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Insel im Zwielicht
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eBook182 Seiten2 Stunden

Insel im Zwielicht

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Über dieses E-Book

Die Schriftstellerin Annabel Lockhart will hinter das Geheimnis der Insel im Ärmelkanal kommen und ein Buch darüber veröffentlichen. Als Nobelhotel für die Schönen und Reichen in den 20er und 30er Jahren, als Lazarett während der Besatzungszeit, als Eliteinternat für Jungen und schließlich wiederum als Luxushotel hat das alte Herrenhaus eine bewegte Vergangenheit. Im Laufe der Jahrzehnte sind Menschen verschwunden oder ermordet worden, die später als ruhelose Geister zurückkehrten. Bei ihrer Recherche gerät Annabel mehrmals an ihre Grenzen, doch es gelingt ihr, das Puzzle größtenteils zusammenzusetzen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum2. Sept. 2016
ISBN9783738082975
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    Buchvorschau

    Insel im Zwielicht - J.B. Hagen

    PROLOG

    Sie fielen wie ein Rudel hungriger Wölfe über ihn her. In ihren Augen stand die nackte Mordlust. Endlich war die Gelegenheit gekommen, sich für die erlittene Schmach zu rächen. Die Ungerechtigkeit, den Sadismus, die brutale Gewalt. Das Schlimmste, was er ihnen angetan hatte, ließen sie gedanklich nicht zu, dafür schämten sie sich zu sehr.

    Unter normalen Umständen hätte es kein Problem für den kräftigen Mann dargestellt, sich gegen die kleine Gruppe von Halbwüchsigen zur Wehr zu setzen, aber er war mit dem Kopf aufgeschlagen, als man ihn umrannte, deshalb war er leicht benommen und schlug nur wild um sich. Doch er hatte keine Chance. Sie schlugen, traten, bissen und stachen, wo sie nur konnten.

    Nach und nach ließ seine Gegenwehr nach. Sein Kopf und sein Körper waren nur noch eine blutige Masse, und der hohe Blutverlust raubte ihm das Bewusstsein. Die Jungen waren wie im Blutrausch und konnten nicht aufhören, bis der Älteste von ihnen die grausige Aktion unterbrach, indem er aufhörte, die Hand erhob und damit Einhalt gebot.

    Plötzlich öffnete sich die Tür und es erschien ein Mann, den alle nur zu gut kannten. Einer der Jungen wollte sich mit gezücktem Messer auf ihn stürzen, doch die anderen hielten ihn zurück.

    Dann geschah das völlig Unerwartete. Ein grausames Grinsen überzog das Gesicht des älteren Mannes.

    Kapitel 1

    Das alte, etwas unheimlich wirkende Herrenhaus, das mehr einer Burg oder einem Schloss glich, lag auf einer kleinen Insel im Ärmelkanal, die nur bei Ebbe über einen Damm zu erreichen war, wenn man nicht ein Boot benutzte. Doch die schroffe Steilküste, an der es keine Anlegestelle gab, verhinderte dies weitgehend.

    Auf den Hauptinseln nannte man die Insel allgemein Castle Island. Der wahre Name, falls es jemals einen gegeben hatte, war längst in Vergessenheit geraten. Bei den Bewohnern der nächstgelegenen Gemeinden standen Insel und Herrenhaus in keinem guten Ruf. Es gehe dort nicht geheuer zu, hieß es, und man munkelte, dort seien im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Menschen verschwunden. In den Jahrzehnten, in denen das Haus als Internat genutzt wurde, sogar überwiegend Kinder.

    Keiner der Dörfler wäre damals auf den Gedanken gekommen, eines seiner Kinder dort unterzubringen. Schon aus Kostengründen nicht. Denn als sogenannte Eliteschule langte man kräftig zu. Ein Umstand, der wohlhabende Eltern aus den großen Städten der Umgebung nicht davon abhielt, ihre Kinder dort anzumelden. Im Gegenteil, ein geringerer Preis für Unterkunft, Verpflegung und vor allem das Unterrichten hätte sie nur stutzig gemacht.

