wie eine Glocke über das kleine Fischerdorf gestülpt, das auf einer Landzunge lag, welche die Form eines Fisches hatte, weshalb das Dorf auch den Namen des Meeresfisches »Mojarra« trug.
Auf dem etwas außerhalb des Ortes in einem Wald von Hickorybäumen gelegenen Seemannsfriedhof, der »Letzter Ankerplatz« genannt wurde, herrschte erhabene Stille, bis der kleine Noel Hannath mit seinem Schubkarren angetrabt kam.
»Passe bitte auf, Noel!« mahnte seine Mutter Leslie, als der Karren über zwei Steine holperte und die Schaufel, die Gießkanne und der Eimer, mit denen der Karren beladen war, gegeneinander schepperten. »Du weißt doch, daß die Männer ihre Ruhe haben wollen!«
Noel, ein Pfiffikus von sieben Jahren, schnitt eine Grimasse. »Wenn nie was los ist, das ist doch ätzend, Mummy?«
»Nicht für die Männer!«
›Die Männer‹, das waren die Seeleute, die auf dem Kirchhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Allzu viele der Gräber trugen namenlose Kreuze, andere waren mit prächtigen Monumenten geschmückt, auf denen ganze Familiengeschichten dargestellt waren, weshalb man sie im Volksmund auch ›Denkmäler‹ nannte. Die kleine, recht wohlhabende Gemeinde legte großen Wert darauf, daß alle Grabstätten gepflegt waren, denn der Seemannsfriedhof »Letzter Ankerplatz« war eine Touristenattraktion.
Mit der Gräberpflege verdiente Leslie Hannath sich ein bescheidenes Zubrot, denn es lebte sich nicht üppig von Robins Heuer. Er war Bootsmann auf einem Frachter, der unter panamesischer Flagge fuhr, und sein letzter Kartengruß war aus Schanghai gekommen.
Alle hatten Leslie davor gewarnt, Robin Hannath zu heiraten, weil er das unruhige Blut seiner frühen Vorfahren geerbt hatte und nicht seßhaft werden wollte, um sich sein Brot als Garnelenfischer oder Austernpflücker zu verdienen. Doch alle gut gemeinten Ratschläge hatten nichts gefruchtet.
Leslie und Robin waren als Nachbarskinder aufgewachsen. Robin stammte aus einer Fischerfamilie, Leslies Eltern waren Lehrer an der Dorfschule gewesen. Die Kinder waren zusammen groß geworden und ihre Liebe war mit ihnen gewachsen. Sie hatten beide ihre Eltern früh verloren und sehr jung geheiratet. Robin war von Anfang ihrer Ehe an zur See gefahren, Leslie war allein in dem alten Haus der Hannaths zurückgeblieben.
Sogar in ihrer schweren Stunde war Leslie allein gewesen. Der Junge war in einer Christnacht zur Welt gekommen, und deshalb hatte sie ihn ›Noel‹ genannt, das hieß ›der an Weihnachten Geborene‹ Seitdem wartete sie mit dem kleinen Noel zusammen, bis Robin wieder einmal heimkam, freilich nie, um lange zu bleiben.
Leslie hatte es sich bedeutend leichter vorgestellt, eine Seemannsfrau zu sein. Sie war jung und sehnte sich nach Robins Nähe, doch er war weit fort von ihr. Zuweilen ertrug sie den Trennungsschmerz, die ständige Angst um den Liebsten und das trostlose Warten auf ihn fast nicht mehr. In solchen dunklen Stunden rebellierte sie gegen ihr Schicksal, hätte am liebsten ihren Jungen genommen und wäre mit ihm auch weit fortgegangen. Nur – wohin?