    Im 13. Jahrhundert von einem Adligen für seine Geliebte erbaut, hatte das Gemäuer im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Nutzung erfahren. Es war immer wieder eine Art Lustschloss gewesen oder von Menschen bewohnt worden, die in völliger Abgeschiedenheit leben wollten, aus welchen Gründen auch immer. Lange Zeit war es sogar als Kloster genutzt worden, wovon die Ruine einer mittelalterlichen Kapelle zeugte. Bis zum heutigen Tag gab es immer wieder Berichte über Sichtungen einer Nonne, die dort herumgeisterte, und eines Seeräubers, der einst auf dem höchsten Punkt der Insel gehängt wurde und seitdem keine Ruhe fand.

    In den zwanziger und dreißiger Jahren als beliebtes Luxushotel genutzt, hatte der Bau während der deutschen Besatzung kurzzeitig als Lazarett gedient und die Insel als Militärstützpunkt. In der Nachkriegszeit waren dann Ferienwohnungen entstanden. Anfang der siebziger Jahre hatte man das mittlerweile leerstehende Gebäude in ein Internat umgewandelt, bis sich in den neunziger Jahren ein Investor gefunden hatte, dessen Traum es war, ein Hotel im Stil des Art Deko zu betreiben. Seine Akribie bei dem Heranschaffen von originalem Interieur und ebensolchen Bauelementen zahlte sich aus. Das Excelsior war inzwischen ein Geheimtipp für Liebhaber des schönen Scheins und Ruhesuchende allgemein, die es sich leisten konnten und mögliche paranormale Phänomene als den besonderen Kick empfanden.

    Annabel Lockhart gastierte schon zum wiederholten Mal im Excelsior. Sie liebte die gediegene Atmosphäre und das edle Ambiente. Finanziell war sie unabhängig, denn ihr verstorbener Mann Albert hatte ihr ein hübsches Haus und ein kleines Vermögen hinterlassen. Als Hobbyautorin schrieb sie hin und wieder Artikel für regionale Tageszeitungen und Bücher, die sie bei Nischenverlagen unterbrachte. Die Verkaufszahlen waren nicht überwältigend, doch Annabel war zufrieden. Der Gedanke, dass ihre Bücher in den Regalen fremder Menschen standen, erfüllte sie gelegentlich mit Stolz. So ganz hatte sie die Hoffnung, einmal einen Bestseller zu landen, noch nicht aufgegeben. Vielleicht gelang ihr mit einem Roman über die bewegte Geschichte von Castle Island der Durchbruch.

    Ihre Freundinnen, mit denen sie Tee trank und Handarbeiten verrichtete, belächelten sie mitunter und sorgten sich um sie, denn jede kannte Annabels Vorliebe für geheimnisvolle Orte und unaufgeklärte Verbrechen. Ihr Spitzname Jane, der von der etwas schrulligen Romanfigur Miss Marple der berühmten Agatha Christie herrührte, ärgerte sie nicht, sondern schmeichelte ihr sogar ein wenig. Schließlich zeichneten Jane Marple ein scharfer Verstand, eine gute Kombinationsgabe und jede Menge Mut aus. Einziger Unterschied zu ihrem Vorbild war, dass Annabel noch keine alte Lady war, sondern in der Blüte ihrer Jahre, wie es so schön hieß, und leider keinen Mr. Stringer an ihrer Seite hatte, der sie oft im letzten Moment aus brenzligen Situationen befreite. Auch arbeitete sie nicht mit der hiesigen Kriminalpolizei zusammen. Sie beschränkte sich darauf, ihre Recherchen und Erlebnisse in ihren Artikeln und Romanen zu verwenden. Im Excelsior war sie ein gern gesehener Gast. Womöglich hoffte man sogar darauf, einmal in einem Buch oder Artikel genannt zu werden und damit kostenlose Werbung zu erhalten.

    An diesem milden Februartag des Jahres 2016 hatte sie es so eingerichtet, dass sie am späten Nachmittag vor Ort war, denn sie wollte die Ebbe nutzen, um mit einem Taxi anzureisen. Es bestand zwar auch die Möglichkeit, bei mittlerem Hochwasser von etwa drei Metern den Fährdienst mittels eines hochbeinigen Gefährts zu nutzen, das als besondere Attraktion galt. Vom Aussehen her an einen Omnibus auf Stelzen erinnernd, befanden sich die Räder unter Wasser auf dem Damm, während Passagiere und Fahrer auf einer Plattform vor dem Meer und der starken Strömung geschützt waren. Für den Antrieb sorgte der Motor einer ehemaligen Landwirtschaftsmaschine. Die Vorgänger des musealen Amphibienfahrzeugs, das über dreißig Fahrgästen Platz bot, waren in den 20er und 30er Jahren Kettenfahrzeuge gewesen. Doch Annabel mochte nicht in luftiger Höhe wie auf einem Karussell sitzen, sondern zog den Komfort eines Taxis vor.

    Auf der Insel wurde ihre Ankunft bereits bemerkt, und ein Page eilte ihr entgegen, um das Gepäck in Empfang zu nehmen. Annabel nahm sich Zeit, die Stufen der steil ansteigenden Treppe zu erklimmen. Die alte Holzkonstruktion, die man zu Internatszeiten hermetisch verriegelt und mit Stacheldraht versehen hatte, war längst durch eine moderne Version aus Stahl und Stein ersetzt worden.

    Oben angekommen, stellte Annabel fest, dass der Weg zum Hotel in dichtem Nebel lag. Die seitlich in lockerem Abstand aufgestellten niedrigen Leuchten erinnerten mit ihrem gelben Licht an die Augen von großen Fabelwesen. Ein Umstand, der leicht unheimlich wirkte, sie aber nicht ängstigte. War sie doch gewiss, kurz darauf von der warmen Atmosphäre des Entrees empfangen zu werden. Auch stellte sie sich vor, wie die angrenzenden Wiesen ab Mai mit üppig blühenden Grasnelken und den Blüten des Frauenschuhs übersät sein würden. Die Luft würde erfüllt von Blumenduft, Vogelgezwitscher und Möwengekreische sein, und vereinzelt würde man Eier in den Nestern der Möwen oder unbeholfen herumtapsende kleine Möwen erblicken können.

    Etwas atemlos erreichte Annabel den prächtigen Empfangstresen, wo sie lächelnd von einem Mann mittleren Alters begrüßt wurde.

    »Wie schön, Milady, sie wieder bei uns begrüßen zu dürfen«, sagte er formvollendet.

    »Danke, ich freue mich, hier zu sein. Nur fürchte ich, der Nebel hat meine Frisur ruiniert. Wahrscheinlich sehe ich wie eine nasse Katze aus.«

    »Ich darf Milady versichern, dass alles in bester Ordnung ist. Kommen Sie zum Ausspannen oder steht wieder eine Recherche an, wenn ich fragen darf?«

    »Ausspannen kann ich eigentlich zu Hause. Ich habe ja nicht wirklich etwas zu tun. Nein, nein, Sie vermuten richtig. Ich recherchiere für einen neuen Roman. Das Thema möchte ich allerdings noch nicht verraten.«

    »Wie schade! Dann freuen wir uns auf das Erscheinen des Buches. Es wird garantiert einen Platz in unserer Bibliothek finden.«

    »Äußerst liebenswürdig. Aber vielleicht missfällt Ihnen das Thema?«

    »Das liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft. Ihr Gepäck ist schon aufs Zimmer gebracht worden. Kann ich sonst noch zu Diensten sein?«

    »Im Moment nicht, danke. Später werde ich meinen Tee in Ihrem bezaubernden Salon nehmen, doch zunächst packe ich erst einmal aus, damit meine Sachen nicht völlig zerknittern.«

    »Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt.«

    »Danke.«

    Die im reinsten Art-deco-Stil gestalteten und mit Originalmöbeln aus den 1930er Jahren versehenen Zimmer waren zum Teil nach den berühmten Hotelgästen benannt, die sie früher bewohnt hatten. So gab es zum Beispiel eine Noël-Coward-Suite, ein George-Gershwin-Zimmer, ein Kirk-Douglas-Zimmer und eine Beatles-Suite. Annabel wohnte natürlich im Agatha-Christie-Zimmer, was ihr jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Ihre Freundinnen Edina, Moibeal und Rhona würden sie für hoffnungslos überspannt halten, wenn sie davon erführen, deshalb behielt Annabel dieses Geheimnis wie so manch anderes für sich.