»Wenn wir fertig sind, darf ich dann Pecans sammeln gehen, Mummy?« fragte Noel, während er den Schubkarren vorsichtig, um keinen Lärm zu machen, über die nächste Steinhürde balancierte. Obwohl, er wußte ja, daß die Männer schon froh darüber waren, wenn mal eine Nuß herunterfiel und ein bißchen Krach machte, hatten sie doch alle eine Menge Abenteuer erlebt und die Nasen voll von der Stille. »Also, darf ich?«
»Ja, aber nur Nüsse, die heruntergefallen sind!« erlaubte Leslie.
Das war nicht so gut. Herunter fielen natürlich die reifen Nüsse, aber die Unreifen brachten mehr Bares. Noel besserte sein mageres Taschengeld damit auf. Apako, der indianische Kneipier, zahlte einen guten Preis für die unreifen Pecans, aus denen er nach einem alten indianischen Rezept einen Likör braute, auf den die Leute ganz verrückt waren, was Noel absolut nicht verstehen konnte. Er hatte nämlich einmal heimlich von dem Likör probiert, und es war ihm speiübel geworden.
»Ich habe gesagt, nur die Pecans, die heruntergefallen sind!« wiederholte Leslie mahnend. Sie hielt die Zügel der Erziehung ziemlich straff, denn ein Junge, der vaterlos aufwuchs, brauchte wenigstens eine starke mütterliche Hand. »Ist das versprochen?«
»Ja, Mummy«, versicherte Noel treuherzig, doch insgeheim war er entschlossen, es mit diesem Versprechen nicht allzu genau zu nehmen.
Er war ein drahtiger blonder Bursche mit strahlend blauen Augen. Leslie war stolz auf ihn. Noel sah seinem Vater sehr ähnlich, auch besaß er Robins verwegenen Charme und dessen fröhliche Unbekümmertheit.
Noel hingegen bedauerte es insgeheim, daß er nicht seiner Mutter ähnlich sah, denn sie war, wie er fand, sehr schön, und das stimmte auch. Eine glatte, oberflächliche Schönheit war Leslie Hannath freilich nicht. Es war vor allem ihre Ausstrahlung, die sie so reizvoll und liebenswert machte. Sie hatte braunes Haar und hellbraune Augen. Ihre Stimme klang warm, und ihr freundliches Wesen gewann ihr die Sympathien der Menschen. Nur die wenigsten wußten, daß Leslie Hannath auch eine Rebellin sein konnte!
»Gehen wir erst zu uns, Mummy?« fragte Noel. Damit meinte er die Grabstätte der Hannaths.
»Heute, ja.«
Noel hatte es ja geahnt, weil die Schmierseife und die Bürste in dem Karren lagen, und das bedeutete, daß er Ur-Ur-Ur-Oma Talabi wieder mal die Zehen schrubben mußte, damit kein Moos darüber wucherte. Er fing fröhlich zu pfeifen an, und Leslie wehrte ihm nicht. Vielleicht hatte Noel ja recht, und die Männer langweilten sich wirklich in der eintönigen Stille zwischen den namenlosen Kreuzen und stolzen Monumenten des Kirchhofs?
Die Grabstätte der Hannaths war das prächtigste und wohl auch das ungewöhnlichste Denkmal. Es war das einzige Monument aus schwarzem Marmor und dies, so tuschelten die Leute, wohl aus gutem Grund. Die Namen der Hannaths, ihre Geburts- und Todesdaten standen in schlichter Reihenfolge nebeneinander, behütet von der Statue einer aus dem schwarzen Marmor gemeißelten, anmutigen Frauengestalt. Noel kam sie wie ein schwarzer Schmetterling vor, der davonfliegen wollte.
Eine unreife, spitze Pecannuß fiel von dem Hickorybaum herunter.
Bestürzt beobachtete Leslie, daß die Statue erschrocken zusammenzuckte, als die Nuß auf das Kindergrab zu ihren Füßen polterte. Natürlich war das eine Täuschung! Eine Marmorstatue bewegte sich nicht. Es mußte ein Schatten gewesen sein, der Leslie