    Das elegante Zimmer wurde ganz von den Farben Grau und Rosé dominiert. Zwei der für jene Zeit typischen Clubsessel mit abgerundeten Kanten in Rosé und erdbeerfarbener Borte und ein passendes Sofa luden zum Verweilen ein. Der kleine runde Glastisch mit Chromgestell stand auf einem flauschigen Teppich mit grafischem Muster. Ein Fernsehgerät oder einen Internetanschluss suchte man vergeblich in den Zimmern. Es stand nur ein niedliches Kofferradio neben dem Sofa, das vom Stil her eher in die fünfziger Jahre passte, dachte Annabel, aber wer wollte es schon so genau nehmen? Sie freute sich schon auf das gemütliche, ausladende Bett, das von einem Baldachin aus grauer Seide gekrönt wurde. An den zartgrauen Wänden hingen mehrere Spiegel, zum Teil sogar in einer Dreierformation. Die Flure hingegen schmückten originalgetreue Gemälde, Bleistiftzeichnungen und Fotos, die an die Blütezeit des Hotels in der Vergangenheit erinnerten.

    Nachdem Annabel ihre Sachen in den schlichten Schrank aus Kirschholz gehängt hatte, räumte sie im halbhoch schwarz gekachelten Bad mit durchgehend rosa Keramik ihren kleinen Kosmetikkoffer aus und überprüfte bei dieser Gelegenheit ihr dezentes Make-up und ihre Frisur, die gegen alle Erwartung den feuchten Nebel recht gut überstanden hatte. Sich ein letztes Mal im Spiegel betrachtend, stellte sie fest, dass sie durchaus passend gekleidet war und sich unter den Hotelgästen sehen lassen konnte.

    Im Tearoom mit Kamin, in dem ein wärmendes Feuer prasselte, sah sie sich kurz um, stellte aber fest, dass sie niemanden kannte. Sie wählte einen Tisch, neben dem eine Art Ohrensessel stand, und bestellte den berühmten cream tea: frisch gebackene scones, ein kleines Gebäck aus Mehl, Eiern und Rosinen mit Schlagsahne oder aromatische Erdbeerkonfitüre als Krönung, und Earl Grey, Ceylon Blend oder Assamtee, der in einer Silberkanne gereicht wurde. Hier servierte man ihr die scones mit vanillegelber Haube und Ceylon Blend in hauchfeinem Bone China Porzellan.

    Schon nach der ersten Tasse betrat eine Lady den Raum, die ein wenig auffällig gekleidet und reichlich mit Schmuck behangen war und zielstrebig auf Annabel zusteuerte.

    »Wie schön, meine Liebe, Sie hier zu treffen!«, rief sie aus und setzte sich in einen Sessel mit weniger hoher Lehne. »Man könnte glatt meinen, wir hätten uns verabredet. Bei meinem letzten Aufenthalt habe ich Sie schmerzlich vermisst.«

    »Wie nett, dass Sie das sagen«, machte Annabel freundlich Konversation. Sie hätte nicht auf Anhieb sagen können, ob sie sich wirklich freute, Mrs. Rose Mitchell wiederzusehen. Die Lady, etwas älter als Annabel, war ziemlich gesprächig und neigte dazu, andere zu vereinnahmen. Mitunter musste man tief in die Trickkiste greifen, um sie wenigstens eine Zeitlang loszuwerden. »Sind Sie auch gerade erst angekommen?«, fragte Annabel und hoffte, die Lady würde verneinen und schon dem Ende ihres Aufenthaltes entgegensehen.

    »Nein, bereits vor drei Tagen. Aber da mich zu Hause niemand vermisst, werden wir noch eine längere Zeit gemeinsam haben. Oder wollten Sie nur für das Weekend bleiben?«

    »Nein, nein, schon etwas länger. Wie lange genau wird vom Ergebnis meiner Recherchen abhängen.«

    »Wie aufregend. Welchem Verbrechen sind Sie denn diesmal auf der Spur?«

    »Ach, keinem bestimmten«, wich Annabel

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